Elder Richard G. Scott
vom Kollegium der Zwölf Apostel (1988 – 2015)
Schon in jungen Jahren wurden Richard G. Scott und seine Brüder von ihren Eltern bestärkt, mechanische Gegenstände zu erkunden, daran herumzubasteln, ihre Funktionsweise zu erforschen, sie zu bauen und zu reparieren. Seine Eltern betrauten ihre Jungs sogar mit der Reparatur des Familienautos. Er sagt mit einem Lächeln: „Einmal steckten wir aus Jux eine Eisenbahnpfeife in den Auspuffkrümmer des Autos!“
Richard kam am 7. November 1928 in Pocatello in Idaho zur Welt, wuchs in Washington, D.C., auf und entwickelte früh Interesse an den Naturwissenschaften. Seine Eltern, Kenneth Leroy Scott und Mary Eliza, geb. Whittle, förderten dieses Interesse und hielten ihn auch dazu an, Charakterstärke zu entwickeln. Sein Vater gehörte damals nicht der Kirche an und seine Mutter war nicht aktiv. Trotzdem waren sie Menschen mit Grundsätzen und hohen sittlichen Maßstäben.
Richard war ein aufgeschlossener Junge – er war Klassensprecher, spielte Klarinette im Orchester und war Tambourmajor in der Blaskapelle. Als Teenager legte er einen beeindruckenden Abenteuergeist an den Tag, wenn es darum ging, Geld für sein Studium zu verdienen. Einen Sommer arbeitete er auf einem Austernkutter vor der Küste von Long Island. Einen anderen Sommer fällte er in Utah für den Forstdienst Bäume. Er reparierte auch Eisenbahnwaggons für die Union Pacific Railroad.
Stellen schaffen
Einmal im Sommer, als er schon etwas älter war, wurde seine Bewerbung beim Utah Parks Service abgelehnt, weil alle Stellen bereits besetzt waren. Er steckte den Brief mit der Absage ein, ohne jemandem davon zu erzählen, und fuhr nach Utah. Als er die Reise quer durch die Vereinigten Staaten hinter sich hatte, hatte er nur noch drei Cent übrig.
„Haben Sie unseren Brief denn nicht bekommen?“, fragte der Mann, bei dem er sich vorstellte.
„Doch“, erwiderte Richard Scott, „aber ich möchte trotzdem arbeiten. Haben Sie eine Stelle an der Rezeption?“ Der Mann lachte ungläubig. Richard Scott schraubte seine Erwartungen herunter und fragte: „Brauchen Sie vielleicht einen Pagen?“ Aber mehr als ein Lachen gab es auch diesmal nicht. Richard Scott schluckte die bittere Pille und machte einen letzten Vorschlag: „In Ordnung. Dann spüle ich eben Geschirr!“
„Vergessen Sie es“, sagte der Mann. „Wir haben keine einzige offene Stelle.“
Richard griff nach den drei Cent in seiner Tasche. Er war verzweifelt. „Ich spüle zwei Wochen lang das Geschirr“, sagte er, „Wenn Sie mit meiner Arbeit nicht zufrieden sind, brauchen Sie mich nicht zu bezahlen.“ Er hoffte, dadurch wenigstens einen Schlafplatz und etwas zu essen zu bekommen. Der Mann gab nach.
Richard spülte das Geschirr, doch er ging auch in die Küche, um sich dort nützlich zu machen. Am Ende des Sommers war er der Souschef, rangmäßig als Koch an zweiter Stelle.
Dies verschaffte ihm nicht nur das Geld für sein Studium, sondern half ihm auch, geistig zu wachsen. Wenn er etwas Zeit hatte, las er im Buch Mormon, dachte darüber nach und erlebte ein mächtiges spirituelles Erwachen.
Missionsdienst und Karriere
Zuhause in Washington, D.C., ging er zur George Washington University, wo er Maschinenbau studierte und in einer Jazzband Klarinette und Saxofon spielte. Als sein Abschluss näherrückte, schien seinen beruflichen Plänen nichts im Wege zu stehen. „Aber dann“, so erzählt er, „ließ der Herr meine Welt gehörig aus den Fugen geraten, denn Jeanene Watkins lief mir über den Weg.“ Jeanene, die Tochter des Senators für Utah, Arthur V. Watkins, war ein lebensfrohes Mädchen.
Ihre erblühende Freundschaft stellte ein Hindernis für Richard Scotts gründlich überlegten Karriereplan dar. Eines Abends sagte Jeanene zu ihm: „Wenn ich heirate, dann nur im Tempel und nur jemanden, der auf Mission war.“ Über eine Mission hatte er noch nicht viel nachgedacht, aber nach solchem Ansporn betete er intensiver als jemals zuvor und sprach schließlich mit seinem Bischof darüber. Kurz nach seinem Abschluss ging er nach Uruguay auf Mission. Jeanene machte im Juni darauf ihren Abschluss in Soziologie und trat am nächsten Tag ihre Mission in den Nordweststaaten der USA an. Zwei Wochen nach seiner Rückkehr heirateten sie im Tempel in Manti.
Während seiner Mission vertiefte er sich ins Buch Mormon, wodurch sein Zeugnis immer mehr gefestigt wurde. Er folgte den Beispielen christusgleichen Dienens in den Schriften und entdeckte dabei, dass er an Glauben zunahm, je mehr er sich selbst vergaß und anderen diente.
Vor seiner Mission hatte ein Professor versucht, ihn davon abzuhalten. Er verbaue sich seine vielversprechende berufliche Laufbahn, hatte dieser gemeint. Doch einige Wochen nach seiner Rückkehr aus Uruguay wurde Richard Scott zu einem Vorstellungsgespräch bei Captain (später Admiral) Hyman G. Rickover eingeladen. Dabei handelte es sich um eine Stelle bei einem streng geheimen Militärprojekt, bei dem es um Kernenergie ging.
Das Vorstellungsgespräch schien miserabel zu verlaufen. In der Antwort auf eine Frage erwähnte Richard Scott seine Mission. „Was für eine Mission?“, wollte Captain Rickover wissen. „Und was geht mich Ihre Mission an?“
Richard Scott reagierte darauf, denn seine Mission war so eine kostbare Zeit in seinem Leben gewesen. „Alles, was mir im Leben lieb und teuer ist, hat sich während dieser Mission herauskristallisiert“, erklärt er. „Deshalb beschloss ich, jede Frage mit großem Nachdruck zu beantworten.“
Dann fragte der Captain: „Was war das letzte Buch, das Sie gelesen haben?“
„Das Buch Mormon“, antwortete er. Und so ging es weiter bis zum Ende des Vorstellungsgesprächs.
Richard Scott stand auf und wollte gehen. All seine Hoffnung war erloschen.
„Einen Moment noch, bitte“, sagte der Captain. „Ich habe Sie auf die Probe gestellt, um herauszufinden, ob Sie zu dem stehen können, woran Sie glauben. Die Arbeit an diesem Projekt wird nicht leicht sein. Wir brauchen Leute, die selbstbewusst an die Arbeit gehen.“ Richard Scott bekam die Stelle und arbeitete mit an der Entwicklung des Reaktors für die Nautilus, dem ersten atomkraftbetriebenen U-Boot.
Als er später Personalunterlagen durchging, entdeckte er den Namen des Professors, der ihn gedrängt hatte, nicht auf Mission zu gehen. Dieser Mann arbeitete jetzt unter Richard Scotts Leitung, etwa drei Stufen unter ihm.
Bruder Scott arbeitete 12 Jahre für Admiral Rickover. 1955 machte er an der Oak Ridge School of Reactor Technology in Tennessee einen Abschluss, der mit einer Promotion vergleichbar ist. (Weil die Arbeit streng geheim war, konnte man keinen Universitätsabschluss vergeben.) Er wirkte auch bei der Entwicklung des ersten privatwirtschaftlichen Kernkraftwerks mit.
Ständiger Dienst in der Kirche
In dieser Zeit war Bruder Scott als Präsident eines Siebzigerkollegiums und als Pfahlsekretär tätig. Und dann wurde er 1965 im Alter von 37 Jahren als Missionspräsident in Argentinien berufen. Wieder musste er eine Entscheidung zwischen einer Mission und seiner Karriere treffen – und erneut riet man ihm eindringlich davon ab, die Missionsberufung anzunehmen. Doch wieder stand das für ihn völlig außer Frage, obwohl es bei einigen den Anschein erweckte, als setze er seine Karriere damit aufs Spiel.
Als die Scotts nach Washington, D.C., zurückkehrten, schloss Bruder Scott sich Kollegen an, mit denen er unter Admiral Rickover zusammengearbeitet hatte und die eine Beratungsfirma gegründet hatten, die auf Kernenergie spezialisiert war. Er war Ratgeber in einer Pfahlpräsidentschaft und später Regionalrepräsentant. In dieser Zeit wurde der Washington-D.C.-Tempel fertiggestellt, und Präsident Scott und seine Frau luden viele Freunde und Bekannte anlässlich der Tage der offenen Tür zu sich nach Hause ein. Ein Kollege und dessen Familie wurden getauft, ebenso eine Familie aus der Nachbarschaft.
1977 dann, acht Jahre nachdem er als Missionspräsident entlassen wurde, wurde Richard G. Scott als ins Erste Kollegium der Siebziger berufen. Ein Jahr lang war er geschäftsführender Direktor in der Priestertumsabteilung, dann Verwaltungsbevollmächtigter der Kirche in Mittelamerika. Er lebte drei der sechs Jahre, in denen er diese Aufgabe innehatte, mit seiner Familie in Mexiko-Stadt.
Am 29. September 1988 berief Präsident Ezra Taft Benson „mit unvergesslicher Liebe und großem Verständnis“ Elder Richard G. Scott als Apostel des Herrn und Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel. Zwei Tage darauf, am 1. Oktober, wurde Elder Scott in diesem Amt bestätigt.
Familienleben und Segnungen des Tempels
Elder Scott ist bei vielen Mitgliedern der Kirche dafür bekannt, welch große Zuneigung er für seine Frau zum Ausdruck bringt, die 1995 verstorben ist. Die Scotts haben gern Zeit miteinander verbracht. Sie interessierten sich beide für Jazzmusik, sammelten und hörten gern südamerikanische Volksmusik. Beide malten gern, insbesondere Aquarelle, und gingen gern wandern. Als Paar und als Familie beobachteten sie auch Vögel. „Wir haben ein Vogelhaus im Garten, und wenn die Familie draußen auf der Terrasse gemeinsam isst, haben wir immer mindestens ein Fernglas auf dem Tisch.“
Aufgrund seiner Begabung im mechanischen Bereich war Elder Scott der Handwerker der Familie. Er reparierte die Rohrleitungen, die Elektrik, die Autos und alles andere, was anfiel. Er hat eine Dachterrasse auf das Haus gebaut, in dem er derzeit wohnt, und hatte, als sie früher in einem anderen Haus wohnten, dort ein zusätzliches Wohnzimmer, ein Elternschlafzimmer und ein Bad geplant und angebaut.
In einer Ansprache, die Elder Scott am 12. September 2010 bei einer Andacht hielt, sprach er über seine Familie und wie wichtig die Segnungen des Tempels seien: „Was mir sehr dabei hilft, mir die Segnungen, die wir dank des Tempels erlangen, vor Augen zu halten, ist, dass ich meine Frau mit jedem Tag mehr liebe. …
Vor 57 Jahren – am 16. Juli 1953 – knieten meine liebe Jeanene und ich als junges Paar an einem Altar im Manti-Utah-Tempel. Präsident Lewis R. Anderson übte die Siegelungsvollmacht aus und erklärte uns zu Mann und Frau – getraut für Zeit und alle Ewigkeit. …
Meine liebe Ehefrau Jeanene hatte stets Freude am Leben, obwohl sie an einer schweren, unheilbaren Krankheit litt. …
Unsere sieben Kinder sind dank der heiligen Handlungen des Tempels an uns gebunden. … Jeanene und zwei unserer Kinder sind bereits jenseits des Schleiers. Dies ist ein starker Antrieb für jedes verbliebene Mitglied unserer Familie, so zu leben, dass wir gemeinsam all die ewigen Segnungen empfangen können, die im Tempel verheißen werden.
Ich weiß, dass ich[, wenn ich weiterhin würdig lebe,] aufgrund der ewig gültigen heiligen Handlungen, die im Manti-Tempel vollzogen wurden, einmal mit meiner schönen Frau, die ich von ganzem Herzen liebe, zusammen sein kann, ebenso mit den Kindern, die mit ihr auf der anderen Seite des Schleiers sind.“
- Lesen Sie Elder Scotts Generalkonferenzansprache, bei der er über den Einfluss seiner Frau spricht.
- Lesen Sie weitere Biografien von der Ersten Präsidentschaft und dem Kollegium der Zwölf Apostel.