“Meine Zeugen”
“Für diejenigen, denen es schwer fällt, über das Evangelium zu sprechen – und das ist bei vielen der Fall –, bieten die neu herausgebrachten Karten, mit denen man ein kostenloses Video oder Ähnliches an Freunde weitergeben kann, eine bequeme Möglichkeit, andere etwas von seinen grundlegenden Überzeugungen wissen zu lassen und ihnen zu zeigen, wie sie mehr erfahren können.”
Als der auferstandene Jesus sein irdisches Wirken beendete, gab er seinen Aposteln und denjenigen, die ihnen nachfolgten, den folgenden Auftrag, der von größter Bedeutung ist:
“Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.” 1
“Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen … und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.”2
Es ist unsere Pflicht, auf höfliche und angemessene Weise “allzeit und in allem, wo auch immer”3 Zeugen für Jesus Christus zu sein und – jeder auf seine Weise – das große Werk zu verkündigen, zu dem Christus uns berufen hat.
Sie sind schon jetzt wunderbare Missionare, bessere, als Sie vermuten, und Sie können sogar noch besser sein! Den schweren, anstrengenden 12-Stunden-Tag können wir getrost den Vollzeitmissionaren überlassen, aber warum sollen nur sie ihren Spaß haben? Auch wir haben das Recht auf einen Platz am reich gedeckten Tisch – am Zeugnis –, und glücklicherweise ist für jedes Mitglied der Kirche ein Platz reserviert.
Tatsächlich besagt ein allgemein anerkannter Grundsatz in unserer Zeit, dass letztlich keine Mission und kein Missionar ohne die liebevolle Anteilnahme und die geistige Unterstützung der Mitglieder am Ort, die in einem ausgewogenen Verhältnis mit ihnen zusammenarbeiten, Erfolg haben kann. Wenn Sie heute noch Aufzeichnungen in Stein einmeißeln würden, könnten Sie diesen Satz tief eingravieren. Ich verspreche Ihnen, dass Sie ihn nie wieder entfernen müssten. Interessenten kommen vielleicht zunächst einmal auf verschiedene Weise mit der Kirche in Kontakt, aber diejenigen, die sich wirklich taufen lassen und in der Kirche aktiv bleiben, waren größtenteils mit Mitgliedern der Kirche befreundet oder bekannt.
Vor etwas mehr als vierundzwanzig Monaten hat Präsident Gordon B. Hinckley in einer Ansprache, die über Satellit für die ganze Kirche ausgestrahlt wurde, gesagt:
“Mein Herz gehört Ihnen, den Missionaren. Sie können es nicht allein schaffen und dann auch noch gut. Sie brauchen Hilfe. Jeder von uns kann helfen… .
Nun, Brüder und Schwestern, wir können es die Missionare allein versuchen lassen, oder wir können ihnen helfen. Wenn sie es allein tun, klopfen sie an eine Tür nach der anderen, und dann ist die Ernte bescheiden. Oder wir Mitglieder helfen ihnen, Untersucher zu finden und zu unterweisen… .
Brüder und Schwestern, Sie alle dort draußen in den Gemeinden und Pfählen, in den Distrikten und Zweigen lade ich ein: Werden Sie zu einem großen Heer, das sich für dieses Werk begeistert und den alles umspannenden Wunsch hegt, den Missionaren bei ihrer gewaltigen Aufgabe zu helfen, nämlich das Evangelium zu jeder Nation, jedem Geschlecht, jeder Sprache und jedem Volk zu bringen.”4
Ich mag den Klang dieser Worte: “Ein großes Heer, das sich für dieses Werk begeistert” und “der alles umspannende Wunsch, den Missionaren zu helfen”. Lassen Sie mich einiges nennen, was wir tun können, um diesem Ruf Folge zu leisten. Sie werden erkennen, wie viel davon Sie bereits tun.
Vor allem können wir nach dem Evangelium leben. Es gibt gewiss keine machtvollere Missionsbotschaft an die Welt als das beispielhafte Leben eines liebevollen und glücklichen Heiligen der Letzten Tage. Das Verhalten, das Lächeln, die Freundlichkeit eines glaubenstreuen Mitglieds der Kirche vermitteln eine Wärme und ein Interesse, das mit keiner Missionarsbroschüre oder Videokassette ausgedrückt werden kann. Die Menschen schließen sich nicht aufgrund dessen der Kirche an, was sie wissen. Sie tun es vielmehr aufgrund ihrer Gefühle, ihrer Eindrücke und ihrer geistigen Wünsche. Der Geist unseres Zeugnisses und Glücklichseins dringt sozusagen zu anderen durch, wenn wir dies zulassen. Wie hat der Herr doch zu Alma und den Söhnen Mosias gesagt: “Geht hin …, damit ihr ihnen gutes Beispiel in mir zeigt, und ich will euch zu einem Werkzeug in meiner Hand machen, um viele Seelen zu erretten.”5
Eine junge Schwester, die gerade von ihrer Mission aus Hongkong zurückgekehrt war, erzählte mir kürzlich, dass sie und ihre Mitarbeiterin einmal eine Interessentin gefragt hätten, ob sie an Gott glaube, worauf die Frau geantwortet habe: “Ich habe nicht an Gott geglaubt, bis ich ein Mitglied Ihrer Kirche kennen gelernt und beobachtet habe, wie die Frau lebt.” Was für eine beispielhafte Missionsarbeit! Jedes Mitglied zu bitten, ein Missionar zu sein, ist nicht annähernd so entscheidend, wie alle Mitglieder darum zu bitten, treue, aktive Mitglieder zu sein! Danke dafür, dass Sie nach dem Evangelium leben.
Danke auch dafür, dass Sie für die Missionare beten. Jeder betet für die Missionare. Möge es immer so sein. Mit derselben Einstellung müssen wir auch für diejenigen beten, die sich mit den Missionaren treffen (oder sich mit ihnen treffen sollten). In Zarahemla wurde den Mitgliedern geboten, “sich im Fasten und mächtigem Beten”6 für diejenigen zu vereinen, die sich der Kirche Gottes noch nicht angeschlossen hatten. Das sollten auch wir tun.
Wir können auch täglich um eigene Missionserfahrungen beten. Bitten Sie darum, dass die Gelegenheit, die Sie sich wünschen, um missionarisch tätig zu sein, unter göttlicher Führung bereits im Herzen eines Menschen vorbereitet wird, der sich nach dem sehnt, was Sie haben, und auf der Suche danach ist. “Denn es gibt … noch immer viele auf Erden, … denen die Wahrheit nur deshalb vorenthalten ist, weil sie nicht wissen, wo sie zu finden ist.”7 Beten Sie darum, dass diese Menschen Sie finden! Und seien Sie dann wachsam, denn es gibt in der Welt sehr viele, die Hunger verspüren – nicht den Hunger nach Brot oder Durst nach Wasser, sondern nach einem Wort des Herrn.8
Wenn der Herr die Wege des Betreffenden Ihre Wege kreuzen lässt, dann reden Sie einfach über irgendetwas. Sie können nichts falsch machen. Sie brauchen keine vorgeschriebenen Missionarslektionen. Ihr Glaube, Ihr Glück, schon allein der Ausdruck in Ihrem Gesicht reicht aus, um das Interesse derjenigen zu wecken, die ein ehrliches Herz haben. Haben Sie schon einmal einer Großmutter zugehört, die von ihren Enkelkindern spricht? Genau das meine ich, vom Herumzeigen von Fotoalben einmal abgesehen. Das Evangelium kommt da nur so herausgesprudelt. Man kann es gar nicht aufhalten!
Aber vielleicht noch wichtiger als das Sprechen ist das Zuhören. Menschen sind keine leblosen Objekte, die nur dann von Wert sind, wenn sie die Taufstatistik verbessern. Es sind Kinder Gottes, unsere Brüder und Schwestern, und sie brauchen das, was wir haben. Verstellen Sie sich nicht. Reichen Sie Ihnen aufrichtig die Hand. Fragen Sie diese Freunde, was ihnen am wichtigsten ist, was sie schätzen, was ihnen am Herzen liegt. Hören Sie dann zu. Wenn Sie es für angebracht halten, können Sie fragen, wovor sie Angst haben, wonach sie sich sehnen oder was sie vermissen. Ich verspreche Ihnen, dass in etwas von dem, was sie sagen, immer eine Evangeliumswahrheit deutlich wird, von der Sie Zeugnis geben und über die Sie nach Wunsch mehr erzählen können. Elder Russell Nelson hat mir einmal gesagt, einer der ersten Grundsätze der medizinischen Untersuchung laute: “Fragen Sie den Patienten, wo es weh tut. Der Patient”, sagte er, “wird Sie am besten zur richtigen Diagnose und schließlich zur Behandlung führen.” Wenn wir liebevoll zuhören, müssen wir uns nicht fragen, was wir sagen sollen. Es wird uns eingegeben – durch den Geist und durch unsere Freunde.
Für diejenigen, denen es schwer fällt, über das Evangelium zu sprechen – und das ist bei vielen der Fall –, bieten die neu herausgebrachten Karten, mit denen man ein kostenloses Video oder Ähnliches an Freunde weitergeben kann, eine bequeme Möglichkeit, andere etwas von seinen grundlegenden Überzeugungen wissen zu lassen und ihnen zu zeigen, wie sie mehr erfahren können. Dies ist für mich zum Beispiel die bisher einfachste Möglichkeit, Menschen ein Buch Mormon anzubieten, ohne einen Rucksack voller Bücher mit mir herumschleppen zu müssen, wenn ich auf Reisen bin.
Lassen Sie mich das Tempo dieser Ansprache ein wenig beschleunigen. Es können sich noch viel mehr Mitglieder bereitmachen, auf Mission zu gehen, wenn sie das Rentenalter erreicht haben. Die älteren Ehepaare in der Missionarsschule in Provo haben auf ein Poster geschrieben: “Machen wir unsere Schlurfschritte doch ein bisschen größer.” Ich bin gerade von einer langen Reise zurückgekehrt, die mich in ein halbes Dutzend Missionen geführt hat. Wo ich in diesen Wochen auch hinkam – ich habe immer wieder ältere Ehepaare kennengelernt, die die lohnendste und bemerkenswerteste Führung anboten, die man sich vorstellen kann, und die Standhaftigkeit, Reife und Erfahrung besitzen, wie man es von einem Neunzehn- oder Zwanzigjährigen unmöglich erwarten kann. Ich habe die verschiedensten Ehepaare kennengelernt, darunter ein paar ehemalige Missions- und Tempelpräsidenten mit ihrer Frau, die in für sie völlig unbekannte Teile der Welt gekommen waren, um still und selbstlos eine zweite, dritte oder vierte Mission zu erfüllen. Ich war von jedem Einzelnen tief berührt.
Kürzlich aß ich mit Elder John Hess aus Ashton in Idaho und seiner Frau zu Mittag. “Wir sind bloß alte Kartoffelbauern”, erzählte mir John, aber genau das brauchte man in Weißrussland, das zur Mission Moskau gehört. Jahrelang lag die beste Kartoffelernte auf staatlichem Land bei fünfzig Sack pro Hektar. Wenn man bedenkt, dass man pro Hektar zweiundzwanzig Sack Saatkartoffeln benötigt, war der Ertrag in der Tat dürftig. Hier musste geholfen werden.
Bruder Hess bat um Land, das von den staatlichen Parzellen nur knapp einen Meter entfernt war, krempelte die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit, wobei er das gleiche Saatgut und Werkzeug und den gleichen Dünger verwendete wie in Weißrussland sonst auch. Zur Erntezeit begannen sie, die Kartoffeln einzusammeln, dann holten sie andere hinzu, bis sie schließlich jeden zum Helfen aufforderten. Mit der gleichen Menge an Niederschlag und der gleichen Erde, allerdings mit einer Extraportion Fleiß, Erfahrung und Gebet, erbrachten die vom Ehepaar Hess bestellten Parzellen den enormen Ertrag von fünfhundertfünfzig Sack Kartoffeln pro Hektar – damit war die Ernte elfmal größer als je zuvor auf diesem Stück Boden. Zuerst konnte keiner den Unterschied glauben. Man fragte sich, ob in der Nacht heimlich irgendwelche Arbeitstrupps gekommen seien oder ob irgendein Wundermittel verwendet worden sei. Aber es war nichts dergleichen. Bruder Hess sagte: “Wir brauchten ein Wunder, also baten wir um eins.” Jetzt, nur wenig mehr als ein Jahr später, sind die jungen Missionare in diesem Ort bei der Verkündigung weitaus erfolgreicher, weil ein “alter Kartoffelbauer” aus Idaho dem Ruf seiner Kirche gefolgt war.
Die meisten Missionarsehepaare dienen sehr viel routinemäßiger, als es hier der Fall war; sie wenden ihre Führungserfahrung in Gemeinden und Zweigen an. Der springende Punkt aber ist, dass es in diesem Werk die unterschiedlichsten Bedürfnisse gibt, und es ist eine feste Missionstradition, in jedem Alter und unter allen Umständen dem Ruf zu dienen Folge zu leisten. Kürzlich erfuhr ich von einem Missionspräsidenten, dass eine seiner Missionarinnen gegen Ende ihrer sehr engagierten und erfolgreichen Mission unter Tränen sagte, dass sie sofort nach Hause zurückkehren müsse. Als er sich erkundigte, worin das Problem bestand, sagte sie ihm, dass es für ihre Familie so schwer geworden war, das nötige Geld für ihre Mission aufzubringen, dass sie ihr Haus vermietet hatten, um sie mit den Mieteinnahmen weiterhin unterstützen zu können. Ein Lagerraum diente der Familie jetzt als Unterkunft. Wasser zapften sie mit einem Gartenschlauch von einem außen am Haus angebrachten Wasserhahn eines Nachbarn, und wenn sie zur Toilette mussten, gingen sie zu einer nahe gelegenen Tankstelle. Diese Familie – der Vater war kürzlich verstorben – war so stolz auf ihre Missionarin und besaß einen so unabhängigen Geist, dass sie es schaffte, ihre veränderte Situation vor den meisten Freunden und vor wirklich allen Führern der Kirche zu verbergen.
Nachdem die Situation bekannt geworden war, wurde veranlasst, dass die Familie umgehend wieder ihr Haus beziehen konnte. Langfristige Lösungen für ihre wirtschaftlichen Probleme wurden festgelegt und der komplette Betrag für die restliche Missionszeit der Missionarin zur Verfügung gestellt. Nachdem ihre Tränen getrocknet und ihre Ängste zerstreut waren, beendete die glaubenstreue, fleißige junge Schwester erfolgreich ihre Mission. Vor kurzem hat sie im Tempel einen wunderbaren jungen Mann geheiratet.
In unserer gesegneten Zeit verlangen wir kein so schweres Opfer, wie es die Familie dieser Missionarin gebracht hat, aber unsere Generation profitiert von früheren Generationen, die unglaublich viel opferten, um der Sache zu dienen, die wir verkündigen. Wir können uns alle ein wenig mehr anstrengen, um diese Tradition an diejenigen weiterzugeben, die uns nachfolgen.
Der Apostel Johannes fragte den Herrn, ob er über die normale Lebenszeit hinaus auf der Erde bleiben dürfe, und zwar aus dem einzigen Grund, um Menschen zu Gott zu bringen. Der Erretter gewährte ihm diesen Wunsch und sagte, dass dies ein “größeres Werk” und sogar ein edlerer “Wunsch” sei, als direkt und “schnell” in die Gegenwart des Herrn zu kommen.9
Wie alle Propheten und Apostel verstand der Prophet Joseph Smith die tiefere Bedeutung der Bitte des Johannes; dies wird an seinen folgenden Worten deutlich: “Nach allem, was gesagt worden ist, bleibt als größte und wichtigste Aufgabe, das Evangelium zu predigen.”10 Ich gebe Zeugnis von diesem Evangelium, und von Jesus Christus, der es verkörpert. Ich bezeuge, dass “die Seelen … großen Wert in den Augen Gottes” haben11 und dass das Kernstück seiner Arbeit und seiner Herrlichkeit eben darin besteht, dass die Menschen durch das erlösende Sühnopfer seines geliebten Sohnes errettet werden.12 Im Rahmen dieser Arbeit schließe ich mich dem Zeugnis des Jeremia an, dass diese letzte große missionarische Botschaft an das heutige Volk Israel letzten Endes ein größeres Wunder darstellen wird als die Überquerung des Roten Meeres durch die Israeliten im Altertum.13 Ich bete darum, dass wir mutig und begeistert das Wunder dieser Botschaft verbreiten mögen. Im heiligen Namen Jesu Christi, amen.