Die Freude am Priestertum
Nehmen wir das Wunderbare und Vorzügliche am Priestertum an und machen wir es uns bewusst. Nehmen wir die Aufgaben an, die uns anvertraut werden, und finden wir Gefallen an ihnen.
Die Freude am Fliegen
Vor vielen Jahren beschlossen ein paar befreundete Flugkapitäne und ich, uns einen Kindheitstraum zu erfüllen und ein altes Flugzeug zu restaurieren. Gemeinsam erwarben wir eine ramponierte Piper Cub, Baujahr 1938, und begannen, sie so gut wie möglich wieder in ihre alte Form zu bringen. Es war eine Herzensangelegenheit. Mir bedeutete es sehr viel, weil ich als junger Mann in einem ähnlichen Flugzeug fliegen gelernt hatte.
Die Modelle dieses Typs wurden gerade einmal 35 Jahre nach dem berühmten Erstflug der Brüder Wright hergestellt. Allein bei dem Gedanken daran fühle ich mich sehr alt.
Der Motor der Piper Cub hatte noch keinen elektrischen Anlasser. Während man vom Cockpit aus den Kraftstoff vorpumpte, musste jemand anders am Boden nach einem Propellerblatt greifen und ihm kräftig Schwung geben, bis der Motor ansprang und von alleine weiterlief. Jeder Startvorgang hatte etwas Aufregendes und Tollkühnes an sich.
Sobald das Flugzeug abgehoben hatte, merkte man, dass Schnelligkeit nicht Sache der Piper Cub war. Ja, bei starkem Gegenwind hatte man das Gefühl, man komme überhaupt nicht vom Fleck. Ich weiß noch, wie ich mit meinem heranwachsenden Sohn Guido über die Autobahn flog und wir feststellen mussten, dass die Autos unten uns zügig überholten.
Aber ich liebte dieses kleine Flugzeug! Dies war eine einmalige Art, das Wunderbare und Schöne am Fliegen zu erleben. Man konnte hören, fühlen, riechen, schmecken und sehen, was es mit der Fliegerei auf sich hat. Die Brüder Wright drückten es so aus: „Nichts ist der Freude des Fliegers vergleichbar, der sich auf großen, weißen Schwingen durch die Lüfte tragen lässt.“1
Dieses Jahr war es mir vergönnt, in einem hochmodernen F-18-Kampfflugzeug mit den weltberühmten Blue Angels mitzufliegen, der Kunstflugstaffel der US-Marine. Es war wie eine Rückkehr in die Vergangenheit, weil ich fast auf den Tag genau 50 Jahre zuvor bei der Luftwaffe meine Ausbildung zum Kampfpiloten abgeschlossen hatte.
Das Flugerlebnis in der F-18 war natürlich ein ganz anderes als das in der Piper Cub. Da konnte ich das Schöne am Fliegen noch viel dynamischer erleben. Es war, als fänden die bestehenden Gesetze der Aerodynamik eine noch vollkommenere Anwendung. Doch der Flug mit den Blue Angels machte mir auch schnell wieder bewusst, dass die Kampffliegerei eine Sache für junge Leute ist. Um noch einmal die Brüder Wright zu zitieren: „Mehr als alles andere empfindet man beim Fliegen einen vollkommenen Frieden, gemischt mit einer Erregung, bei der jeder Nerv bis aufs Äußerste angespannt ist.“2 Außerdem schien der Flug mit den Blue Angels dafür zu sprechen, dass es wohl noch andere Engel oder „Angels“ gibt, die einen umgeben und emportragen.
Würde man mich fragen, welches dieser beiden Flugerlebnisse mir mehr gefallen hat, wüsste ich nicht, was ich sagen sollte. In mancherlei Hinsicht unterschieden sie sich, gelinde gesagt, ganz erheblich. Doch andererseits waren sie sich wiederum ziemlich ähnlich.
Sowohl in der Piper Cub als auch in der F-18 fand ich das Fliegen aufregend, schön und erfreulich. In beiden spürte ich den Ruf des Dichters, „den zähen Fesseln der Erde [zu entkommen] und auf silbrigen Schwingen fröhlich durch die Lüfte [zu tanzen]“.3
Das Priestertum ist überall dasselbe
Sie fragen sich vielleicht, was diese beiden völlig unterschiedlichen Flugerlebnisse mit unserer heutigen Versammlung zu tun haben oder mit dem Priestertum, das wir tragen dürfen, oder dem Dienen im Priestertum, dem wir alle so gern nachgehen.
Brüder, unterscheiden sich unsere Erlebnisse beim Dienen im Priestertum nicht alle sehr voneinander? Man könnte sagen, einige von Ihnen fliegen eine F-18 und andere eine Piper Cub. Einige von Ihnen leben in einer Gemeinde oder einem Pfahl, wo jeder Posten vom Assistenten des Hohepriestergruppenleiters bis zum Sekretär im Diakonskollegium mit einem aktiven Priestertumsträger besetzt ist. Sie genießen den Vorzug, in einer Gemeinde mitzuwirken, die personell gut ausgestattet ist.
Andere wiederum leben in einem Gebiet der Erde, wo es nur ein kleines Häuflein Mitglieder der Kirche und Priestertumsträger gibt. Sie kommen sich vielleicht verlassen vor und sind bedrückt von der Last all dessen, was zu tun ist. Unter Umständen müssen Sie sehr oft persönlich Hand anlegen, um den Motor für das Dienen im Priestertum zu starten. Manchmal mag es sogar so scheinen, als bewege sich Ihre Gemeinde oder Ihr Zweig überhaupt nicht vom Fleck.
Doch wie Ihre Aufgaben und die Verhältnisse auch aussehen mögen – Sie wissen so gut wie ich, dass einem das eifrige Dienen im Priestertum immer eine ganz besondere Freude bereitet.
Ich bin immer sehr gern geflogen, ob in einer Piper Cub, einer F-18 oder in anderen Flugzeugen. Als ich in der Piper Cub saß, habe ich mich nicht über die mangelnde Geschwindigkeit beklagt; als ich in der F-18 saß, habe ich mich nicht beschwert, wenn mich die Kunstflugmanöver gnadenlos mein fortgeschrittenes Alter spüren ließen.
Ja, es gibt in jeder Situation etwas, was nicht vollkommen ist. Ja, man findet immer etwas, worüber man sich beklagen könnte.
Aber Brüder: Wir tragen das heilige Priestertum nach der Ordnung des Sohnes Gottes! Einem jeden von uns sind Hände aufgelegt worden, und wir alle haben das Priestertum Gottes empfangen. Uns wurden die Vollmacht und der Auftrag erteilt, als Gottes Diener auf Erden in seinem Namen zu handeln. Ob in einer großen Gemeinde oder einem kleinen Zweig, wir werden berufen, zu dienen, Segen zu spenden und in allem zum Wohle der Menschen und Angelegenheiten zu handeln, die uns anvertraut sind. Was könnte einem noch größere Freude bereiten?
Mögen wir verstehen, was das Dienen im Priestertum bedeutet, dankbar dafür sein und Freude daran haben.
Die Freude am Priestertum
Meine Liebe zur Fliegerei hat meinem ganzen Leben die Richtung vorgegeben. Doch so erfrischend und beglückend meine Erlebnisse als Pilot auch waren – meine Erlebnisse als Mitglied dieser Kirche waren und sind noch viel tiefgreifender, freudevoller und nachhaltiger. Wenn ich mich in meine Aufgaben in der Kirche vertieft habe, habe ich die Allmacht Gottes ebenso verspürt wie seine liebevolle Barmherzigkeit.
Als Pilot habe ich die Wolken am Himmel durchflogen. Als Mitglied der Kirche habe ich gespürt, wie die Segnungen des Himmels uns berühren.
Ab und zu vermisse ich es, in einem Cockpit zu sitzen. Doch wenn ich neben meinen Brüdern und Schwestern in der Kirche diene, wird dies ganz leicht wieder wettgemacht. Dass ich den erhabenen Frieden und die Freude empfinden kann, die daher rühren, dass ich ein kleines Rädchen in dieser großen Sache und diesem großen Werk bin – darauf würde ich um nichts auf der Welt verzichten wollen.
Wir sind heute als eine mächtige Priesterschaft versammelt. Wir genießen die heilige Freude und den Vorzug, dem Herrn und unseren Mitmenschen zu dienen und das Beste in uns der hehren Aufgabe zu widmen, andere aufzurichten und das Reich Gottes aufzubauen.
Wir wissen und verstehen, dass das Priestertum die ewige Macht und Vollmacht Gottes ist. Wir können diese Definition leicht aus dem Gedächtnis abrufen. Aber begreifen wir wirklich, was diese Worte bedeuten? Ich wiederhole: Das Priestertum ist die ewige Macht und Vollmacht Gottes.
Denken Sie darüber nach. Durch das Priestertum erschuf Gott Himmel und Erde und herrscht er darüber.
Durch diese Macht erlöst und erhöht er seine Kinder und bringt so „die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen“4 zustande.
Das Priestertum ist, wie der Prophet Joseph Smith erklärt hat, „der Kanal, über den der Allmächtige begonnen hat, am Anfang der Erschaffung dieser Erde seine Herrlichkeit zu offenbaren, und über den er sich den Menschenkindern bis zur gegenwärtigen Zeit weiter offenbart hat, und über den er seine Absichten bis ans Ende der Zeit kundtun wird“5.
Unser allmächtiger Vater im Himmel hat uns die Vollmacht im Priestertum anvertraut – uns sterblichen Wesen, die wir laut Definition mangelhaft und unvollkommen sind. Er gewährt uns die Vollmacht, zur Errettung seiner Kinder in seinem Namen zu handeln. Durch diese wunderbare Macht sind wir befugt, das Evangelium zu verkünden, die heiligen Handlungen der Errettung vorzunehmen, beim Aufbau des Reiches Gottes auf Erden mitzuhelfen und unserer Familie und unseren Mitmenschen ein Segen zu sein und ihnen zu dienen.
Es steht allen offen
Das Priestertum, das wir tragen, ist heilig.
Dieses Priestertum, mit allen Aufgaben, die dazugehören, kann man nicht kaufen, man kann ihm nicht gebieten. Der Gebrauch der Priestertumsmacht lässt sich durch Stellung, Reichtum oder Einfluss weder beeinflussen noch beherrschen noch erzwingen. Es ist eine geistige Macht, die einem himmlischen Gesetz gehorcht. Das Priestertum geht von unserem großen Vater im Himmel aus. Seine Macht kann nur nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit beherrscht und gebraucht werden6, nicht nach denen der Selbstgerechtigkeit.
Christus ist die Quelle jeder wahren Vollmacht und Macht im Priestertum auf Erden.7 Dies ist sein Werk, in dem mitzuhelfen wir die Ehre haben. „Und niemand kann bei diesem Werk helfen, wenn er nicht demütig und voller Liebe ist und Glauben, Hoffnung und Nächstenliebe hat und in allem, was auch immer seiner Obhut anvertraut wird, maßvoll ist.“8
Wir tun nichts, um uns persönlich zu bereichern, sondern wollen anderen dienen und sie aufrichten. Wir führen nicht mit Gewalt, sondern mit überzeugender Rede, Langmut, Milde und Sanftmut und mit ungeheuchelter Liebe.9
Das Priestertum des allmächtigen Gottes steht allen würdigen Männern offen, wo sie auch sein mögen – ganz gleich, von wem sie abstammen, ganz gleich, aus welch bescheidenen Verhältnissen sie kommen, ob aus der Nähe oder den entferntesten Winkeln der Erde. Es steht jedem offen, doch nicht für Geld und das, was die Welt zu bieten hat. Um die Worte des Propheten Jesaja aufzugreifen: Jeder, der Durst hat, kann zum Wasser kommen, und niemand braucht Geld, um zu kommen und zu essen!10
Wegen des ewigen und unergründlichen Sühnopfers unseres Erretters Jesus Christus kann das Priestertum Gottes einem selbst dann offenstehen, wenn man in der Vergangenheit gestrauchelt ist oder unwürdig war. Durch die geistige Läuterung und Reinigung im Zuge der Umkehr können wir uns erheben und unser Licht leuchten lassen!11 Wegen der grenzenlosen, vergebungsbereiten Liebe unseres Erretters und Erlösers können wir emporblicken, rein und würdig werden und uns zu rechtschaffenen und vortrefflichen Söhnen Gottes entwickeln – zu würdigen Trägern des allerheiligsten Priestertums des allmächtigen Gottes.
Das Wunderbare und Vorzügliche am Priestertum
Ich bin ein wenig bekümmert über diejenigen, die das Wunderbare und Vorzügliche am Priestertum nicht erfassen und nicht schätzen. Sie verhalten sich wie Flugpassagiere, die sich die ganze Zeit über die Größe von Erdnusspäckchen aufregen, während sie hoch über den Wolken durch die Lüfte ziehen – etwas, wofür die Könige im Altertum all ihre Habe hergegeben hätten, wenn sie es nur einmal erlebt hätten!
Brüder, es ist ein Segen, dass wir an der großen Vollmacht und Macht des Priestertums so einfach teilhaben dürfen. Blicken wir empor und sehen wir diese Gelegenheit als das an, was sie wirklich ist; erkennen wir sie, nehmen wir sie an.
Durch rechtschaffenes, liebevolles und unermüdliches Dienen im Priestertum wird es uns gelingen, die wahre Bedeutung der Offenbarung zu erfahren, die da lautet: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“12
Nehmen wir das Wunderbare und Vorzügliche am Priestertum an und machen wir es uns bewusst. Nehmen wir die Aufgaben an, die uns anvertraut werden, und finden wir Gefallen an ihnen – Aufgaben bei uns daheim und in den Einheiten der Kirche, wie groß oder klein sie auch sein mögen. Nehmen wir immerfort an Rechtschaffenheit zu, engagieren wir uns noch mehr, dienen wir noch mehr im Priestertum. Finden wir Freude daran, im Priestertum zu dienen!
Das geht am besten mithilfe der Grundsätze Erkenntnis, Gehorsam und Glaube.
Soll heißen: Wir müssen die Lehre des Priestertums, wie sie im offenbarten Wort Gottes zutage tritt, kennen und verinnerlichen. Es ist wichtig, dass wir die Bündnisse und Gebote verstehen, nach denen das Priestertum in die Tat umgesetzt wird.13
Dann wollen wir klug sein und stets gewissenhaft nach der Erkenntnis handeln, die wir erlangt haben. Wenn wir Gottes Gesetze befolgen, unseren Verstand und unseren Körper zügeln und unser Handeln mit dem rechtschaffenen Muster in Einklang bringen, das uns von den Propheten dargelegt wurde, werden wir erfahren, wie viel Freude das Dienen im Priestertum macht.
Und vertiefen wir zu guter Letzt den Glauben an unseren Herrn, Jesus Christus. Nehmen wir seinen Namen auf uns und verpflichten wir uns wirklich jeden Tag aufs Neue, den Weg eines Jüngers zu beschreiten. Möge durch unsere Werke unser Glaube vollkommen werden.14 In der Nachfolge Christi können wir Schritt für Schritt ihm näherkommen, indem wir unserer Familie, unseren Mitmenschen und Gott dienen.
Wenn wir mit ganzem Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft im Priestertum dienen, sind uns erhabene Erkenntnisse, Friede und geistige Gaben verheißen. Wenn wir dem heiligen Priestertum die Ehre erweisen, wird Gott uns die Ehre erweisen und wir werden am letzten Tag ohne Tadel vor ihm stehen.15
Dass wir stets ein offenes Auge und ein empfindsames Herz für das Wunderbare und die Freude am Priestertum unseres großen und mächtigen Gottes haben mögen, dafür bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.