2010–2019
In Gott verbleiben und Risse ausbessern
Herbst-Generalkonferenz 2017


13:41

In Gott verbleiben und Risse ausbessern

Christus besitzt die Macht, uns zu einer liebevollen Gemeinschaft mit dem Vater und miteinander zu verhelfen.

Wir müssen beständig unsere Erkenntnis vom Vater im Himmel und unseren Gehorsam ihm gegenüber vertiefen. Unsere Beziehung zu ihm ist ewig. Wir sind seine geliebten Kinder – das wird sich niemals ändern. Wie nehmen wir nun seine Aufforderung, uns ihm zu nahen, von ganzem Herzen an und erfreuen uns dadurch der Segnungen, die er uns in diesem Leben und in der künftigen Welt gerne schenken möchte?

Der Herr hat dem alten Volk Israel etwas gesagt, was er auch uns sagt: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt.“ Er spricht für den Vater und sagt weiter: „Du wirst in mir verbleiben und ich in dir; darum wandle mit mir!“ Vertrauen wir ihm genug, um in ihm zu verbleiben und mit ihm zu wandeln?

Wir sind hier auf der Erde, um zu lernen und Fortschritt zu machen. Die wichtigsten Lernerfolge und Fortschritte ergeben sich aus unserer auf Bündnissen beruhenden Verbindung zum Vater im Himmel und zu Jesus Christus. Wenn wir diese Beziehung zu ihnen getreulich pflegen, erwachsen daraus göttliches Wissen, Liebe, Kraft und die Fähigkeit, zu dienen.

„Wir sind dazu verpflichtet, alles in Erfahrung zu bringen, was Gott über sich selbst offenbart hat.“ Wir müssen begreifen, dass Gottvater seinen Sohn Jesus Christus angewiesen hat, die Erde für unser Wachstum zu erschaffen, dass der Vater im Himmel seinen Sohn hingab, um die Forderungen der Gerechtigkeit für unsere Errettung zu erfüllen, und dass die Macht des Vaters, die sich im Priestertum zeigt, und die wahre Kirche des Sohnes samt der erforderlichen heiligen Handlungen zu unserem Segen wiederhergestellt wurden. Spüren Sie, welch große Liebe sie in die Vorbereitungen investiert haben, die zu unserer Freude und unserem Wachstum führen? Wir müssen wissen: Der Erlösungsplan des himmlischen Vaters besteht darin, dass wir die Gesetze und Verordnungen des Evangeliums befolgen und ewiges Leben erlangen und somit so werden wie Gott. Darin besteht das wahre und dauerhafte Glück, das der Vater im Himmel uns anbietet. Es gibt kein anderes wahres und dauerhaftes Glück.

Die Anforderungen, die sich uns stellen, bringen uns zuweilen von diesem Weg zum Glück ab. Wir können die vertrauensvolle Verbindung zu Gott verlieren, wenn wir uns von Prüfungen ablenken lassen, anstatt uns auf die Knie zu begeben.

Ein einfacher Reim spornt uns an, unsere Prioritäten zu überprüfen:

Manches zählt und manches nicht.

Einiges hält, das meiste bricht.

Schwestern, was zählt für Sie? Was hält und bleibt? Für den Vater ist es von bleibendem Wert, dass wir von ihm lernen, uns demütigen und durch unsere Erfahrungen auf der Erde ihm gegenüber gehorsamer werden. Er möchte, dass wir unsere Selbstsucht in Hilfsbereitschaft, unsere Ängste in Glauben wandeln. Solch dauerhafte Anstrengungen können uns auf Herz und Nieren prüfen.

Jetzt nämlich, wo uns die Einschränkungen des Erdenlebens auferlegt sind, trägt uns der Vater auf, Liebe zu zeigen, wenn es am schwierigsten ist, anderen zu dienen, wenn es unbequem ist, und zu vergeben, wenn es uns alles abverlangt. Wie geht das? Wie schaffen wir das? Wir bemühen uns aufrichtig und im Namen des Sohnes um die Hilfe des himmlischen Vaters und handeln auf seine Weise, anstatt stolz auf unserem Willen zu beharren.

Wasserkrug

Mir ging auf, wie stolz ich war, als Präsident Ezra Taft Benson darüber sprach, dass man das Gefäß innen säubern muss. Ich stellte mir vor, ich wäre ein Krug. Wie konnte ich die Ablagerungen des Stolzes aus meinem Krug entfernen? Sich aus sich selbst heraus zur Demut zwingen und dazu bringen wollen, jemand anderen zu lieben, ist unaufrichtig und sinnlos. Es funktioniert einfach nicht. Unsere Sünden und unser Stolz verursachen einen Riss, eine Kluft zwischen uns und der Quelle jeglicher Liebe: dem Vater im Himmel.

Nur das Sühnopfer des Erretters kann uns von unseren Sünden reinigen und diese Kluft, den Riss, schließen.

Wir möchten ja von den Armen der Liebe und der Führung des himmlischen Vaters umschlossen sein. Daher stellen wir seinen Willen an die erste Stelle und flehen mit reuigem Herzen, Christus möge Ströme reinigenden Wassers in unseren Krug gießen. Am Anfang fließt das Wasser vielleicht nur tröpfchenweise, aber wenn wir suchen, bitten und gehorchen, strömt es im Übermaß. Nach und nach erfüllt uns dieses lebendige Wasser, und wenn wir von der Liebe Christi ganz erfüllt sind, können wir unseren Seelenkrug neigen und das, was darin ist, denjenigen zukommen lassen, die nach Heilung, Hoffnung und Gemeinschaft dürsten. Wenn unser Krug innen rein wird, beginnt die Heilung unserer irdischen Beziehungen.

Wir müssen unsere eigenen Wünsche und Ziele auf den Opferaltar legen und für die ewigen Pläne Gottes Platz schaffen. Der Erretter, der für den Vater spricht, bittet uns inständig: „Naht euch mir, und ich werde mich euch nahen.“ Sich dem Vater nahen kann bedeuten, dass wir von seiner Wahrheit Kenntnis erhalten, indem wir die heiligen Schriften lesen, prophetischem Rat folgen und danach streben, seinen Willen noch besser in die Tat umzusetzen.

Begreifen wir, dass Christus die Macht besitzt, uns zu einer liebevollen Gemeinschaft mit dem Vater und miteinander zu verhelfen? Durch die Macht des Heiligen Geistes kann er uns in unseren Beziehungen das notwendige Verständnis füreinander geben.

Ein PV-Lehrer erzählte mir einmal von einem beeindruckenden Erlebnis mit einer Klasse elfjähriger Jungen. Einer von ihnen, nennen wir ihn Jimmy, war ein Einzelgänger, der im Unterricht fast nie mitmachte. Eines Sonntags fühlte sich der Lehrer gedrängt, den Unterrichtsstoff einmal beiseitezulassen und der Klasse zu erzählen, warum er Jimmy gern hatte. Er sprach über seine Dankbarkeit und seinen Glauben an diesen Jungen. Dann bat der Lehrer die anderen Schüler, Jimmy zu sagen, was sie an ihm schätzten. Als die Schüler der Reihe nach Jimmy erzählten, warum er in ihren Augen ein besonderer Mensch war, senkte der Junge den Kopf. Tränen kullerten ihm die Wangen hinunter. Dieser Lehrer und seine Klasse hatten eine Brücke zu Jimmys einsamem Herzen gebaut. Schlichte Liebe, in ehrliche Worte gefasst, schenkt anderen Hoffnung und zeigt ihnen, dass sie wertvoll sind. Ich nenne das „Risse ausbessern“ oder „die Kluft überwinden“.

Vielleicht hat unser Leben in einer liebevollen, vorirdischen Welt unsere Sehnsucht nach wahrer, beständiger Liebe hier auf der Erde geweckt. Gott hat es so vorgesehen, dass wir Liebe geben und empfangen sollen, und die größte Liebe entsteht, wenn wir mit Gott eins sind. Im Buch Mormon werden wir aufgefordert, uns „mit [Gott] durch das Sühnopfer Christi [zu versöhnen]“.

Jesaja erklärt, wer treu das Gesetz des Fastens befolgt, werde für seine Nachkommen wie ein „Maurer, der die Risse ausbessert“. Dies seien diejenigen, verheißt Jesaja, die „die uralten Trümmerstätten wieder auf[bauen]“. Auf ähnliche Weise hat der Erretter die Risse – oder die Distanz – zwischen uns und dem Vater im Himmel ausgebessert. Durch sein großes Sühnopfer öffnet er uns den Weg, Gottes liebevolle Macht in Anspruch zu nehmen. Dies versetzt uns in die Lage, die „Trümmerstätten“ in unserem eigenen Leben wieder aufzubauen. Um die emotionale Distanz zwischen uns zu überwinden, müssen wir die Liebe Gottes annehmen und zudem unsere natürlichen, selbstsüchtigen Neigungen und Ängste auf den Opferaltar legen.

An einem denkwürdigen Abend waren eine Verwandte und ich in einer politischen Frage unterschiedlicher Ansicht. Barsch und gründlich zerpflückte sie meine Argumente und bewies mir in Hörweite anderer Familienmitglieder, dass ich völlig falschlag. Ich fühlte mich dumm und unwissend – und wahrscheinlich war ich das auch. Als ich mich abends zum Beten niederkniete, erzählte ich dem Vater im Himmel erst einmal, wie schwierig diese Verwandte war. Ich redete immer weiter. Vermutlich hielt ich während meinem Gejammer kurz inne und gab dem Heiligen Geist die Chance, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen, denn zu meiner Überraschung hörte ich mich selbst sagen: „Du möchtest wahrscheinlich, dass ich sie liebhabe.“ Sie liebhaben? Ich betete weiter und fragte etwas wie: „Wie kann ich sie denn liebhaben? Eigentlich mag ich sie nicht einmal. Mein Herz ist verschlossen, meine Gefühle sind verletzt. Ich schaffe das nicht.“

Dann hatte ich einen neuen Gedanken – und ich bin sicher, dass das dem Geist zu verdanken war: „Du liebst sie doch, Vater im Himmel. Kannst du mir einen Teil deiner Liebe für sie abgeben, damit ich sie auch liebhaben kann?“ Meine bitteren Gefühle wurden gelindert, eine Herzenswandlung begann, und ich sah meine Verwandte mit anderen Augen. Ich begann, ihren wahren Wert wahrzunehmen, den der Vater im Himmel sieht. Jesaja schreibt, dass der Herr die Leiden seines Volkes heilen und seine Wunden verbinden wird.

Mit der Zeit schloss sich die Kluft zwischen uns glücklicherweise. Doch selbst wenn sie meine Herzenswandlung nicht angenommen hätte, hatte ich eines gelernt: Der Vater im Himmel hilft uns, selbst diejenigen zu lieben, die wir für nicht liebenswert halten – wenn wir seinen Beistand erflehen. Das Sühnopfer des Erretters ist ein Kanal, durch den die Nächstenliebe von unserem Vater im Himmel beständig fließt. Wir müssen uns entscheiden, in dieser Liebe zu verbleiben, damit wir für jeden Nächstenliebe haben können.

Wenn wir dem Vater und dem Sohn unser Herz geben, verändern wir unsere Welt – selbst wenn sich unsere Lebensumstände nicht ändern. Wir kommen dem Vater im Himmel näher und spüren, wie er unsere Bemühungen, wahre Jüngerinnen Christi zu sein, liebevoll annimmt. Unser Urteilsvermögen, unsere Zuversicht und unser Glaube nehmen zu.

Mormon fordert uns auf, mit der ganzen Kraft des Herzens um diese Liebe zu beten. Dann wird sie uns zuteil, direkt von der Quelle: dem Vater im Himmel. Nur dann können wir es schaffen, Risse in irdischen Beziehungen auszubessern.

Die unendliche Liebe unseres Vaters strömt uns entgegen, um uns in seine Herrlichkeit und Freude zurückzubringen. Er hat seinen einziggezeugten Sohn Jesus Christus hingegeben, um die tiefe Kluft zwischen uns und ihm zu schließen. Das Wiedersehen mit dem Vater im Himmel ist das Kernstück dauerhafter Liebe und ewiger Bestimmung. Wir müssen die Verbindung zu ihm jetzt aufbauen, um zu wissen, was wirklich zählt, um zu lieben, wie er liebt, und um so zu werden, wie er ist. Ich bezeuge, dass unsere treue Beziehung zum Vater im Himmel und zum Erretter für sie und für uns von ewiger Bedeutung ist. Im Namen Jesu Christi. Amen.