2010–2019
Göttliche Vorsehung
Herbst-Generalkonferenz 2017


14:51

Göttliche Vorsehung

Sie werden von der Hand des Herrn geführt. Mit „göttlicher Vorsehung“ hat er jede noch so kleine Einzelheit Ihres Lebens und auch die großen Meilensteine im Blick.

Brüder und Schwestern, ich stehe hier bei dieser inspirierenden, weltweit ausgestrahlten Generalkonferenz und spüre Ihre Kraft und Ihren Geist und muss an die Worte des Apostels Petrus denken: „[Herr], es ist gut, dass wir hier sind.“

Das ist nicht ganz das, was Alma sagte, nachdem er dem Volk in Ammoniha gepredigt hatte. Alma verließ die Stadt wegen der Schlechtigkeit des Volkes. Bald darauf erschien ihm ein Engel und hieß ihn, „in die Stadt Ammoniha zurück[zu]kehren und dem Volk der Stadt abermals [zu] predigen“.

Alma kam dem „schnell“ nach und „betrat die Stadt auf einem anderen Weg“.

„Als er die Stadt betrat, war er hungrig, und er sprach zu einem Mann: Willst du einem demütigen Knecht Gottes etwas zu essen geben?

Und der Mann sprach zu ihm: Ich bin ein Nephit, und ich weiß, dass du ein heiliger Prophet Gottes bist, denn du bist der Mann, von dem ein Engel in einer Vision gesagt hat: Den sollst du aufnehmen.“

Dieser Mann war Amulek.

Traf Alma denn ganz zufällig auf Amulek? Nein, es war kein Zufall, dass er gerade auf dem Weg in die Stadt zurückging, der ihn zu diesem gläubigen Mann führte, der sein Mitarbeiter auf Mission werden sollte.

Elder Neal A. Maxwell hat einmal erklärt: „Keiner von uns nutzt je gänzlich die vielen Gelegenheiten, die sich aus der Begegnung mit Menschen in unserem Bekanntenkreis bieten. Sie und ich mögen es ‚Zufall‘ nennen, wenn unsere Wege die eines anderen kreuzen. Es ist verständlich, dass Sterbliche dieses Wort verwenden, doch das Wort Zufall taugt nicht für eine angemessene Beschreibung des Wirkens eines allwissenden Gottes. Nichts, was er tut, ist ‚Zufall‘, sondern ‚göttliche Vorsehung‘.“

Unser Leben ähnelt einem Schachbrett und der Herr bewegt uns von einem Feld zum anderen – sofern wir auf geistige Eingebungen hören. Wenn wir zurückblicken, erkennen wir seine Hand in unserem Leben.

Wir können diese Art göttliche Intervention bei der Begebenheit erkennen, als Nephi zurückkehrte, um die Platten von Laban zu bekommen. Er „wurde vom Geist geführt; [er] wusste nicht im Voraus, was [er] tun sollte“. Kurz darauf traf er auf Laban, der völlig betrunken vor ihm lag. Nephi erschlug ihn, holte die Platten und floh zurück zu seinen Brüdern. Hatte Nephi einfach nur Glück, als er auf Laban traf? Oder war es „göttliche Vorsehung“?

Im Evangelium und in der Kirche geschehen bedeutende Ereignisse, die das Gottesreich auf Erden voranbringen. Sie geschehen nicht zufällig, sondern gemäß Gottes Plan. Er, der diese Welt gestaltet hat, kann die Wogen des Meeres mit seinem Wort glätten und Alma und Amulek sowie Nephi und Laban lenken, damit sie genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.

In ähnlicher Weise kommt es in unser aller Leben zu Ereignissen und zu Bekanntschaften, die das Werk Gottes auf Erden voranbringen.

Unser geschätzter Elder Joseph B. Wirthlin berichtete, dass Präsident Monson einmal zu ihm gesagt hat: „Alles wird von himmlischer Hand geleitet. Was geschieht, geschieht oft nicht rein zufällig. Eines Tages werden wir auf die scheinbaren Zufälligkeiten in unserem Leben zurückblicken und merken, dass sie vielleicht doch keine Zufälle gewesen sind.“

Meistens sehen nur wenige unsere guten Werke. Doch im Himmel werden sie aufgezeichnet. Eines Tages werden wir als Zeugen dafür dastehen, dass wir uns mit ganzer Seele Werken der Rechtschaffenheit gewidmet haben. Keine Prüfung oder Naturkatastrophe kann Gottes Plan des Glücklichseins vereiteln. Ja, durch „göttliche Vorsehung“ „herrscht [am Morgen] wieder Jubel“. „Ich [bin] in die Welt gekommen[,] um den Willen [des] Vaters zu tun“, hat Jesus verkündet. Liebe Brüder und Schwestern, das gilt auch für uns.

Durch Erlebnisse auf meinem eigenen Lebensweg habe ich erkannt: Der Herr bewegt uns auf diesem imaginären Schachbrett, damit wir sein Werk verrichten. Was wie Zufall erscheinen mag, hat in Wahrheit ein liebender Vater im Himmel stets im Blick, der bei jedem Menschen sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt hat. Nicht einmal ein Spatz fällt zur Erde, ohne dass unser Vater es bemerkt. Der Herr hat jede noch so kleine Einzelheit unseres Lebens im Blick, und all diese Vorkommnisse und Gelegenheiten sollen uns darauf vorbereiten, unsere Familie und andere Menschen aufzurichten, während wir das Gottesreich auf Erden aufbauen. Denken Sie an das, was der Herr zu Abraham sagte: „Ich weiß das Ende von Anfang an; darum wird meine Hand über dir sein.“

Der Herr hat mich in ein Zuhause mit liebevollen Eltern gesandt. Nach weltlichen Maßstäben waren sie ganz einfache Leute. Mein Vater, ein aufopferungsvoller Mann, war Lastwagenfahrer und meine engelsgleiche Mutter war Hausfrau. Dank der Hilfe des Herrn fand ich meine liebe Frau Melanie, und dank einer Eingebung vom Herrn stellte mich ein Geschäftsmann ein, der ein lieber Freund wurde. Der Herr berief mich als junger Mann und als Missionspräsident auf Mission, er berief mich ins Kollegium der Siebziger, und jetzt hat er mich als Apostel berufen. Wenn ich zurückblicke, erkenne ich, dass ich keinen dieser Vorgänge selbst herbeigeführt habe. Es war der Herr. Genauso führt er für Sie und Ihre Lieben so manches Wichtige herbei.

Worauf sollten Sie in Ihrem Leben achten? Welche Wunder Gottes erinnern Sie daran, dass er nahe ist und sagt: „Ich bin bei dir“? Denken Sie an die Momente, manchmal ereignen sie sich täglich, als der Herr in Ihrem Leben gewirkt hat – und erneut gewirkt hat. Schätzen Sie diese Augenblicke, in denen der Herr gezeigt hat, dass er Ihnen vertraut und darauf baut, dass Sie gute Entscheidungen treffen. Aber lassen Sie zu, dass er mehr aus Ihnen macht, als Sie selbst aus sich machen können. Schätzen Sie sein Zutun. Manchmal meinen wir, wenn sich unsere Pläne ändern, handle es sich um Fehler auf unserem Lebensweg. Betrachten Sie sie eher als erste Schritte „im Auftrag des Herrn“.

Vor einigen Monaten nahm unsere Enkelin mit einer Gruppe Jugendlicher an einer Tour zu mehreren historischen Stätten der Kirche teil. Laut dem endgültigen Reiseplan sollte sie genau durch das Gebiet kommen, wo ihr Bruder, unser Enkel, gerade eine Mission erfüllte. Unsere Enkelin hatte nicht vor, ihren Bruder auf Mission zu besuchen. Doch als der Bus in die Stadt fuhr, wo ihr Bruder tätig war, waren zwei Missionare zu sehen, die die Straße entlangliefen. Einer der Missionare war ihr Bruder.

Vorfreude erfüllte den Bus, als die Jugendlichen den Busfahrer baten, anzuhalten, damit sie ihrem Bruder Hallo sagen konnte. Keine Minute später, nach einigen Tränen und lieben Worten, war ihr Bruder bereits wieder damit beschäftigt, seine Pflichten als Missionar zu erfüllen. Wir erfuhren später, dass er noch keine fünf Minuten in dieser Straße gewesen war. Er war gerade von einem Termin auf dem Weg zum Auto gewesen.

Elder Rasbands Enkel bei ihrem Wiedersehen

Mitunter führt uns der Vater im Himmel mit einer bestimmten Absicht in eine Situation. Er hat das in meinem Leben getan und er tut es in Ihrem, wie er es auch bei unseren lieben Enkeln tat.

Jeder von uns ist von großem Wert, und der Herr liebt jeden Einzelnen. Er sorgt sich um uns, flüstert uns zu und wacht über uns, und zwar auf ganz individuelle Weise. Er ist unendlich weiser und mächtiger als sterbliche Menschen. Er weiß um unsere Herausforderungen, unsere Errungenschaften und unsere rechtschaffenen Herzenswünsche.

Vor über einem Jahr lief ich gerade über den Tempelplatz, als eine Missionarin auf mich zukam und mich fragte: „Erinnern Sie sich an mich? Ich bin aus Florida.“ Sie sagte mir, sie heiße Sister Aida Chilan. Ich konnte mich noch an mein Treffen mit ihr und ihrer Familie erinnern. Ihr Pfahlpräsident hatte vorgeschlagen, dass wir ihre Familie besuchen. Uns wurde klar, dass wir wegen ihrer Tochter Aida da waren, die noch nicht getauft war. Nach unserem Besuch und nachdem Aida über ein Jahr lang im Evangelium belehrt und von Mitgliedern begleitet worden war, ließ sie sich taufen.

Elder Rasband mit Aida Chilan und ihrer Mitarbeiterin

Nach unserem Zusammentreffen auf dem Tempelplatz schrieb Aida mir einen Brief. Darin sagt sie: „Ich weiß von ganzem Herzen, dass der Vater im Himmel jeden von uns kennt und dass er nach wie vor aus einem ganz bestimmten Grund dafür sorgt, dass man jemanden wiedertrifft. Danke, dass Sie einer meiner Missionare waren und dass Sie mich vor fünf Jahren besucht und gefunden haben.“ Aida schickte mir zudem ihre Bekehrungsgeschichte und erzählte darin von „göttlichen Zufällen“, die sich in ihrem Leben zugetragen und schließlich zu ihrer Taufe und Konfirmierung, zu ihrer Mission auf dem Tempelplatz und vor kurzem zu ihrer Eheschließung im Tempel geführt haben.

War es reiner Zufall, dass der Pfahlpräsident uns zum Haus der Familie Chilan geführt hat oder dass Aida und ich uns später auf dem Tempelplatz getroffen haben? Aidas Zeugnis bestätigt, dass dies alles „göttliche Vorsehung“ war.

Der Herr ist gern mit uns. Wenn Sie den Heiligen Geist verspüren und auf die ersten Eingebungen hören, ist es kein Zufall, dass Sie die Nähe des Herrn spüren, denn er hat verheißen: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“

Uns allen geschieht Ähnliches. Wir treffen jemanden, der uns bekannt vorkommt, frischen eine Bekanntschaft auf oder entdecken Gemeinsamkeiten mit einem Fremden. Wenn dies geschieht, erinnert uns der Herr vielleicht daran, dass wir alle wahrhaft Brüder und Schwestern sind. Wir alle sind doch mit derselben Sache befasst, nämlich der „Sache Christi“, wie Joseph Smith sie bezeichnete.

Wie aber passt unsere Entscheidungsfreiheit mit „göttlicher Vorsehung“ zusammen? Wir können entscheiden, ob wir unserem Erretter und seinen erwählten Führern folgen oder nicht. Das Muster wird im Buch Mormon deutlich, als sich die Nephiten vom Herrn abgewandt hatten. Mormon klagte:

„Und sie sahen ein, … dass der Geist des Herrn sie nicht mehr bewahrte; ja, er hatte sich von ihnen zurückgezogen, weil der Geist des Herrn nicht in unheiligen Tempeln wohnt –

darum hörte der Herr auf, sie durch seine wundertätige und unvergleichliche Macht zu bewahren, denn sie waren in einen Zustand des Unglaubens und der furchtbaren Schlechtigkeit gefallen.“

Nicht alles, was der Herr von uns fordert, ist das Ergebnis unserer Stärke, Treue oder Erkenntnis. Denken Sie an Saulus, den der Herr auf dem Weg nach Damaskus aufhielt. Er war auf dem falschen Weg, und das hatte nichts mit der Himmelsrichtung zu tun. Saulus wurde von Gott in neue Bahnen gelenkt. Als er später als Paulus bekannt war, spiegelte sein Wirken als Apostel das wider, was der Herr bereits wusste, nämlich wozu er fähig war und was aus ihm werden konnte. Das, was er als Saulus vorgehabt hatte, war nicht mehr zu erkennen. Gleichermaßen weiß der Herr auch, wozu jeder von uns fähig ist und was aus uns werden kann. Was hat der Apostel Paulus gesagt? „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind.“

Wenn wir rechtschaffen, willens und fähig sind, wenn wir uns bemühen, würdig und bereit zu sein, machen wir Fortschritt und gelangen an Orte, die wir uns nie vorstellen konnten, und werden Teil der „göttlichen Vorsehung“ des himmlischen Vaters. Jeder von uns trägt etwas Göttliches in sich. Wenn wir Gott durch uns und mit uns wirken sehen, mögen wir es als Ansporn betrachten und sogar dankbar für diese Führung sein. Als der Vater im Himmel sagte: „Dies ist mein Werk und meine Herrlichkeit – die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen“, meinte er alle seine Kinder – und Sie ganz besonders.

Sie werden von der Hand des Herrn geführt. Mit „göttlicher Vorsehung“ hat er jede noch so kleine Einzelheit Ihres Lebens und auch die großen Meilensteine im Blick. Wie es in den Sprichwörtern heißt: „Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, … dann ebnet er selbst deine Pfade.“ Ich bezeuge, dass er Sie segnen und stützen und Ihnen Frieden schenken wird. Im Namen Jesu Christi. Amen.