Geschichte der Kirche
Änderungen am Buch Mormon


Änderungen am Buch Mormon

1829 begannen Egbert B. Grandins Mitarbeiter in Palmyra im US-Bundesstaat New York mit dem Druck des Buches Mormon. Für die Erstausgabe von Büchern erhielten Drucker damals für gewöhnlich handschriftliche Manuskripte von den Autoren und bearbeiteten den Text, was Zeichensetzung, Rechtschreibung und Grammatik anbelangte, während des Setzens. Für dieses Projekt fertigte Joseph Smiths Assistent und Schreiber, Oliver Cowdery, für den Setzer, John Gilbert, eine Abschrift des Originalmanuskripts an. Diese Druckvorlage – wie auch das Original – enthielt sehr wenig Interpunktion sowie einige uneinheitliche Schreibweisen. Die Druckvorlage enthielt auch einige geringfügige Abweichungen vom Originalmanuskript. Beim Setzen fügte Gilbert Zeichensetzung und Absätze hinzu. In der Erstausgabe des Buches Mormon gab es keine Verseinteilung.

Manuskriptseite des Buches Mormon

Seite aus dem Originalmanuskript des Buches Mormon mit dem Text von 1 Nephi 8:11-27

Joseph Smith und Oliver Cowdery fertigten 1837 eine zweite Ausgabe an. Ihre Vorgehensweise bei der Aktualisierung des Buches Mormon glich der, die die Herausgeber der englischen Bibel damals für verbesserte Ausgaben für ihre Leser anwendeten. Den Herausgebern und den Lesern war weithin klar, dass sich beim Setzen jedes Buches Fehler einschleichen konnten. Daher versicherten die Herausgeber ihren Lesern oftmals in einem Vorwort, dass sie bemüht waren, jegliche Unstimmigkeiten in früheren Ausgaben zu finden und zu korrigieren. 1837 gingen Joseph und Oliver zwei Monate lang mit ähnlichen Absichten an die Erstausgabe des Buches Mormon heran. Sie nahmen in der zweiten Ausgabe über eintausend geringfügige Korrekturen vor. Zudem formulierten sie einige Stellen klarer. Beispielsweise passten sie Formulierungen in 1 Nephi, die sich auf Jesus bezogen, an. Dort hieß es in den Manuskripten und der Ausgabe von 1830 „die Mutter Gottes“, „der ewige Vater“ und „der immerwährende Gott“. Dies wurde nun mit „die Mutter des Sohnes Gottes“, „der Sohn des ewigen Vaters“ und „der Sohn des immerwährenden Gottes“ wiedergegeben. Im Vorwort von Joseph und Oliver stand: „Wer mit dem Buchdruck vertraut ist, weiß, dass in auf Manuskripten beruhenden Ausgaben immer zahlreiche Schreibfehler auftreten. [Dieser Text] wurde von dem Ältesten Joseph Smith Jr., dem Übersetzer des Buches Mormon, mit der Unterstützung des Druckers der aktuellen Ausgabe, Bruder O. Cowdery, sorgfältig überprüft und mit den Originalmanuskripten verglichen.“

Die letzte unter Joseph Smiths Aufsicht herausgegebene Ausgabe des Buches Mormon war die dritte Ausgabe, die 1840 in Cincinnati in Ohio erschien. Die Arbeit an der dritten Ausgabe begann mit Ebenezer Robinson. Dieser verwendete ein Exemplar der zweiten Ausgabe, in der Joseph Smith mit Bleistift Korrekturen vermerkt hatte. Eine wichtige Änderung in der dritten Ausgabe betraf die Wortwahl zur Beschreibung der Nephiten. Aus „ein weißes und ein angenehmes Volk“ wurde „ein reines und ein angenehmes Volk“. Weil einige spätere Ausgaben des Buches Mormon auf dem Text der zweiten Ausgabe von 1837 basierten, hielt sich die unkorrigierte Wortwahl, bis man in der Ausgabe von 1981 Joseph Smiths Korrektur von 1840 wieder aufnahm. Robinson fertigte in Vorbereitung auf den Druck der dritten Ausgabe Klischeeplatten an. Zum ersten Mal in der Geschichte des Buches Mormon waren nun mehrere Nachdrucke möglich. Da es die Klischeeplatten gab, war für Joseph Smith die Sicherheit des Buches in der absehbaren Zukunft mehr oder weniger gewährleistet. 1841 legte er das Originalmanuskript des Buches Mormon in einen Eckstein des Nauvoo-Hauses.

Seit der dritten Ausgabe von 1840 flossen in weiteren Ausgaben und Dutzenden Nachdrucken, die auf der Ausgabe von 1837 und der europäischen Ausgabe von 1841 basierten, geringfügige Änderungen am Buch Mormon ein. In der von Orson Pratt bearbeiteten Ausgabe von 1879 wurde das Buch in kürzere Kapitel und nummerierte Verse eingeteilt. Diese Einteilung wurde zum Standard für alle nachfolgenden Ausgaben. Die Ausgabe von 1920 wurde vom Schriftenkomitee der Kirche bearbeitet, das sich aus fünf Aposteln zusammensetzte und von George F. Richards geleitet wurde. In dieser Ausgabe wurden die Titel der im Buch Mormon enthaltenen Bücher (wie etwa Dritter Nephi und Vierter Nephi) standardisiert, und der Text wurde in zwei Spalten angeordnet. Zudem wurden Kapitelzusammenfassungen und Hinweise zur Aussprache hinzugefügt.

Die Ausgabe von 1920 enthielt zwar viele Querverweise, wurde aber nicht zusammen mit einer englischen Ausgabe der Bibel herausgegeben. In den siebziger Jahren begann das Komitee für die Veröffentlichung der heiligen Schriften unter der Leitung von Elder Thomas S. Monson mit einer Überarbeitung der Bibel, des Buches Mormon, des Buches Lehre und Bündnisse und der Köstlichen Perle. Ziel war eine Ausgabe mit allen Standardwerken. Das Komitee zog das Originalmanuskript und die Druckvorlage sowie frühere Ausgaben des Buches Mormon heran, um Abweichungen in der Schreibweise und Bedeutung ausfindig zu machen und nachzuverfolgen. Einige menschliche Fehler wurden korrigiert. So war zum Beispiel strait [eng] mit straight [gerade] verwechselt worden (Wörter, die gleich klingen, sich aber in der Bedeutung unterscheiden), und in 1 Nephi 13 war formation [Entstehung] aus der Druckvorlage als foundation [Gründung] gesetzt worden. Das Komitee stieß auch auf Joseph Smiths Korrekturen in der Ausgabe von 1840 und arbeitete diese mit ein. Mit der Ausgabe von 1981 wurde ein neues Layout für sämtliche Standardwerke eingeführt. Die Ausgabe enthielt aktualisierte Querverweise, Kapitelüberschriften und Verweise auf weiteres Material.

Die Schriftenkomitees in den 1920er und in den 1970er Jahren zogen die Arbeit von Wissenschaftlern zu Rate, die die Ursprungstexte und die jeweils verfügbaren gedruckten Ausgaben sorgfältig untersucht hatten. Der wissenschaftliche Fortschritt auf diesem Gebiet beschleunigte sich 1988. Grund dafür war das „Book of Mormon Critical Text Project“, ein Projekt zur kritischen Betrachtung des Textes des Buches Mormon, das zuletzt von Royal Skousen, Professor der Sprachwissenschaft und englischen Sprache an der Brigham-Young-Universität, geleitet wurde. Skousens Suche nach sämtlichen redaktionellen und versehentlichen Änderungen in den einzelnen Textfassungen des Buches Mormon förderte sprachliche Muster der unterschiedlichen Schreiber in den Manuskripten und Abweichungen zwischen den verschiedenen gedruckten Ausgaben zutage. 2001 wurde im Rahmen des Projektes zu den Joseph-Smith-Papieren damit begonnen, alle noch existierenden Aufzeichnungen von Joseph Smith zusammenzutragen und zu veröffentlichen, so auch sämtliche schriftliche Unterlagen zum Buch Mormon. Dank der modernen Archivierungs- und Dokumentationsverfahren bei diesem Projekt wurde die Erforschung des Buches Mormon und seiner Geschichte vorangetrieben und es wurden mehr Änderungen am Buch Mormon dokumentiert als je zuvor.

Die Abnutzung der englischen Druckvorlagen für die Ausgabe von 1981 veranlasste eine rasche Anfertigung einer Neuauflage. Die daraus entstandene Ausgabe von 2013 wurde genutzt, um verbleibende uneinheitliche Schreibweisen zu korrigieren. So wurde in 2 Nephi 2, 4 und 24 first-born standardmäßig zu firstborn [Erstgeborener]. Zudem wurden geringfügige Schreibfehler behoben, zum Beispiel wurde in Alma 12:31, becoming as Gods, der englische Begriff „Gods“ nun kleingeschrieben: becoming as gods [wie Götter geworden], und in Helaman 13:17 wurde aus the peoples’ [der Völker] the people’s [des Volkes].

Neue technische Möglichkeiten brachten zudem neue, digitale Veröffentlichungsformate mit sich. Software ermöglicht dem Leser die Suche nach Stichwörtern, das Nachschlagen über Links und das Markieren von Schriftstellen sowie Zugriff auf über einhundert Sprachen. 2022 wurde die digitale Funktionalität der Buch-Mormon-App noch erweitert. Der Text verlinkt nun auf Multimedia-Inhalte und weiteres digital bereitgestelltes Material. Zudem kann man Inhalte mit einem Klick weiterleiten.

Verwandte Themen: Druck und Veröffentlichung des Buches Mormon

  1. Siehe Thema: Druck und Veröffentlichung des Buches Mormon

  2. Siehe Seth Perry, „The Many Bibles of Joseph Smith: Textual, Prophetic, and Scholarly Authority in Early-National Bible Culture“, Journal of the American Academy of Religion, 84. Jahrgang, Nr. 3, September 2016, Seite 750–775

  3. Vgl. Originalmanuskript des Buches Mormon, Seite 17f.; Druckvorlage des Buches Mormon, Seite 16f; The Book of Mormon: An Account Written by the Hand of Mormon, upon Plates Taken from the Plates of Nephi, Joseph Smith Jr., Palmyra/New York 1830, Seite 25f.; The Book of Mormon: An Account Written by the Hand of Mormon, upon Plates Taken from the Plates of Nephi, P. P. Pratt und J. Goodson, Kirtland/Ohio 1837, Seite 27ff.; alle verfügbar auf josephsmithpapers.org

  4. „Preface“, in: Book of Mormon, 1837, Seite V

  5. Richard E. Turley Jr. und William W. Slaughter, How We Got the Book of Mormon, Deseret Book, Salt Lake City 2011, Seite 58

  6. Turley und Slaughter, How We Got the Book of Mormon, Seite 62

  7. Paul Gutjahr, „Orson Prattʼs Enduring Influence on the Book of Mormon“, in: Elizabeth Fenton und Jared Hickman, Hg., Americanist Approaches to the Book of Mormon, Oxford University Press, New York 2019, Seite 83–106

  8. Siehe Richard L. Saunders, The 1920 Edition of the Book of Mormon: A Centennial Adventure in Latter-day Saint Book History, Greg Kofford Books, Salt Lake City 2021

  9. George Horton, „Was bedeuten Textänderungen in den unterschiedlichen Ausgaben des Buches Mormon?“, Der Stern, September 1984, Seite 44–49

  10. Royal Skousen, „The Book of Mormon Critical Text Project“, in: Susan Easton Black und Charles D. Tate Jr., Hg., Joseph Smith: The Prophet, The Man, Religious Studies Center, Brigham-Young-Universität, Provo/Utah 1993, Seite 65–75

  11. „Final Volume of Joseph Smith Papers Published, Completing Monumental Historical Work“, News, Joseph Smith Papers, 27. Juni 2023, josephsmithpapers.org

  12. „Summary of Approved Adjustments for the 2013 Editions of the Scriptures“, ChurchofJesusChrist.org; „New Edition of English Scriptures“, Church News, 3. März 2013, Seite 2