2008
Gottes Führung
Juli 2008


Gottes Führung

Elder Wolfgang H. Paul

Wie wird euer Leben in, sagen wir, zehn oder zwanzig Jahren aussehen? Welche Arbeit oder welchen Beruf werdet ihr haben? Welche Berufungen werdet ihr in der Kirche bekommen? Wie wird eure Familie aussehen?

Ich kann all diese Fragen für euch mit absoluter Gewissheit beantworten: Ich bin ganz sicher, dass ich es nicht weiß. Aber ebenso sicher bin ich, dass Gott es weiß. Und wenn ihr ihm vertraut und euch ihm überlasst, kann es sein, dass er euch in eine Richtung führt, die ihr nicht erwartet, und euch wunderschöne Erfahrungen und Möglichkeiten bietet.

„Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit;

such ihn zu erkennen auf all deinen Wegen, dann ebnet er selbst deine Pfade.“ (Sprichwörter 3:5,6.)

Derselbe Gott, der den Lauf der Geschichte ganzer Völker lenkt, liebt euch, jedes seiner Kinder, so sehr, dass er euch persönlich segnet. Ich habe die Führung Gottes schon in beider Hinsicht erlebt.

Er segnet ganze Völker

Zu der Zeit, als ich aufwuchs, war Deutschland geteilt. Der Westen, wo ich lebte, war frei und demokratisch und wurde wohlhabend. Der Osten wurde von einem kommunistischen Regime regiert, das mit der Sowjetunion verbündet war. Die Grenze, die Ost und West voneinander trennte, war durch Mauern und Stacheldraht gekennzeichnet. Es gab Minenfelder und Türme mit Wachen, die Maschinengewehre trugen. Im Osten, hinter dieser Grenze, waren zahlreiche glaubenstreue Heilige der Letzten Tage eingeschlossen, die sich Glaubensfreiheit und die Segnungen des Tempels wünschten.

Wir Mitglieder der Kirche wussten, dass das Evangelium eines Tages – in Erfüllung der Prophezeiung – jedem Volk verkündet werden würde (siehe Matthäus 24:14). Da die Armeen so mächtig und die Regierungen so hartherzig zu sein schienen, fürchteten wir, nur ein größerer internationaler Konflikt oder irgendeine weltweite Katastrophe wür-de die notwendigen Veränderungen in Ostdeutschland, Polen und den anderen von den Sowjets beherrschten Ländern bewirken.

Der Herr wusste es aber besser. Präsident Spencer W. Kimball (1895–1985) forderte alle Mitglieder der Kirche auf, für die Öffnung der Grenzen zu beten. Und langsam, aber sicher, ereigneten sich Wunder. Die ostdeutsche Regierung gestattete den Bau eines Tempels auf ihrem Staatsgebiet, und der Tempel in Freiberg wurde 1985 geweiht. Dann erlaubte die Regierung 1988 auf Anfrage von Führern der Kirche, dass Missionare ins Land kamen und dass Missionare aus Ostdeutschland außer Landes dienen durften. Im November 1989 öffnete die ostdeutsche Regierung die Berliner Mauer, die bald darauf niedergerissen wurde. Die Regierung stürzte, und Deutschland wurde unter einer demokratischen Regierung vereinigt.

Historiker nennen viele Gründe für diese umwälzenden Ereignisse. Ich aber zweifle nicht daran, dass hinter dem allem der Herr steht, der die Geschicke dieser Völker so gelenkt hat, dass sich seine Absichten erfüllen konnten.

Er führt uns

Dieser selbe Gott hat an euch Interesse und lenkt und gestaltet euer Leben zu eurem eigenen Segen und dem anderer – wenn ihr ihn nur darum bittet, das zu tun. Ich weiß das, denn er hat mein Leben gestaltet und seine Verheißung wahrgemacht, nämlich dass er mich mit allem, was ich brauche, segnen wird, wenn ich ihn an die erste Stelle setze. Ich habe das immer wieder erlebt.

In unserer Stadt mit 60 000 Einwohnern war meine Familie die einzige, die der Kirche angehörte. Wir lebten nach besten Kräften nach dem Evangelium. Ich verspürte oft den Geist und zweifelte nie ernsthaft daran, dass die Kirche wahr war. Aber während meines Militärdienstes wollte ich unbedingt selbst wissen, dass das Buch Mormon wahr ist. Deshalb ging ich an einen abgelegenen Ort und befolgte den im Buch Mormon gegebenen Rat (siehe Moroni 10:4,5). Ich fragte Gott. Und ich empfing ein Zeugnis – ein geistiges Gefühl der Wärme, des Trostes und des Friedens und ein großes Glücksgefühl, das ich nie vergessen werde.

Nach meinem Militärdienst machte ich eine Ausbildung in der Wehrverwaltung der westdeutschen Regierung. Dies forderte mich sehr, aber ich lernte sehr viel in Bereichen wie Finanzen, Liegenschaften, Rechtsangelegenheiten und so weiter. Ich hatte auch eine Berufung in der Distriktspräsidentschaft. Während meine Studienkollegen auch am Sonntag lernten, erfüllte ich meine Aufträge in der Kirche und verbrachte Zeit mit meiner Familie. Es war schwer, aber die Verheißungen des Herrn sind wahr, und ihr könnt euch auf sie verlassen. Ich schnitt ebenso gut ab wie meine Studienkollegen.

Nach meinem Abschluss arbeitete ich acht Jahre lang im Staatsdienst. Ein Job auf Lebenszeit und eine sehr gute Pension waren mir sicher. Es sah so aus, als sei mein weiteres Leben auf angenehme Weise geregelt. Dann bat mich die Präsidierende Bischofschaft der Kirche, nach Frankfurt zu ziehen und als Gebietsrepräsentant für Europa zu arbeiten. Ich sollte meine sichere Arbeit und meine zukünftige Pension aufgeben. Aber als meine Frau und ich darüber beteten, wussten wir, dass es das Richtige war. Von da an nahm mein Leben eine ganz andere Richtung, aber das war ein großer Segen.

Was ich im Staatsdienst gelernt hatte, war eine gute Vorbereitung auf vieles, womit ich in meiner neuen Aufgabe zu tun hatte. Und weil ich diese Aufgabe angenommen hatte, war es mir später möglich, als Missionspräsident zu dienen. Das hätte ich nie tun können, wenn ich noch im Staatsdienst gewesen wäre.

Ich erzähle euch das alles mit großer Dankbarkeit und nicht, um zu prahlen, sondern um euch zu zeigen, dass der Herr euer Leben seinen Absichten entsprechend gestaltet, wenn ihr es zulasst. Und großer Segen wird folgen. Ich kann euch verheißen, dass er euch nicht nur in so wichtigen Belangen segnen wird, wie etwa eure berufliche Zukunft, sondern auch – wenn ihr euch im Gebet an ihn wendet – in den kleinen täglichen Herausforderungen. Das habe ich in meinem Leben oftmals erfahren.

Täglich gesegnet

Ich denke da an meine Zeit als Zweigpräsident, als ich einmal am jährlichen Zehntenbericht arbeitete. Es war ein wunderschöner Wintertag, und meine Frau wollte mit mir einen Spaziergang machen. Als Regierungsbeamter hatte ich früher auch mit Finanzen zu tun gehabt, deswegen war das für mich keine schwere Aufgabe. Aber jedes Mal, wenn ich die Zahlen überprüfte, kam ein falsches Ergebnis heraus. Ich versuchte es immer wieder, aber ohne Erfolg, und langsam frustrierte es mich. Ich bat den himmlischen Vater um Hilfe.

Nachdem ich mich nach dem Gebet wieder erhoben hatte, war keine Veränderung zu bemerken. Aber ich hatte die Eingebung, einen bestimmten Abschnitt der Spendenbelege noch einmal durchzugehen. Damals wurden die Belege zu einem Block zusammengeklebt, und dieses Mal bemerkte ich, dass zwei Belege aneinanderklebten und wie ein Beleg aussahen. Das Problem war gelöst.

Eure Herausforderung mag so gewöhnlich sein wie die, die sich mir vor kurzem stellte. Ich hatte ein neues Hochgeschwindigkeitsmodem für meinen Computer gekauft, aber als ich alles den Anweisungen entsprechend angeschlossen hatte, funktionierte es nicht. Ich sah die Anweisungen zur Fehlerbehebung durch, schloss alles erneut an und rief schließlich die Kunden-Hotline an, aber es funktionierte noch immer nicht. Das Gerät wurde sogar im Geschäft, in dem ich es gekauft hatte, überprüft, aber man konnte daran keinen Fehler entdecken. Also nahm ich es wieder mit nach Hause. Aber diesmal dachte ich ans Gebet. Das war das Einzige, was ich diesmal anders machte. Diesmal funktionierte das Gerät, und es funktioniert immer noch.

Manche dieser Ereignisse betrafen ganze Völker. Manche wirkten sich auf mein gesamtes Leben aus. Und manche sind relativ unbedeutend. Aber genau darauf will ich hinaus. Derselbe Gott, der zu den Propheten spricht und den Lauf der Geschichte ganzer Völker lenkt, möchte durch seinen Geist zu eurem Herzen sprechen. Er lenkt auch den Lauf eures Lebens und macht aus euch viel mehr, als ihr aus euch selbst heraus erreichen könntet. Und er hilft euch bei den täglichen Herausforderungen des Lebens, wenn ihr ihm vertraut und euch auf ihn verlasst.

Er kennt euch, er liebt euch, und seine Verheißungen sind wahr.