2013
Bekehrt euch
November 2013


Bekehrt euch

Ihr bekehrt euch wahrhaftig, wenn ihr beständig nach den Lehren lebt, die ihr als wahr erkannt habt, und die Gebote haltet – Tag für Tag, Monat für Monat.

Brüder und Schwestern, es stimmt mich demütig, an diesem Pult zu stehen, an dem schon so viele meiner Helden gestanden haben. Ich möchte über ein paar Punkte sprechen, die mir sehr am Herzen liegen, und wende mich damit speziell an die Jugendlichen.

Einer der großen Helden im Alten Testament war der Prophet und Krieger Josua. Die Kinder Israel, deren Anführer er war, forderte er auf: „Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt. … Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.“1 Diese Aussage zeigt, dass sich Josua wahrhaft zum Evangelium bekehrt hatte. Wie bei Josua kommt auch für uns wahre Bekehrung dadurch zustande, dass wir redlich nach den Grundsätzen des Evangeliums leben und unseren Bündnissen mit dem Herrn treu bleiben.

Ich möchte gern eine Bekehrungsgeschichte aus meiner Familie erzählen, die von einer weiteren Heldin von mir handelt. Sie hieß Agnes Hoggan. Sie und ihr Mann schlossen sich 1861 in Schottland der Kirche an. Da sie in ihrer Heimat heftig verfolgt wurden, wanderten sie mit ihren Kindern nach Amerika aus. Einige Jahre später wurde Agnes Witwe. Sie musste hart arbeiten, damit ihre acht Kinder etwas zu essen und anzuziehen hatten. Ihre zwölfjährige Tochter Isabelle fand zum Glück eine Anstellung als Dienstmädchen bei einer wohlhabenden Familie, die nicht der Kirche angehörte.

Isabelle wohnte mit ihr in einem großen Haus und kümmerte sich um die kleinen Kinder. Für diese Arbeit bezahlte man ihrer Mutter jede Woche einen geringen Lohn. Schon bald gehörte Isabelle praktisch zur Familie und genoss viele der gleichen Vorzüge – sie nahm Tanzstunden, trug schöne Kleider und besuchte das Theater. Vier Jahre lang blieb es bei dieser Regelung, bis die Familie, für die Isabelle arbeitete, in einen anderen Bundesstaat umziehen musste. Sie hatte Isabelle so lieb gewonnen, dass sie an ihre Mutter Agnes herantrat und sie um Erlaubnis bat, Isabelle zu adoptieren. Sie versprach, dass sie eine gute Ausbildung erhalten, eine gute Ehe schließen und gemeinsam mit den eigenen Kindern als Erbin eingesetzt werden würde. Außerdem sollte Agnes nach wie vor Geld bekommen.

Die Witwe und Mutter, die es so schwer hatte, stand vor einer schwierigen Entscheidung, und doch zögerte sie keine Sekunde. Hört euch an, was ihre Enkelin viele Jahre später schrieb: „Wenn sie nicht schon aus Liebe abgelehnt hätte, so gab es doch noch einen triftigeren Grund: Sie war den langen Weg aus Schottland hergekommen, hatte für das Evangelium viel Kummer und Not ertragen und wollte, wenn es irgend möglich war, verhindern, dass eines ihrer Kinder das verlieren würde, wofür sie so viel auf sich genommen hatte.“2 Die wohlhabende Familie brachte jeden erdenklichen Einwand vor, und auch Isabelle weinte und bettelte um Erlaubnis, mitgehen zu dürfen, aber Agnes blieb eisern. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass die 16-jährige Isabelle ihr Leben in Trümmern liegen sah.

Isabelle Hoggan ist meine Urgroßmutter, und ich bin sehr dankbar, dass ihre Mutter ein so strahlendes Zeugnis und eine so feste Überzeugung in sich trug, dass es ihr unmöglich war, die Mitgliedschaft ihrer Tochter in der Kirche für weltliche Versprechungen aufs Spiel zu setzen. Heute genießen hunderte Nachkommen die Segnungen, die man als Mitglied der Kirche empfängt, und ziehen den Nutzen daraus, dass Agnes einen so tief verwurzelten Glauben besaß und sich so tiefgreifend zum Evangelium bekehrt hatte.

Meine jungen Freunde, wir leben in gefährlichen Zeiten. Die Entscheidungen, die ihr jeden Tag, ja, jede Stunde treffen müsst, haben ewige Folgen. Die Entscheidungen, die ihr Tag für Tag trefft, bestimmen, was später einmal mit euch geschieht. Wenn ihr noch kein fest verwurzeltes Zeugnis habt und noch nicht überzeugt seid, dass die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage das Reich Gottes auf Erden ist, dann ist es jetzt an der Zeit, alles Erforderliche zu tun, um zu dieser Überzeugung zu gelangen. Wenn ihr die dafür nötigen Bemühungen aufschiebt, kann das eurer Seele gefährlich werden.

Wahre Bekehrung ist mehr als nur eine Kenntnis der Grundsätze des Evangeliums. Sie verlangt sogar mehr als nur ein Zeugnis von diesen Grundsätzen. Es ist möglich, ein Zeugnis vom Evangelium zu haben, ohne dass man danach lebt. Wahrhaft bekehrt zu sein bedeutet, dass wir unseren Glauben in die Tat umsetzen und es ihm gestatten, „in uns, oder in unserem Herzen, eine mächtige Wandlung“3 zu bewirken. In dem Nachschlagewerk Treu in dem Glauben steht, Bekehrung sei „ein Vorgang, kein Ereignis. … Bekehrung ist die Folge … rechtschaffene[r] Bemühungen, dem Erretter zu folgen.“4 Dies erfordert Zeit, Mühe und Arbeit. Meine Ururgroßmutter war fest davon überzeugt, dass das Evangelium für ihre Kinder wichtiger war als alles andere, was die Welt ihnen an Wohlstand und Annehmlichkeiten zu bieten hatte, denn sie hatte viel geopfert, ausgehalten und nach dem Evangelium gelebt. Sie war bekehrt, weil sie nach den Grundsätzen des Evangeliums lebte und dafür Opfer brachte.

Diese Entwicklung müssen auch wir durchlaufen, wenn wir diese Art Hingabe erreichen wollen. Der Erretter hat gesagt: „Wer bereit ist, den Willen Gottes zu tun, wird erkennen, ob diese Lehre von Gott stammt oder ob ich in meinem eigenen Namen spreche.“5 Manchmal versuchen wir es genau umgekehrt. Wir sagen uns beispielsweise: Ich will gerne nach dem Gesetz des Zehnten leben, aber zuerst muss ich wissen, ob es wahr ist. Vielleicht beten wir sogar darum, ein Zeugnis vom Gesetz des Zehnten zu erlangen, ohne je einen Spendenzettel ausgefüllt zu haben. So funktioniert das aber nicht. Der Herr erwartet von uns, dass wir unseren Glauben ausüben. Wir müssen konsequent einen vollen und ehrlichen Zehnten zahlen, damit wir ein Zeugnis vom Zehnten erlangen. Dieses Muster lässt sich auf alle Grundsätze des Evangeliums anlegen, ob es sich nun um das Gesetz der Keuschheit handelt, den Grundsatz Sittlichkeit, das Wort der Weisheit oder das Gesetz des Fastens.

Ich möchte an einem Beispiel veranschaulichen, wie man sich zu einem Grundsatz bekehren kann, wenn man danach lebt. In den Sechzigerjahren war ich eine Jugendliche und das einzige Mitglied der Kirche in meiner Schule. Es war eine Zeit der Umwälzungen, die davon geprägt war, dass man überkommene Werte verwarf, Drogen konsumierte und glaubte, alles sei möglich und erlaubt. Viele meiner Altersgenossen waren zwar gute Menschen, ließen sich jedoch von dieser neuen, aufregenden Moral mitreißen, die ja in Wirklichkeit nichts anderes war als die altbekannte Unmoral. Meine Eltern und meine Lehrer in der Kirche hatten mir als Wert mitgegeben, dass ich meinen Körper achten, einen klaren Verstand bewahren und mich vor allem auf die Gebote des Herrn verlassen solle. Also beschloss ich, Situationen zu meiden, bei denen Alkohol im Spiel war, und mich von Tabak und Drogen fernzuhalten. Das bedeutete oft, dass ich nicht auf Partys ging, und ich ging auch nur selten mit Jungen aus. Der Drogenkonsum nahm unter den jungen Leuten immer mehr zu, aber damals waren die Gefahren noch nicht so bekannt wie heute. Viele meiner Altersgenossen erlitten vom Konsum bewusstseinsverändernder Drogen bleibende Schäden oder wurden schwer abhängig. Ich war dankbar, dass man mir daheim beigebracht hatte, nach dem Wort der Weisheit zu leben. Ich erlangte ein starkes Zeugnis von diesem Grundsatz, weil ich meinen Glauben ausübte und entsprechend lebte. Das gute Gefühl, das ich empfand, weil ich nach einem wahren Grundsatz des Evangeliums lebte, kam vom Heiligen Geist, der mir bezeugte, dass dieser Grundsatz wahr ist. An diesem Punkt setzt wahre Bekehrung ein.

Der Prophet Moroni aus dem Buch Mormon hat gesagt: „Ich möchte der Welt zeigen, dass es Glaube ist, wenn man etwas erhofft und es nicht sieht; darum bestreitet nicht, weil ihr nicht seht, denn ein Zeugnis empfangt ihr erst, nachdem euer Glaube geprüft ist.“6 In unserer Welt, in der man alle Wünsche sofort erfüllt haben möchte, erwarten wir leider oft einen Lohn, ohne etwas dafür tun zu müssen. Ich glaube, Moroni sagt uns hier, dass wir zuerst die Arbeit tun und Glauben ausüben müssen, indem wir das Evangelium leben, und dann erst erlangen wir ein Zeugnis von der Wahrheit. Ihr bekehrt euch wahrhaftig, wenn ihr beständig nach den Lehren lebt, die ihr als wahr erkannt habt, und die Gebote haltet – Tag für Tag, Monat für Monat.

Es ist wunderbar, zu dieser Zeit ein Jugendlicher in der Kirche zu sein! Ihr seid die Ersten, die in den Genuss des neuen Lehrplans Komm und folge mir nach! kommen. Er soll euch vor allem auch helfen, euch zum Evangelium Jesu Christi zu bekehren. Denkt daran: Wie inspiriert eure Eltern und Jugendführer auch sein mögen – für eure Bekehrung seid ihr in erster Linie selbst verantwortlich. Niemand anders kann sich für euch bekehren und es kann euch auch niemand zwingen, euch zu bekehren.7 Wir bekehren uns, wenn wir eifrig beten, die heiligen Schriften studieren, in die Kirche gehen und würdig sind, an den heiligen Handlungen des Tempels teilzunehmen. Wir bekehren uns, wenn wir nach den rechtschaffenen Grundsätzen leben, die wir in der Familie und im Unterricht lernen. Wir bekehren uns, wenn wir ein reines und tugendhaftes Leben führen und den Heiligen Geist als Begleiter haben. Wir bekehren uns, wenn wir das Sühnopfer Jesu Christi begreifen, ihn als unseren Erretter und Erlöser annehmen und es dem Sühnopfer gestatten, in unserem Leben wirksam zu werden.

Eure persönliche Bekehrung wird euch bei eurer Vorbereitung helfen, im Tempel Bündnisse zu schließen, auf Mission zu gehen und irgendwann selbst eine Familie zu gründen. Wenn ihr euch bekehrt, werdet ihr den Wunsch haben, andere an dem, was ihr erkannt habt, teilhaben zu lassen. Euer Selbstvertrauen und eure Fähigkeit, voller Überzeugung und Macht Zeugnis zu geben, werden wachsen. Dieser Wunsch, andere am Evangelium teilhaben zu lassen, und die Zuversicht, unerschrocken Zeugnis geben zu können, sind die natürliche Folge wahrer Bekehrung. Der Erretter hat zu Petrus gesagt: „Wenn du dich … bekehrt hast, dann stärke deine Brüder.“8

Denken wir noch einmal an Josua, den Propheten und Krieger. Er bekehrte nicht nur sich selbst, sondern bemühte sich unermüdlich bis zum Lebensende darum, die Kinder Israel zu Gott zu bringen. Wir lesen im Alten Testament: „Israel aber diente dem Herrn, solange Josua lebte.“9 Wenn ein Mensch sich wirklich bekehrt hat, baut er auf die Macht des Sühnopfers, nimmt die Erlösung seiner eigenen Seele an und wendet sich dann allen, die ihn kennen, zu, um großen Einfluss auf sie auszuüben.

Das Evangelium zu leben und an heiligen Stätten zu stehen, ist nicht immer leicht und unbeschwerlich, aber ich bezeuge euch: Es lohnt sich! Der Herr hat Emma Smith geboten, „die Dinge dieser Welt ab[zu]legen und nach den Dingen einer besseren [zu] trachten“10. Wir können uns bestimmt noch nicht einmal vorstellen, wie herrlich diese „Dinge einer besseren“ Welt sind!

Ich bezeuge, dass wir einen liebevollen Vater im Himmel haben, dessen größter Wunsch es ist, uns bei unseren Anstrengungen, das Evangelium zu leben, zu unterstützen und zu segnen. Er hat deutlich klargemacht, dass sein oberstes Ziel und sein Werk unsere „Unsterblichkeit und das ewige Leben“11 sind. Er möchte uns nach Hause in seine Gegenwart bringen. Ich bezeuge: Wenn wir die Lehren des Evangeliums befolgen und im täglichen Leben anwenden, werden wir uns bekehren und das Mittel sein, mit dem in unserer Familie und auf der Welt viel Gutes vollbracht wird. Mögen wir alle in unserem täglichen Streben, dieses Ziel zu erreichen, gesegnet werden. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.