Liahona
Antworten auf geistige Fragen
November 2024


12:27

Antworten auf geistige Fragen

Unsere aufrichtigen Fragen zum Evangelium bieten dem Vater im Himmel und Jesus Christus Gelegenheiten, unser Wachstum zu fördern

Es mag Sie vielleicht überraschen, aber ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, dass wir in der Schule noch gelernt haben, unser Sonnensystem habe neun Planeten. Einer dieser Planeten, Pluto, erhielt seinen Namen von der 11-jährigen Venetia Burney aus Oxford in England, nachdem er 1930 entdeckt worden war. Und bis 1992 galt Pluto als das am weitesten entfernte Objekt in unserem Sonnensystem. Damals fand man in Klassenzimmern und auf Wissenschaftsmessen häufig Pappmaché-Modelle unserer planetarischen Nachbarschaft, die jeweils die Position von Pluto an der bis dahin bekannten Grenze darstellten. Viele Wissenschaftler glaubten, das äußere Sonnensystem jenseits dieses Randes bestünde aus leerem Raum.

In der Fachwelt blieb jedoch die Frage nach dem Ursprung eines bestimmten Kometentyps offen, den die Astronomen regelmäßig beobachteten. Und diese Frage blieb jahrzehntelang unbeantwortet, bevor dann eine weitere entfernte Region unseres Sonnensystems entdeckt wurde. Mit dem begrenzten Wissen, das sie hatten, nutzten die Wissenschaftler die dazwischenliegenden Jahrzehnte, um bedeutende technische Fortschritte zu erzielen, die weitere Studien und Erkundungen ermöglichten. Ihr endgültiger Durchbruch führte zu einer Neuordnung unseres Planetensystems und dazu, dass Pluto nun in dieser neuen Region des Weltraums beheimatet ist und unser Sonnensystem aus acht Planeten besteht.

Ein führender Planetenforscher und leitender Wissenschaftler der Weltraummission New Horizons, die Pluto aus der Nähe erforschen soll, sagte über diese Erfahrung: „Wir dachten, wir hätten die Geografie unseres Sonnensystems verstanden. Das hatten wir aber nicht. Wir dachten, wir wüssten, wie viele Planeten es in unserem Sonnensystem gibt. Doch wir lagen falsch.“

An dieser Phase der Geschichte der Weltraumforschung fallen mir einige Parallelen und auch klare Unterschiede auf, und zwar zwischen dem Streben, den wissenschaftlichen Horizont zu erweitern, und der Reise, die wir als Kinder Gottes unternehmen, um Antworten auf unsere geistigen Fragen zu suchen. Konkret geht es darum, wie wir mit den Grenzen unseres geistigen Verständnisses umgehen und uns auf die nächste Stufe des persönlichen Wachstums vorbereiten können – und wohin wir uns wenden können, um Hilfe zu erhalten.

Zeile um Zeile

Fragen zu stellen und nach einem Sinn zu suchen, ist ein ganz normaler Teil unseres Erdenlebens. Wenn wir manchmal nicht sogleich eine vollständige Antwort erhalten, stoßen wir an die Grenzen unseres Verständnisses, und diese Grenzen können frustrierend oder erdrückend sein. Es ist faszinierend: Der Plan des Glücklichseins, den der himmlische Vater für uns alle aufgestellt hat, soll uns helfen, uns trotz unserer Grenzen weiterzuentwickeln und das zu erreichen, was wir aus eigener Kraft nicht erreichen können, und dies sogar ohne vollständige Kenntnis von allem. Gottes Plan ist barmherzig, was unsere menschlichen Grenzen anbelangt. Er sieht vor, dass unser Erretter Jesus Christus unser guter Hirte ist, und motiviert uns, uns aus freien Stücken für ihn zu entscheiden.

Elder Dieter F. Uchtdorf hat gesagt: „Fragen zu stellen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern führt zu Wachstum.“ Über unsere Anstrengungen als Wahrheitssuchende hat unser Prophet, Präsident Russell M. Nelson, gesagt, dass wir „den innigen Wunsch“ haben und „mit aufrichtigem Herzen und … wirklichem Vorsatz fragen und Glauben an Jesus Christus haben“ müssen. Weiter hat er erklärt: „Mit ‚wirklichem Vorsatz‘ bedeutet, dass man wirklich vorhat, der göttlichen Weisung zu folgen.“

Unsere eigenen Anstrengungen, an Weisheit zuzunehmen, können uns veranlassen, unsere Fragen, ob komplex oder nicht, unter dem Gesichtspunkt von Ursache und Wirkung zu betrachten, Muster zu suchen und zu erkennen und dann Narrative zu entwickeln, um unserem Verständnis Gestalt zu geben und wahrgenommene Erkenntnislücken zu schließen. Wenn wir jedoch unser Streben nach geistiger Erkenntnis betrachten, mögen diese Denkansätze zwar zuweilen hilfreich sein, aber für sich genommen sind sie unvollständig, denn es geht uns ja um Erkenntnisse, die den Vater im Himmel und unseren Erretter Jesus Christus, ihr Evangelium, ihre Kirche und ihren Plan für uns alle betreffen.

Zu der Art und Weise, wie Gottvater und sein Sohn uns ihre Weisheit weitergeben, gehört vor allem, dass wir uns bei unserer gläubigen Suche nach ihren Antworten und dem Sinn dahinter von der Macht des Heiligen Geistes unterweisen lassen und unser Leben auf Jesus Christus ausrichten. Sie fordern uns auf, Wahrheit dadurch zu entdecken, dass wir uns Zeit nehmen, uns in die heiligen Schriften zu vertiefen und nach offenbarter Wahrheit für unsere Zeit zu suchen, die neuzeitliche Propheten und Apostel uns überbringen. Sie bitten uns inständig, regelmäßig im Haus des Herrn andächtige Zeit mit Gott zu verbringen sowie im Gebet auf die Knie zu gehen, „um an Wissen aus dem Himmel zu gelangen“. Die Verheißung Jesu an die Menschen, die damals seine Bergpredigt hörten, gilt für uns heutzutage genauso wie zur Zeit seines irdischen Wirkens: „Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet!“ Unser Erretter versichert uns, dass „euer Vater im Himmel denen Gutes [gibt], die ihn bitten“.

Der Herr lehrt nach der Methode „Zeile um Zeile …, Weisung um Weisung“. Vielleicht müssen wir in dem Zeitraum zwischen unserem derzeitigen Erkenntnisstand und der nächsten Erkenntnis, die noch aussteht, „auf den Herrn hoffen“ und warten. In diesem heiligen Zeitraum kann unser größtes geistiges Wachstum stattfinden – in diesem Zustand können wir unser ernsthaftes Suchen „mit Geduld [ertragen]“ und neue Kraft erlangen, um die heiligen Versprechen, die wir Gott mit einem Bund gegeben haben, weiterhin zu halten.

Unsere Bündnisbeziehung zum Vater im Himmel und zu Jesus Christus ist ein Zeichen dafür, dass wir in erster Linie Bürger des Reiches Gottes sind. Darin zu wohnen erfordert, dass wir unser Leben nach göttlichen Grundsätzen ausrichten und uns anstrengen, geistig zu wachsen.

Gehorsam

Ein wichtiger Grundsatz, der im gesamten Buch Mormon immer wieder dargelegt wird, lautet: Wenn Gottes Kinder Gehorsam beweisen und ihre Bündnisse halten, empfangen sie fortlaufend geistige Führung und Anleitung. Der Herr hat uns gesagt, dass wir durch unseren Gehorsam und unseren Eifer Wissen und Intelligenz erlangen können. Gottes Gesetze und Gebote sind nicht als Hindernis gedacht, sondern als ein machtvolles Tor zu persönlicher Offenbarung und geistiger Bildung. Präsident Nelson hat diese äußerst wichtige Wahrheit verkündet: „Offenbarung von Gott entspricht immer seinen ewigen Gesetzen.“ Und weiter: „Sie widerspricht Gottes Lehren niemals.“ Mit Ihrem bereitwilligen Gehorsam gegenüber Gottes Geboten – obwohl Sie ja keine vollständige Kenntnis seiner Gründe haben – befinden Sie sich in der guten Gesellschaft seiner Propheten. In Mose 5 wird eine bestimmte Begegnung zwischen Adam und einem Engel des Herrn geschildert.

Der Herr hatte Adam und Eva Gebote gegeben, „dass sie den Herrn, ihren Gott, anbeten sollten und die Erstlinge ihrer Herden dem Herrn als Opfer darbringen sollten“. In den heiligen Schriften heißt es dann: „Adam beachtete die Gebote des Herrn.“ Weiter lesen wir: „Nach vielen Tagen erschien Adam ein Engel des Herrn und sprach: Warum bringst du dem Herrn Opfer dar? Und Adam sprach zu ihm: Ich weiß nicht, außer dass der Herr es mir geboten hat.“

Adams Gehorsam war seinem Verständnis vorausgegangen und hatte ihn darauf vorbereitet, die heilige Erkenntnis zu erlangen, dass er an einem heiligen Symbol für das Sühnopfer Jesu Christi mitwirkte. Ebenso ebnet unser demütiger Gehorsam den Weg für unsere geistige Erkenntnis von Gottes Wegen und seiner göttlichen Absicht für jeden von uns. Unser Streben, unseren Gehorsam auf eine höhere Ebene zu bringen, bringt uns unserem Erretter Jesus Christus näher, denn Gehorsam gegenüber seinen Gesetzen und Geboten bedeutet ja, dass wir uns ihm zuwenden.

Darüber hinaus ist unser treues Festhalten an der Erkenntnis und Weisheit, die wir bereits erlangt haben, weil wir beständig Evangeliumsgrundsätze befolgt und heilige Bündnisse gehalten haben, eine entscheidende Grundlage dafür, dass wir bereit sind, Mitteilungen vom Heiligen Geist zu empfangen und entsprechend damit umzugehen.

Der Vater im Himmel und Jesus Christus sind die Quelle aller Wahrheit und geben ihre Weisheit großzügig weiter. Zu begreifen, dass wir keine von Gott unabhängige persönliche Erkenntnis besitzen, kann uns zudem klarer erkennen lassen, wem wir uns zuwenden sollen und in wen wir in erster Linie unser Vertrauen setzen sollen.

Tiefes Vertrauen

Der alttestamentliche Bericht über Naaman, den Feldherrn, der vom Propheten Elischa von Aussatz geheilt wurde, ist mir besonders lieb und teuer. Diese Geschichte veranschaulicht, wie der feste Glaube eines jungen Mädchens den Verlauf des Lebens eines Mannes änderte, und offenbart allen Gläubigen die Reichweite der Barmherzigkeit Gottes für diejenigen, die ihr Vertrauen in ihn und seinen Propheten setzen. Das junge Mädchen wird nicht namentlich genannt, doch es trug auch dazu bei, unser Verständnis zu erweitern. Und Naamans Glaube an ihr Zeugnis veranlasste ihn, Gottes auserwählten Diener um Heilung zu bitten.

Auf die Anweisung des Propheten Elischa, sich im Jordan zu waschen, reagierte Naaman zunächst skeptisch und zornig. Aber eine Aufforderung an ihn, dem Rat des Propheten gehorsam zu sein, bahnte den Weg für seine Heilung und seine tiefgreifende Erkenntnis, dass es Gott wirklich gibt.

Vielleicht stellen wir fest, dass es auf einige unserer Fragen zu geistigen Anliegen recht leicht zu erkennende Antworten gibt und dass sie uns kein besonderes Unbehagen bereiten. Oder wir stellen wie Naaman fest, dass manches eine größere Herausforderung darstellt und in uns schwierige und vielschichtige Gefühle auslöst. Ähnlich wie bei der Beschreibung der voreiligen Schlussfolgerungen der Astronomen zu unserem Sonnensystem können wir bei unserer Suche nach geistiger Wahrheit zu ungenauen Ergebnissen gelangen, wenn wir uns ausschließlich auf unser eigenes begrenztes Verständnis verlassen. Als beklagenswerte und unbeabsichtigte Folge kann uns das vom Weg der Bündnisse abbringen. Überdies können einige Fragen offen bleiben, bis Gott, der „alle Macht“ und „alle Weisheit und alles Verständnis“ hat, der in seiner Barmherzigkeit alles „erfasst“, durch unseren Glauben an seinen Namen für Erleuchtung sorgt.

Eine wichtige Warnung aus dem Bericht über Naaman lautet: Wenn wir uns dagegen wehren, Gottes Gesetzen und Geboten zu gehorchen, kann das unser Wachstum hinauszögern oder hemmen. Wir sind damit gesegnet, Jesus Christus als unseren großen Heiler zu haben. Unser Gehorsam gegenüber Gottes Gesetzen und Geboten kann den Weg dafür bahnen, dass unser Erretter uns das Verständnis und die Heilung zukommen lässt, die wir – wie er weiß – brauchen, und zwar gemäß seinem Behandlungsplan für uns.

Elder Richard G. Scott hat gesagt: „In diesem Leben machen wir Erfahrungen mit großem Vertrauen – Vertrauen in Jesus Christus, Vertrauen in seine Lehren, Vertrauen in unsere Fähigkeit, diese Lehren, geführt vom Heiligen Geist, auch zu befolgen, um jetzt glücklich zu sein und in der Ewigkeit ein sinnvolles und überaus glückliches Dasein zu führen. Vertrauen bedeutet, bereitwillig zu gehorchen, ohne das Ende schon von Anfang an zu kennen (siehe Sprichwörter 3:5-7). Um Frucht hervorzubringen, muss unser Vertrauen in den Herrn stärker und ausdauernder sein als unser Vertrauen in unsere eigenen Gefühle und Erfahrungen.“

Elder Scott fährt fort: „Glauben ausüben bedeutet, dass wir darauf vertrauen, dass der Herr weiß, was er mit uns macht, und es zu unserem ewigen Nutzen vollbringen kann, auch wenn wir nicht begreifen, wie ihm das gelingen soll.“

Abschließendes Zeugnis

Liebe Freunde, ich bezeuge, dass unsere aufrichtigen Fragen zum Evangelium dem Vater im Himmel und Jesus Christus Gelegenheiten bieten, unser Wachstum zu fördern. Meine eigenen Anstrengungen, vom Herrn Antworten auf meine – früheren und derzeitigen – geistigen Fragen zu erhalten, haben es mir ermöglicht, den Raum zwischen den Grenzen meines Verständnisses und dem Verständnis Gottes zu nutzen, um Gehorsam ihm gegenüber zu üben und an der geistigen Erkenntnis, die ich derzeit besitze, treu festzuhalten.

Ich bezeuge: Wenn Sie Ihr Vertrauen in den Vater im Himmel und in die von ihm gesandten Propheten setzen, gelangen Sie geistig auf eine höhere Ebene und dringen weiter vor in Gottes weiten Horizont. Ihr Aussichtspunkt ändert sich, denn Sie ändern sich. Gott weiß: Je höher Sie gelangen, desto weiter können Sie sehen. Unser Erretter bittet Sie, solche Höhen zu erklimmen. Im Namen Jesu Christi. Amen.