Heim und Familie
Dankbar für die Tempelbündnisse
Die Verfasserin lebt in Arizona in den USA.
Ich wusste, dass mein ungeborener Sohn sterben würde. Was konnte diesen Schmerz lindern?
Ich war mit unserem dritten Kind schwanger. In der 14. Woche teilten die Ärzte uns mit, dass ich eine Fehlgeburt haben werde, weil die Lunge meines Sohnes sich nicht richtig entwickle. Angesichts dieser schrecklichen Nachricht war ich untröstlich und voller Angst vor einer ungewissen Zukunft. Am Abend gingen mein Mann und ich mit schwerem Herzen und tränennassen Augen in den Tempel. Wir brauchten Antworten, Führung und Kraft, und wir wussten, dass wir dem Herrn in der Stille des Tempels nahe sein konnten. Wir waren erstaunt, welchen Frieden wir im celestialen Saal verspürten. Ich wusste, alles würde gut ausgehen, selbst wenn es nicht vorgesehen war, dass dieses Baby auf der Erde blieb.
Später kniete ich mich nieder und schüttete dem Vater im Himmel mein Herz aus. Ich sagte ihm, ich wisse nun, dass unser Sohn nicht verweilen solle, ich würde mir aber bestimmte Segnungen wünschen, wenn es möglich sei. Ich versprach ihm, dass ich den Glauben nicht verlieren würde, auch wenn meine Bitte nicht erfüllt werde. Meine Bitte war, das Kind noch länger bei mir haben zu dürfen – mein Sohn möge leben, wenn auch nur ganz kurz, damit alle in der Familie ihn im Arm halten könnten. Die Ärzte hatten gesagt, dass unser Baby, sollte ich es wie durch ein Wunder doch austragen können, ganz blau zur Welt kommen werde. Deshalb betete ich darum, dass es rosa auf die Welt kommen möge, damit unsere anderen beiden kleinen Jungen sich nicht davor fürchteten, ihren Bruder im Arm zu halten. Ich bat den Herrn auch, uns an unseren ewigen Bund zu erinnern, wenn unser Baby, das wir Brycen nennen wollten, von uns gegangen war.
Die Wochen vergingen. Die Ärzte waren sehr erstaunt über Brycens Entwicklung, warnten uns aber, dass er nach der Geburt sicher sterben werde. Mein Kummer war unbeschreiblich. Ich wusste, dass wir ihn verlieren würden. Aber ich freute mich auch darüber, dass er immer noch wuchs. Meinen Sohn, der nicht überleben sollte, auszutragen war eine schwere Bürde. Jedes Mal, wenn ich nach dem Geschlecht des Babys oder nach dem Geburtstermin gefragt wurde, tat mir das Herz weh, und ich musste so tun, als ob alles in Ordnung sei. Wir kauften einen Monitor, um den Herzschlag jeden Tag überwachen zu können, und warteten immer ängstlich darauf, das kostbare Klopfen zu hören. Der Schmerz saß tief. Das Sühnopfer des Erlösers bekam eine neue Bedeutung für mich: Aus eigener Erfahrung verstand ich endlich, dass Jesus Christus nicht nur für meine Sünden gelitten, sondern auch jede Trauer und jeden Schmerz gespürt hat. Als mein Erlöser trägt er die Last mit mir, damit ich nie alleine sein muss.
In der 37. Woche ging ich ins Krankenhaus. Ich wusste, dass Brycens Tage nun gezählt waren. Es war zugleich beängstigend und schön. Die Ärzte erklärten, er könne etwa zehn Minuten oder auch bis zu mehreren Tagen leben. Trotz meiner Angst verspürte ich den Frieden des Herrn. Brycen Cade Florence wurde am 27. Januar 2012 geboren. Ich weinte, als er auf die Welt kam – rosa, hübsch, einfach vollkommen.
Unsere Jungs kamen ins Zimmer gerannt, um ihren Bruder zu sehen und im Arm zu halten. Wir hatten einen Fotografen dabei, der diesen Moment festhielt. Brycen lebte nur 72 Minuten, gerade lange genug, dass jeder von uns ihn halten und liebkosen konnte. Wir waren nur diesen einen Moment als komplette Familie auf der Erde beisammen, aber unsere Wünsche waren in Erfüllung gegangen. Unsere Söhne konnten nicht genug bekommen von ihrem Bruder. Sie küssten ihn, sangen ihm Lieder vor und bettelten, ihn halten zu dürfen. Er blieb sogar so lange bei uns, dass mein Mann ihm noch einen Segen geben konnte, wie er es erhofft und wofür er gebetet hatte.
Unsere Familie hat ein Zeugnis davon, dass „durch den göttlichen Plan des Glücklichseins … die Familienbeziehungen über das Grab hinaus Bestand haben [können]“ und dass Tempelverordnungen und -bündnisse es „der Familie [ermöglichen], auf ewig vereint zu sein“ („Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, November 2010, Umschlagrückseite). Eine ewige Familie zu sein bedeutet uns einfach alles. Das Wunderbarste am Evangelium ist, dass der Tod uns nicht trennt. Wir werden unseren Weg gemeinsam fortsetzen.
Durch diese Prüfung habe ich erfahren, dass sich Gott auch um kleine Anliegen kümmert. Er sorgt sich um jeden Einzelnen von uns. Prüfungen und Schwierigkeiten werden kommen, aber Gott kann uns die Last leichter machen. Ich bin dankbarer denn je, dass ich an meinen Mann gesiegelt bin und unsere Kinder im Bund geboren wurden. Dank Gottes wunderbarem Plan für die Familie, wozu auch das unbegrenzte Opfer des Heilands gehört, können wir wieder zusammen sein. Ich frage mich oft, wie ich diese schwere Prüfung ohne dieses Wissen ausgehalten hätte. Ich bin unendlich dankbar für das Zeugnis, das ich durch Brycens kurzes Leben erlangt habe – Gott hat meine Augen und mein Herz noch weiter geöffnet, damit ich seine Segnungen wahrnehmen kann.