Andachten 2018
Ein Merkmal der wahren und lebendigen Kirche des Herrn


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Ein Merkmal der wahren und lebendigen Kirche des Herrn

Ein Abend mit Elder Patrick Kearon

Andacht für junge Erwachsene in aller Welt • 6. Mai 2018 • Brigham-Young-Universität Idaho

Ich bin für meine Frau Jen so dankbar. Ohne Ausnahme lebt sie das, was sie lehrt. Sie weiß, wer sie ist, und erfreut sich an diesem Wissen. Mutig erzählt sie das auch anderen, ganz gleich, wo sie sich befindet. Ich bin sehr dankbar, dass wir uns zwei Jahre, nachdem ich mich der Kirche angeschlossen hatte, kennengelernt haben. Sie hat mir seitdem ein großes Beispiel gegeben und ist mir ein wunderbares Vorbild gewesen und ist es immer noch.

Der Gedanke, dass ihr auf der ganzen Welt versammelt seid, ist wunderbar. Im Geiste des schönen Anfangsgebets von Landon bete ich dafür, dass euch das gegeben wird, was ihr braucht. Wenn ihr Inspiration benötigt, möget ihr diese empfangen. Wenn ihr etwas Außergewöhnliches braucht, möge es dazu kommen. Es liegt eine ungeheure Kraft darin, wenn wir uns wie heute versammeln und uns auf solche Augenblicke vorbereiten. Das Versammeln bringt Kraft. Wenn ihr der Heilung bedürft, mögt ihr Heilung erhalten. Wenn ihr des Trostes bedürft, mögt ihr Trost empfangen. Wenn ihr des Friedens bedürft, mögt ihr Frieden erhalten. Wenn ihr der Hilfe bei euren Klausuren bedürft – vielleicht ist das Semester dafür noch nicht weit genug fortgeschritten, aber wenn die Zeit kommt –, mögt ihr auch diese Hilfe erhalten.

Ich bete, dass ihr, wenn ihr eine Eingebung erhaltet, eine ganz persönliche Botschaft, dann die Kraft und die innere Festigkeit haben werdet, danach zu handeln, und nicht in Gewohnheiten zurückverfallt, die ihr jetzt womöglich habt. Wenn ihr einen Augenblick braucht, um euch zu ändern, einen Augenblick, in dem eure Kraft und euer Glaube erneuert werden, dann möge euch dieser geschenkt werden.

Als ich 15 oder 16 war, war ich sehr mit mir selbst beschäftigt und war oft beunruhigt, unsicher und verletzlich, wie es bei Jugendlichen manchmal vorkommt. Einige dieser Gefühle hielten länger an, in der Jugend waren sie aber am stärksten. Ich fühlte mich verloren, war befangen und verspürte Unbehagen. Es half nicht, dass ich ein Internat an einem abgeschiedenen Küstenstreifen in England besuchte. Meine Eltern lebten weit entfernt in Saudi-Arabien. Was die Schule anbelangt, wäre Hogwarts mitsamt Snape viel einladender gewesen.

An jener Küste herrschte zwar oft schlechtes Wetter, aber einmal blies im Winter ein besonders heftiger Sturm über die Irische See herein, mit Windböen bis zu Stärke 12. Das Wasser schoss über die Deiche, die an einigen Stellen brachen. Etwa 5000 Häuser in der Umgebung wurden überschwemmt. Die Leute waren von der Stromversorgung abgeschnitten und hatten zu Hause keine Heizung oder Beleuchtung, und allmählich ging ihnen das Essen aus.

Als die Flut nach und nach zurückging, schickte die Schule uns los. Ich hatte noch keine Naturkatastrophe dieses Ausmaßes gesehen und war erstaunt, als ich sie aus nächster Nähe erlebte. Überall war Wasser und Schlamm. Die Gesichter der Überschwemmungsopfer waren aschfahl und eingefallen. Sie hatten tagelang nicht geschlafen. Meine Mitschüler und ich machten uns an die Arbeit. Wir brachten völlig durchnässte Sachen in die Obergeschosse, wo sie getrocknet werden konnten, und rissen einen Teppichboden heraus, den die Überschwemmung ruiniert hatte. Ich weiß noch, dass der durchtränkte Teppichboden unglaublich schwer und der Gestank in den Häusern schrecklich war.

Als Nächstes fiel mir auf, dass zwischen uns Helfern und den Hilfeempfängern Kameradschaft aufkam. Es herrschte einfach ein wunderbar freundliches Gefühl zwischen diesen Menschen, die unter schwierigen Umständen zu einem guten Zweck vereint waren. Später erst wurde mir bewusst, dass all die unsicheren Gefühle, die so viele meiner Gedanken als Teenager normalerweise beanspruchten, verschwunden waren, als ich mir so große Mühe gab, unseren Nachbarn beizustehen.

Ich wünschte, diese Erkenntnis hätte angehalten, das hat sie aber nicht. Die Entdeckung, dass anderen zu helfen das Gegenmittel für meinen bedrückten, ichbesessenen Zustand war, hätte eine Veränderung bewirken sollen. Das hat sie aber nicht, weil sie nicht tief genug eindrang und ich nicht gründlicher über das, was sich ereignet hatte, nachdachte. Diese Einsicht stellte sich erst später ein. Ihr habt diese Wahrheit in eurem eigenen Leben wahrscheinlich schon entdeckt. Es könnte euch helfen, darüber nachzudenken, wann und wie dies geschehen ist.

Die Aufforderung zum Dienen bei der Generalkonferenz

Ich habe während der Generalkonferenz selbst darüber nachgedacht. Ich schätze mich wirklich sehr glücklich, dass ich die Gelegenheit habe, so bald nach dieser historischen Konferenz zu euch zu sprechen, die erst ein paar Wochen her ist. Die Eindrücke, der Frieden und die Energiespritze, die ich erhalten habe, halten bei mir immer noch an.

Der Kern der Konferenzbotschaften war der wiederholte Aufruf, so zu dienen, wie der Erretter dient – und zwar aus Liebe, weil uns bewusst ist, dass wir und all unsere Mitmenschen Kinder des Vaters im Himmel sind. Wir dienen nicht, weil unser Dienst aufgerechnet oder gemessen wird, sondern weil wir den Vater im Himmel lieben und von einem höheren und edleren Ziel angetrieben sind: unseren Freunden zu helfen, den Weg zurück zu Gott zu finden und darauf zu bleiben. Wir lieben unseren Nächsten und dienen ihm so, wie Jesus es an unserer Stelle täte. Dabei bemühen wir uns wahrhaft, das Leben anderer schöner und ihre Last leichter zu machen. So stellen sich für den Geber wie auch für den Empfänger Freude und dauerhafte Erfüllung ein: Wir lassen andere an den Früchten der Erkenntnis und der Empfindung teilhaben, dass wir unendlich wertvoll sind und dass Gott für jeden von uns ewige Liebe empfindet.

Präsident Nelson hat diese Botschaft so zusammengefasst: „Ein Merkmal der wahren und lebendigen Kirche des Herrn wird immer sein, dass es eine Struktur und Anleitung dafür gibt, wie man sich um die einzelnen Kinder Gottes und deren Familie kümmern soll. Da dies die Kirche des Herrn ist, nehmen wir als seine Diener uns des Einzelnen an, so wie der Herr es getan hat. Wir dienen in seinem Namen, mit seiner Macht und Vollmacht und mit seiner liebevollen Güte.“1

Ich habe über das, was uns gesagt wurde, nachgedacht und weiß: Wenn wir diesem Aufruf zu dienen folgen, bietet sich uns die Gelegenheit, über uns hinauszuwachsen, mehr Glauben und Vertrauen aufzubringen, glücklicher zu werden und unsere Selbstbezogenheit und das damit verbundene Gefühl der Leere und Bedrücktheit zu überwinden. Ich wünschte, ich wäre viel früher in meinem Leben zu dieser Erkenntnis gelangt. Ich bin aber sehr dankbar dafür, dass ich dies im Laufe der Jahre allmählich gelernt habe und dass wir immer wieder an diese große Wahrheit erinnert werden.

Die Vorteile und Segnungen dieser Art des Dienens

Die Schönheit dieser Art des Dienens, Betreuens oder der Nachfolge Jesu besteht darin, dass sie anderen auf so vielerlei Weise hilft, dass man es nicht aufzählen kann, dass sie aber auch uns verändert, weil wir dadurch nicht an unsere Sorgen, Ängste, Befürchtungen und Zweifel denken. Anfangs lenkt uns der Dienst am Nächsten einfach von unseren eigenen Problemen ab, dann entwickelt sich jedoch schnell etwas viel Höheres und Schöneres daraus. Wir fangen an, Licht und Frieden zu erfahren, fast ohne es zu bemerken. Wir finden Ruhe, Wärme und Trost. Und wir erkennen eine Freude, die wir auf keine andere Weise erlangen. Diese Gaben empfangen wir weit überproportional zu dem, was wir wirklich getan haben, also wie wir einander geholfen haben.

Präsident Spencer W. Kimball hat dies zum Teil so erklärt: „Das Leben in Fülle, wie es in den Schriften genannt wird, ist die Summe, die wir geistig erreichen, wenn wir unseren Dienst für andere vervielfachen und unsere Talente in den Dienst Gottes und der Menschen stellen.“2 „Wir werden greifbarer, wenn wir anderen dienen – ja, es ist leichter, uns selbst zu ‚finden‘, weil es viel mehr in uns zu finden gibt!“3

Beispiele der Veränderung, die wir durchmachen, wenn wir dienen, und im Gegensatz dazu, wie es ist, wenn wir dies nicht tun

Diese Veränderung entdecken neue Missionare, wenn sie aufhören, sich um sich selbst Sorgen zu machen, und stattdessen fragen: „Wem kann ich helfen, und wie?“ Dann geschieht Folgendes: Sie hören auf, an sich selbst zu denken, und widmen sich ihrem Ziel, Seelen zu Christus zu bringen. Diese Entdeckung müssen sich Missionare oft hart erkämpfen. Sie können so davon eingenommen sein, dass sie an einem neuen Ort sind, wo die Menschen, das Essen, die Bräuche anders sind und die Sprache sie häufig fordert, dass es ihnen sehr schwerfällt, sich anderen zuzuwenden und ihnen zu dienen. Wenn sie dies jedoch tun, ändert sich alles für sie. Sie hören auf, sich zu sorgen, machen sich an die Arbeit, erledigen selbstlos die Aufgabe, die vor ihnen liegt, und entdecken eine ganz neue Dimension ihrer Mission und ihres Lebens, voller Frieden und mit einem Ziel vor Augen.

Leider erfahren Missionare allzu oft das Gegenteil dieser Entdeckung, wenn sie nach Hause zurückkehren und sich dem zuwenden, was sie in ihrer nächsten Lebensphase brauchen, mag es da um Ausbildung, Arbeit oder persönliche und familiäre Angelegenheiten gehen. Sie haben 18 bis 24 Monate lang gelernt, dass wir am glücklichsten sind, wenn wir uns nicht mit uns selbst beschäftigen oder, wie Präsident Hinckley es ausgedrückt hat, wenn wir uns vergessen und uns an die Arbeit machen. Wenn sie nach ihrer Mission zu ihrem früheren Leben zurückkehren, kehren sie oft auch zu vielen der eher selbstbezogenen Gewohnheiten zurück, die Teil dieses Lebens waren. Vor allem sind sie wieder völlig mit sich selbst beschäftigt, damit, wie es ihnen geht, wie sie aussehen oder sich anhören und was andere von ihnen halten.

So gewiss, wie der Blick nach außen und der Dienst am Nächsten Licht, Frieden und Freude bringt, so bringt die Wendung nach innen Zweifel, Angst und Trübsinn.

Ich habe da vor ein paar Monaten etwas erlebt. Ich lag stundenlang wach und versuchte vergebens, einzuschlafen. Schließlich stand ich auf und lief ein bisschen im Haus herum. Dann ging ich wieder zu Bett und versuchte einzuschlafen. Als der Schlaf sich immer noch nicht einstellte, kam mir auf einmal ein Gedanke, der einen Wandel bewirkte: „Hör auf, an dich selbst zu denken.“ Dann kam die Frage: „Wem kann ich helfen?“ Ich lag da und betete inständig: „Wem kann ich jetzt helfen, und wie?“ Ich erhielt die Eingebung, ich solle einen Freund kontaktieren und ihm Mut zusprechen. Es war nichts Großes, aber am nächsten Morgen folgte ich der Eingebung und tat hoffentlich etwas Gutes. Eines weiß ich: Sobald ich so betete und fragte, wem ich helfen könnte, fand ich endlich den Frieden, der mir abhandengekommen war, und konnte einschlafen.

Beispiele, wie der Erretter dient

Der Erretter zog umher und tat Gutes;4 er achtete stets darauf, wem er helfen könnte, und heilte alle, die bedrängt waren.5 Er segnete, lehrte und leitete andere ständig an, um ihre Sichtweise und somit auch ihr Leben zu ändern. Es ist aufschlussreich, dass Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes nach der Aufforderung Christi, ihm zu folgen, ihre Richtung und ihren Schwerpunkt sofort änderten: „Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach.“6

Später, nach der Kreuzigung, als der Erretter auf die grausamste Weise aus ihrer Mitte genommen worden war, kehrten sie zu ihrer Fischerei zurück, also zu dem, was ihnen vertraut war. Einmal kam der auferstandene Heiland zu ihnen, als sie vergebens fischten. „Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es.“7 Dies war ein Beweis, dass er seine Macht nicht im Geringsten eingebüßt hatte, veranschaulichte aber auch klar und deutlich, dass sie am falschen Ort suchten und sich auf das Falsche konzentrierten. Als sie am Ufer gemeinsam Fisch aßen, fragte der Erretter Petrus dreimal, ob er ihn liebe. Petrus bejahte dies jedes Mal, wobei er immer unruhiger wurde. Nach jeder Antwort des Petrus forderte Jesus ihn auf, seine Schafe zu weiden.

Warum fragte der Erretter ihn dreimal, ob er ihn liebe? Nun, Petrus war schon einmal aufgefordert worden, Jesus nachzufolgen, und hatte sofort reagiert und das Fischen aufgegeben. Als Jesus dann aber aus ihrer Mitte genommen wurde, trauerte Petrus; er war verloren. Er kehrte zu dem Einzigen zurück, was ihm vertraut war – dem Fischen. Jetzt wollte Jesus, dass Petrus ihn wirklich hörte und begriff, wie schwerwiegend die Aufforderung dieses Mal war; Petrus musste verstehen, was es bedeutete, ein Jünger und Nachfolger des auferstandenen Messias zu sein, nachdem dieser nun nicht mehr körperlich an ihrer Seite sein würde. Was wünschte sich der Herr von Petrus? Petrus sollte seine Schafe, seine Lämmer weiden. Das war der Auftrag, der erledigt werden musste. Petrus erkannte diese sanfte, direkte Aufforderung seines Meisters, und der leitende Apostel befolgte sie und widmete den Rest seines Lebens tapfer und furchtlos dem geistlichen Dienst, zu dem er berufen worden war.

Was dies mit euch zu tun hat

Infolge der Wiederherstellung haben wir heutzutage wieder einen leitenden Apostel auf Erden. Präsident Nelson fordert euch und mich auf, die Schafe Jesu zu weiden. Wir haben die Aufforderung bei der Generalkonferenz in den deutlichsten und liebevollsten Worten gehört, die möglich sind. Es hat uns bewegt und inspiriert, aber hat es uns auch verändert? Mit all den Ablenkungen um uns herum und so vielem Geringfügigeren, was um unsere Aufmerksamkeit buhlt, besteht die Herausforderung darin, diese Aufforderung zu befolgen und zu handeln – und wirklich etwas zu tun, wirklich etwas zu ändern und anders zu leben.

Vielleicht fragt ihr euch, was die Aufforderung zum Dienen betrifft: „Wo fange ich an?“ Beginnt mit einem Gebet. Präsident Nelson hat uns aufgefordert, „über [unsere] jetzige geistige Fähigkeit, persönliche Offenbarung zu empfangen, hinauszuwachsen, denn der Herr hat verheißen: ‚Wenn du bittest, wirst du Offenbarung um Offenbarung, Erkenntnis um Erkenntnis empfangen, damit du die Geheimnisse und das Friedfertige erkennen mögest – das, was Freude bringt, das, was ewiges Leben bringt.‘ [LuB 42:61.]“8

Fragt euren Vater im Himmel, was ihr tun könnt und für wen. Jede kleine gute Tat veranlasst uns, den Blick nach außen zu richten, und bringt ihre eigenen Segnungen mit sich. Befolgt jede Eingebung, die ihr erhaltet, ganz gleich, wie unbedeutend sie scheinen mag. Handelt entsprechend. Es könnte eine nette SMS an jemanden sein, der sie nicht erwartet. Vielleicht ist es irgendeine Botschaft. Vielleicht sind es eine Blume, ein paar Kekse oder ein freundliches Wort. Vielleicht ist es mehr, wie einen Garten oder einen Hof aufräumen, Wäschewaschen für jemanden, der nicht mehr so mobil wie früher ist, Autowaschen, Rasenmähen, Schneeräumen oder einfach Zuhören, wenn ein Freund über seine Probleme spricht.

Schwester Jean B. Bingham hat es so ausgedrückt: „Manchmal glauben wir, wir müssten etwas Großes und Heldenhaftes tun, damit es als Dienst am Nächsten ‚zählt‘. Einfache gute Taten können jedoch eine tiefgreifende Wirkung auf andere haben – und auf uns selbst.“9

Vielleicht scheut ihr euch, den ersten Schritt zu machen, weil ihr überzeugt seid, dass ihr keine Zeit habt oder nicht wirklich etwas ausrichten könnt, aber ihr werdet erstaunt sein, was selbst eine Kleinigkeit bewirken kann.

Wenn ihr euch über einen Freund Sorgen macht, der sich von der Kirche entfernt und seinen einst festen Glauben und seine Hoffnung verliert, dann ladet ihn ein, sich euch bei irgendeinem Dienstprojekt anzuschließen. Es gibt keine bessere Möglichkeit, ein Herz für das zu erweichen, was von Gott ist, und seine Liebe in unserem Leben wiederzuentdecken, als jemandem in Not sinnvolle Dienste zu erweisen.

Warum wir dienen und uns um andere kümmern

Wir müssen uns ständig ins Gedächtnis rufen, warum wir dienen und uns um andere kümmern. Wir sind Kinder des himmlischen Vaters und sind auf der Erde, um aus einer Unmenge verschiedener Erfahrungen zu lernen und zu wachsen, damit wir, wenn wir zu ihm zurückkehren, vollkommener sind. Dass wir lernen, den Blick nach außen zu richten statt nach innen und einander zu dienen, ist zu einem Großteil der Sinn unseres Daseins auf Erden. Es ist sogar der Kern davon. Das Wunder daran, dass wir den Blick nach außen richten und jemandem in Not dienen, besteht darin, dass wir dabei lernen, uns selbst und unsere eigenen Probleme zu vergessen.

Präsident Nelson zeigt euch und mir ein höheres und heiligeres Muster auf, wie man dient. Wenn wir entsprechend handeln, entdecken wir, wie erfüllend, befreiend und beruhigend es für uns ist und wie wir in anderen Veränderungen auslösen und ihnen Trost spenden können.

Wenn ihr das Endowment empfangen und eine Mission erfüllt habt, seid ihr vielleicht versucht zu sagen: „Jetzt bin ich fertig. Ich habe 18 oder 24 Monate lang ununterbrochen Vollzeitdienst geleistet. Jetzt ist jemand anders an der Reihe.“ Das könnten wir auch sagen, wenn wir geheiratet haben. Vielleicht denken wir dann: „Ich habe es geschafft. Jetzt ist es Zeit für eine Pause.“ Bei dieser Art des Dienens gibt es jedoch keine Pause. Sie ist eine Lebensweise. Vielleicht legen wir eine Pause von unseren üblichen Unternehmungen ein und machen Urlaub, um uns auszuruhen und uns zu regenerieren oder „den Bogen zu entspannen“, wie Joseph Smith es ausgedrückt hat.10 Doch bei der mit unserem Bund einhergehenden Aufgabe, einander so zu lieben, wie Christus uns geliebt hat, und seine Schafe zu weiden, gibt es keine Pause.

Ich bin schon selbst in den Genuss dieser Form von Betreuung gekommen, habe aber auch den Frieden und die Freude verspürt, die sich einstellen, wenn man für jemand anderen ein Werkzeug in Gottes Hand ist.

Jen hat erzählt, dass wir um das Leben unseres kleinen Sohnes gekämpft haben. Als er starb, fragten wir uns, wie wir uns je von diesem Verlust erholen sollten. In dieser Zeit wurde uns außerordentlich viel Liebe, Güte und Hilfe von Angehörigen und Freunden entgegengebracht, aber auch von Leuten, die wir kaum kannten. Ein liebes Ehepaar, mit dem wir schon gut befreundet waren, kümmerte sich die ganze Zeit um uns. Die beiden standen uns zur Seite, beteten mit uns und für uns und unterstützten uns mit Segnungen, Mahlzeiten, tröstenden Worten, aber auch Stille. Irgendwie tauchten sie immer dann auf, wenn wir etwas Bedenkliches erfahren hatten oder wenn wir erschöpft und dann von Trauer überwältigt waren. Sie haben im Laufe der Jahre gezeigt, dass dies ihre Lebensweise ist. Sie haben ruhig und beständig gedient.

Das Dienen in der weltweiten Kirche

Als ich in den letzten paar Jahren im Gebiet Europa tätig war und wir in Deutschland lebten, habe ich gesehen, wie dieser Grundsatz angewandt wurde und erstaunliche Wirkung zeigte: Mitglieder der Kirche und unsere Freunde aus anderen Glaubensgemeinschaften machten sich auf und halfen Abertausenden Menschen, die auf der Flucht vor den Kampfhandlungen und der Zerstörung durch einen Krieg, der im Nahen Osten immer noch tobt, alles verloren. Manchmal waren die Flüchtlinge Tausende Kilometer gegangen und hatten nur kleine Taschen mit ihren Habseligkeiten bei sich. Unsere Leute sahen ein Bedürfnis, sahen Brüder und Schwestern, sahen die Lämmer des Herrn und fingen an, diesen Flüchtlingen, die alles verloren hatten, zu helfen und ihnen Kleidung, Essen und Obdach zu geben und sie zu trösten. Dadurch trat in den Helfern eine Veränderung ein. Sie wurden mit Licht, Energie und Freude gesegnet, die sie entweder noch nie erlebt hatten oder die verblasst war, als sie nur sich selbst und das tägliche Einerlei des Lebens im Blick hatten. Unsere Mitglieder leisten überall auf der Welt weiterhin eine solch wunderbare Hilfe.

Flüchtlinge haben dringende und offensichtliche Bedürfnisse, es gibt aber auch andere in unserem Umfeld, deren Probleme vielleicht nicht so auffällig sind und die unsere Hilfe brauchen, und wir müssen auch ihnen helfen. Wir müssen uns nicht auf der anderen Seite der Welt um andere kümmern und ihnen dienen. In vielerlei Hinsicht ist es besser, wenn wir in nächster Nähe dienen.

Ich bin sehr stolz darauf, einer Kirche anzugehören, die dies in die Tat umsetzt. Allein im letzten Jahr brachten ehrenamtliche Helfer über 7 Millionen Stunden damit zu, Nahrungsmittel für die Armen und Bedürftigen anzupflanzen, zu ernten und zu verteilen. Die Kirche stellte, ebenfalls im letzten Jahr, einer halben Million Menschen sauberes Wasser zur Verfügung, die sonst keines gehabt hätten. 49.000 Menschen in 41 Ländern bekamen einen Rollstuhl. In 40 Ländern kümmerten sich ehrenamtliche Helfer darum, dass Sehbehinderte besser sehen konnten, und schulten 97.000 Pflegekräfte in diesem speziellen Bereich. In 38 Ländern wurden 33.000 Pflegekräfte in der Versorgung von Müttern und Neugeborenen geschult. Ganz zu schweigen von den Mormon Helping Hands, wo Hunderttausende unserer Mitglieder in den letzten Jahren Millionen Arbeitsstunden gespendet haben. Sie eilen denen zur Hilfe, die ein kleines oder großes Unglück getroffen hat, und tragen zu einer Verbesserung ihrer Nachbarschaft und ihres Gemeinwesens bei.

Bei der noch recht neuen Initiative der Kirche „JustServe“ kann man sich hervorragend erkundigen, ob man irgendwo in der Nähe gebraucht wird. Über 350.000 ehrenamtliche Helfer haben sich bereits dort angemeldet und bei sich vor Ort Millionen Stunden Hilfe geleistet.

Dies ist eine Kirche, die zur Tat schreitet. Das ist unsere Aufgabe. Das ist eure Aufgabe. Macht dies zu einem der Charakterzüge, an denen man euch erkennt. Auf diese Weise finden wir Freude und Frieden, denn dies ist eine der höchsten, besten und greifbarsten Möglichkeiten, dem Beispiel des Erretters zu folgen.

Präsident M. Russell Ballard hat gesagt: „Großes wird durch Kleines und Einfaches zustande gebracht. Wie die kleinen Goldkörner, die sich mit der Zeit zu einem großen Schatz anhäufen, häufen sich unsere kleinen guten Taten und unsere Hilfsbereitschaft zu einem Leben an, das erfüllt ist mit der Liebe zum Vater im Himmel, mit Hingabe an das Werk des Herrn Jesus Christus und mit Frieden und Freude, immer dann, wenn wir einander die Hand entgegenstrecken.“11

Drei Arten des Dienens

Ich möchte drei allgemeine Arten des Dienens hervorheben, an denen wir uns alle beteiligen können.

Die erste ist die Art des Dienens, mit der wir im Rahmen einer Aufgabe in der Kirche betraut oder zu der wir aufgefordert werden. Dies wurde bei der Generalkonferenz sehr schön und inspirierend angesprochen. Wir streben nach der Art des Dienens, die hoch geschätzt und nicht gemessen wird und bei der wir an diejenigen denken, für deren Betreuung uns die Verantwortung auferlegt wurde, bei der wir für sie beten und ihnen helfen.

Die zweite ist die Art des Dienens, für die wir uns aus eigenem Willen entscheiden. Dies ist eine Erweiterung der ersten Art, die in all unsere täglichen Handlungen und unseren zwischenmenschlichen Umgang mit einfließt, wenn wir uns mit noch größerem Bewusstsein bemühen, uns zu vergessen, den Blick nach außen zu richten und uns anderen zuzuwenden. Hier gibt es keinen offiziellen Auftrag; wir sind von dem Wunsch motiviert, Christus zu folgen. Es beginnt damit, dass wir zu unseren Mitmenschen freundlicher sind und mehr Rücksicht auf sie nehmen. Gute Taten und stille Großzügigkeit führen zu einem Herzenswandel und zu herzlicheren und tiefer gehenden Beziehungen.

Die dritte Art ist das Dienen in der Öffentlichkeit. Selbst in eurem Alter könnt ihr in einem Schulausschuss, einer Hilfsorganisation oder Gemeindeverwaltung, auf regionaler Ebene oder in der Landesregierung mitwirken. Ich lege Männern wie Frauen gleichermaßen ans Herz, auf diese Weise aktiv zu werden. Wirkt, wo dies angebracht ist, in der Politik mit und achtet darauf, Einzelnen wie ganzen Gemeinschaften zu dienen und sie aufzubauen. Vermeidet das politische Lagerdenken, das über Gemeinde- und Ländergrenzen und Kontinente hinweg so polarisiert, scharf und zerstörerisch geworden ist. Schließt euch anderen Politikern an, die das gemeinsame Ziel haben, bedrängtem Leben innerhalb und außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs Heilung zu verschaffen. Ihr könnt eine Stimme des Ausgleichs und der Vernunft sein und euch für Gerechtigkeit in allen Randbereichen der Gesellschaft einsetzen. Es wird immer wichtiger, dass ihr eure Energie dieser Art wertvoller Mitarbeit als Staatsbürger widmet.

Wenn wir die Nachrichten lesen, haben wir vielleicht das Gefühl, dass die Welt immer schlechter wird. Wenn jeder von uns jeden Tag kleine und große Taten vollbringt, können wir unsere eigene Welt und die unserer Mitmenschen verändern. Wenn ihr eurem Nächsten dient und gemeinsam mit ihm in eurem Gemeinwesen dient, findet ihr Freunde, die euren Wunsch zu helfen teilen. Diese Freundschaften werden stark sein und zwischen Kulturen und Glaubensgemeinschaften Brücken schlagen.

Antoine de Saint-Exupéry hat gesagt: „Das Leben hat uns gelehrt, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander anschaut, sondern darin, dass man gemeinsam in die gleiche Richtung blickt. Kameradschaft gibt es nur, wenn wir vereint an dem gleichen hohen Ziel arbeiten. Selbst in unserem Zeitalter des materiellen Wohlstands muss dies so sein. Wie sollten wir sonst das Glück erklären, das wir verspüren, wenn wir anderen in der Wüste von unserer letzten Kruste abgeben?“12

Zum Abschluss

Wenn jeder von euch der Aufforderung folgt, so zu dienen, wie Jesus es tut, verändert ihr euch und werdet immer selbstloser anstatt selbstsüchtig. Dann entdeckt ihr die Freude, die sich einstellt, wenn ihr auf die Weise des Erretters dient und eure Ängste und Unsicherheiten und den Trübsinn, den eure vermeintlichen Unzulänglichkeiten verursachen, hinter euch lasst.

Vielleicht ist euch, als ihr zugehört habt, ein Name oder ein Ziel in den Sinn gekommen. Dies ist vermutlich eine Aufforderung des Heiligen Geistes – vielleicht hattet ihr sie bereits bekommen. Wendet euch anderen zu, haltet Ausschau, richtet sie auf. Entscheidet euch dafür, diese Aufforderung anzunehmen, und betet heute darum, zu wissen, was ihr tun könnt. Wenn ihr seht und spürt, welche Segnungen dies euch und denen bringt, denen ihr dient, werdet ihr dieses Muster jeden Tag anwenden wollen.

Unser höchstes und bestes Vorhaben besteht darin, alle Kinder Gottes an dem Licht, der Hoffnung, der Freude und dem Ziel des Evangeliums Jesu Christi teilhaben zu lassen und ihnen zu helfen, den Heimweg zu finden. Wenn wir ihnen helfen und dienen und uns um sie kümmern, setzen wir das Evangelium in die Tat um. Wenn wir dies zu einer Lebensweise machen, entdecken wir, dass es einzigartige Erfüllung bringt und dass wir so den Frieden und die Freude finden, die wir vielleicht verloren haben.

Lasst mich Präsident Nelsons Auftrag an uns alle wiederholen: „Ein Merkmal der wahren und lebendigen Kirche des Herrn wird immer sein, dass es eine Struktur und Anleitung dafür gibt, wie man sich um die einzelnen Kinder Gottes und deren Familie kümmern soll. Da dies die Kirche des Herrn ist, nehmen wir als seine Diener uns des Einzelnen an, so wie der Herr es getan hat. Wir dienen in seinem Namen, mit seiner Macht und Vollmacht und mit seiner liebevollen Güte.“13

So hat der Erretter gelebt und dies war der Grund für sein Leben: um euch und mir durch sein großes, unendliches, sühnendes Geschenk den vollkommenen Balsam und die bestmögliche Heilung zu bieten. Mögen wir dem lebendigen Christus immer bereitwilliger und erfolgreicher folgen, indem wir uns bemühen, seine wahren Jünger zu werden und so dienen, wie er es tun würde.

Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Russell M. Nelson, „Anderen mit der Macht und Vollmacht Gottes dienen“, Liahona, Mai 2018, Seite 69

  2. Spencer W. Kimball, „The Abundant Life“, Ensign, Juli 1978, Seite 4

  3. Spencer W. Kimball, „The Abundant Life“, Ensign, Juli 1978, Seite 3

  4. Siehe Apostelgeschichte 10:38

  5. Siehe Apostelgeschichte 10:38

  6. Matthäus 4:20; Hervorhebung hinzugefügt

  7. Johannes 21:6

  8. Russell M. Nelson, „Offenbarung für die Kirche, Offenbarung für unser Leben“, Liahona, Mai 2018, Seite 95

  9. Jean B. Bingham, „Anderen dienen, wie der Erretter es tut“, Liahona, Mai 2018, Seite 104

  10. Siehe William M. Allred, zitiert in: „Recollections of the Prophet Joseph Smith“, Juvenile Instructor, 1. August 1892, Seite 472

  11. M. Russell Ballard, „Freude finden, indem man liebevoll dient“, Liahona, Mai 2011, Seite 49

  12. Antoine de Saint-Exupéry, Airman’s Odyssey, 1939, Seite 195

  13. Russell M. Nelson, „Anderen mit der Macht und Vollmacht Gottes dienen“, Liahona, Mai 2018, Seite 69