Ausgeglichen und mit einer Vision von der Zukunft
Andacht für junge Erwachsene in aller Welt • 2. Mai 2021 • Pionierzentrum
Elder Gary E. Stevenson: Meine lieben jungen Schwestern und Brüder, meine Frau und ich freuen uns sehr, euch zu dieser Andacht für junge Erwachsene in aller Welt begrüßen zu können. Zunächst überbringen wir euch die aufrichtigen und herzlichen Grüße von Präsident Russell M. Nelson und seinen beiden Ratgebern in der Ersten Präsidentschaft. Sie haben euch lieb, ebenso wie wir. Gemeinsam achten und unterstützen wir sie.
Schwester Lesa Stevenson: Wir befinden uns hier an einem für uns Mitglieder der Kirche ganz besonderen und geschichtsträchtigen Ort. Das mit dem „Ort“ meine ich wörtlich.
Elder Stevenson: Wir befinden uns im gerade erst geweihten Pionierzentrum, gleich neben dem Denkmal im „This Is The Place“-Gedächtnispark in den Gebirgsausläufern bei Salt Lake City. Dieser Ort erinnert an den von großer Weitsicht zeugenden Ausspruch Brigham Youngs: „Dies ist der Ort!“1 Bekanntlich sagte er dies nach der beschwerlichen Reise mit dem ersten Pioniertrupp vor fast 175 Jahren.
Schwester Stevenson: Die damaligen Mitglieder der Kirche waren erschöpft, ihre Kleidung abgerissen. Sie waren vor heftiger Verfolgung geflohen und hofften, in diesem öden Tal sesshaft zu werden. Stellt euch vor, welcher Anblick sich ihnen damals im Salzseetal bot. Eine ausgedehnte Wüste mit umherrollendem Wüsten-Beifuß ließ erahnen: Wer sich hier niederlassen wollte, würde es schwer haben.
Elder Stevenson: Doch die Pioniere wurden von einer unfassbaren himmlischen Vision belebt, angelehnt an die Prophezeiung Jesajas im Alten Testament, dass der Herr „ein Feldzeichen … für die Nationen“2 aufstellen werde. Diese treuen Heiligen sollten Frieden und Lebenszweck zurückerhalten, und zwar mit einem erweiterten Blickwinkel des Evangeliums, der weit über die Berggipfel hinausreichen sollte, die sie bezwungen hatten, um das Salzseetal zu erreichen.
Schwester Stevenson: Diese Pioniere und alle, die danach folgen sollten, schrieben Geschichte: Sie trotzten der Wüste diesen Ort ab. Die Sammlung Israels nahm ihren Anfang, und Gott segnete sie.
Elder Stevenson: Derselbe Pioniergeist und dieselbe Vision von der Zukunft sind bei den Mitgliedern der Kirche in aller Welt auch heute noch vorhanden.
Erst vor wenigen Wochen hat M. Russell Ballard, Amtierender Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel, dieses neue Pionierzentrum geweiht.
Hier lässt sich hautnah spüren, welche gewaltigen Leistungen die Mitglieder der Kirche in der Anfangszeit angesichts bitterster Not erbracht haben. Ihre Chancen standen eher schlecht. Die Pioniere kämpften sich voran, bebauten die Felder, versorgten sie mit Wasser aus den Canyons, bauten Häuser und Unterkünfte, Schulen und Gemeindehäuser – ja, sogar einen Tempel. Dabei riefen sie den Herrn Tag und Nacht an.
Schwester Stevenson: Es ist kaum zu fassen, was sie alles zustande brachten. Der Herr ließ seinen lebenden Propheten göttliche Eingebungen zukommen und segnete so seine auserwählten Kinder, um seine Absicht zu verwirklichen.
Elder Stevenson: Wie ihr sehen könnt, befindet sich nur wenige Meter entfernt von meinem Standort hier im Pionierzentrum ein riesiges Fenster, das den Blick auf das „This Is The Place“-Denkmal freigibt. Dahinter glitzert die Stadt, mit deren Bau die Pioniere vor so langer Zeit begonnen haben. Dann schweift der Blick – buchstäblich ein Weitblick – weiter nach Westen, wo die untergehende Sonne auf den Horizont trifft. Dank unseres Geschichtsverständnisses erweitert dieser erhöhte Standpunkt unseren Blickwinkel auf das, was die Pioniere vor sich sahen. Darüber hinaus können wir so sinnbildlich unseren eigenen Blickwinkel besser auf das Evangelium ausrichten und uns leiten lassen, wenn wir vor Herausforderungen oder wichtigen Entscheidungen stehen. Bereits wenige Tage, nachdem der Prophet seine Vision in die Worte „Dies ist der Ort“3 gefasst hatte, wurden erste Schritte zu deren Umsetzung unternommen: Ebendort sollte ein Tempel gebaut, der Hauptsitz der Kirche etabliert und ein Feldzeichen für die Nationen aufgestellt werden.
Heute Abend werden wir daher die Vergangenheit – die Vision unserer Pioniervorfahren – so nutzen, dass sie uns zu einer klaren Vision von unserer Zukunft verhilft. Die inspirierten Worte Winston Churchills scheinen mir für unser Gespräch heute Abend besonders passend zu sein: „Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man vorausschauen.“4
Schwester Stevenson: Es besteht kein Zweifel: In der Welt sehen wir uns Unsicherheit gegenüber. Was mag nach fast anderthalb Jahren einer Pandemie, wie es sie so noch nie gab, vor uns liegen? Blicken wir in unsere Zukunft, benötigt jeder von uns genau die gleiche göttliche Sicht und Führung, wie sie auch den Mitgliedern in der Anfangszeit der Kirche zuteilwurde.
Elder Stevenson: Vielleicht seid ihr euch nicht sicher, welche Richtung ihr einschlagen sollt. Vielleicht haltet ihr an euren Träumen fest, auf Mission zu gehen, eine Ausbildung zu machen, beruflich voranzukommen. Vielleicht würdet ihr euch gerne verlieben, heiraten und eine Familie gründen und erleben, dass euch und euren Angehörigen die Segnungen des Tempels zufließen. Vielleicht habt ihr aber auch bereits eine ewige Familie gegründet, habt kleine Kinder und fragt euch, wie ihr sie am besten erzieht.
Unser oberstes Ziel ist immer gleich: auf dem Weg der Bündnisse vorankommen und uns treu im Glauben auf die Erhöhung vorbereiten. Der Blickwinkel des Evangeliums verschafft euch und mir die nötige Sicht, diesen Weg klar zu sehen.
Schwester Stevenson: Als Präsident Russell M. Nelson darüber sprach, wie man auf dem Weg der Bündnisse bleibt, sagte er: „Der Schlüssel dazu ist, heilige Bündnisse einzugehen und zu halten. Wir entscheiden uns dafür, so zu leben, dass wir auf dem durch Bündnisse vorgezeichneten Weg des Herrn bleiben. Es ist kein schwer zu überschauender Weg. Es ist der Weg zu wahrer Freude in diesem Leben und zu ewigem Leben im Jenseits.“5
Elder Stevenson: Wir möchten euch gern von einigen persönlichen Erfahrungen erzählen und hoffen, dass sie euch bei der Bewältigung all der Anforderungen in eurem Leben Orientierung geben, damit ihr ausgeglichen und mit einer Vision von der Zukunft vorangehen könnt.
Darbietung der Familie Bonner: „Kommt, Heilige, kommt!“
Kommt, Heilge, kommt! Nicht Müh und Plagen scheut,
wandert froh euern Pfad!
Ob rau und schwer der Weg erscheinet heut,
jeder Tag bringt euch Gnad!
Die müßgen Sorgen lasst zurück,
und denkt an euer künftges Glück;
dann klingtʼs im Herzen freudevoll:
Alles wohl, alles wohl!
Was klagen wir und zürnen unserm Los?
Alles wird endlich recht.
Was hoffen wir auf Ruhm und Ehre groß,
wenn wir scheun das Gefecht?
Die Lenden schürzt, fasst frischen Mut,
wir stehn in Gottes treuer Hut!
In Wahrheit bald es heißen soll:
Alles wohl, alles wohl!
Es liegt der Ort, den Gott für uns bestimmt,
westwärts dort, in der Fern,
wo nichts uns stört, nichts uns den Frieden nimmt,
da winkt Ruh in dem Herrn.
In süßem Chor Musik erklingt,
dem großen König Preis man bringt.
Nach schwerem Kampf uns trösten soll:
Alles wohl, alles wohl!
Und trifft uns Tod, bevor wir sind am Ziel:
Tag des Heils, nicht geweint!
Elder Stevenson: Die Textzeile „Tag des Heils, nicht geweint!“6 ist eigentlich eine Aussage, die von der bemerkenswerten Zukunftsvision der damaligen Pioniere zeugt. Sie waren der Überzeugung, dass selbst inmitten von Schwierigkeiten und Bedrängnissen dank ihres Blickwinkels auf das Evangelium alles wohl war.
Wir könnten uns eine Stunde lang darüber unterhalten, was Vision bedeutet. Manche verstehen darunter „die Kunst, etwas zu sehen, was für andere unsichtbar ist“7. Das führt zu einer Frage, die ihr euch bestimmt alle irgendwann einmal stellt: „Was sehe ich in den kommenden Jahren für mich? In welche Richtung ging es bisher? Wohin wird es zukünftig gehen?“
Schwester Stevenson: Manchmal muss uns bewusstwerden: Mit einer guten Sicht aufs Evangelium und mit der Gabe des Heiligen Geistes haben wir eine klarere Vision dessen, was möglich ist. Ihr erlebt das, wenn ihr euch jetzt eurer Ausbildung oder beruflichen Laufbahn eifrig widmet, selbst wenn ihr euren Weg letztlich noch finden müsst.
Elder Stevenson: Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn erging es mir genauso. Als Student hatte ich mit einem Freund aus Kindheitstagen ein Unternehmen für den Import von Geschenkartikeln aus Asien gegründet. 30 Jahre danach hatte sich das Portfolio unseres Unternehmens komplett geändert und wir konnten ein erhebliches Wachstum verzeichnen. Wir wurden oft gefragt: „Hatten Sie diesen Erfolg schon bei der Unternehmensgründung vorhergesehen?“ Kurz gesagt: nicht unbedingt.
Vorhersagen müssen regelmäßig überprüft und angepasst werden. Wir haben als kleiner Importeur von Geschenkartikeln aus Messing begonnen und uns dann zu einem großen Anbieter von Fitnessprodukten entwickelt. Dazu bedurfte es einiges an Glück und zwischendurch immer wieder der Anpassung unserer Vision für die Zukunft. Wer einen Plan fallen lässt und einen neuen aufstellt, sich neu erfindet und den Plan anpasst, ist nicht etwa schwach, sondern zeigt Stärke.
Schwester Stevenson: An dieser Stelle möchte ich einwerfen, welch großen Vorteil wir bei der Erarbeitung unserer Vision von der Zukunft haben. Genau wie die Pioniere kennt auch ihr das Evangelium und seid mit dem segensreichen Blickwinkel des Evangeliums vertraut. Euer Vorteil ist, dass ihr eure irdische Reise aus einer im wahrsten Sinne des Wortes himmlischen Perspektive seht.
Elder Stevenson: Der Blickwinkel der Ewigkeit oder des Evangeliums verschafft euch wertvolle Klarheit, die anderen abgeht – auch, was zeitliche Belange wie Ausbildung und Beruf angeht. Doch ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Schaut euch dieses Bild an. Was seht ihr? Wisst ihr, was hier dargestellt wird?
Versuchen wir es mit einem neuen Blickwinkel. Seht ihr jetzt klarer? Ist das alles, was es zu sehen gibt? Was meint ihr? Schauen wir uns an, was zu sehen ist, wenn wir den Blickwinkel erweitern. Seht genau hin.
Elder Stevenson: Diese einfache Übung zeigt euch, wie ihr – bildlich gesprochen – über euren Tellerrand hinausblicken könnt. Je weiter ihr hinausblickt, desto besser könnt ihr sehen.
In den Sprichwörtern heißt es sehr treffend: „Ohne prophetische Offenbarung verwildert das Volk.“8
Dieser wahre Grundsatz wurde in jüngerer Zeit von Präsident M. Russell Ballard aufgegriffen. Er sagte: „Diejenigen, die in dieser Welt am meisten erreichen, [haben] eine Vision für ihr Leben.“9 Wie wahr das doch ist!
Unsere geistige Vision entspringt dem Blickwinkel des Evangeliums und gibt uns Einblick in das, was im Leben wichtig ist. So können wir unsere Prioritäten ausrichten und sorgfältig abwägen. Darum sehen wir einen engen Zusammenhang zwischen Ausgeglichenheit und einer Vision von der Zukunft.
Ich möchte das Prinzip der Ausgeglichenheit anhand einer persönlichen Erfahrung erläutern.
Ein Freund von mir ist beruflich sehr angesehen und zudem ein bewanderter, erfahrener Hubschrauberpilot. An einem warmen Herbsttag bot er an, meinen Geschäftspartner und mich auf seinem Flug nach Salt Lake City auf einem Grundstück in den Bergen abzusetzen.
Wären wir im Truck dorthin gefahren, hätte das über zwei Stunden gedauert, mit dem Hubschrauber nur 15 Minuten. Wir nahmen das Angebot an.
Es war ein schöner Tag zum Fliegen. Beim Landeanflug konnten wir die Farben des Herbstlaubs bewundern. Kurz vor dem Aufsetzen des Hubschraubers versagte der Heckrotor. Wir begannen, uns unkontrolliert zu drehen. Eine ziemlich gefährliche Situation.
Zum Glück wusste unser Pilot dank seines Notlandetrainings fast instinktiv, was zu tun war. Es war klar, dass wir die Landung nicht überleben konnten, wenn der Hubschrauber mit der Nase voran oder auf dem Bauch landen würde.
Während wir unkontrolliert rotierten, drehte der Pilot den Hubschrauber geschickt auf die Seite, und wir stürzten zu Boden.
Es trat Treibstoff aus, Feuer schlug aus dem Motor. Doch der Pilot schaffte es, den Motor abzustellen, und wir konnten aus dem Hubschrauber flüchten, ohne dass es zur Explosion kam. Dank dem Geschick des Piloten und der Hand des Herrn überlebten wir den Hubschrauberabsturz.
Seither habe ich viel über Hubschrauber gelernt. Wir waren abgestürzt, weil der Heckrotor versagt hatte. Dadurch war es zu einem Ungleichgewicht zwischen den kritischen Elementen gekommen, die einen Hubschrauber in der Luft halten. Wenn das Verhältnis zwischen der Drehzahl des Hauptrotors, des Heckrotors und des Einstellwinkels ausgeglichen ist, kann ein Flug mit dem Hubschrauber atemberaubend sein. Wenn nicht, wird es dramatisch! Das kann ich persönlich bezeugen.
Nehmen wir uns einen Moment Zeit, um diese kritischen Elemente genauer aufzuschlüsseln.
Da ist zunächst der Hauptrotor. Drehzahl und Rotorblattlänge bestimmen Auftrieb und Drehmoment. Das vom Hauptrotor erzeugte Drehmoment muss jedoch irgendwie ausgeglichen werden, sonst gerät der Hubschrauber außer Kontrolle.
Schwester Stevenson: Deshalb hat der Hubschrauber einen Heckrotor. Er erzeugt einen Widerstand gegen das Drehmoment des Hauptrotors. Die Drehzahl des Hauptrotors steuert der Pilot per Hand. Die Drehzahl des Heckrotors regelt er mit dem Fuß. Die beiden Drehzahlen müssen unbedingt ständig aufeinander abgestimmt werden.
Ansonsten kann es zu großen Problemen kommen.
Elder Stevenson: Ein weiteres Element ist der Steuerknüppel. Über diesen wird der Einstellwinkel des Hubschraubers bestimmt, der wiederum Flugrichtung, Drehfähigkeit und Stabilität des Hubschraubers bestimmt und mit Hauptrotor und Heckrotor zusammenwirkt. Der Pilot bedient den Steuerknüppel mit der rechten Hand.
Schließlich bestimmen Nutzlast und Einstellwinkel des Hubschraubers die Drehzahl und die erforderliche Leistung für den Haupt- und den Heckrotor.
Schwester Stevenson: Wenn all diese Faktoren im Einklang sind, ist alles wunderbar ausgeglichen. Hauptrotor, Heckrotor, Steuerknüppel, Gewicht und Einstellwinkel – der Hubschrauber trotzt buchstäblich der Schwerkraft.
Wie kann man den schönen und doch komplizierten Flug eines Hubschraubers mit der Ausgeglichenheit in unserem Leben in Verbindung bringen?
Elder Stevenson: Ich möchte hierzu zitieren, was Präsident Gordon B. Hinckley vor vielen Jahren so inspirierend in einer Führerschaftsversammlung gesagt hat, bei der ich anwesend war. Vielleicht erschließt sich euch dann der Zusammenhang.
Er sagte: „Jeder von uns trägt in vier Bereichen Verantwortung. Erstens haben wir Verantwortung für unsere Familie. Zweitens sind wir unserem Arbeitgeber gegenüber verantwortlich. Drittens tragen wir Verantwortung gegenüber dem Werk des Herrn. Viertens sind wir für uns selbst verantwortlich.“10
Wir haben gesehen, wie ausgeglichen die kritischen Elemente beim Hubschrauber sein müssen – analog können wir die vier Verantwortungsbereiche betrachten.
Schwester Stevenson: Wir beginnen mit dem Zuhause und der Familie, den entscheidenden Elementen in unser aller Leben. Die Familie, zu der ihr gehört, dürft ihr nie vernachlässigen. „Sie ist [euer] kostbarster Besitz. … Letztlich nehmen wir ja die Familie ins künftige Leben mit.“11 Die Führer der Kirche haben in den letzten Jahren viel unternommen, um die Bedeutung des Zuhauses und der Familie zu betonen.
Betrachtet man die jüngsten Anweisungen, das Verhältnis zwischen der Unterweisung im Evangelium zuhause und in der Kirche neu auszutarieren, und sieht man sich den veränderten Versammlungsablauf an, deutet das klar darauf hin, dass wir das Zuhause und die Familie als den Hauptrotor in unserem Leben betrachten sollen.
Präsident Nelson forderte uns auf, „eifrig daran [zu] arbeiten, [unser] Zuhause in ein Zentrum umzubauen, wo das Evangelium gelernt wird“. Er verhieß: „Dann wird der Sabbat für Sie mit der Zeit wahrhaftig zu einer Wonne. Ihre Kinder werden mit Freuden die Lehren des Erretters lernen und danach leben, und der Einfluss des Widersachers in Ihrem Leben und Ihrem Zuhause wird abnehmen. In Ihrer Familie wird es einschneidende Veränderungen geben, die Sie als Familie stärken.“12
Elder Stevenson: Als Nächstes betrachten wir das Berufsleben – eure Anstellung oder, wenn ihr studiert, die angestrebte Ausbildung, die zu einem Vollzeitberuf oder einer Anstellung führen wird. Je besser ihr ausgebildet seid, desto besser eure Berufsaussichten. Die Erwerbstätigkeit ermöglicht es euch, für euch selbst, eure Familie und andere zu sorgen. Eine Anstellung fördert die Eigenständigkeit, in zeitlicher wie in geistiger Hinsicht. In eurem Arbeitsumfeld seid ihr eurem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, ehrlich und loyal zu sein, und ebendie Ergebnisse zu liefern, für die ihr entlohnt werdet. Seid immer bestrebt, im Job euer Bestes zu geben.
Das können wir als den Heckrotor unseres Hubschraubers betrachten.
Schwester Stevenson: Wenn ihr das Beste für euch und eure Familie wollt, ist es hilfreich, auch in eurem Job der Beste zu sein. Beide Bereiche sind eng miteinander verbunden – entscheidend ist jedoch die richtige Balance. Immer mehr Arbeitgeber, Soziologen und Unternehmensberater erkennen die Vorteile einer guten Work-Life-Balance.
Elder Stevenson: Das dritte kritische Element ist die Hinwendung zum Herrn und zu seinem Werk. Dies ist einer der Hauptzwecke, weshalb wir alle auf die Erde gekommen sind. Wir sind hier, um den Herrn zu lieben, zu ehren, ihm zu gehorchen und um ihm und den Kindern unseres himmlischen Vaters – unseren Brüdern und Schwestern auf der ganzen Welt – zu dienen. Der Herr braucht unsere Bemühungen und Talente für den Aufbau seines Reiches.
Plant ein Zeitbudget für eure Aufgaben in der Kirche ein.13 Ich finde den Begriff Budget recht aufschlussreich. Es erfordert eine bewusste Entscheidung von uns, dem Dienst am Herrn und seiner Kirche Zeit zu schenken, aber auch, diese Zeit bewusst zu kontrollieren.
Schwester Stevenson: Zwei kennzeichnende Elemente der wiederhergestellten Kirche Jesu Christi sind, dass es bis hin zu Führungsämtern eine Laienkirche ist und das jedweder Dienst ehrenamtlich geschieht. Jeder von euch ist aufgefordert, auf unterschiedliche Art und Weise einen Beitrag zum Gottesreich zu leisten. Eure Berufungen oder die eurer Familienmitglieder scheinen vielleicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt zu kommen. Trotzdem gilt: „Wenn ihr den Wunsch habt, Gott zu dienen, seid ihr zu dem Werk berufen.“14
Außerdem hat uns unser geschätzter Prophet, Präsident Nelson, verdeutlicht, dass sich unsere Welt ständig verändert, ebenso wie unser Dienst in der Kirche des Herrn. Er ermutigte uns, „einen neuen Normalzustand“ anzunehmen. Er forderte uns auf: „Dienen Sie anderen geistlich. Richten Sie Ihren Blick stets auf die Ewigkeit. [Und] machen Sie Ihre Berufungen groß.“15
Elder Stevenson: Diese Ermutigung richtet unseren Blick darauf, wozu wir berufen sind. Dabei sollen wir aber auch die ewige Perspektive beibehalten. Anders ausgedrückt, wir müssen all dies samt unseren dringenden Verantwortlichkeiten unter einen Hut bringen. Ich stelle mir den Dienst in der Kirche wie den Steuerknüppel des Hubschraubers vor, der uns sowohl stabilisiert als auch steuert.
Schwester Stevenson: Das letzte Element, womit eine Balance hergestellt werden soll, ist die Verpflichtung uns selbst gegenüber.
Das Leben kann sehr hektisch sein. Es ist wichtig, gelegentlich einen Gang herunterzuschalten. Dann können wir neue Energie tanken und unseren persönlichen Bedürfnissen wie Ruhe, Bewegung, Erholung und persönlicher geistiger Entwicklung mehr Beachtung schenken. Die Führer und Führerinnen der Kirche haben in letzter Zeit wertvolle praktische Vorschläge gemacht, um uns dabei zu helfen.
Elder Stevenson: Stimmt, Lesa. Kürzlich wies Präsident Ballard darauf hin, wie wichtig es ist, Ruhepausen einzulegen. Er sagte:
„Die moderne Technik war für mich oft sehr nützlich. Sie kann uns aber auch ablenken und uns davon abhalten, die Stimme des Herrn zu hören. Meinen Enkelkindern rate ich, jeden Tag eine Ruhepause einzulegen, in der sie über ihr Leben und das, was der Herr von ihnen erwartet, nachdenken. …
Ich [kann] keine Verbindung zum Himmel herstellen …, wenn alles drunter und drüber geht. … Ich [empfange] Eingebungen …, wenn ich ruhig bin und mich um inneren Frieden bemühe.“16
Elder Jeffrey R. Holland spricht von entschlossenem Beten. Damit meint er, „dass man sich beim Beten wirklich anstrengen muss. Dass man sich aufrichtig und ernsthaft durchkämpfen muss durch den Widerstand des Widersachers, durch die Alltagssorgen oder durch ablenkende Gedanken.“17
Schwester Stevenson: Schwester Jean B. Bingham, die Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung der Kirche, hat drei sehr wertvolle Aspekte beschrieben, die uns helfen sollen, den Herrn zu hören.
Zuerst sagt sie, dass sie sich durch die heiligen Schriften für den Geist öffnet: „Morgens lese ich als Erstes in den Schriften, um den Heiligen Geist bei mir zu haben. Auf diese Weise werde ich empfänglich und kann Offenbarung empfangen.“
Als zweiten Aspekt nennt sie den Gottesdienst im Tempel: „Auch im Tempel hat man die wunderbare Gelegenheit, die Stimme des Erretters klar und deutlich zu hören. Manchmal, wenn ich im Tempel sitze, erhalte ich eine Antwort auf ein Gebet oder mir kommt etwas in den Sinn, da ich genügend innere Ruhe habe, um dem Geist zuhören zu können.“
Und drittens sagt sie: „Musik hilft mir …, die Stimme des Erretters zu hören. Ich höre gerne Kirchenlieder, auch einfach nur die Instrumentalversion. Der Text kommt mir von alleine in den Sinn, weil ich die Lieder schon so oft gesungen habe.“18
Elder Stevenson: Es scheint, dass es oft am schwierigsten ist, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, und doch ist das sehr wichtig. Ich habe einmal gehört, man müsse beim Sägen auch lange genug pausieren, um das Sägeblatt schärfen zu können.
Schwester Stevenson: Wir müssen uns daran erinnern, dass wir Verantwortung für uns selbst tragen. Wenn wir diese Selbstfürsorge in unser Leben integrieren, profitieren wir davon sehr. Ich habe festgestellt, dass es nicht nur für mich persönlich von großem Nutzen ist, mich körperlich, emotional und geistig weiterzuentwickeln, sondern dass ich so auch meine Familie und Freunde unterstützen kann.
Diese vier Facetten unseres Lebens können also wunderbar harmonieren, wenn wir Weitblick und Ausgewogenheit walten lassen! Sie gehen wirklich Hand in Hand, nicht wahr?
Elder Stevenson: Absolut. Noch ein Punkt dazu: Wenn wir von einem Gleichgewicht dieser verschiedenen Aspekte unseres Lebens sprechen, müssen wir dies in den richtigen Kontext setzen.
Elder David A. Bednar hat dies kürzlich ganz pragmatisch in den sozialen Medien so ausgedrückt: „Manchmal denken wir über all unsere Aufgaben zuhause, in der Schule, im Beruf und in der Kirche nach und fragen uns, wie wir eine Balance zwischen den vielen, um unsere Zeit wetteifernden Anforderungen erreichen können. Anstatt uns verrückt zu machen, indem wir alles gleichzeitig tun wollen, sollten wir herausfinden, welche wenigen grundlegenden Punkte uns am wichtigsten sind. Dann können wir uns bemühen, jedem dieser Punkte die Aufmerksamkeit zu widmen, die er benötigt – einem nach dem anderen.“19
Lesa, da kommt mir ein sehr einprägsames Erlebnis in den Sinn, das ich mit meinem Vater hatte. Wir hatten kleine Kinder, ich war neu berufener Bischof und mein wachsendes Unternehmen verlangte mir viel ab. Eines Abends stieß ich erst spät zu einer Geburtstagsfeier in der Familie hinzu. Unsere Kinder und ihre Cousins und Cousinen rannten überall herum. Ich zog mich jedoch ins Haus zurück, setzte mich in eine Ecke des Zimmers und machte mir Sorgen und viele Gedanken um Geschäftsangelegenheiten an jenem Tag und um einiges, was in der Gemeinde vor sich ging.
Da kam mein Vater zu mir herüber und sagte in ungewohnt strengem Ton: „Gary, was machst du da?“ Als ich ihm von meinen Sorgen wegen all meiner Aufgaben in Kirche und Beruf erzählte, war ich sicher, dass er jede Menge Mitgefühl zeigen würde. Tat er aber nicht. Stattdessen setzte er sich zu mir und sagte, er mache sich Sorgen um mich und ich müsse etwas dagegen unternehmen, dass ich mich ständig meiner Familie entziehe. Erinnerst du dich noch daran, Lesa?
Schwester Stevenson: Sehr gut sogar.
Elder Stevenson: Mein Vater sagte: „Wenn du zuhause bist, setz die Familie an die erste Stelle – nicht die Kirche oder die Arbeit. Wenn du arbeitest, widme deiner Arbeit die volle Aufmerksamkeit – nicht der Familie oder der Kirche. Wenn du in der Kirche bist, kümmere dich vor allem darum – nicht um die Arbeit oder die Familie.“
Es war nicht so leicht, diesen Rat in die Tat umzusetzen, und selbst jetzt bin ich alles andere als vollkommen, doch der Ratschlag war eine große Hilfe. Er nahm eine Last von mir und hat sich in meinem Leben wirklich ausgezahlt. Denkt selbst darüber nach, und versucht das auch einmal selbst.
Interessanterweise entspricht das weitestgehend dem Ratschlag, den Elder Bednar, wie schon erwähnt, in den sozialen Medien gepostet hat. Er schrieb: „Es mag simpel klingen, aber wir sollten nicht frustriert sein und allzu viel Mühe und Zeit darauf verschwenden, ein perfektes Gleichgewicht zwischen all dem Wichtigen zu erreichen, was wir erledigen müssen. Wenn wir aufrichtig um Gottes Hilfe beten, um zu erkennen, was am wichtigsten ist, wird er uns leiten und uns helfen, unsere Bemühungen Tag für Tag darauf zu fokussieren.“20
Schwester Stevenson: Das ist allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt. Auch wenn ihr diesen Rat befolgt und mit Ausgewogenheit und Weitsicht vorgeht, werdet ihr höchstwahrscheinlich noch einige Misserfolge haben. Ihr werdet ein paar Kratzer und blaue Flecken davontragen.
Vielleicht wird eure Sicht durch Nebel getrübt oder ihr verliert das Gleichgewicht. Aber hier ist die gute Nachricht: Ihr seid Söhne und Töchter eures Vaters im Himmel, der euch liebt.
In den heiligen Schriften heißt es: „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft … und der Besonnenheit.“21 Vergesst auch nicht diesen wichtigen Rat vom Herrn selbst: „Darum seid guten Mutes und fürchtet euch nicht, denn ich, der Herr, bin mit euch und werde euch beistehen.“22 Ihr habt also eine stets zugängliche, göttliche Quelle der Kraft – unseren geliebten Erretter, Jesus Christus.
Elder Stevenson: Nun noch für euch alle eine inspirierte Ermutigung von Präsident Nelson: „Gott wusste, dass es nicht leicht sein würde, den Weg der Bündnisse zu finden und auf ihm zu bleiben. Darum sandte er seinen einziggezeugten Sohn, der für uns sühnen und uns den Weg zeigen sollte. Die göttliche Kraft, die allen offensteht, die Jesus Christus lieben und ihm nachfolgen, ist eine Kraft, die uns heilt, uns stärkt, uns von Sünden reinigt und uns befähigt zu tun, was wir aus eigener Kraft niemals tun könnten.“23
Schwester Stevenson: Stützt euch immer auf das Wissen, wer ihr wirklich seid und wer auf eurer Seite ist, damit ihr euer Leben ausgeglichen und mit einer klaren Vision von der Zukunft führen könnt. Der Herr „verschafft euch mehr Möglichkeiten, erweitert euren Blickwinkel und gibt euch Kraft“24.
Elder Stevenson: Es war wunderbar, heute Abend mit euch zusammen zu sein. Zum Schluss möchten wir euch unseren Dank aussprechen, jedem von euch eine Aufforderung mit auf den Weg geben und Zeugnis ablegen. Zuerst bitte ich euch, einmal darüber nachzudenken, inwiefern eure Sicht aufs Evangelium euch ohne einen Zweifel bestätigt, dass ihr wahrhaft eine Tochter Gottes oder ein Sohn Gottes seid.
Denkt zweitens darüber nach, wie ihr mit den vier Aufgabenbereichen umgeht: Verantwortung für die Familie, für Ausbildung und Arbeit, der Kirche sowie euch selbst gegenüber.
Drittens ermuntere ich euch, euch ein stilles Plätzchen zu suchen und Eindrücke aufzuschreiben, die ihr bei dieser Andacht erhalten habt. Vergesst nicht: Als Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hat jeder von euch das Geschenk erhalten, vom Heiligen Geist begleitet zu werden.
Schwester Stevenson: Wenn ihr diesen Aufforderungen nachkommt, denkt auch an die Pioniere in früherer Zeit, an jene, die – wie zu Beginn erwähnt – dieses Tal besiedelt haben, aber auch an all die Pioniere in euren Familien und Heimatländern. Der Pioniergeist und das Beispiel der Pioniere, Schwieriges in Angriff zu nehmen, können euch die nötige Zuversicht geben, ebenfalls Schwieriges schaffen zu können.
Elder Stevenson: Wie die frühen Mitglieder der Kirche halten wir Ausschau. Wir schauen hinauf. Und wir halten Einkehr, um im Evangelium eine Vision von der Zukunft und Ausgeglichenheit zu finden.
Schwester Stevenson: Ich gebe Zeugnis, dass ihr vom „vollkommenen Glanz der Hoffnung“25 erfüllt werden könnt. Der Vater im Himmel kennt einen jeden von euch beim Namen. Er liebt euch. Ich bezeuge, dass Jesus Christus der einziggezeugte Sohn des lebendigen Gottes ist. Das sage ich im Namen Jesu Christi. Amen.
Elder Stevenson: Amen. Danke, Lesa. Auch ich möchte euch, meine wunderbaren Brüder und Schwestern, mein tief empfundenes Zeugnis geben. Ich gebe Zeugnis, dass wir Kinder liebevoller himmlischer Eltern sind, dass der Vater im Himmel euch liebt und seine Lehre besagt, dass er den Wunsch hat, dass alle seine Kinder zu ihm zurückkehren.
Diese Lehre wird durch seinen Sohn, unseren liebevollen Erretter Jesus Christus, wirksam. Durch sein Sühnopfer sind wir in der Lage, in die Gegenwart unseres liebevollen himmlischen Vaters zurückzukehren. Dafür lege ich euch Zeugnis ab. Ich gebe Zeugnis für Jesus Christus und für seine heilige Rolle als unser Erretter und Erlöser. Dies tue ich in seinem Namen, im Namen Jesu Christi. Amen.