2021
Ich fühlte mich wie ein Versager
April 2021


„Ich fühlte mich wie ein Versager“, Für eine starke Jugend, April 2021, Seite 12f.

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Ich fühlte mich wie ein Versager

Ich hatte auf Mission niemanden getauft, doch dann wurde mir klar, dass es einen besseren Weg gibt, Erfolg zu messen

Zielscheibe und Pfeile

Illustration von Adam Howling

Hattest du schon mal das Gefühl, versagt zu haben, obwohl du von ganzem Herzen auf Erfolg gehofft hattest? So ging es mir, als ich von Mission nach Hause kam. Was hatten die zwei Jahre in Frankreich denn gebracht? Na klar, ich hatte Freunde gefunden, eine neue Sprache gelernt, und die treuen Heiligen, die alles daran setzten, nach dem Evangelium zu leben, waren mir ans Herz gewachsen.

Aber getauft hatte ich niemanden.

Dann erinnerte ich mich an den Rat, den mir mein Missionspräsident bei unserem Abschlussgespräch gegeben hatte: „Wenn Sie ehrlich sagen können, dass sich der Herr über Ihre Bemühungen freut und dass Sie für ihn Ihr Bestes gegeben haben, dann waren Sie erfolgreich. Alles andere ist unwichtig.“

Als ich darüber nachdachte, überkam mich der Wunsch, ein Gebet zu sprechen. Langsam empfand ich Frieden im Herzen. Der Geist flüsterte mir zu: „Der Herr weiß, dass du dein Bestes gegeben hast. Er hat dein Opfer angenommen.“ Es war an der Zeit, ein neues Kapitel im Leben aufzuschlagen.

Viele Jahre später

Es vergingen viele Jahre. Ich war gerade dabei, einen Brief an meine Tochter zu schreiben, die in Kanada auf Mission war, als mein Handy einen Klingelton von sich gab. Jemand schickte mir ein Foto von der Innenseite eines Buches Mormon, wo etwas auf Französisch stand – und zwar in meiner eigenen Handschrift! Ich hatte das Buch einer Schwester geschenkt, die ich zwar nicht selbst getauft hatte, die sich aber während meiner Missionszeit der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angeschlossen hatte. Allerdings kam sie ein paar Jahre später nicht mehr zur Kirche. Warum sollte mir jemand ein Foto von dem Zeugnis schicken, das ich so viele Jahre zuvor geschrieben hatte?

Zu dem Bild gab es auch eine Mitteilung: „Ich dachte mir, Sie freuen sich vielleicht, Ihr Zeugnis noch einmal zu lesen. Meine Tante war so begeistert, als ich mich der Kirche anschloss, dass sie mir das Buch Mormon geschenkt hat, das Sie ihr damals gegeben haben. Ich wollte Ihnen gerne sagen, was für ein Schatz es für mich ist.

Meine Tante ist in der Kirche nicht mehr aktiv, aber sie hat immer in höchsten Tönen von dieser Glaubensgemeinschaft gesprochen, sodass schließlich ihre jüngere Schwester (meine Mutter) die Missionare zu sich gebeten hat. Meine Mutter schloss sich der Kirche an. Sie heiratete im Tempel und meine Eltern erzogen uns vier Kinder im Glauben. Meine drei Geschwister und ich, wir sind alle auf Mission gewesen und haben im Tempel geheiratet. Wir sind alle aktiv und treu im Glauben.“

Meine Gefühlte übermannten mich. All die Jahre hatte ich gedacht, meine Mission hätte nichts gebracht! Aber jetzt erkannte ich, wie der Herr im Laufe der Zeit sein Werk auf seine Weise vollbracht hatte.

Für den Herrn das Beste geben

Erinnerungen an andere Menschen, die ich als Missionar unterwiesen hatte, kamen mir in den Sinn. Einer schloss sich der Kirche ein Jahr nach meiner Rückkehr von Mission an. Er lebt jetzt in Französisch-Polynesien, und wir skypen immer wieder mal. Ein anderer schloss sich der Kirche sieben Jahre nach meiner Mission an. Er war später in Texas auf Mission. Jetzt ist er Führungssekretär in einem Pfahl in Südfrankreich.

Ich dachte an andere Mitglieder in Frankreich, die ich noch kenne und so gerne mag – eine Schwester in einem Pflegeheim, die mir Briefe schreibt, und einen Mann, der damals Jugendlicher war und heute Missionspräsident in Afrika ist.

Hätte man mich am Ende meiner Mission gefragt, hätte ich gesagt, dass meine Mission rein gar nichts gebracht hat. Aber als ich über das Zeugnis nachdachte, das ich vor all den Jahren in jenes Buch Mormon geschrieben hatte, wurde mir klar, dass niemand ein Versager ist, der für den Herrn sein Bestes gibt. „Vielleicht habe ich nur darin versagt, ein Versager zu sein“, dachte ich.

Misserfolg oder Erfolg?

In der Anfangszeit der Wiederherstellung wurde eine Gruppe von Missionaren ausgesandt, um den Ureinwohnern Amerikas zu predigen, die westlich von Missouri lebten (siehe Lehre und Bündnisse 28:8; 30:6; 32:2). Die Missionare dachten, sie erfüllten damit die Prophezeiungen aus dem Buch Mormon über die Lamaniten, die in den Letzten Tagen das Evangelium erhalten sollten. Doch gegen Ende ihrer Mission hatten sie keinen einzigen Indianer getauft.

Hätte man sie gefragt, was hätten sie wohl über diesen Misserfolg gesagt? Doch unterwegs brachten sie andere Menschen zur Kirche. Unter ihnen waren spätere Führungspersönlichkeiten wie Sidney Rigdon und viele Mitglieder aus Kirtland, wo später der erste Tempel der Kirche gebaut wurde. So wie ich lernten sie, dass der Herr „den Menschenkindern zeigen [will], dass ich mein Werk selbst tun“ (2 Nephi 27:21) kann.

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und lächelte. Mir wurde klar, dass Rückschläge im Leben eine Zeit lang wie ein Misserfolg aussehen können. Doch wenn man weiterhin sein Bestes gibt, wird der Herr einem im Laufe der Zeit helfen, aus Rückschlägen einen Erfolg zu machen.