Der einzige wahre Gott und Jesus Christus, den er gesandt hat
Wir verkünden, dass aus den heiligen Schriften unzweifelhaft hervorgeht, dass der Vater, der Sohn und der Heilige Geist getrennte Personen sind, drei göttliche Wesen.
Wie Elder Ballard in dieser Versammlung bereits erwähnt hat, haben widersprüchliche Strömungen unserer Zeit immer mehr Aufmerksamkeit auf die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gelenkt. Der Herr kündigte vor alters sein Werk in diesen Letzten Tagen als „ein wunderbares Werk, ja, ein Wunder“ an1, und das ist es auch. Wir laden alle ein, dieses wunderbare Werk eingehend zu betrachten, doch über eines soll sich niemand wundern, nämlich ob wir nun Christen sind oder nicht.
Im Großen und Ganzen drehen sich alle Kontroversen in dieser Frage um zwei Punkte der Lehre – unsere Auffassung von der Gottheit und unseren Glauben an fortdauernde Offenbarung und demnach an einen offenen Kanon der heiligen Schriften. Wenn wir darüber sprechen, brauchen wir unseren Glauben nicht zu verteidigen, aber wir möchten nicht missverstanden werden. Mit dem Wunsch, mehr Klarheit zu schaffen, und um eindeutig zu erklären, dass wir Christen sind, spreche ich heute über den ersten der beiden eben erwähnten Punkte der Lehre.
Der erste und wichtigste Glaubensartikel der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage lautet: „Wir glauben an Gott, den ewigen Vater, und an seinen Sohn, Jesus Christus, und an den Heiligen Geist.“2 Wir glauben, dass diese drei göttlichen Personen, die eine einzige Gottheit bilden, in ihren Absichten, ihrem Verhalten, ihrem Zeugnis, ihrer Mission eins sind. Wir glauben, dass sie in gleichem Maße erfüllt sind von göttlicher Barmherzigkeit und Liebe, Gerechtigkeit und Gnade, Geduld, Vergebungsbereitschaft und Macht zur Erlösung. Sicher ist es korrekt, wenn ich sage, dass wir glauben, dass sie in jedem bedeutenden und ewigen Wesenszug, den man sich vorstellen kann, eins sind. Aber wir glauben nicht, dass sie drei Personen sind, die ein einziges Wesen bilden – ein Gedanke der Dreieinigkeitslehre, der in den heiligen Schriften nie dargelegt wurde, weil er nicht wahr ist.
Tatsächlich heißt es in keiner geringeren Quelle als dem unbeirrbaren Bibelwörterbuch Harper’s Bible Dictionary, dass „die formelle Lehre von der Dreieinigkeit, wie sie von den großen kirchlichen Konzilen im vierten und fünften Jahrhundert definiert wurde, im [Neuen Testament] nicht zu finden“ ist.3
Wer also kritisiert, dass das Gottesbild der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nicht der gegenwärtigen christlichen Vorstellung von Gott, Jesus und dem Heiligen Geist entspricht, äußert sich nicht dazu, wie wir zu Christus stehen. Vielmehr hat er erkannt (richtig erkannt, möchte ich hinzufügen), dass unsere Vorstellung von der Gottheit von der nachbiblischen Geschichte der Christen abweicht und zu der Lehre zurückkehrt, die Jesus selbst verkündet hat. Ein paar Worte über diese Geschichte in der nachbiblischen Zeit sind sicher hilfreich.
Im Jahr 325 n. Chr. berief der römische Kaiser Konstantin das Konzil von Nizäa ein. Dort sollte – unter anderem – ein zunehmend strittiger Punkt, nämlich Gottes angebliche „Dreieinigkeit in der Einheit“ erörtert werden. Das Ergebnis der hitzigen Streitgespräche der Kirchenleute, Philosophen und kirchlichen Würdenträger wurde (nach weiteren 125 Jahren und drei weiteren großen Konzilen)4 als das Nizäische Glaubensbekenntnis bekannt, das später, etwa im Athanasianischen Glaubensbekenntnis, noch einige Male neu formuliert wurde. Diese Glaubensbekenntnisse, die weiterentwickelt und immer wieder revidiert wurden – sowie weitere, die über die Jahrhunderte folgten –, erklären, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist seien abstrakt, absolut, transzendent, allgegenwärtig, eines Wesens, gleich ewig und unerkennbar, ohne Leib, Glieder und Regungen, jenseits von Raum und Zeit weilend. In solchen Glaubensbekenntnissen sind alle drei Mitglieder der Gottheit getrennte Personen, aber sie sind ein einziges Wesen, das oft zitierte „Mysterium der Dreieinigkeit“. Sie sind drei getrennte Personen, aber keine drei Götter, sondern ein Gott. Alle drei Personen sind unbegreiflich, und doch ist es ein Gott, der unbegreiflich ist.
Wir stimmen unseren Kritikern zumindest in diesem Punkt zu: Ein solcher Begriff der Gottheit ist wirklich unbegreiflich. Nachdem der Kirche eine so verwirrende Definition von Gott auferlegt wurde, überrascht es nicht, dass ein Mönch aus dem vierten Jahrhundert ausrief: „Wehe mir! Sie haben mir meinen Gott genommen … und ich weiß nicht, wen ich verehren oder ansprechen soll.“5 Wie sollen wir einem Gott vertrauen, ihn lieben, verehren, gar danach streben, ihm ähnlich zu sein, wenn er unbegreiflich und unerkennbar ist? Warum hat dann Jesus im Gebet zu seinem Vater im Himmel gesagt: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“?6
Es ist nicht unsere Absicht, jemandes Glauben oder irgendeine Religionslehre herabzuwürdigen. Wir respektieren die Lehre anderer Religionen, wie wir möchten, dass unsere Lehre respektiert wird (auch das ist einer unserer Glaubensartikel). Aber wenn jemand sagt, wir seien keine Christen, weil wir eine im vierten oder fünften Jahrhundert entstandene Vorstellung von der Gottheit nicht teilen, was ist dann mit den ersten christlichen Heiligen? Viele von ihnen haben den lebendigen Christus mit eigenen Augen gesehen, und sie haben ebenso wenig an diese Vorstellung geglaubt.7
Wir verkünden, dass aus den heiligen Schriften unzweifelhaft hervorgeht, dass der Vater, der Sohn und der Heilige Geist getrennte Personen sind, drei göttliche Wesen. Eindeutige Belege dafür sind das eben erwähnte Abschiedsgebet des Erretters, seine Taufe durch Johannes, das Erlebnis auf dem Berg der Verklärung und der Märtyrertod des Stephanus, um nur vier zu nennen.
Denkt man an diese und weitere Stellen aus dem Neuen Testament8, ist es wohl überflüssig zu fragen, was Jesus meinte, als er sagte: „Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht.“9 Ein andermal sagte er: „Denn ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“10 Über seine Gegner sagte er: „Jetzt aber haben sie … gesehen und doch hassen sie mich und meinen Vater.“11 Und nicht zu vergessen: Jesus hat sich seinem Vater immer ehrerbietig untergeordnet, was sich in den Worten zeigt: „Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem einen.“12 „Der Vater ist größer als ich.“13
Wen flehte Jesus in all den Jahren so innig an, wie etwa in dem schmerzlichen Ausruf: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber“14 oder „mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“15?Man macht sich nicht der Vielgötterei schuldig, wenn man sich zu den Belegen aus den heiligen Schriften bekennt, dass die ansonsten völlig einigen Mitglieder der Gottheit dennoch eigenständige und getrennte Wesen sind. Vielmehr ist dies ein Teil dessen, was Jesus hier auf der Erde über die Natur göttlicher Wesen offenbarte. Vielleicht hat es der Apostel Paulus am besten ausgedrückt: „Christus Jesus, der die Gestalt Gottes hatte, erachtete es nicht als Raub, Gott gleich zu sein.“16
Im Zusammenhang damit wird die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auch deshalb von manchen nicht als christliche Kirche eingestuft, weil wir, wie die Propheten und Apostel vor alters, an einen Gott in körperlicher – aber gewiss verherrlichter – Gestalt glauben.17 All denen, die diese auf den heiligen Schriften beruhende Ansicht kritisieren, stelle ich zumindest rhetorisch die Frage: Wenn der Gedanke an einen Gott in körperlicher Gestalt so abstoßend ist, warum sind dann die zentralen Lehren – die einzigartigen, charakteristischen Merkmale der gesamten Christenheit – die Fleischwerdung, das Sühnopfer und die körperliche Auferstehung des Herrn Jesus Christus? Wenn es für Gott nicht nur nicht notwendig, sondern auch nicht wünschenswert ist, einen Körper zu haben, warum hat dann der Erlöser der Menschheit seinen Körper aus dem Griff des Todes und des Grabes erlöst und somit sichergestellt, dass er in Zeit und Ewigkeit nie wieder von seinem Geist getrennt werden würde?18 Wer die Vorstellung von einem Gott in körperlicher Gestalt verwirft, der verwirft auch den sterblichen und den auferstandenen Christus. Niemand, der sich als wahrer Christ bezeichnet, würde das tun wollen.
Allen, die mich hören können und die sich gefragt haben, ob wir Christen sind, gebe ich dieses Zeugnis: Ich bezeuge, dass Jesus Christus buchstäblich der lebendige Sohn unseres buchstäblich lebendigen Gottes ist. Dieser Jesus ist unser Erretter und Erlöser, der unter der Leitung des Vaters den Himmel und die Erde und alles, was darinnen ist, erschaffen hat. Ich gebe Zeugnis, dass er von einer Jungfrau geboren wurde, dass er während seines Lebens große Wunder wirkte, die von unzähligen Jüngern und auch von seinen Feinden gesehen wurden. Ich bezeuge, dass er Macht über den Tod hatte, weil er göttlich war, dass er sich aber um unsertwillen bereitwillig dem Tod unterwarf, weil für eine bestimmte Zeit auch er sterblich war. Ich verkünde, dass er mit seiner Bereitschaft, sich dem Tod zu unterwerfen, die Sünden der Welt auf sich nahm und einen unermesslichen Preis für jedes Leid und jede Krankheit, jede Seelenqual und jeden Kummer zahlte, von Adam an bis zum Ende der Welt. Dadurch besiegte er in körperlicher Hinsicht das Grab sowie in geistiger Hinsicht die Hölle und befreite die gesamte Menschheit. Ich gebe Zeugnis, dass er buchstäblich aus dem Grab auferstand und, nachdem er zu seinem Vater aufgefahren war, um den Vorgang der Auferstehung zu vollenden, wiederholt hunderten seiner Jünger in der Alten und in der Neuen Welt erschien. Ich weiß, dass er der Heilige Israels ist, der Messias, der eines Tages in vollendeter Herrlichkeit wiederkommen wird, um als Herr der Herren und König der Könige auf der Erde zu regieren. Ich weiß, dass kein anderer Name unter dem Himmel gegeben ist, wodurch der Mensch errettet werden kann. Nur indem wir uns ganz auf seine Verdienste verlassen, auf seine Barmherzigkeit und seine immerwährende Gnade19, können wir ewiges Leben erlangen.
Zusätzlich gebe ich im Zusammenhang mit dieser herrlichen Lehre Zeugnis, dass Jesus in Vorbereitung auf seine tausendjährige Herrschaft in den Letzten Tagen bereits gekommen ist – mehr als einmal, in körperlicher Gestalt und majestätischer Herrlichkeit. Im Frühjahr 1820 ging ein vierzehnjähriger Junge, verwirrt von vielen ebendieser Lehren, die noch heute einen Großteil der Christenheit verwirren, in ein Wäldchen, um zu beten. Als Antwort auf dieses aufrichtige Gebet, das in so jungem Alter gesprochen wurde, erschienen der Vater und der Sohn als körperliche, verherrlichte Wesen dem jungen Propheten Joseph Smith. Dieser Tag war der Beginn der Rückkehr des wahren Evangeliums des Herrn Jesus Christus aus dem Neuen Testament und der Wiederherstellung weiterer prophetischer Wahrheiten, die von Adam an bis heute verkündet worden sind.
Ich bezeuge, dass mein Zeugnis von alldem wahr ist und dass die Himmel offen sind für alle, die dieselbe Bestätigung suchen. Mögen wir alle durch den Heiligen Geist der Wahrheit „den einzigen wahren Gott … erkennen und Jesus Christus, den [er] gesandt [hat]“.20 Und mögen wir dann nach ihren Lehren leben und in Wort und Tat wahre Christen sein, das erbitte ich im Namen Jesu Christi. Amen.