2010–2019
Die Arbeiter im Weinberg
April 2012


2:3

Die Arbeiter im Weinberg

Bitte hören Sie auf die Eingebung, die Sie jetzt in diesem Moment vom Heiligen Geist bekommen, nämlich dass Sie die Gnade der Versöhnung, die der Herr Jesus Christus Ihnen schenkt, annehmen.

Angesichts der Berufungen und Entlassungen, die von der Ersten Präsidentschaft soeben bekannt gegeben wurden, spreche ich sicherlich für uns alle, wenn ich sage, dass wir diejenigen, die so treu mit uns gedient haben, immer im Gedächtnis und im Herzen behalten werden, genauso wie wir unverzüglich diejenigen ins Herz schließen und begrüßen, die jetzt ihr Amt antreten. Ihnen allen danken wir aufrichtig.

Ich möchte über das Gleichnis Jesu sprechen, worin ein Gutsbesitzer „früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter … anzuwerben“. Nachdem er um 6 Uhr morgens eine erste Gruppe eingestellt hatte, kehrte er um 9 Uhr, um 12 Uhr und um 15 Uhr zurück, um weitere Arbeiter anzuwerben, da die Zeit immer mehr drängte, die Ernte einzuholen. In der Schrift heißt es, dass er „um die elfte Stunde“ (also gegen 17 Uhr) noch ein letztes Mal zurückkehrte und eine letzte Gruppe anwarb. Nur eine Stunde später kamen dann alle Arbeiter zusammen, um ihren Tageslohn entgegenzunehmen. Überraschenderweise erhielten ungeachtet der unterschiedlichen Arbeitsstunden alle den gleichen Lohn. Dies erregte sofort den Unmut der zuerst Angeworbenen, und sie sagten: „Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt; wir aber haben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen.“1 Als Sie dieses Gleichnis gelesen haben, hatten Sie vielleicht ebenso wie diese Arbeiter den Eindruck, dass hier ein Unrecht geschehen sei. Darauf möchte ich kurz eingehen.

Zunächst einmal muss man festhalten, dass hier niemand ungerecht behandelt wurde. Die zuerst angeworbenen Arbeiter hatten sich mit dem vollen Tageslohn einverstanden erklärt und bekamen ihn auch. Darüber hinaus waren sie – so stelle ich mir das zumindest vor – sehr froh, Arbeit zu bekommen. Zur Zeit Christi blieb einem durchschnittlichen Familienvater und seinen Angehörigen nicht viel mehr übrig, als von dem zu leben, was der Tag gerade abwarf. Wer weder Arbeit hatte noch einen Ernteertrag, weder Fische fing noch etwas verkaufte, hatte aller Wahrscheinlichkeit nach auch nichts zu essen. Da mehr Männer ihre Arbeitskraft anboten, als gebraucht wurden, hatten diejenigen, die zuerst ausgewählt wurden, unter all denen, die an diesem Morgen auf dem Markt waren, das größte Glück.

Wenn hier überhaupt jemand Mitgefühl verdient, sind es zunächst einmal diejenigen, die nicht ausgewählt wurden, aber dennoch ihre Familie mit Nahrung und Kleidung versorgen mussten. Mit einigen von ihnen schien es das Glück nie gut zu meinen. Jedes Mal, wenn der Gutsbesitzer im Laufe des Tages zurückkehrte, mussten sie mit ansehen, wie jemand anders ausgewählt wurde.

Aber kurz vor Feierabend kehrte der Gutsbesitzer überraschenderweise ein fünftes Mal mit einem bemerkenswerten Angebot zur elften Stunde zurück! Die letzten verbliebenen Arbeiter, die schon der Mut verlassen hatte, bekamen nur zu hören, dass man sie gerecht behandeln werde, und nahmen die Arbeit an, ohne den Lohn auch nur zu kennen, denn ihnen war klar, dass irgendetwas immer noch besser war als nichts – was sie ja bis dahin hatten. Als sie sich dann versammelten, um den Lohn entgegenzunehmen, bekamen sie zu ihrer Verwunderung genau so viel wie alle anderen auch. Wie erstaunt sie doch gewesen sein müssen, und wie außerordentlich dankbar! Gewiss hatten sie in ihrem ganzen Arbeitsleben noch nie solche Güte erlebt.

Vor diesem Hintergrund muss man meines Erachtens das Murren der zuerst angeworbenen Arbeiter betrachten. Es ist so, wie der Gutsbesitzer in dem Gleichnis zu einem von ihnen sagt (und ich wandle es nur leicht ab): „Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Du warst mit dem Tageslohn einverstanden – einem guten Lohn. Du warst froh über die Arbeit, und ich bin sehr zufrieden mit deiner Leistung. Du hast den vollen Lohn bekommen. Nun nimm ihn und freu dich darüber. Was die anderen betrifft: Ich kann mit meinem Geld doch wohl anfangen, was ich will.“ Dann schickt er diese Frage nach, die jeden, der sie hören muss – damals wie heute – bis ins Mark trifft: „Warum solltest du Neid empfinden, nur weil ich gütig bin?

Brüder und Schwestern, im Leben wird es immer wieder Zeiten geben, da jemand anders einen unerwarteten Segen erhält oder ihm eine besondere Anerkennung zuteilwird. Darf ich Sie inständig bitten, keinen Anstoß zu nehmen und auch ganz bestimmt nicht neidisch zu werden, wenn das Glück es mit einem anderen gut meint? Uns geht nichts verloren, nur weil ein anderer hinzugefügt bekommt. Wir sind nicht bei einem Wettlauf gegeneinander angetreten, bei dem ermittelt wird, wer der Reichste, der Begabteste, der Schönste oder gar der Gesegnetste ist. Der Wettlauf, bei dem wir tatsächlich angetreten sind, ist der gegen die Sünde – und Neid ist ganz gewiss eine besonders verbreitete.

Außerdem ist er ein Makel, der einen nicht so ohne Weiteres loslässt. Natürlich leiden wir ein wenig, wenn uns das Pech irgendwie verfolgt, aber der Neid verlangt uns ab, dass wir auch wegen all des Glücks, das allen anderen zufällt, genauso leiden. Sind das nicht herrliche Aussichten? Nur weil es jemand anders gut trifft, bricht für einen selbst wieder einmal eine Sauregurkenzeit an. Ganz zu schweigen von dem Verdruss, der sich am Ende einstellt, wenn man erkennt, dass Gott tatsächlich gleichermaßen gerecht und barmherzig ist und alle, die bei ihm stehen, zu Verwaltern „seines ganzen Vermögens“2 macht, wie es in der Schrift heißt. Die erste Lehre, die wir aus dem Weinberg des Herrn ziehen, lautet also: Begehren, Schmollen oder das Herunterziehen eines anderen hebt einen selbst nicht auf eine höhere Stufe, auch verbessert es nicht das eigene Image, wenn man einen anderen erniedrigt. Seien Sie also gütig, und seien Sie dankbar, dass Gott es auch ist. Das ist ein Rezept für ein glückliches Leben.

Ein zweiter Punkt, den ich anhand dieses Gleichnisses unterstreichen möchte, ist der traurige Fehler, der einem unterlaufen könnte, am Ende des Tages den Lohn deswegen auszuschlagen, weil es im Laufe des Tages irgendwo vermeintlich ein Problem gegeben hat. Hier steht zwar nichts davon, dass jemand seinen Denar dem Gutsbesitzer ins Gesicht geschleudert hat und ohne Geld davongestürmt ist, aber vorstellen könnte ich es mir.

Meine lieben Brüder und Schwestern, was sich in dieser Geschichte zwischen 9 und 15 Uhr zugetragen hat, wird alles mit der überaus großzügigen Gesamtzahlung am Ende des Tages abgegolten. Glauben bedeutet, dass man durchhält, sich abmüht, seine Sache zu Ende bringt und es zulässt, dass die Qualen vergangener Stunden – ob echt oder eingebildet – angesichts des reichen Lohnes, den es zum Schluss gibt, verblassen. Verharren Sie nicht bei Kümmernissen oder Kränkungen aus der Vergangenheit – mögen sie Sie selbst, Ihren Nächsten oder gar, wenn ich das hinzufügen darf, diese wahre und lebendige Kirche betreffen. Das Erhabene an Ihrem Leben, am Leben Ihres Nächsten und am Evangelium Jesu Christi wird am Jüngsten Tag offenkundig werden, auch wenn dieses Erhabene anfangs nicht von jedermann erkannt wird. Regen Sie sich also nicht über etwas auf, was sich um 9 Uhr morgens ereignet, wenn die Gnade Gottes doch darauf abzielt, Sie um 18 Uhr zu entlohnen – wie auch immer Ihre Arbeitszeit an dem Tag geregelt war.

In seelischer und geistiger Hinsicht verschleudern wir viel wertvolles Kapital, weil unser Gedächtnis einfach nicht von dem falschen Ton lassen kann, den wir als Kind bei einem Klavierkonzert angeschlagen haben, oder von etwas, was der Ehepartner vor 20 Jahren gesagt oder getan haben mag und was wir ihm gewiss noch weitere 20 Jahre vorhalten wollen, oder von einem Zwischenfall in der Geschichte der Kirche, der nichts mehr und nichts weniger beweist, als dass der Mensch es immer schwer haben wird, den Hoffnungen gerecht zu werden, die Gott in ihn setzt. Eine solche Kränkung mag zwar ihren Ausgang nicht bei Ihnen genommen haben, sie kann aber bei Ihnen ihr Ende finden. Stellen Sie sich nur vor, welcher Lohn Sie dann für Ihre Leistung erwartet, wenn der Herr des Weinbergs Ihnen in die Augen blickt und am Ende unserer irdischen Tage die Konten abgestimmt werden.

Damit komme ich zu meinem dritten und letzten Punkt. Auch in diesem Gleichnis geht es – wie in allen anderen – eigentlich genauso wenig um Arbeiter oder Löhne, wie es in anderen um Schafe oder Böcke geht. Es handelt von der Güte Gottes, von seiner Geduld und Vergebungsbereitschaft und vom Sühnopfer des Herrn Jesus Christus. Es geht um Großherzigkeit und Mitgefühl. Es geht um Gnade. Es unterstreicht einen Gedanken, den ich vor vielen Jahren gehört habe, dass nämlich Gott am Gottsein gewiss die Tatsache am besten gefällt, dass er barmherzig sein darf – vor allem auch denen gegenüber, die es nicht erwarten und oft auch meinen, es nicht zu verdienen.

Ich weiß nicht, wer in der großen Menge der heute hier Versammelten hören muss, was in diesem Gleichnis über Vergebung ausgesagt wird, aber für wie spät Sie es auch halten, wie viele Chancen Sie Ihrer Meinung nach bereits vertan haben, wie viele Fehler Sie auch schon begangen zu haben glauben, welche Talente Sie auch zu vermissen glauben und wie weit weg von zu Hause, Ihren Lieben und Gott Sie zu sein vermeinen – ich bezeuge, dass Sie nicht so weit weg sind, dass die Liebe Gottes Sie nicht mehr erreichen könnte. Es ist gar nicht möglich, dass ein Mensch so tief sinkt, dass die Lichtstrahlen des unbegrenzten Sühnopfers Christi ihn nicht zu erreichen vermögen.

Ob Sie noch kein Mitglied der Kirche sind oder ob Sie sich uns angeschlossen hatten und sich später wieder abgewandt haben – Sie können in beiden Fällen nichts angerichtet haben, was sich nicht auch wieder beheben ließe. Es gibt keine Schwierigkeit, die Sie nicht überwinden können. Es gibt keinen Traum, der im Laufe der Zeit und der Ewigkeit nicht doch noch wahr werden kann. Selbst wenn Sie sich verloren glauben und meinen, in der elften Stunde als Letzter noch keine Arbeit gefunden zu haben, so steht der Herr des Weinbergs doch da und winkt Sie noch immer zu sich. „Lasst uns also voll Zuversicht hingehen zum Thron der Gnade“3 und dem Heiligen Israels zu Füßen fallen. Laben wir uns am Tisch des Herrn „ohne Geld … und … ohne Bezahlung“4.

Ich appelliere vor allem an die Ehemänner und Väter, an die Priestertumsträger oder baldigen Priestertumsträger, und zwar mit den Worten Lehis: „Erwacht! Und erhebt euch aus dem Staub … und seid Männer.“5 Nicht immer, aber oft sind es die Männer, die dem Aufruf, zu „dienen dem Herrn“6, nicht Folge leisten wollen. Frauen und Kinder legen häufig mehr Bereitschaft an den Tag. Brüder, treten Sie vor! Tun Sie es um Ihrer selbst willen. Tun Sie es um derentwillen, die Sie lieben und die darum beten, dass Sie dem Ruf Folge leisten. Tun Sie es um des Herrn Jesus Christus willen, der einen unermesslichen Preis für die Zukunft gezahlt hat, die er sich für Sie wünscht.

Meine lieben Brüder und Schwestern, ob Sie nun schon viele Jahre das Evangelium genießen durften, weil Sie das Glück hatten, es früh zu finden, ob Sie es schrittweise und erst viel später angenommen haben oder ob Sie – als Mitglied oder jemand, der es erst noch werden muss – noch etwas zögerlich sind: Ich gebe Ihnen allen Zeugnis von der erneuernden Kraft der Liebe Gottes und dem Wunder seiner Gnade. Ihm geht es um den Glauben, den Sie irgendwann entwickelt haben werden, und nicht um die Tageszeit, zu der Sie dies erreichen.

Wenn Sie Bündnisse eingegangen sind, halten Sie sie. Wenn Sie noch keine eingegangen sind, schließen Sie sie. Wenn Sie welche eingegangen sind, sie aber gebrochen haben, kehren Sie um und stellen Sie sie wieder her. Es ist nie zu spät, solange der Herr des Weinbergs sagt, dass noch Zeit ist. Bitte hören Sie auf die Eingebung, die Sie jetzt in diesem Moment vom Heiligen Geist bekommen, nämlich dass Sie die Gnade der Versöhnung, die der Herr Jesus Christus Ihnen schenkt, annehmen und die Gemeinschaft in seinem Werk genießen sollen. Schieben Sie das nicht auf. Die Zeit wird knapp. Im Namen Jesu Christi. Amen.