2010–2019
Die Freude der Heiligen
Herbst-Generalkonferenz 2019


14:32

Die Freude der Heiligen

Freude entsteht daraus, dass man die Gebote Christi befolgt, durch den Herrn Kummer und Schwächen überwindet und wie der Herr dient

Enos, der Prophet aus dem Buch Mormon und Enkelsohn Lehis, berichtet von einem einzigartigen Erlebnis, das er in jüngeren Jahren einmal gehabt hatte. Er war im Wald allein auf der Jagd und machte sich Gedanken über die Worte seines Vaters Jakob. Er berichtet: „Die Worte, die ich meinen Vater in Bezug auf das ewige Leben und die Freude der Heiligen oft hatte sprechen hören, waren mir tief ins Herz gedrungen.“ Seine Seele hungerte in geistiger Hinsicht, und so kniete Enos nieder und betete. Dieses bemerkenswerte Gebet dauerte den ganzen Tag und bis in die Nacht hinein, und daraufhin erhielt er bedeutsame Offenbarungen, Zusicherungen und Verheißungen.

Wir können aus Enosʼ Erlebnis vieles lernen. Heute möchte ich jedoch hervorheben, dass Enos sich daran erinnerte, dass sein Vater oft über „die Freude der Heiligen“ gesprochen hatte.

Vor drei Jahren sprach Präsident Russell M. Nelson bei dieser Konferenz über Freude. Unter anderem sagte er:

„Die Freude, die wir empfinden, hat wenig mit unseren Lebensumständen und vielmehr damit zu tun, worauf wir im Leben den Blick richten.

Wenn wir Gottes Plan der Erlösung und Jesus Christus und sein Evangelium in unserem Leben in den Mittelpunkt stellen, … können wir Freude verspüren – ganz gleich, was in unserem Leben geschieht oder nicht geschieht. Freude kommt von Christus und durch ihn. … Für Heilige der Letzten Tage ist Jesus Christus Freude!“

Ein Heiliger ist jemand, der durch die Taufe einen Bund im Evangelium geschlossen hat und bestrebt ist, Christus als sein Jünger nachzufolgen. Die „Freude der Heiligen“ bezeichnet also die Freude, so wie Christus zu werden.

Ich möchte über die Freude sprechen, die daraus entsteht, dass man die Gebote des Herrn befolgt, die Freude, die darauf beruht, dass man durch den Herrn Kummer und Schwächen überwindet, und die Freude, die damit einhergeht, dass man wie der Herr dient.

Die Freude daran, die Gebote Christi zu befolgen

Wir leben in einer hedonistischen Zeit, in der viele die Frage stellen, ob man die Gebote des Herrn überhaupt halten muss, oder diese schlichtweg ignorieren. Nicht selten scheint es Leuten, die Gottes Vorgaben missachten – wie etwa das Gesetz der Keuschheit, Ehrlichkeit und die Heiligkeit des Sabbats –, bestens zu gehen, und sie genießen das Leben. Manchmal ergeht es ihnen anscheinend sogar besser als denen, die sich bemühen, gehorsam zu sein. Manch einer fragt sich dann vielleicht, ob sich die Mühe und die Opfer überhaupt lohnen. Die alten Israeliten beklagten sich einmal:

„Es hat keinen Sinn, Gott zu dienen. Was haben wir davon, wenn wir auf seine Anordnungen achten und vor dem Herrn der Heerscharen in Trauergewändern umhergehen?

Darum preisen wir die Überheblichen glücklich, denn die Frevler haben Erfolg; sie stellen Gott auf die Probe und kommen doch straflos davon.“

Doch der Herr sprach: Wartet ab bis zu dem Tag, an dem ihr „mein besonderes Eigentum“ sein werdet. „Dann werdet ihr … den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem Frevler, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient.“ Die Frevler haben vielleicht „eine Zeit lang Freude an ihren Werken“, doch sie währt nicht für immer. Die Freude der Heiligen ist anhaltend.

Gott sieht alles im wahren Licht, und durch seine Gebote können wir das auch, und so werden wir um die Fallgruben und Schlaglöcher des irdischen Lebens herum manövriert und zur ewigen Freude hingeführt. Der Prophet Joseph Smith hat erklärt: „Wenn Gottes Gebote uns unterweisen, so geschieht dies im Hinblick auf die Ewigkeit; denn Gott betrachtet uns so, als befänden wir uns in der Ewigkeit. Gott weilt in der Ewigkeit und er sieht die Dinge nicht so, wie wir sie sehen.“

Ich habe noch niemanden kennengelernt, der erst später im Leben zum Evangelium gefunden hat und sich nicht gewünscht hätte, er hätte es schon eher gekannt. „Ach, diese schlechten Entscheidungen und Fehler, die ich hätte vermeiden können“, sagt so jemand dann oft. Die Gebote des Herrn sind unsere Anleitung für bessere Entscheidungen und erfreulichere Ergebnisse. Wie sehr sollten wir uns doch freuen und dem Herrn danken, weil er uns diesen vortrefflicheren Weg gezeigt hat!

Schwester Kamwanya

Als Teenager fastete und betete Schwester Kalombo Rosette Kamwanya aus der Demokratischen Republik Kongo, die momentan in der Elfenbeinküste-Mission Abidjan West eine Mission erfüllt, drei Tage lang, um herauszufinden, welchen Weg sie nach dem Willen Gottes einschlagen sollte. In einer beeindruckenden nächtlichen Vision wurden ihr zwei Gebäude gezeigt: ein Gemeindehaus und eines, von dem sie nun weiß, dass es ein Tempel ist. Sie fing an zu suchen und fand schon bald das Gebäude, das sie in ihrem Traum gesehen hatte. Auf dem Schild stand: „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“. Schwester Kamwanya ließ sich taufen, und etwas später taten ihre Mutter und ihre sechs Brüder es ihr gleich. Schwester Kamwanya erklärt: „Als ich das Evangelium fand, fühlte ich mich wie ein Vogel, der zuvor gefangen war, aber nun freigelassen wurde. Mein Herz war von Freude erfüllt. … Ich spürte die Zusicherung, dass Gott mich liebt.“

Wenn wir die Gebote des Herrn halten, können wir seine Liebe intensiver und leichter verspüren. Der enge und schmale Pfad der Gebote führt direkt zum Baum des Lebens, und der Baum und seine Frucht, die das Süßeste und „Begehrenswerteste von allem“ ist, stellen die Liebe Gottes dar und füllen die Seele mit „überaus großer Freude“. Der Erretter hat gesagt:

„Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.

Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.“

Die Freude daran, durch Christus Schwieriges zu überwinden

Selbst wenn wir treu die Gebote halten, können Prüfungen und Schicksalsschläge unsere Freude beeinträchtigen. Doch wenn wir uns bemühen, diese Herausforderungen mit der Hilfe des Erretters zu überwinden, bewahrt dies die Freude, die wir bereits spüren, und auch die Freude, die wir vorausahnen. Christus hat seinen Jüngern versichert: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ Wenn wir uns ihm zuwenden, ihm gehorchen, uns an ihn binden, werden Prüfungen und Kummer in Freude verwandelt. Ich möchte ein Beispiel anführen.

1989 war Jack Rushton Präsident des Pfahles Irvine in Kalifornien. Bei einem Familienurlaub an der kalifornischen Küste ging Jack bodysurfen. Eine Welle schleuderte ihn auf einen Felsen unter Wasser. Dabei brach er sich Halswirbel und zog sich eine schwere Rückenmarksverletzung zu. Jack sagte später: „Als ich auf dem Felsen aufschlug, wusste ich augenblicklich, dass ich gelähmt war.“ Er konnte nicht mehr sprechen und nicht einmal mehr selbständig atmen.

Angehörige und Freunde helfen den Rushtons

Angehörige, Freunde und Mitglieder aus dem Pfahl scharten sich um Bruder Rushton und seine Frau, Jo Anne. Unter anderem bauten sie einen Teil des Hauses um, damit Jack sich dort mit seinem Rollstuhl bewegen konnte. In den darauffolgenden 23 Jahren war Jo Anne Jacks wichtigste Pflegerin. Jo Anne sprach einmal über die Berichte im Buch Mormon, aus denen hervorgeht, wie der Herr seinem Volk in dessen Bedrängnissen beigestanden und ihm die Last leicht gemacht hat. „Ich staune oft darüber, wie leicht es mir fällt, für meinen Mann zu sorgen“, sagte sie.

Jack und Jo Anne Rushton

Jacks Atmungssystem wurde modifiziert, sodass er wieder sprechen konnte, und so wurde er noch im selben Jahr als Lehrer in der Evangeliumslehreklasse und als Pfahlpatriarch berufen. Wenn er einen Patriarchalischen Segen spendete, legte ein anderer Priestertumsträger Bruder Rushtons Hand auf den Kopf dessen, der den Segen empfing, und hielt die Hand und den Arm während des Segens fest. Jack starb am ersten Weihnachtsfeiertag 2012, nachdem er 22 Jahre lang treu seine Aufgaben erfüllt hatte.

Jack Rushton

Einmal erklärte Jack in einem Interview: „Jeder hat Probleme in seinem Leben, das gehört nun mal zum Erdendasein dazu. Manche Leute meinen, dass Religion oder der Glaube an Gott einen vor Schlimmem bewahrt. Ich glaube nicht, dass es darum geht. Ich glaube, es geht um Folgendes: Wenn einem Schlimmes widerfährt – und das wird so sein –, kommt man damit zurecht, wenn man starken Glauben hat. … Mein Glaube hat nie gewankt, das heißt aber nicht, dass ich keine Depressionen gehabt hätte. Ich war damit wohl zum ersten Mal an meine Grenzen gestoßen und konnte mich buchstäblich nirgendwo mehr hinwenden, und so wandte ich mich an den Herrn. Und bis zum heutigen Tag spüre ich eine überschäumende Freude.“

Heutzutage werden diejenigen, die sich in puncto Kleidung, Unterhaltung und sexueller Reinheit an die Maßstäbe des Herrn halten wollen, in den sozialen Medien und auch persönlich manchmal gnadenlos angegriffen. Häufig müssen vor allem die Jugendlichen und jungen Erwachsenen und auch die Frauen und Mütter unter den Heiligen dieses Kreuz tragen und Spott und Verfolgung erdulden. Es ist nicht leicht, über einer solchen Beschimpfung zu stehen, aber denken Sie an die Worte von Petrus: „Wenn ihr wegen des Namens Christi beschimpft werdet, seid ihr seligzupreisen; denn der Geist der Herrlichkeit, der Geist Gottes, ruht auf euch.“

Im Garten von Eden waren Adam und Eva „in einem Zustand der Unschuld[, sie hatten] keine Freude …, denn sie kannten kein Elend“. Als rechenschaftspflichtige Wesen finden wir Freude, indem wir Elend in jedweder Form überwinden, seien es Sünden, Prüfungen, Schwächen oder etwas anderes, was unserem Glück im Wege steht. Dies ist die Freude am Fortschritt auf dem Weg des Jüngerseins, die Freude, „Vergebung für [unsere] Sünden [zu erhalten und] Frieden im Gewissen“ zu haben, die Freude daran, dass die eigene Seele sich erweitert und durch die Gnade Christi wächst.

Die Freude daran, wie Christus zu dienen

Der Erretter hat Freude daran, die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen. Präsident Russell M. Nelson hat über das Sühnopfer des Erretters gesagt:

„Wie bei allem ist Jesus Christus unser vollkommenes Vorbild. ‚Er hat angesichts der vor ihm liegenden Freude das Kreuz auf sich genommen.‘ [Hebräer 12:2.] Denken Sie einmal darüber nach! Damit er das Qualvollste ertragen konnte, was je auf Erden erduldet wurde, konzentrierte sich der Herr auf Freude!

Und worin bestand die Freude, die vor ihm lag? Sicherlich gehörte dazu die Freude, dass er uns rein machen, heilen und stärken würde, die Freude, für die Sünden all derer zu zahlen, die umkehren würden, die Freude, es Ihnen und mir zu ermöglichen, rein und würdig heimzukehren, um bei unseren himmlischen Eltern und unserer Familie zu leben.“

Auf ähnliche Weise ist die „vor uns liegende Freude“ die Freude, dem Erretter bei seinem Erlösungswerk zu helfen. Als Nachkommen und Erben Abrahams haben wir teil daran, alle Familien der Erde „mit den Segnungen des Evangeliums, und das sind die Segnungen der Errettung, ja, des ewigen Lebens“ zu beglücken.

Das erinnert an die Worte Almas:

„Dies ist mein Ruhm, dass ich vielleicht ein Werkzeug in den Händen Gottes bin, um irgendeine Seele zur Umkehr zu führen; und dies ist meine Freude.

Und siehe, wenn ich viele meiner Brüder wahrhaft reumütig sehe und dass sie zum Herrn, zu ihrem Gott, kommen, dann ist meine Seele von Freude erfüllt …

Aber ich freue mich nicht nur über meinen eigenen Erfolg, sondern meine Freude wird größer wegen des Erfolgs meiner Brüder, die oben im Land Nephi gewesen sind. …

Wenn ich nun an den Erfolg dieser meiner Brüder denke, wird mir die Seele entrückt, ja, sodass sie sich gleichsam vom Leib trennt, so groß ist meine Freude.“

Die Früchte unseres Dienstes für andere in der Kirche gehören auch zu der „vor uns liegenden Freude“. Selbst wenn wir entmutigt oder gestresst sind, können wir anderen geduldig dienen, wenn wir unseren Blick auf die Freude richten, Gott zu gefallen und seinen Kindern – unseren Brüdern und Schwestern – Licht, Unterstützung und Freude zu schenken.

Letzten Monat waren Elder David A. Bednar und seine Frau Susan in Haiti zur Weihung des Tempels in Port-au-Prince. Dort sprachen sie mit einer jungen Frau, deren Mann ein paar Tage zuvor bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen war. Sie weinten zusammen mit ihr. Doch am Sonntag stand diese gute Frau bei der Weihung als Ordnerin auf ihrem Posten und begrüßte alle, die in den Tempel kamen, mit einem herzlichen Lächeln.

Ich glaube, dass die größte „Freude der Heiligen“ aus dem Wissen entsteht, dass der Erretter sich für sie einsetzt, und „niemand kann die Freude ermessen, die unsere Seele [erfüllen wird, wenn wir Jesus] für uns zum Vater beten [hören]“. Mit Präsident Russell M. Nelson bezeuge ich, dass Freude eine Gabe für treue Heilige ist, „die das Kreuz der Welt ertragen … haben“ und die „bewusst bemüht [sind], ein rechtschaffenes Leben zu führen, wie Jesus Christus es gelehrt hat“. Möge Ihre Freude voll sein. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.