Vertrauen Sie auf den Herrn!
Das einzig Verlässliche ist, dass wir auf den Herrn und seine Liebe zu seinen Kindern vertrauen
Meine lieben Brüder und Schwestern! In einem Brief, den ich vor einiger Zeit erhielt, wird das Thema meiner Ansprache angeschnitten. Die Verfasserin erwog eine Eheschließung im Tempel mit einem Mann, dessen Partnerin für die Ewigkeit verstorben war. Sie würde dann eine zweite Ehefrau werden. Sie stellte mir diese Frage: Würde sie im Jenseits ein eigenes Zuhause haben oder würde sie mit ihrem Mann und seiner ersten Frau leben müssen? Ich sagte ihr einfach: Vertrauen Sie auf den Herrn!
Von jemandem, der mir sehr am Herzen liegt, habe ich etwas gehört, was ich mit seiner Erlaubnis nun erzähle. Nach dem Tod seiner geliebten Frau und der Mutter seiner Kinder heiratete ein Vater erneut. Einige der erwachsenen Kinder waren strikt gegen die neue Ehe und baten einen nahen Verwandten, der ein angesehener Führer der Kirche war, um Rat. Er hörte sich ihre Einwände an, in denen es um die Zustände und die Beziehungen in der Geisterwelt oder den Reichen der Herrlichkeit nach dem Jüngsten Gericht ging. Dann sagte er: „Ihr macht euch über die falschen Probleme Gedanken. Ihr solltet euch lieber darum sorgen, ob ihr dorthin gelangt. Konzentriert euch darauf! Wenn ihr das schafft, wird alles noch viel herrlicher sein, als ihr es euch vorstellen könnt.“
Welch tröstliche Lehre! Vertrauen Sie auf den Herrn!
Aus Briefen weiß ich, dass auch andere mit Fragen ringen, die die Geisterwelt betreffen, die wir nach unserem Tod bis zu unserer Auferstehung bewohnen werden. Einige gehen davon aus, dass in der Geisterwelt viele der derzeitigen Umstände und Probleme des irdischen Lebens weiterhin bestehen. Was wissen wir denn schon über die Zustände in der Geisterwelt? Ich stimme einem Religionsdozenten an der BYU zu, der in einem Artikel zu diesem Thema schreibt: „Wenn wir uns fragen, was wir aus den Standardwerken über die Geisterwelt wissen, lautet die Antwort: ‚Nicht so viel, wie wir oft denken.‘“
Aus den heiligen Schriften wissen wir natürlich, dass unser Geist nach dem Tod des Körpers in der Geisterwelt weiterlebt. Aus den Schriften geht auch hervor, dass die Geisterwelt unterteilt ist zwischen denen, die im Leben „rechtschaffen“ oder „gerecht“ waren, und denen, die schlecht waren. Dort wird auch beschrieben, wie einige treue Geister den Schlechten oder Widersetzlichen das Evangelium predigen (siehe 1 Petrus 3:19; Lehre und Bündnisse 138:19,20,29,32,37). Vor allem aber zeigt neuzeitliche Offenbarung auf, dass das Erlösungswerk in der Geisterwelt fortgeführt wird (siehe Lehre und Bündnisse 138:30-34,58), und auch wenn wir ermahnt werden, unsere Umkehr im Erdenleben nicht aufzuschieben (siehe Alma 13:27), wird uns gesagt, dass dort Umkehr in gewissem Maße möglich ist (siehe Lehre und Bündnisse 138:58).
Das Erlösungswerk in der Geisterwelt besteht darin, die Geister von dem zu befreien, was in den Schriften häufig als „Gefangenschaft“ beschrieben wird. In der Geisterwelt befindet sich jeder gewissermaßen in Gefangenschaft. In Präsident Joseph F. Smiths großer Offenbarung, die als Abschnitt 138 im Buch Lehre und Bündnisse kanonisiert wurde, heißt es, dass die rechtschaffenen Toten, die sich in einem Zustand des Friedens befanden (siehe Lehre und Bündnisse 138:22), während sie auf die Auferstehung warteten (siehe Lehre und Bündnisse 138:16), „die lange Abwesenheit ihres Geistes von ihrem Leib als Gefangenschaft betrachtet“ (Lehre und Bündnisse 138:50) hatten.
Die Schlechten erleiden außerdem noch eine weitere Gefangenschaft. Weil sie von ihren Sünden nicht umgekehrt sind, befinden sie sich im „Gefängnis“ der Geister, wie es der Apostel Petrus nennt (1 Petrus 3:19; siehe auch Lehre und Bündnisse 138:42). Diese Geister werden als „gebunden“ oder „Gefangene“ (Lehre und Bündnisse 138:31,42) beschrieben, sie werden „in die äußere Finsternis hinausgestoßen“ mit „Weinen und Wehklagen und Zähneknirschen“ (Alma 40:13,14), während sie die Auferstehung und das Gericht erwarten.
Die Auferstehung aller, die sich in der Geisterwelt befinden, ist durch die Auferstehung Jesu Christi garantiert (siehe 1 Korinther 15:22), auch wenn sie für unterschiedliche Gruppen zu unterschiedlichen Zeiten stattfindet. Bis zu diesem festgelegten Zeitpunkt – so erfahren wir aus den heiligen Schriften – geht es bei allem, was in der Geisterwelt vor sich geht, hauptsächlich um das Erlösungswerk. Darüber hinaus ist kaum etwas offenbart. Das Evangelium wird denen gepredigt, die die Wahrheit nicht kennen, die nicht umgekehrt sind oder die sich auflehnen, damit sie aus ihrer Gefangenschaft befreit werden und den Segnungen entgegengehen können, die ein liebevoller Vater im Himmel für sie bereithält.
Die Gefangenschaft besteht für die rechtschaffenen bekehrten Seelen in der Geisterwelt darin, darauf warten zu müssen – und vielleicht sogar durch Eingebungen darauf hinwirken zu dürfen –, dass ein Stellvertreter für sie auf der Erde die heiligen Handlungen vollzieht, sodass sie getauft werden und die Segnungen des Heiligen Geistes genießen können (siehe Lehre und Bündnisse 138:30-37,57,58). Diese heiligen Handlungen mit irdischen Stellvertretern ermöglichen diesen mit Priestertumsvollmacht ausgestatteten Seelen, die Schar der Rechtschaffenen zu vergrößern, die den Geistern im Gefängnis das Evangelium predigen kann.
Außer diesen Grundlagen ist in unserem Schriftenkanon sehr wenig über die Geisterwelt zu finden, die auf den Tod folgt und dem Jüngsten Gericht vorausgeht. Was wissen wir noch über die Geisterwelt? Viele Mitglieder der Kirche hatten Visionen oder sonstige Eingebungen, durch die sie erfahren haben, wie etwas in der Geisterwelt abläuft oder aufgebaut ist, aber diese persönlichen geistigen Erlebnisse dürfen nicht als offizielle Lehre der Kirche betrachtet oder verkündet werden. Natürlich werden auch viele Mutmaßungen von Mitgliedern und anderen veröffentlicht, zum Beispiel in Büchern zu Nahtoderfahrungen.
Was diese betrifft, muss man sich die klugen Warnungen von Elder D. Todd Christofferson und Elder Neil L. Andersen aus früheren Generalkonferenzansprachen in Erinnerung rufen. Elder Christofferson hat gesagt: „[Man muss] bedenken, dass nicht jede Aussage eines Führers der Kirche, ob aus der Vergangenheit oder der Gegenwart, gleich notwendigerweise Lehre ist. Gemeinhin wird in der Kirche verstanden, dass eine Aussage, die von einem Führer zu einem bestimmten Anlass getroffen wird – so wohldurchdacht sie auch sein mag –, seine persönliche Meinung darstellt und keine offizielle oder bindende Stellungnahme für die gesamte Kirche.“
Bei der nächsten Konferenz verwies Elder Andersen auf den folgenden Grundsatz: „Die Lehre wird von allen 15 Mitgliedern der Ersten Präsidentschaft und des Kollegiums der Zwölf Apostel verkündet. Sie wird nicht in irgendeinem undurchsichtigen Absatz einer Ansprache versteckt.“ Die Proklamation zur Familie – unterschrieben von allen 15 Propheten, Sehern und Offenbarern – verdeutlicht diesen Grundsatz ganz wunderbar.
Von Formellem wie der Proklamation zur Familie abgesehen, sind auch die prophetischen Aussagen der Präsidenten der Kirche, die von weiteren Propheten und Aposteln bekräftigt werden, ein Beispiel dafür. Was die Umstände in der Geisterwelt angeht, hat der Prophet Joseph Smith gegen Ende seines Wirkens zwei Lehren aufgezeigt, die von seinen Nachfolgern häufig wiederholt wurden. Eine davon ist seine Aussage in der King-Follett-Predigt, dass rechtschaffene Angehörige in der Welt der Geister zusammen sein werden. Eine weitere ist folgende Aussage, die er in seinem letzten Lebensjahr bei einer Beerdigung getroffen hat: „Die Geister der Gerechten werden zu einer größeren und herrlicheren Arbeit [in der Welt der Geister] erhöht. … Sie [sind] nicht fern von uns; sie kennen und verstehen unsere Gedanken, Gefühle und Regungen, was ihnen oftmals Schmerzen bereitet.“
Was ist nun mit Fragen wie der eingangs erwähnten, wo die Geister leben? Wenn Ihnen diese Frage eigenartig oder belanglos erscheint, denken Sie an viele Ihrer eigenen Fragen oder gar an solche, die Sie beinahe auf der Basis von etwas beantwortet hätten, was Sie irgendwann einmal von irgendjemandem gehört haben. Für alle Fragen zur Geisterwelt schlage ich zwei Antworten vor:Erstens, denken Sie daran, dass Gott seine Kinder liebt und gewiss das tut, was für jeden von uns am besten ist. Zweitens, denken Sie an diese bekannte Lehre aus der Bibel, die mir schon bei einer Vielzahl offener Fragen eine große Hilfe war:
„Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit;
such ihn zu erkennen auf all deinen Wegen, dann ebnet er selbst deine Pfade!“ (Sprichwörter 3:5,6.)
Mit ähnlichen Worten schloss auch Nephi seinen hervorragenden Psalm: „O Herr, ich habe auf dich vertraut, und ich werde auf dich vertrauen immerdar. Ich werde mein Vertrauen nicht in den Arm des Fleisches setzen.“ (2 Nephi 4:34.)
Wir können uns Gedanken machen, wie es wohl in der Geisterwelt aussehen mag, und diese und andere offene Fragen innerhalb der Familie oder anderweitig in privatem Rahmen auch besprechen. Aber wir sollten nichts verkünden oder als offizielle Lehre verbreiten, was nicht den Normen der offiziellen Lehre entspricht. Damit bringen wir das Werk des Herrn nicht voran und halten vielleicht sogar jemanden davon ab, sich durch die persönliche Offenbarung, die im Plan des Herrn für jeden von uns vorgesehen ist, um eigenen Trost und eigene Erbauung zu bemühen. Wenn wir uns zu sehr auf persönliche Auffassungen oder Mutmaßungen verlassen, kann uns das sogar davon ablenken, uns auf das Lernen und die Bemühungen zu konzentrieren, die unser Verständnis tatsächlich erweitern und uns auf dem Weg der Bündnisse voranbringen.
Vertrauen Sie auf den Herrn! Das ist eine bekannte und wahre Lehre in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Das war es, was Joseph Smith verkündete, als die ersten Heiligen schwer verfolgt wurden und vor scheinbar unüberwindlichen Hindernissen standen. Es ist nach wie vor der beste Grundsatz, an den wir uns halten können, wenn wir in unseren Bestrebungen, zu lernen oder Trost zu finden, auf Hindernisse stoßen, weil etwas noch nicht offenbart oder als offizielle Lehre der Kirche angenommen wurde.
Dieser Grundsatz gilt auch für offene Fragen zu Siegelungen im Jenseits oder gewünschte Nachjustierungen wegen irdischer Ereignisse oder Übertretungen. Es gibt so vieles, was wir nicht wissen, und daher ist das einzig Verlässliche, dass wir auf den Herrn und seine Liebe zu seinen Kindern vertrauen.
Abschließend lässt sich über die Geisterwelt sagen: Wir wissen, dass das Erlösungswerk des Vaters und des Sohnes dort weitergeht. Unser Erretter hat das Werk, den Gefangenen die Freiheit zu verkünden, begonnen (siehe 1 Petrus 3:18,19; 4:6; Lehre und Bündnisse 138:6-11,18-21,28-37), und dieses Werk wird fortgeführt von würdigen und fähigen Boten, die das Evangelium und damit auch die Umkehr weiter denen predigen, die ihrer reinigenden Wirkung noch bedürfen (siehe Lehre und Bündnisse 138:57). Das Ziel von alledem wird in der offiziellen Lehre der Kirche, gegeben in neuzeitlicher Offenbarung, erklärt.
„Die Toten, die umkehren, werden erlöst werden, indem sie den Verordnungen des Hauses Gottes gehorsam sind,
und werden, sobald sie die Strafe für ihre Übertretungen bezahlt haben und reingewaschen sind, gemäß ihren Werken einen Lohn empfangen; denn sie sind Erben der Errettung.“ (Lehre und Bündnisse 138:58,59.)
Jeder von uns hat die Pflicht, die Lehre des wiederhergestellten Evangeliums darzulegen, die Gebote zu halten, andere zu lieben und ihnen zu helfen und im heiligen Tempel das Erlösungswerk zu tun.
Ich bezeuge die Wahrheit all dessen, was ich hier gesagt habe, und der Grundsätze, die bei dieser Generalkonferenz gelehrt wurden und werden. Ermöglicht wird all dies durch das Sühnopfer Jesu Christi. Wir wissen ja aus neuzeitlicher Offenbarung: Er „verherrlicht“ den Vater und errettet „alle Werke seiner Hände“ (Lehre und Bündnisse 76:43; Hervorhebung hinzugefügt). Im Namen Jesu Christi. Amen.