2010
Die Segnungen des Tempels
Oktober 2010


Die Segnungen des Tempels

Der Tempel verleiht unserem Leben Sinn. Er schenkt der Seele Frieden – nicht den Frieden, den Menschen schaffen können, sondern den Frieden, den der Sohn Gottes verheißen hat, als er sagte: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“

Im Tempel können wir uns dem Herrn nahe fühlen

Ich glaube, es gibt keinen Ort auf der Welt, wo ich mich dem Herrn näher fühle, als in einem seiner heiligen Tempel. Ich möchte ein Gedicht etwas umformulieren:

Wie weit weg ist der Himmel?

Nicht sehr weit.

In Gottes Tempeln

ist er bei uns allezeit.

Der Herr hat gesagt:

„Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen,

sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen.

Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“1

Für die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist der Tempel die heiligste Stätte auf Erden. Er ist das Haus des Herrn, und so wie es an der Außenfassade des Tempels eingraviert ist, ist er „heilig dem Herrn“.

Der Tempel bringt uns Wachstum und Erhöhung

Im Tempel wird der herrliche Plan Gottes dargelegt. Hier im Tempel schließt man Bündnisse für die Ewigkeit. Der Tempel bringt uns Wachstum und Erhöhung, er ist ein für alle sichtbares Leuchtfeuer und zeigt uns den Weg zur celestialen Herrlichkeit. Er ist das Haus Gottes. Alles, was innerhalb des Tempels geschieht, ist erbaulich und edel.

Der Tempel ist für die Familie, die einer der größten Schätze ist, die wir im sterblichen Leben haben. Der Herr hat uns Vätern ganz klar und deutlich gesagt, dass wir dazu verpflichtet sind, unsere Frau von ganzem Herzen zu lieben und für sie und für unsere Kinder zu sorgen. Er hat gesagt, dass die wichtigste Arbeit, die wir als Eltern leisten, bei uns zu Hause erfolgt, und dass unser Zuhause wie der Himmel sein kann, vor allem dann, wenn unsere Ehe im Haus Gottes gesiegelt worden ist.

Der verstorbene Elder Matthew Cowley, der dem Kollegium der Zwölf Apostel angehörte, erzählte einmal, wie er an einem Samstagnachmittag mit seiner kleinen Enkeltochter an deren Geburtstag einen Ausflug machte – nicht in den Zoo oder ins Kino, sondern zum Tempelplatz. Mit Genehmigung des Grundstücksverwalters gingen sie zu den großen Tempeltüren. Er schlug ihr vor, die Hand an die feste Mauer des Tempels und dann an die riesige Tür zu legen, und dann sagte er liebevoll: „Merk dir, dass du heute den Tempel berührt hast. Eines Tages wirst du hineingehen.“ Er schenkte diesem kleinen Mädchen keine Süßigkeiten und kein Eis, sondern ein Erlebnis, das viel bedeutsamer und beständiger war: ein Gefühl für das Haus des Herrn. Sie hatte den Tempel berührt, und der Tempel hatte sie berührt.

Der Tempel verschafft unserer Seele Frieden

Wenn wir den Tempel berühren und tiefe Gefühle dafür hegen, strahlt unser Leben unseren Glauben wider. Wenn wir zum heiligen Haus Gottes gehen und uns der Bündnisse erinnern, die wir darin schließen, werden wir imstande sein, jede Prüfung zu ertragen und jeder Versuchung zu widerstehen. Der Tempel verleiht unserem Leben Sinn. Er schenkt der Seele Frieden – nicht den Frieden, den Menschen schaffen können, sondern den Frieden, den der Sohn Gottes verheißen hat, als er sagte: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“2

Unter den Heiligen der Letzten Tage herrscht großer Glaube. Der Herr verschafft uns Gelegenheiten, bei denen sich herausstellt, ob wir seine Gebote halten, ob wir auf dem Weg bleiben, den Jesus von Nazaret beschritten hat, ob wir den Herrn mit ganzem Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft lieben und ob wir unseren Nächsten lieben wie uns selbst.3

Ich glaube, dass dieses Sprichwort stimmt: „Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit; such ihn zu erkennen auf all deinen Wegen, dann ebnet er selbst deine Pfade.“4

Das war schon immer so, und es wird immer so sein. Wenn wir unsere Pflicht tun und dem Herrn voll und ganz vertrauen, werden wir dafür sorgen, dass in seinen Tempeln immer viele Besucher sind; wir verrichten nicht nur die heiligen Handlungen für uns selbst, sondern genießen auch den Vorzug, dies für andere zu tun. Wir knien an einem heiligen Altar als Stellvertreter bei Siegelungen, bei denen Mann und Frau und deren Kinder für alle Zeit vereint werden. Schon zwölfjährige Jungen und Mädchen können, wenn sie dafür würdig sind, als Stellvertreter für diejenigen fungieren, die gestorben sind, ohne getauft werden zu können. Das wünscht sich der Vater im Himmel für Sie und für mich.

Ein Wunder geschah

Vor vielen Jahren wurde ein demütiger und gläubiger Patriarch, Bruder Percy K. Fetzer, berufen, den Mitgliedern, die hinter dem Eisernen Vorhang wohnten, den Patriarchalischen Segen zu geben.

In dieser finsteren Zeit reiste Bruder Fetzer nach Polen. Die Grenzen waren undurchlässig, und die Bürger durften das Land nicht verlassen. Bruder Fetzer traf mit deutschen Mitgliedern zusammen, die dort festsaßen, als die Grenzen nach dem Zweiten Weltkrieg neu gezogen wurden, und das Gebiet, in dem sie wohnten, ein Teil Polens wurde.

Der Führungsbeamte dieser deutschen Mitglieder war Bruder Eric P. Konietz, der mit seiner Frau und den Kindern dort wohnte. Bruder Fetzer gab Bruder Konietz, dessen Frau und den größeren Kindern den Patriarchalischen Segen.

Als Bruder Fetzer wieder in den Vereinigten Staaten war, rief er an und fragte, ob er mit mir sprechen könne. Als er in meinem Büro saß, fing er an zu weinen. Er sagte: „Bruder Monson, als ich den Mitgliedern der Familie Konietz die Hände auf den Kopf legte, sprach ich Verheißungen aus, die nicht in Erfüllung gehen können. Ich habe Bruder Konietz und seiner Frau verheißen, dass sie wieder in ihre Heimat Deutschland zurückkehren können, dass sie durch die tyrannischen Bestimmungen der Siegermächte nicht am derzeitigen Wohnort festgehalten werden und dass sie im Haus des Herrn als Familie aneinander gesiegelt werden. Ich habe ihrem Sohn verheißen, dass er auf Mission gehen wird, und der Tochter habe ich verheißen, dass sie im heiligen Tempel Gottes heiraten wird. Wir beide wissen doch, dass sie diese Segnungen aufgrund der geschlossenen Grenzen gar nicht empfangen können. Was habe ich nur getan?“

Ich entgegnete: „Bruder Fetzer, ich kenne Sie gut genug, um zu wissen, dass Sie lediglich das getan haben, was der Vater im Himmel von Ihnen verlangt hat.“ Wir beide knieten uns neben meinem Schreibtisch nieder und schütteten dem himmlischen Vater unser Herz aus und sagten ihm, dass einer guten Familie Verheißungen gemacht wurden, die mit dem Tempel Gottes zusammenhingen, und auch mit anderen Segnungen, die ihnen jetzt verwehrt sind. Nur er könne das Wunder bewirken, das wir brauchten.

Und das Wunder geschah. Polen und die Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten ein Abkommen, dass deutschstämmige Bürger, die im jetzigen Polen wohnten, nach Westdeutschland ausreisen durften. Bruder und Schwester Konietz zogen mit ihren Kindern nach Westdeutschland, und Bruder Konietz wurde Bischof der Gemeinde, in der sie wohnten.

Die gesamte Familie Konietz fuhr zum heiligen Tempel in der Schweiz. Und wer war der Tempelpräsident, der sie in einem weißen Anzug mit offenen Armen begrüßte? Niemand anders als Percy Fetzer – der Patriarch, der ihnen diese Verheißung ausgesprochen hatte. In seiner Eigenschaft als Präsident des Bern-Tempels hieß er die Familie im Haus des Herrn willkommen, und auch zur Erfüllung dieser Verheißung. Er siegelte das Ehepaar aneinander und dann die Kinder an ihre Eltern.

Die Tochter heiratete ein paar Jahre später im Haus des Herrn. Der Sohn erhielt seine Berufung und erfüllte eine Vollzeitmission.

„Wir sehen uns dann im Tempel!“

Einige von uns müssen nur ein paar Straßen weiter gehen und sind am Tempel. Andere müssen den Ozean überqueren und viele Meilen zurücklegen, ehe sie den heiligen Tempel Gottes betreten können.

Vor etlichen Jahren, noch vor der Fertigstellung des Tempels in Südafrika, besuchte ich eine Distriktskonferenz in Salisbury im damaligen Rhodesien. Dort lernte ich den Distriktspräsidenten Reginald J. Nield kennen. Er begrüßte mich zusammen mit seiner Frau und den hübschen Töchtern, als ich das Gemeindehaus betrat. Sie erzählten mir, dass sie Geld gespart und sich auf den Tag vorbereitet hatten, an dem sie zum Tempel des Herrn reisen könnten. Aber ach! Der Tempel war ja so weit weg.

Am Ende der Versammlung stellten mir die vier hübschen Töchter Fragen über den Tempel: „Wie sieht der Tempel aus? Wir haben bisher nur ein Bild gesehen.“ „Was für ein Gefühl werden wir haben, wenn wir den Tempel betreten?“ „Was wird uns am besten in Erinnerung bleiben?“ Etwa eine Stunde lang durfte ich vier Mädchen etwas über das Haus des Herrn erzählen. Als ich mich auf den Weg zum Flughafen machte, winkten sie mir zu, und das kleinste Mädchen rief: „Wir sehen uns dann im Tempel!“

Ein Jahr später hatte ich die Gelegenheit, Familie Nield im Salt-Lake-Tempel zu begrüßen. In einem friedevollen Siegelungsraum durfte ich Bruder Nield und seine Frau für alle Ewigkeit, und auch für dieses Leben, aneinander siegeln. Anschließend wurden die Türen geöffnet, und diese hübschen Töchter, die alle in reinem Weiß gekleidet waren, betraten den Raum. Sie umarmten die Mutter und dann den Vater. Sie hatten Tränen in den Augen und Dankbarkeit im Herzen. Wir waren dem Himmel ganz nah. Jede konnte nun sagen: „Jetzt sind wir eine Familie für die Ewigkeit!“

Dies ist der herrliche Segen, der auf diejenigen wartet, die zum Tempel kommen. Möge ein jeder von uns so leben, dass er würdig ist und reine Hände und ein reines Herz hat, damit der Tempel unser Leben und unsere Familie berühren kann.

Wie weit weg ist der Himmel? Ich bezeuge Ihnen, dass er im heiligen Tempel überhaupt nicht weit weg ist – denn an diesen heiligen Stätten treffen Himmel und Erde zusammen, und unser Vater im Himmel schenkt seinen Kindern seine größten Segnungen.

Der St.-George-Utah-Tempel, geweiht am 6. April 1877, erneut geweiht am 11. November 1975

Der Manila-Tempel in den Philippinen, geweiht am 25. September 1984

Der Bountiful-Utah-Tempel, geweiht am 8. Januar 1995

Der Bern-Tempel in der Schweiz, geweiht am 11. September 1955, erneut geweiht am 23. Oktober 1992

Siegelungsraum im Salt-Lake-Tempel