2012
Ehre und Ordnung des Priestertums
Juni 2012


Ehre und Ordnung des Priestertums

Präsident Boyd K. Packer

Die Schlüssel des Priestertums

In Kopenhagen [wurde 1976] eine Gebietskonferenz abgehalten. Nach der Abschlussversammlung wollte Präsident Spencer W. Kimball [1895–1985] die Frauenkirche besuchen, in der sich Thorvaldsens Statuen von Christus und den Zwölf Aposteln befinden. …

Vorn in der Kirche, hinter dem Altar, steht die bekannte Christusstatue; seine Arme sind nach vorn gerichtet und etwas ausgestreckt, an seinen Händen sieht man die Nägelmale, und die Wunde in seiner Seite ist ganz deutlich sichtbar. Zu beiden Seiten davon stehen die Statuen der Apostel, Petrus vorn rechts und die anderen Apostel dahinter.

Die meisten aus unserer Gruppe waren hinten in der Kapelle bei der Aufsicht. Ich stand mit Elder Rex D. Pinegar und Johan Helge Benthin, dem Präsidenten des Pfahls Kopenhagen, vorn bei Präsident Kimball vor der Statue des Petrus.

In dessen aus Marmor gehauener Hand befinden sich einige schwere Schlüssel. Präsident Kimball wies auf diese Schlüssel und erklärte, was sie versinnbildlichten. Dann tat er etwas, was ich nie vergessen werde. Er drehte sich zu Präsident Benthin um, zeigte mit ungewöhnlicher Deutlichkeit auf ihn und sagte: ‚Ich möchte, dass Sie jedem in Dänemark sagen, dass ich die Schlüssel innehabe! Wir besitzen die echten Schlüssel, und wir gebrauchen sie jeden Tag.‘

Diese Aussage, dieses Zeugnis des Propheten, werde ich nie vergessen. Es war ein mächtiges geistiges Erlebnis, dessen Eindruck auch körperlich spürbar war.

Wir gingen zum Ende der Kapelle, wo der Rest der Gruppe stand. Präsident Kimball wies auf die Statuen und sagte zu der freundlichen Aufsicht: ‚Dies sind tote Apostel.‘ Er wies auf mich und sagte: ‚Hier haben wir lebende Apostel. Elder Packer ist ein Apostel. Elder Thomas S. Monson und Elder L. Tom Perry sind Apostel, und ich bin ein Apostel. Wir sind die lebenden Apostel.

Sie lesen im Neuen Testament von den Siebzigern: Hier sind zwei der lebenden Siebziger, Elder Rex D. Pinegar und Elder Robert D. Hales.‘

Die Aufsicht, die sich bislang ungerührt gezeigt hatte, brach plötzlich in Tränen aus.

Ich hatte das Gefühl, dass ich gerade etwas Einmaliges erlebt hatte.“2

Das Priestertum ist nicht teilbar

„Das Priestertum ist größer als jedes seiner Ämter. Das Aaronische und ebenso das Melchisedekische Priestertum werden durch Händeauflegen übertragen. Anschließend wird der betreffende Bruder zu einem Amt im Priestertum ordiniert. Alle Ämter in der Kirche erhalten ihre Vollmacht durch das Priestertum.

Das Priestertum ist nicht teilbar. Ein Ältester trägt dasselbe Priestertum wie ein Apostel (siehe LuB 20:38). Wenn jemand das Priestertum empfängt, dann empfängt er es in seiner Gesamtheit. Es gibt aber Ämter innerhalb des Priestertums, die mit verschiedener Vollmacht und Verantwortung ausgestattet sind. Jeder darf sein Priestertum gemäß den Rechten ausüben, die ihm das Amt verleiht, zu dem er ordiniert oder eingesetzt worden ist. …

Wer das Melchisedekische oder größere Priestertum trägt, hat auch die gesamte Vollmacht des Aaronischen oder geringeren Priestertums inne.“3

Das vorbereitende Priestertum

„Dass es das geringere Priestertum genannt wird, schmälert die Bedeutung des Aaronischen Priestertums keineswegs. Der Herr hat gesagt, es sei für das Melchisedekische Priestertum notwendig (siehe LuB 84:29). Jeder, der das höhere Priestertum trägt, sollte sich sehr geehrt fühlen, die heiligen Handlungen des Aaronischen Priestertums auszuführen, denn sie sind geistig von großer Bedeutung.

Ich habe als Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel das Abendmahl ausgeteilt. Ich versichere Ihnen, dass ich mich sehr geehrt gefühlt habe und zutiefst demütig gestimmt war, etwas zu tun, was manche vielleicht als Routineaufgabe betrachten. …

Vor alters hat man Opfer dargebracht in Erwartung des Sühnopfers Christi. Wir blicken durch die heilige Handlung des Abendmahls auf dasselbe Ereignis zurück.

Beides, die Opfer vor der Zeit Christi und das Abendmahl danach, haben Christus zum Mittelpunkt, das Vergießen seines Blutes, das Sühnopfer, das er für unsere Sünden vollbracht hat. Die Vollmacht, diese heiligen Handlungen durchzuführen, gehörte damals und gehört heute zum Aaronischen Priestertum.

Dies ist eine wahrhaft heilige Aufgabe, und ihr bildet eine Bruderschaft mit jenen Dienern des Herrn vor alters. Da wundert es nicht, dass man sich so demütig fühlt, wenn man an den heiligen Handlungen beteiligt ist, die dem Aaronischen Priestertum zugewiesen sind. …

Ein paar von euch, die heute hier als Diakone, Lehrer und Priester sitzen, werden eines Tages als Apostel und Propheten hier sitzen und über die Kirche präsidieren. Ihr müsst vorbereitet sein.

Es ist gewiss zutreffend, das Aaronische Priestertum als das vorbereitende Priestertum zu bezeichnen.“4

Eine Einladung an die Ältestenanwärter

„Das Amt eines Ältesten ist eine Berufung, die mit Würde und Ehre, geistiger Vollmacht und Macht verbunden ist. Die Bezeichnung ‚Anwärter‘ lässt Hoffnung und Zuversicht und Möglichkeiten durchblicken. Nun spreche ich heute zu den Ältestenanwärtern, wohl wissend, dass es auch viele andere geben mag, die sich ebenfalls angesprochen fühlen. …

Wenn Sie in die Umgebung zurückkehren, in der geistige Wahrheiten ausgesprochen werden, strömen Gedanken in Ihren Sinn zurück, die Sie verloren glaubten. Was unter vielen Jahren des Nichtgebrauchens und der Untätigkeit begraben wurde, wird wieder hervorkommen. Ihre Fähigkeit, dies zu verstehen, wird belebt. …

Wenn Sie sich auf den Weg zurück zu den Heiligen begeben, werden Sie bald die Sprache der Inspiration wieder verstehen. Und schneller als Sie denken, wird es Ihnen vorkommen, als seien Sie nie fortgewesen. Es ist so wichtig, dass Sie erkennen: Wenn Sie zurückkehren, kann es so sein, als wären Sie nie fort gewesen. …

Bald werden Sie sich in der Kirche und im Reich des Herrn voll und ganz zugehörig fühlen. Dann werden Sie wissen, wie dringend Sie hier gebraucht werden und wie machtvoll Ihre Stimme aufgrund Ihrer Erfahrung sein kann, wenn es darum geht, andere zu erlösen.“5

Berufungen im Priestertum

„Die Berufung ist mehr als nur eine Aufforderung oder Bitte. Es handelt sich um einen Auftrag, den der Herr durch seinen erwählten Diener ausspricht. Vor Jahren machte Präsident Spencer W. Kimball, seinerzeit Präsident eines Pfahles in Arizona, mit einer Berufung die folgende Erfahrung. Das Amt des Pfahl-JM-Leiters musste neu besetzt werden. Präsident Kimball verließ seinen Schreibtisch bei der Bank und ging ein Stück die Straße hinunter zu einem bestimmten Geschäft. Er ging hinein und sagte: ‚Jack, was hältst du davon, unser Pfahl-JM-Leiter zu werden?‘

Jack antwortete: ‚Ach, Spencer, du denkst doch nicht etwa an mich?‘

Präsident Kimball sagte: ‚Natürlich denke ich an dich. Du bist jung und kommst mit den Jugendlichen gut zurecht. Du wärst ein sehr guter JM-Leiter.‘

Daraufhin nahm das Gespräch eine sehr unangenehme Wendung, wie Präsident Kimball fand. Jack nahm die Berufung nämlich nicht an. Präsident Kimball ging zur Bank zurück und grübelte dann an seinem Schreibtisch darüber, warum es nicht geklappt hatte. Plötzlich wurde es ihm klar. Er ging wieder die Straße hinunter – durch dieselbe Tür, zum selben Mann –, aber diesmal sprach er ihn mit seinem vollen Namen an und sagte: ‚Letzten Sonntag hat die Pfahlpräsidentschaft darüber beraten, wer der neue JM-Leiter werden soll. Wir haben darüber gebetet und uns darüber unterhalten. Zum Schluss sind wir niedergekniet und haben den Herrn gefragt und von ihm die Eingebung empfangen, dass du berufen werden sollst. Ich bin als Diener des Herrn gekommen, um diese Berufung auszusprechen.‘

Jack erwiderte: ‚Nun, Spencer, wenn du das so sagst.‘

Darauf er: ‚Ja, ich sage das so.‘“6

„Jeder Älteste muss sich dessen bewusst sein, dass eine Berufung mehr ist als eine Bitte, eine Aufforderung oder ein Auftrag. Allzu oft wird gesagt: ‚Ich bin gebeten worden, als Ratgeber in der Ältestenkollegiumspräsidentschaft zu dienen.‘ Dabei müsste es richtig heißen: ‚Ich bin berufen worden, als Ratgeber zu dienen.‘

Man beruft sich nicht selbst zu einem Amt in der Kirche, sondern man folgt vielmehr dem Ruf der Brüder, die über einen präsidieren. Diesen obliegt es, gebeterfüllt den Herrn zu befragen, was er hinsichtlich eines Amtes in der Kirche getan haben will. Dann wird das Prinzip der Offenbarung wirksam. Anschließend spricht der präsidierende Beamte, der für den Herrn handelt, die Berufung aus.“7

Die Bedeutung der Ordinierung

„Das Priestertum wird durch Ordinierung übertragen und nicht einfach dadurch, dass man einen Bund schließt oder einen Segen empfängt. Das war von Anfang an so. Ungeachtet dessen, was sie aufgrund von irgendetwas, was – heute oder in der Vergangenheit – gesagt oder geschrieben worden ist, annehmen oder folgern, ist die tatsächliche Ordinierung zu einem Amt im Priestertum der Weg, der einzige Weg, wie es übertragen wurde oder wird.

Auch die Schrift macht deutlich, dass die einzige gültige Übertragung des Priestertums von jemandem vollzogen wird, ‚der Vollmacht hat, und es ist der Kirche bekannt, dass er Vollmacht hat und von den Häuptern der Kirche ordnungsgemäß ordiniert worden ist‘ [LuB 42:11]. …

Übersehen Sie nicht die eine einfache, aber offensichtliche Tatsache: Das Priestertum wird immer durch Ordinierung übertragen von jemandem, der die rechtmäßige Vollmacht hat und von dem es der Kirche bekannt ist, dass er sie besitzt. Und selbst wenn das Priestertum übertragen worden ist, hat der Betreffende keine weitere Vollmacht als die, die zu dem Amt gehört, zu dem er ordiniert worden ist. Diese Grenzen gelten auch für das Amt, zu dem man eingesetzt worden ist. Nicht bevollmächtigte Ordinierungen oder Einsetzungen übertragen überhaupt nichts, weder Macht noch Vollmacht des Priestertums.“8

Die Macht des Priestertums

„Es ist uns sehr gut gelungen, die Vollmacht des Priestertums weiterzugeben. Die Priestertumsvollmacht ist fast überall vorhanden. Wir haben überall Kollegien mit Ältesten und Hohen Priestern. Doch die Verbreitung der Vollmacht des Priestertums ist meiner Meinung nach der Verbreitung der Macht des Priestertums um Längen voraus. Das Priestertum hat nicht die Kraft, die es haben sollte, und wird sie auch nicht haben, solange die Macht des Priestertums in den Familien nicht so fest verwurzelt ist, wie sie es sein sollte. …

Die Vollmacht des Priestertums ist mit uns. Nach allem, was wir korreliert und organisiert haben, ist es nun unsere Aufgabe, die Macht des Priestertums in der Kirche freizusetzen. Die Vollmacht im Priestertum wird mit der Ordinierung übertragen; die Macht im Priestertum erhält man, wenn man gläubig und gehorsam lebt und seine Bündnisse hält. Sie wird verstärkt, wenn man das Priestertum auf rechtschaffene Weise ausübt und nutzt.

Liebe Väter, ich möchte Sie daran erinnern, wie heilig Ihre Berufung ist. Sie haben die Macht des Priestertums direkt vom Herrn erhalten, um Ihr Zuhause zu schützen. Es wird Zeiten geben, in denen diese Macht alles sein wird, was als Schutzschild zwischen Ihrer Familie und den Tücken des Widersachers stehen wird. Sie werden durch die Gabe des Heiligen Geistes vom Herrn geführt werden.“9

„Welche Macht Sie bekommen, hängt davon ab, wie Sie mit dieser heiligen, unsichtbaren Gabe umgehen.

Die Vollmacht ergibt sich aus der Ordinierung; die Macht ergibt sich aus Gehorsam und Würdigkeit. …

Macht im Priestertum ergibt sich daraus, dass man im Gewöhnlichen seine Pflicht erfüllt – Versammlungen besucht, Aufträge annimmt, die heiligen Schriften liest, das Wort der Weisheit hält.“10

Wahre Diener des Herrn

„Wir wüssten nicht, dass die Schlüssel des Priestertums in anderen christlichen Kirchen angewandt werden. Es ist sonderbar, dass einige uns als Nichtchristen bezeichnen, obwohl wir die Einzigen sind, die die Vollmacht und die Organisation haben, die Christus begründet hat.

Die gegenwärtigen Zwölf sind ganz normale Menschen. Ebenso wie die ursprünglichen Zwölf ist an jedem Einzelnen von ihnen nichts Spektakuläres, doch gemeinsam stellen die Zwölf eine Macht dar.

Wir haben die verschiedensten Berufe. Wir sind Wissenschaftler, Rechtsanwalt, Lehrer.

Elder [Russell M.] Nelson war ein Pionier in der Herzchirurgie. …

Einige in diesem Kollegium waren im Militär – bei der Marine, als Piloten.

Sie hatten die verschiedensten Aufgaben in der Kirche: Heimlehrer, Lehrer, Missionar, Kollegiumspräsident, Bischof, Pfahlpräsident, Missionspräsident und vor allem Ehemann und Vater.

Sie alle sind Lernende und Lehrer im Evangelium Jesu Christi. Uns eint, dass wir den Erlöser und die Kinder seines Vaters lieben, und unser Zeugnis, dass er das Oberhaupt der Kirche ist.

Fast ausnahmslos stammen die Zwölf aus einfachen Verhältnissen, so wie der Herr, als er auf Erden war. Die lebenden Zwölf sind im Dienst im Evangelium Jesu Christi zusammengeschweißt. Als die Berufung erfolgte, hat jeder sozusagen seine Netze beiseitegelegt und ist dem Herrn gefolgt.“11

„Ich versichere Ihnen, dass die vierzehn Männer, die wie ich ordiniert worden sind, tatsächlich Apostel sind. Damit sage ich nicht mehr als das, was der Herr gelehrt hat, nicht mehr als das, was jedem offenbart werden kann, der sich mit aufrichtigem Herzen und wirklichem Vorsatz um ein Zeugnis des Geistes bemüht.

Diese Männer sind wahre Diener des Herrn; schenken Sie ihrem Rat Beachtung.“12

Das Zeugnis eines Apostels

„Es gibt viele Voraussetzungen, die mir fehlen. So viel an meinem Bestreben zu dienen lässt zu wünschen übrig. Es gibt nur eines, eine einzige Voraussetzung, die dies erklären kann. Wie Petrus und alle, die seither eingesetzt wurden, habe ich dieses Zeugnis.

Ich weiß, dass Gott unser Vater ist. Er stellte seinen Sohn Jesus Christus dem jungen Joseph Smith vor. Ich sage Ihnen, dass ich weiß, dass Jesus der Messias ist. Ich weiß, dass er lebt. Er wurde in der Zeiten Mitte geboren. Er hat sein Evangelium gelehrt und wurde versucht. Er litt und wurde gekreuzigt und ist am dritten Tag auferstanden. Er hat, wie sein Vater, einen Körper aus Fleisch und Gebein. Er hat das Sühnopfer vollbracht. Von ihm gebe ich Zeugnis. Ich bin einer seiner Zeugen.“13

Anmerkungen

  1. „Wie das Priestertum übertragen wird: Lehre, Grundsätze und Anwendung“, Weltweite Führerschaftsschulung, 21. Juni 2003, Seite 1

  2. „Die Zwölf“, Liahona, Mai 2008, Seite 85

  3. „Was jeder Älteste – und ebenso jede Schwester – wissen muss: Eine Einführung in die Grundsätze der Priestertumsregierung“, Der Stern, November 1994, Seite 17

  4. „The Aaronic Priesthood“, Ensign, November 1981, Seite 30f.

  5. „An Appeal to Prospective Elders“, Ensign, Mai 1975, Seite 104ff.

  6. „Wie das Priestertum übertragen wird“, Weltweite Führerschaftsschulung, 21. Juni 2003, Seite 2

  7. „Was jeder Älteste … wissen muss“, Der Stern, November 1994, Seite 22

  8. Siehe „Der Tempel, das Priestertum“, Der Stern, Juli 1993, Seite 20

  9. „Die Macht des Priestertums“, Liahona, Mai 2010, Seite 7, 9

  10. „The Aaronic Priesthood“, Ensign, November 1981, Seite 32f.

  11. „Die Zwölf“, Liahona, Mai 2008, Seite 85f.

  12. „Die Zwölf Apostel“, Liahona, September 2005, Seite 30

  13. „Die Zwölf“, Liahona, Mai 2008, Seite 87

Die Wiederherstellung des Melchisedekischen Priestertums, Gemälde von Walter Rane © IRI

Foto von Cody Bell

Foto © IRI