Sie sind im Werk des Herrn nicht allein
Wenn wir von einem Priestertumsdienst zum nächsten schreiten, erkennen wir, dass der Herr in diesem Werk bei uns ist.
Meine lieben Brüder, wir sind dankbar, dass der Herr Elder Ronald A. Rasband, Elder Gary E. Stevenson und Elder Dale G. Renlund als Apostel des Herrn Jesus Christus berufen hat. Wir unterstützen sie von ganzem Herzen in unseren Gebeten und mit unserem Glauben.
Wir wissen um ihre großen Fähigkeiten. Dennoch brauchen sie in ihrer Berufung, wie jeder von uns, die Gewissheit, dass der Herr ihnen in seinem Werk zur Seite steht. Jeder frisch ordinierte Diakon braucht diese Zuversicht, wie auch der erfahrenste Hohe Priester, der eine neue Berufung erhalten hat.
Die Zuversicht wächst, wenn man erkennt, dass der Herr einen durch seine Diener berufen hat. Ich möchte Ihnen heute versichern und verständlich machen, dass der Herr Ihren Anstrengungen seine Macht hinzufügt, wenn Sie Ihren Teil tun.
Jede Berufung, die wir im Reich des Herrn erhalten, erfordert mehr als menschliches Urteilsvermögen und eigene Kraft. In solchen Berufungen benötigen wir die Hilfe des Herrn und diese wird uns auch zuteil. Selbst der frisch ordinierte Diakon erfährt, dass das so ist, und im Laufe der Jahre wird er noch Weiteres hinzulernen.
Heute Abend ist auch einer meiner Enkel hier; für ihn ist es die erste Priestertumsversammlung. Er wurde vor sechs Tagen zum Diakon ordiniert. Vermutlich darf er zum ersten Mal seinen Priestertumspflichten nachkommen, wenn er am nächsten Sonntag das Abendmahl austeilt. Ich bete, dass er diesen Augenblick so wahrnehmen möge, wie er gedacht ist.
Vielleicht glaubt er, dass die Arbeit, die er für den Herrn erledigt, darin besteht, den Anwesenden in der Abendmahlsversammlung das Abendmahlsgeschirr zu reichen. Doch dem Herrn geht es nicht bloß darum, dass die Mitglieder vom Brot und Wasser nehmen. Sie sollen den Bund halten, der ihnen auf dem Weg zum ewigen Leben vorwärtshilft. Und damit das geschieht, muss der Herr demjenigen, dem der Diakon das Geschirr reicht, ein geistiges Erlebnis ermöglichen.
Ich habe das einmal in einem Pflegeheim erlebt, als sich ein Diakon vornüberbeugte, um einer weißhaarigen Frau das Abendmahlsgeschirr zu reichen. Sie sah das Brot an, als sei es etwas Kostbares. Ich habe nie vergessen, wie sie lächelte, als sie davon nahm, die Hand ausstreckte, den Kopf des Diakons tätschelte und ziemlich laut sagte: „Oh, danke!“
Dieser Diakon erfüllte zwar bloß seine Priestertumspflicht, doch der Herr machte dann viel mehr daraus. Offenbar gedachte die Frau des Heilands, da sie für den Dienst eines Diakons tiefste Dankbarkeit zum Ausdruck brachte. Als er ihr das Abendmahl reichte, wurde ihr versichert, dass sie den Geist bei sich haben werde. Sie war an jenem Tag im Pflegeheim nicht allein und der Diakon war es bei seinem bescheidenen Dienst auch nicht.
Wenn ein junger Lehrer im Aaronischen Priestertum eine Familie als Heimlehrer besucht, ist ihm vielleicht gar nicht bewusst, dass er im Werk des Herrn dessen Partner ist. Ich erinnere mich noch gut an das schlichte Zeugnis eines jungen Heimlehrers, der uns zu Hause besuchte. Der Geist bestätigte mir und meiner Familie seine Worte. Vielleicht hat er diesen Tag schon vergessen, ich aber nicht.
Der Herr wird die Bemühungen eines jungen Mannes abermals vervielfachen, wenn dieser als Priester berufen wird. Bei der ersten Taufe, die er vornimmt, könnte der Täufling beispielsweise ein Kind sein, das er nicht kennt. Vielleicht macht er sich vorher Sorgen, ob er das Richtige sagen und die heilige Handlung ordnungsgemäß vollziehen wird.
Doch der Herr, dessen Diener er ja ist, wird seine Berufung groß machen. Der Täufling hat sich entschlossen, auf dem Weg zum ewigen Leben voranzugehen. Der Herr tut seinen Teil – den größeren. Dies durfte ich selbst schon erleben, als einem Jungen, den ich gerade getauft hatte, Tränen über das Gesicht liefen und er mir ins Ohr flüsterte: „Ich bin rein. Ich bin rein.“
Wenn wir von einem Priestertumsdienst zum nächsten schreiten, erkennen wir, dass der Herr in diesem Werk bei uns ist. Ich habe das erfahren, als ich vor Jahren bei einer Pfahlkonferenz einen Ältestenkollegiumspräsidenten kennenlernte. In der Konferenz wurden die Namen von über 40 Männern verlesen, die das Melchisedekische Priestertum empfangen sollten.
Der Pfahlpräsident lehnte sich zu mir hinüber und flüsterte: „Das waren alles weniger aktive Ältestenanwärter.“ Erstaunt fragte ich den Pfahlpräsidenten, mit welchem Programm er diese Männer gerettet habe.
Er zeigte auf einen jungen Mann ganz hinten in der Kapelle und sagte: „Das war er dort. Die meisten dieser Männer sind wegen diesem Ältestenkollegiumspräsidenten wieder zurückgekommen.“ Da saß er in der letzten Reihe, leger gekleidet, die ausgestreckten Beine mit den abgenutzten Stiefeln übereinandergeschlagen.
Ich bat den Pfahlpräsidenten, uns nach der Versammlung einander vorzustellen. Als wir zusammenkamen, sagte ich dem jungen Mann, wie überrascht ich davon war, was er getan hatte. Ich fragte ihn, wie er das geschafft habe. Er zuckte mit den Schultern. Offenbar fand er nicht, dass er irgendeine Anerkennung verdiene.
Dann erklärte er sanft: „Ich kenne jeden inaktiven Bruder in diesem Ort. Die meisten von ihnen haben Pickups. Ich habe auch einen. Ich wasche ihn da, wo sie auch ihren waschen. Mit der Zeit freunden wir uns an.
Dann warte ich, bis etwas in ihrem Leben schiefgeht. So etwas passiert ja jedem. Der Betreffende erzählt mir davon. Ich höre zu und verurteile ihn nicht. Wenn er dann sagt: ‚Irgendetwas läuft in meinem Leben schief. Es muss doch einfach etwas Besseres geben!‘, dann erkläre ich ihm, was ihm fehlt und wo er es finden kann. Manche schenken mir Glauben, und wenn das der Fall ist, nehme ich sie mit.“
Es liegt auf der Hand, warum dieser Bruder bescheiden war. Er wusste nämlich, dass er seinen kleinen Teil getan hatte und der Herr den übrigen Teil. Der Herr war derjenige, der das Herz dieser Männer berührt hatte, als sie Sorgen hatten. Der Herr war derjenige, der ihnen das Gefühl gegeben hatte, dass es etwas Besseres für sie geben muss. Und er hatte ihnen die Hoffnung gegeben, dass sie es finden konnten.
Der junge Mann, der – wie Sie – ein Diener des Herrn war, glaubte einfach daran, dass der Herr, wenn er seinen kleinen Teil übernahm, diesen Männern auf dem Weg nach Hause und zu dem Glück, das nur Gott schenken kann, helfen würde. Dieser Mann wusste auch, dass der Herr ihn als Ältestenkollegiumspräsidenten berufen hatte, weil er seinen Teil tun würde.
Es wird in Ihrem Dienst Zeiten geben, in denen Sie nicht einen solch ungewöhnlichen, sichtbaren Erfolg haben wie dieser junge Ältestenkollegiumspräsident. Genau dann müssen Sie Vertrauen darauf haben, dass der Herr Sie in dem Wissen, dass Sie Ihren Teil in seinem Werk tun würden, durch seine bevollmächtigten Diener berufen hat. Als mein Urgroßvater Henry Eyring auf Mission war, stellte sich der Glaube daran, dass er von den Dienern des Herrn berufen worden war, für ihn als ganz entscheidend heraus.
Er ließ sich am 11. März 1855 in St. Louis in Missouri taufen. Erastus Snow ordinierte ihn kurz darauf zum Amt eines Priesters. Am 6. Oktober berief ihn der Präsident des Pfahls St. Louis, John H. Hart, auf eine Mission beim Volk der Cherokees.1 Am 11. Oktober wurde er zum Ältesten ordiniert. Am 24. Oktober schwang er sich aufs Pferd und machte sich auf den Weg in die Mission bei den Cherokees. Er war 20 Jahre alt und gehörte der Kirche gerade einmal sieben Monate an.
Wenn je ein Priestertumsträger einen Grund gehabt hat, sich ungeeignet oder unvorbereitet zu fühlen, dann Henry Eyring. Der einzige Grund, der ihm den Mut verlieh, sich aufzumachen, war der, dass er in seinem Herzen wusste, dass Gott ihn durch seine bevollmächtigten Diener berufen hatte. Daraus schöpfte er Mut. Daraus müssen auch wir den Mut schöpfen, beharrlich weiterzumachen, ganz gleich, welche Berufung wir im Priestertum tragen.
Nachdem Elder Eyring drei Jahre beschwerlicher Missionsarbeit hinter sich gebracht hatte und sein Missionspräsident gestorben war, wurde er bei einer Versammlung am 6. Oktober 1858 als Missionspräsident vorgeschlagen und bestätigt. Er war so überrascht und erschüttert, wie es ein frisch gebackener Diakon wohl auch gewesen wäre. Er hielt fest: „Es traf mich ziemlich unerwartet, zu diesem verantwortungsvollen Amt berufen zu werden, aber da es der Wille der führenden Brüder war, nahm ich es frohgemut an. Gleichzeitig war ich mir jedoch auch meiner großen Schwäche und Unerfahrenheit bewusst.“2
Nunmehr als Missionspräsident begab sich Henry Eyring 1859 zu den Cherokee-, den Creek- und den Choctaw-Indianern. Durch seine Bemühungen, so schrieb Henry nieder, fügte der Herr „der Kirche eine beträchtliche Anzahl hinzu“. Er gründete zwei Zweige, vermerkte jedoch, dass „sehr wenige mit Eifer bei der Sache“3 waren.
Ein Jahr später sah sich Henry der unangenehmen Tatsache gegenüber, dass die politischen Führer derjenigen, denen er das Evangelium brachte, den Heiligen der Letzten Tage die Missionsarbeit nicht länger gestatteten. Als er überlegte, was zu tun sei, erinnerte er sich daran, dass sein früherer Missionspräsident ihm ans Herz gelegt hatte, er solle seine Mission bis 1859 verlängern.4
Im Oktober dieses Jahres bat Henry Präsident Brigham Young in einem Schreiben um Weisung, erhielt jedoch keine Antwort. Henry erklärte: „Da ich vonseiten der Präsidentschaft der Kirche nichts hörte, wandte ich mich im Gebet an den Herrn und bat ihn, mir seine Absicht und seinen Willen in Hinblick darauf zu offenbaren, ob ich bleiben oder nach Zion gehen sollte.“
Er schrieb weiter: „Ich hatte folgenden Traum als Antwort auf mein Gebet. Ich träumte, ich sei in [Salt Lake] City angekommen. Ich begab mich sofort zu [Präsident Brigham] Youngs Büro, wo ich ihn antraf. Ich sagte zu ihm: ‚[Präsident] Young, ich habe meine Mission verlassen und bin unaufgefordert hergekommen, aber wenn das falsch war, bin ich bereit, zurückzukehren und meine Mission zu beenden.‘ [In dem Traum erwiderte der Prophet:] ‚Sie waren dort lange genug, es ist in Ordnung.‘“
Henry schrieb in sein Tagebuch: „Da ich schon vorher Träume gehabt hatte, die sich buchstäblich erfüllt hatten, vertraute ich gläubig darauf, dass dies abermals geschehen werde, und begann folglich sofort damit, meine Abreise vorzubereiten.“
Am 29. August 1860 kam er in Salt Lake City an, nachdem er den Großteil der Strecke zu Fuß zurückgelegt hatte. Zwei Tage später betrat er das Büro von Präsident Brigham Young.5
Henry beschrieb die Begegnung mit folgenden Worten: „[Ich] sprach mit [Präsident] Young, der [mich] sehr freundlich begrüßte. Ich erklärte: ‚[Präsident] Young, ich bin gekommen, ohne darum gebeten worden zu sein. Wenn das falsch war, bin ich bereit, zurückzukehren und meine Mission zu beenden.‘ [Brigham Young] erwiderte: ‚Ist schon in Ordnung, wir haben auf Sie gewartet!‘“
Henry beschrieb seine Freude mit den Worten: „Somit ging mein Traum buchstäblich in Erfüllung.“6
Seine Freude entsprang der Bestätigung, dass der Herr ihn als Werkzeug gebraucht und über ihn gewacht hatte. Er lernte, was für uns alle gilt: dass die Diener des Herrn inspiriert werden, den Willen des Herrn zu erkennen. Und Henry Eyring wurde bestätigt, was auch ich weiß: dass der Prophet als Präsident des Priestertums von Gott inspiriert wird, über die Diener des Herrn zu wachen und für sie zu sorgen und sie zu berufen.
Was Ihre Berufung im Priestertum auch sein mag, Sie meinen vielleicht manchmal, dass der Vater im Himmel sich Ihrer nicht bewusst ist. Sie können beten, um seinen Willen zu erfahren, und wenn Sie den aufrichtigen Wunsch haben, alles zu tun, worum er Sie bittet, werden Sie eine Antwort erhalten.
Der Vater im Himmel wird Sie spüren lassen, dass er Sie kennt, dass er Ihren Dienst schätzt und dass Sie der Willkommensworte würdig werden, die Sie so gerne hören möchten: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“7
Ich bete, dass jeder Priestertumsträger sich glaubensvoll bemühen möge, jede Seele zu retten, für die er verantwortlich ist. Gott wird den Anstrengungen seiner Diener seine Macht hinzufügen. Das Herz der Menschen wird berührt werden, sodass sie die Entscheidungen treffen, die sie auf dem Weg des Evangeliums hin zum Glück und weg vom Leid führen.
Ich bete auch, dass jeder Priestertumsträger in seiner Priestertumsberufung die liebevolle und wachsame Fürsorge des himmlischen Vaters, des Erlösers und des Propheten Gottes verspüren möge.
Als besonderer Zeuge bekräftige ich, dass wir dem auferstandenen Herrn Jesus Christus dienen. Ich bezeuge, dass er Sie und mich zu diesem Dienst berufen hat, weil er weiß, welche Fähigkeiten wir haben und welcher Hilfe wir bedürfen. Er wird uns in unseren Bemühungen weitaus mehr segnen als in unseren kühnsten Träumen, wenn wir ihm mit Leib und Seele dienen. Ich bezeuge, dass Gottes Prophet, der der Präsident des ganzen Priestertums auf der Erde ist, von Gott inspiriert ist.
Ich bin für das Beispiel dankbar, das treue Priestertumsträger überall geben. Der Vater im Himmel und der Erlöser sind dafür dankbar, dass Sie Ihren Teil tun. Sie kennen Sie, sie wachen über Sie, und sie lieben Sie. Im Namen Jesu Christi. Amen.