Dienen
Jedes Mitglied wird gebraucht, und jedes Mitglied braucht eine Gelegenheit zum Dienen.
Als Junge arbeitete ich gern mit meinem Onkel Lyman und meiner Tante Dorothy auf ihrer Farm. Onkel Lyman übernahm bei unseren Projekten normalerweise das Kommando, während Tante Dorothy oft behilflich war und den alten Geländewagen fuhr. Ich erinnere mich an den Adrenalinstoß, wenn wir im Schlamm steckenblieben oder versuchten, einen steilen Hügel hinaufzufahren. Dann brüllte Onkel Lyman: „Geländegang, Dorothy!“ An dem Punkt fing ich an zu beten. Irgendwie fand Tante Dorothy mit der Hilfe des Herrn und knirschendem Getriebe den Geländegang. Nun waren alle Räder zugeschaltet und wühlten sich vorwärts, der Wagen machte einen Satz nach vorn und unsere Arbeit ging weiter.
Mit dem „Geländegang“ ist ein Zwischengang gemeint, bei dem mehrere Zahnräder so angeordnet werden, dass sie zusammenarbeiten, um mehr Drehmoment zu erzeugen.1 Die vorgeschaltete Geländeuntersetzung ermöglicht, zusammen mit dem Vierradantrieb, dass man herunterschaltet, mehr Kraft aufbringt und weiterkommt.
Ich stelle mir gern vor, dass jeder von uns Teil eines Zusammenspiels von Zahnrädern ist, wenn wir gemeinsam in der Kirche dienen – in Gemeinden und Zweigen, in Kollegien und Hilfsorganisationen. So wie Zahnräder miteinander verbunden werden, damit mehr Kraft aufgebracht wird, sind auch wir stärker, wenn wir uns zusammentun. Wenn wir uns vereinen, um einander zu dienen, erreichen wir viel mehr, als wir allein schaffen könnten. Es ist begeisternd, wenn man gemeinsam mit Freude dient und im Werk des Herrn mitwirkt!
Dienen ist ein Segen
Als Mitglieder der Kirche haben wir wunderbare Möglichkeiten, einander zu dienen.2 Der Herr hat gesagt: „Wenn du mich liebst, sollst du mir dienen“3, und wir dienen ihm, wenn wir anderen dienen4.
Wenn wir dienen, kommen wir Gott näher.5 Wir lernen ihn auf eine Weise kennen, wie es uns sonst wohl nicht möglich wäre. Unser Glaube an ihn nimmt zu. Unsere Probleme werden ins rechte Licht gerückt. Wir sind zufriedener. Unsere Liebe zu unseren Mitmenschen nimmt zu und wir haben vermehrt den Wunsch, zu dienen. Durch diesen herrlichen Vorgang werden wir Gott ähnlicher und sind besser vorbereitet, zu ihm zurückzukehren.6
Präsident Marion G. Romney hat gesagt: „Das Dienen ist nicht etwas, was wir auf der Erde ertragen, um uns das Anrecht auf das celestiale Reich zu verdienen. Das Dienen ist der Wesenskern des erhöhten Lebens im celestialen Reich.“7
Es kann schwierig sein, zu dienen
In der Kirche zu dienen, kann jedoch schwierig sein, etwa wenn man uns bittet, etwas zu tun, was uns Angst macht, wenn wir des Dienens müde werden oder wenn wir zu etwas berufen werden, wovon wir anfangs nicht gerade begeistert sind.
Vor kurzem habe ich eine neue Aufgabe erhalten. Zuvor war ich im Gebiet Afrika Südost tätig gewesen. Es war spannend, dort zu dienen, wo die Kirche noch recht jung und gerade im Aufbau ist. Die Mitglieder dort sind uns sehr ans Herz gewachsen. Dann wurde ich an den Hauptsitz der Kirche zurückgerufen, und wenn ich ehrlich bin, war ich nicht gerade begeistert. Ein neuer Auftrag bringt ja immer Unbekanntes mit sich.
Eines Nachts, als ich viel über die bevorstehenden Veränderungen nachgedacht hatte, träumte ich von meinem Ururgroßvater Joseph Skeen. Aus seinem Tagebuch weiß ich, dass er den Wunsch hatte, zu dienen, als er und seine Frau Maria nach Nauvoo zogen. Deshalb suchte er den Propheten Joseph Smith auf und fragte ihn, wie er helfen könne. Der Prophet bat ihn, in der Prärie zu arbeiten und dort sein Bestes zu geben, was er auch tat. Er arbeitete auf der Farm der Familie Smith.8
Ich dachte darüber nach, welch ein Vorzug es für Joseph Skeen gewesen war, seinen Auftrag auf diese Weise zu erhalten. Da wurde mir bewusst, dass ich den gleichen Vorzug habe, so wie wir alle. Alle Berufungen in der Kirche kommen von Gott – durch seine erwählten Diener.9
Ich spürte die klare Bestätigung des Heiligen Geistes, dass meine neue Aufgabe inspiriert war. Es ist wichtig, diesen Zusammenhang zu erkennen: Unsere Berufungen kommen buchstäblich von Gott durch unsere Priestertumsführer. Nach dieser Erfahrung änderte sich meine Einstellung, und ich war von dem tiefen Wunsch erfüllt, zu dienen. Ich bin dankbar für die Segnungen der Umkehr, dafür, dass sich mein Herz gewandelt hat. Und meine neue Aufgabe macht mir große Freude.
Selbst wenn wir meinen, unsere Berufung sei bloß ein Einfall unseres Priestertumsführers oder wir hätten sie nur erhalten, weil niemand sonst sie annehmen wollte, werden wir gesegnet, wenn wir dienen. Wenn wir aber die Hand Gottes in unserer Berufung erkennen und mit ganzem Herzen dienen, erhalten wir in unserem Dienst zusätzliche Kraft, und wir werden wahre Diener Jesu Christi.
Dienen erfordert Glauben
Es erfordert Glauben, eine Berufung zu erfüllen. Kurz nachdem Joseph die Arbeit auf der Farm aufgenommen hatte, wurden er und Maria sehr krank. Sie hatten kein Geld und waren unter Fremden. Es war eine schwere Zeit für sie. Joseph schrieb in sein Tagebuch: „Wir arbeiteten weiter und blieben der Kirche mit dem wenigen Glauben, den wir hatten, treu, auch wenn der Teufel versuchte, uns zu vernichten und zur Rückkehr zu bewegen.“10
Gemeinsam mit Hunderten anderer Nachkommen bin ich auf ewig dankbar, dass Joseph und Maria nicht zurückgingen. Die Segnungen folgen, wenn wir in unseren Berufungen und Aufgaben durchhalten und mit all dem Glauben, den wir aufbringen, weitermachen.
Ich kenne eine hervorragende Lehrerin der Evangeliumslehreklasse, die die Teilnehmer im Unterricht wirklich erbaut. Das fiel ihr aber nicht von jeher zu. Nachdem sie sich der Kirche angeschlossen hatte, wurde sie als Lehrerin in der Primarvereinigung berufen. Sie fühlte sich überhaupt nicht in der Lage, zu unterrichten, wusste aber, dass es wichtig ist, zu dienen, und nahm daher die Berufung an. Als sie bald darauf von Angst gepackt wurde, ging sie nicht mehr zur Kirche, um nicht weiter unterrichten zu müssen. Glücklicherweise bemerkte ihr Heimlehrer ihre Abwesenheit. Er besuchte sie und lud sie ein, zurückzukommen. Der Bischof und Mitglieder der Gemeinde halfen ihr. Schließlich begann sie mit vermehrtem Glauben, die Kinder zu unterrichten. Sie hielt sich an Grundsätze, die wir heute in der Anleitung Auf die Weise des Erretters lehren finden. Der Herr segnete sie für ihre Anstrengungen und aus ihr wurde eine begnadete Lehrerin.11
Der natürliche Mensch in einem jeden von uns neigt dazu, Ausreden gutzuheißen, um nicht dienen zu müssen, wie etwa: „Ich bin noch nicht bereit, zu dienen, ich muss noch mehr lernen“, „Ich bin müde und brauche eine Pause“, „Ich bin zu alt – jetzt ist mal ein anderer dran“ oder „Ich habe einfach zu viel zu tun“.
Brüder und Schwestern, eine Berufung anzunehmen und zu erfüllen erfordert Glauben. Wir können auf das vertrauen, was unser Prophet, Präsident Thomas S. Monson, mehr als einmal gesagt hat: „Wen der Herr beruft, dem gibt er auch die nötigen Fähigkeiten“ und „Wenn wir im Auftrag des Herrn handeln, haben wir auch ein Anrecht auf seine Hilfe“.12 Ob wir uns nun überfordert oder unterfordert fühlen, ob wir uns zu Tode fürchten oder zu Tode langweilen – der Herr möchte, dass wir herunterschalten, mehr Kraft aufbringen und dienen.
Ich sehe kein Anzeichen dafür, dass Präsident Monson und seine Kollegen in der Ersten Präsidentschaft und im Kollegium der Zwölf Apostel zu beschäftigt oder zu müde sind. Sie sind ein inspirierendes Beispiel für die Macht, die in unserem Leben sichtbar wird, wenn wir Glauben haben, Aufgaben annehmen und sie mit festem Vorsatz und Eifer erfüllen. Sie haben schon vor vielen Jahren „die Schulter an das Rad“13 gestemmt und schieben noch immer weiter vorwärts und aufwärts.
Ja, sie dienen in wichtigen Berufungen. Aber jede Berufung oder Aufgabe ist wichtig. Präsident Gordon B. Hinckley, früherer Prophet und Präsident der Kirche, hat gesagt: „In diesem großen Werk sind wir alle gemeinsam tätig. … Ihre Obliegenheiten sind in Ihrem Wirkungskreis genauso wichtig, wie meine Obliegenheiten es in meinem Wirkungskreis sind. Keine Berufung in der Kirche ist gering oder unbedeutend.“14 Jede Berufung ist wichtig.15
Lassen Sie uns dienen
Erheben wir uns im Glauben, stemmen wir unsere „Schulter an das Rad“ und bringen wir dieses gute Werk voran.16 Schalten wir gemeinsam mit der guten Tante Dorothy „in den Geländegang“. Lassen Sie uns als Brüder und Schwestern dienen.
Wenn Sie Ihrem Bischof oder Zweigpräsidenten eine große Freude machen wollen, fragen Sie ihn: „Was kann ich tun?“ „Wo kann ich dem Herrn dienen?“ Wenn er betet und über Ihre privaten, familiären und beruflichen Verpflichtungen nachdenkt, wird er inspiriert werden, eine geeignete Berufung auszusprechen. Bei Ihrer Einsetzung erhalten Sie einen Priestertumssegen, der Ihnen hilft, Ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Sie werden gesegnet sein! Jedes Mitglied wird gebraucht, und jedes Mitglied braucht eine Gelegenheit zum Dienen.17
Jesus Christus ist unser Vorbild
Jesus Christus, unser großes Vorbild, hat für das Werk seines Vaters sein Leben gegeben. In der großen Ratsversammlung vor Grundlegung dieser Welt erbot sich Jesus, der von Anfang an erwählt und gesalbt war: „Hier bin ich, sende mich!“18 Damit wurde er buchstäblich unser aller Diener. Dank Jesus Christus und der Kraft, die wir durch sein Sühnopfer erhalten, kann ein jeder von uns dienen. Er wird uns dabei helfen.19
Ich fühle von ganzem Herzen mit denen von Ihnen, die derzeit aufgrund ihrer persönlichen Umstände nicht wie üblich in der Kirche dienen können, die ihr Leben aber im Geist des Dienens führen. Ich bete darum, dass Sie in Ihren Bemühungen gesegnet werden. Ich danke auch denen, die Woche für Woche ihre Berufung groß machen, sowie denen, die schon bald eine Berufung zum Dienen annehmen werden. Alle Beiträge und Opfer werden geschätzt – insbesondere von ihm, dem wir dienen. Allen, die eine Aufgabe in der Kirche erfüllen, wird Gottes Gnade zuteil.20
Mag das Dienen ungeachtet unseres Alters oder unserer Lebensumstände unsere Losung sein.21 Dienen Sie in Ihrer Berufung. Dienen Sie als Missionar. Dienen Sie Ihrer Mutter. Dienen Sie einem Fremden. Dienen Sie Ihrem Nächsten. Dienen Sie einfach.
Möge der Herr uns alle in dem Bemühen segnen, zu dienen und wahre Nachfolger Jesu Christi zu werden.22 Ich bezeuge, dass er lebt und dieses Werk leitet. Im Namen Jesu Christi. Amen.