2022
Unsere Beziehung zu Gott
Mai 2022


13:17

Unsere Beziehung zu Gott

Was auch immer uns das Erdenleben beschert – wir können auf Gott vertrauen und in ihm Freude finden

Wie Ijob damals im Alten Testament meint vielleicht in einer leidvollen Zeit der eine oder andere, Gott habe ihn verlassen. Uns ist ja bekannt, dass Gott die Macht hat, jedwedes Leid zu verhindern oder aus der Welt zu schaffen; daher sind wir, wenn er dies nicht tut, unter Umständen geneigt, uns zu beschweren und zu fragen: „Wenn Gott mir die Hilfe, die ich erflehe, nicht gewährt – wie soll ich dann überhaupt Glauben an ihn haben?“ Auch der gerechte Ijob kam angesichts heftigster Prüfungen an den Punkt, wo er klagte:

„Erkennt doch, dass Gott mich niederdrückt, da er sein Netz rings um mich warf.

Seht! Schreie ich: Gewalt!, wird mir keine Antwort, rufe ich um Hilfe, gibt es kein Recht.“1

In seiner Entgegnung forderte Gott von Ijob dann eine Erklärung: „Willst du … mich schuldig sprechen, damit du Recht behältst?“2 Oder, anders ausgedrückt: „Willst du im Ernst mein Recht in Frage stellen, mich schuldig sehn, damit du Recht behältst?“3 Jehova ruft hier Ijob machtvoll in Erinnerung, dass er allmächtig und allwissend ist, und Ijob gesteht voller Demut ein, dass er im Vergleich zur Erkenntnis, Macht und Gerechtigkeit Gottes rein gar nichts aufzuweisen hat und den Allmächtigen keineswegs beurteilen kann:

„Ich habe erkannt“, räumt er ein, „dass du alles vermagst. Kein Vorhaben ist dir verwehrt. …

Ich habe geredet, ohne zu verstehen, über Dinge, die zu wunderbar für mich und unbegreiflich sind. …

Darum widerrufe ich. Ich bereue in Staub und Asche.“4

Schlussendlich durfte Ijob den Herrn sehen und „der Herr … segnete die spätere Lebenszeit Ijobs mehr als seine frühere“5.

Töricht handelt, wer sich anmaßt, aus menschlicher Kurzsichtigkeit heraus Gott etwa richten zu wollen nach dem Ansatz: „Bin ich nicht glücklich, so macht Gott ja wohl etwas falsch.“ Uns, die wir als seine sterblichen Kinder in dieser gefallenen Welt doch so wenig von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem verstehen, richtet er aus: „Alles ist gegenwärtig bei mir, denn ich kenne es alles.“6 Jakob weist warnend darauf hin: „Trachtet nicht, dem Herrn Rat zu erteilen, sondern, Rat aus seiner Hand anzunehmen. Denn siehe, ihr wisst selbst, dass er mit Weisheit und mit Gerechtigkeit und mit großer Barmherzigkeit Rat gibt über all seinen Werken.“7

Mitunter werden Gottes Verheißungen missverstanden und so mancher meint, Gehorsam Gott gegenüber bedinge sodann innerhalb einer bestimmten Zeitspanne auch ganz konkrete Ergebnisse. Man feilscht dann quasi: „Wenn ich eine Vollzeitmission gewissenhaft erfülle, segnet mich Gott mit einer glücklichen Ehe und Kindern“ oder „Wenn ich sonntags nicht für die Schule lerne, segnet mich Gott mit guten Noten“ oder „Wenn ich den Zehnten zahle, verschafft mir Gott den Arbeitsplatz, den ich mir vorstelle.“ Und wenn sich dann nicht genau das ergibt oder es nicht genau zu dem erwarteten Zeitpunkt eintritt, fühlt man sich von Gott verraten. Doch das Wirtschaftssystem Gottes beruht nicht auf solch starren Kalkulationen. Gottes Plan darf schließlich nicht als eine Art „kosmischer Münzautomat“ verstanden werden, wo wir 1.) die gewünschte Segnung auswählen, 2.) die erforderliche Menge an guten Werken eingeben und wo 3.) das Bestellte dann unverzüglich bei uns landet.8

Gott hält gewiss alle Bündnisse und Verheißungen ein, die er uns zugesichert hat. Darum müssen wir uns nicht sorgen.9 Die sühnende Macht Jesu Christi, der unter alles hinabgefahren ist und dann in die Höhe aufgefahren ist10 und dem alle Vollmacht im Himmel und auf der Erde gegeben ist,11 bürgt dafür, dass Gott seine Verheißungen erfüllen kann und auch wird. Es ist unerlässlich, dass wir seine Gesetze achten und befolgen, doch nicht alle Segnungen, die auf Gehorsam gegenüber einem Gesetz beruhen,12 sind in Form, Machart oder zeitlichem Ablauf an unsere Erwartungen angepasst. Wir tun, was wir können, doch die Abwicklung unserer Segnungen müssen wir sowohl im zeitlichen als auch im geistigen Bereich Gott überlassen.

Präsident Brigham Young erklärte, dass sein Glaube nicht auf bestimmten Ergebnissen oder Segnungen beruhe, sondern auf seinem Zeugnis von und seiner Beziehung zu Jesus Christus. Er sagte: „Mein Glaube gründet sich nicht auf das Wirken des Herrn auf den Inseln des Meeres, ob er diese Menschen hierherbringt, … und auch nicht auf die Gunst, die er diesem Volk oder jenem Volk gewährt, noch darauf, ob wir gesegnet werden oder nicht, vielmehr gründet sich mein Glaube auf den Herrn Jesus Christus und die Erkenntnis, die ich von ihm empfangen habe.“13

Umkehr, Gehorsam, Dienst am Nächsten und Opferbereitschaft unsererseits sind in der Tat wichtig, denn wir möchten ja zu denen gehören, die – mit den Worten Ethers – „immer reich an guten Werken“14 sind. Wichtig sind sie jedoch nicht vor allem deshalb, weil in den Geschäftsbüchern im Himmel eine Art Liste darüber geführt wird. Wichtig sind sie deshalb, weil sie uns in Gottes Werk einbinden und wir auf diese Weise mit ihm gemeinsam an unserer Wandlung vom natürlichen Menschen zum Heiligen arbeiten.15 Was uns der himmlische Vater anbietet, ist er selbst und sein Sohn – eine enge, dauerhafte Beziehung zu ihnen –, und zwar dank der Gnade und Vermittlung Jesu Christi, unseres Erlösers.

Wir sind Gottes Kinder – bestimmt zu Unsterblichkeit und ewigem Leben. Unsere Bestimmung liegt darin, seine Erben und demnach „Miterben Christi“16 zu werden. Der Vater möchte uns gern seinen Weg der Bündnisse entlangführen – mit Schritten, die an unseren Entwicklungsstand angepasst sind und sich an seinem Plan dafür orientieren, dass wir letztlich bei ihm glücklich werden. Wir können also davon ausgehen, dass unser Gottvertrauen und unser Glaube an Gottvater und den Sohn zunehmen, dass wir immer mehr ihre Liebe verspüren und durch den Heiligen Geist ständig Trost und Führung erhalten.

Und dennoch ist der Weg für keinen von uns leicht. Viel zu viel an Läuterung wird uns abverlangt, als dass der Weg einfach sein könnte. Jesus hat ja gesagt:

„Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer.

Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet [der Vater] ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.“17

Diese von Gott gelenkte Läuterung und Reinigung ist naturgemäß bisweilen qualvoll und schmerzlich. So wie Paulus sagt, sind wir nur dann „Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden“18.

Mittendrin im Feuer des Schmelzers sollten wir also nicht zornig auf Gott werden, sondern – im Gegenteil – näher an Gott heranrücken. Rufen wir den Vater im Namen des Sohnes an. Gehen wir tagaus, tagein im Geist mit ihnen. Lassen wir zu, dass sie uns im Laufe der Zeit ihre Treue kundtun. Erkennen wir sie wahrhaftig und erkennen wir auch uns selbst.19 Lassen wir Gott siegen.20 Der Erretter sichert uns ja zu:

„Hört auf ihn, der der Fürsprecher beim Vater ist, der sich vor ihm für eure Sache einsetzt –

nämlich: Vater, sieh die Leiden und den Tod dessen, der keine Sünde getan hat, an dem du Wohlgefallen gehabt hast; sieh das Blut deines Sohnes, das vergossen wurde, das Blut dessen, den du hingegeben hast, damit du selbst verherrlicht werdest;

darum, Vater, verschone diese meine Brüder [und meine Schwestern], die an meinen Namen glauben, auf dass sie zu mir kommen können und immerwährendes Leben haben.“21

Betrachten wir doch ein paar Beispiele von treuen Männern und Frauen, die Gott vertraut haben und überzeugt waren, dass sie die verheißenen Segnungen im Leben oder Tod erlangen würden. Ihr Glaube beruhte nicht darauf, was Gott in einer bestimmten Situation oder zu einem bestimmten Zeitpunkt tat oder nicht tat, sondern darauf, dass sie ihn als ihren gütigen Vater und Jesus Christus als ihren treuen Erlöser kannten.

Als Abraham vom ägyptischen Priester von Elkena als Opfer dargebracht werden sollte, flehte er Gott an, ihn zu retten, und Gott rettete ihn tatsächlich.22 Abraham wurde schließlich der Vater der Glaubenstreuen, durch dessen Nachkommen alle Familien der Erde gesegnet sein werden.23 Doch auf demselben Altar hatte derselbe Priester zuvor drei Jungfrauen geopfert, die sich „wegen ihrer Tugend … nicht beugen [wollten], um Götter aus Holz oder aus Stein anzubeten“24. Sie starben als Märtyrerinnen.

Josef, der vor alters als Jugendlicher von seinen eigenen Brüdern als Sklave verkauft worden war, wandte sich in seiner Seelenqual an Gott. Nach und nach gewann er immer mehr Ansehen im Haus seines ägyptischen Herrn, doch dann wurde dieser Fortschritt aufgrund der falschen Anschuldigungen der Frau des Potifar wieder zunichtegemacht. Josef hätte denken können: „Das Gefängnis ist also der Lohn dafür, dass ich das Gesetz der Keuschheit gehalten habe.“ Stattdessen wandte er sich wiederum an Gott und hatte selbst im Gefängnis Erfolg. Josef wurde erneut herbe enttäuscht, als der Mitgefangene, mit dem er sich angefreundet hatte, trotz seines Versprechens, Josef zu helfen, ihn sofort vergaß, nachdem er seine Stellung am Hof des Pharaos zurückerhalten hatte. Wie Sie wissen, griff der Herr zur rechten Zeit ein, um Josef in die höchste Vertrauens- und Machtstellung neben dem Pharao zu versetzen und ihm somit zu ermöglichen, das Haus Israel zu retten. Sicherlich könnte Josef bestätigen, „dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht“25.

Abinadi war gewillt, seinem göttlichen Auftrag nachzukommen. „Ich bringe meine Botschaft zu Ende“, sagte er, „und dann macht es nichts, [was mir widerfährt,] wenn es nur so ist, dass ich errettet bin.“26 Ihm blieb der Märtyrertod nicht erspart, doch ganz gewiss fand er Errettung im Reich Gottes, und Alma, sein einziger und so immens wichtiger Bekehrter, veränderte den Lauf der nephitischen Geschichte, die damals gerade auf das Kommen Christi zusteuerte.

Das Flehen Almas und Amuleks im Gefängnis zu Ammoniha wurde erhört; sie kamen frei und ihre Peiniger fanden allesamt den Tod.27 Doch zuvor hatten dieselben Peiniger Frauen, die an Gott glaubten, und deren Kinder in ein verzehrendes Feuer werfen lassen. Alma, der die entsetzlichen Qualen mitansehen musste, wurde vom Geist daran gehindert, die Macht Gottes auszuüben und „sie aus den Flammen [zu] erretten“28, auf dass sie nämlich in Herrlichkeit bei Gott aufgenommen werden konnten.29

Der Prophet Joseph Smith schmachtete im Gefängnis zu Liberty in Missouri und war nicht in der Lage, den Heiligen beizustehen, die mitten im bitterkalten Winter ausgeplündert und aus ihren Häusern vertrieben wurden. „O Gott, wo bist du?“, rief Joseph schmerzerfüllt aus. „Wie lange noch wird deine Hand sich zurückhalten?“30 Daraufhin verhieß ihm der Herr. „Dein Ungemach und deine Bedrängnisse werden nur einen kleinen Augenblick dauern, und dann, wenn du gut darin ausharrst, wird Gott dich … erhöhen. … Noch bist du nicht wie Ijob.“31

Letzten Endes konnte Joseph ebenso wie Ijob bestätigen: „[Gott] mag mich töten, ich harre auf ihn.“32

Elder Brook P. Hales erzählte die Geschichte von Schwester Patricia Parkinson, die mit normalem Sehvermögen geboren worden war, doch mit elf Jahren bereits völlig erblindet war.

Elder Hales erzählte: „Ich kenne Pat seit vielen Jahren und habe ihr kürzlich gesagt, dass ich es an ihr bewundere, wie lebensbejahend und fröhlich sie immer ist. Sie erwiderte: ‚Du hast mich noch nicht erlebt, wenn ich zuhause bin! Ich habe so meine Momente. Ich hatte auch zeitweise ziemlich schwere Depressionen und habe viel geweint.‘ Dann sagte sie jedoch: ‚Als mein Sehvermögen nachzulassen anfing, war es merkwürdig, aber ich wusste, dass der Vater im Himmel und der Erretter bei meiner Familie und bei mir waren. … Wenn mich jemand fragt, ob ich wütend bin, weil ich blind bin, antworte ich: ,Auf wen sollte ich denn wütend sein? Der Vater im Himmel steht das mit mir durch. Ich bin nicht allein. Er ist die ganze Zeit bei mir.‘“33

Was wir letztlich anstreben, ist der Segen einer engen und dauerhaften Beziehung zu Gottvater und seinem Sohn. Das macht den Unterschied aus und ist auf ewig allemal den Preis wert. Dann bezeugen wir nämlich gemeinsam mit Paulus, „dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit [im Erdenleben also] nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“34. Ich bezeuge: Was auch immer uns das Erdenleben beschert – wir können auf Gott vertrauen und in ihm Freude finden.

„Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit;

such ihn zu erkennen auf all deinen Wegen, dann ebnet er selbst deine Pfade!“35

Im Namen Jesu Christi. Amen.