Die Suche nach dem Glück
Ich lebte nach dem Evangelium. Warum war es bloß so schwierig, glücklich zu sein?
Es ist mitten in der Nacht. Ich reiße die Augen auf, weil mein unruhiger Schlaf erneut unterbrochen wird. „Oh nein!“, bete ich. „Nicht schon wieder.“
Aber das Zittern setzt nahezu augenblicklich ein. Mein ganzer Körper zittert entsetzlich und zuckt wie bei einem Krampfanfall auf und ab. Das fühlt sich verwirrend und fremd an und zehrt an meinen Kräften. Meine Hände und Füße sind aus unersichtlichen Gründen glühend heiß. Meine Frau schreckt aus dem Schlaf hoch; sie hält mich ganz fest und beruhigt mich dadurch, dass sie einfach da ist und schweigt.
Es kam mir einmal so vor, als sei es mein Normalzustand, glücklich zu sein, doch jetzt scheint das unerreichbar fern.
In jener finsteren Nacht stellte ich mir die Frage – abgesehen davon, was mit meinem Körper los war (ich erfuhr es später) –, warum ich so unglücklich war, obwohl ich mich doch bemühte, nach dem Evangelium Jesu Christi zu leben.
Es gibt viele Hindernisse, die dem Glück im Weg stehen können. Schlechtigkeit gehört sicherlich dazu (siehe Alma 41:10). Doch selbst die Glaubenstreuen können manchmal das Gefühl haben, als sei das Glück außer Reichweite.
Wir alle erleben Augenblicke, in denen wir die Zusicherung brauchen, dass auch wieder glücklichere Zeiten kommen. Vielleicht machen Sie ja gerade so etwas durch. Sollte das der Fall sein, dann möchte ich Ihnen in aller Aufrichtigkeit sagen, dass für Sie tatsächlich wieder bessere Tage kommen werden. Ich hoffe, Sie sind bereit, noch ein bisschen weiterzulesen, bevor Sie eine so pauschale Aussage als töricht oder naiv abtun.
Ich glaube wirklich – ganz gleich, was Sie gerade durchmachen –, dass Sie mehr Glück für sich beanspruchen können.
Lassen Sie mich erklären, warum.
Was ist Glück?
Was ist Glück überhaupt? Ist es das Gefühl, das in Ihnen aufkommt, wenn jemand Ihnen heimlich eine Ihrer Lieblingssüßigkeiten in die Brotdose legt? Ist es eine Gehaltserhöhung? Ihren Partner für die Ewigkeit zu heiraten? Sich durch die Macht des Sühnopfers Jesu Christi von Sünde reingewaschen zu fühlen?
Ist es all das zusammen?
In dieser Abhandlung werde ich einen Blick darauf werfen, was das Evangelium und die Psychologie uns jeweils über das Glück sagen können. Auf Seite 18 in diesem Heft erläutert uns Elder David A. Bednar vom Kollegium der Zwölf Apostel die wichtige Wahrheit, dass wahre Freude einem Leben entspringt, in dem Jesus Christus im Mittelpunkt steht.
Etwas in der Art hat auch Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel gesagt: „Das größte Glück, wahren Frieden und alles, was auch nur ansatzweise der in den heiligen Schriften beschriebenen Freude nahekommt, finden wir zuallererst, vor allem und auf ewig, wenn wir das Evangelium Jesu Christi leben. Es sind schon viele andere Weltanschauungen und Glaubenssysteme ausprobiert worden. Ja, man kann sogar mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass praktisch alle anderen Weltanschauungen und Glaubenssysteme im Laufe der Jahrhunderte ausprobiert wurden.“1
Wenn jede andere Weltanschauung ausprobiert wurde, können wir hier unmöglich eine umfassende Liste aufführen. Wir wollen aber dennoch auf ein paar weltliche Mythen in Bezug auf das Glück eingehen.
Der Welt zufolge ist dauerhaftes Glück in Folgendem zu finden:
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finanziellem Wohlstand, vor allem, wenn man mehr hat als seine Mitmenschen
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Beliebtheit
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einem sorglosen Leben voller Freizeit und Abenteuer
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ausgedehnten Reisen und dass man viele Wunder der Welt aus nächster Nähe erlebt
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dass man im Beruf, im öffentlichen Leben oder in irgendeinem anderen Bereich eine Stellung erlangt, durch die man Macht oder Autorität hat
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dass man seinen Körper so verändert, dass er ein bestimmtes Aussehen hat
Was haben diese verschiedenen Strategien gemeinsam? Zum einen sind sie alle mit den Lebensumständen verbunden. Doch Präsident Russell M. Nelson hat gesagt: „Die Freude, die wir empfinden, hat wenig mit unseren Lebensumständen und vielmehr damit zu tun, worauf wir im Leben den Blick richten.“2
Worauf sollen wir also unser Augenmerk vor allem richten, wenn wir diese Freude finden wollen? Präsident Nelson hat gesagt: „Für Heilige der Letzten Tage ist Jesus Christus Freude!“3
Freude zu empfinden ist nicht einfach nur etwas Angenehmes oder Wünschenswertes. Nein, Präsident Nelson hat Freude als einen Grundsatz beschrieben, „der für unser geistiges Überleben wesentlich ist“4.
Freude und Glück sind also eindeutig der Mühe wert. Und die meisten von uns sind bereit, sich darum zu bemühen. Warum haben dann so viele – auch die Rechtschaffenen – laufend zu kämpfen?
Zunächst einmal ist genau dieser Kampf ein wesentlicher Grund dafür, dass wir überhaupt hier auf der Erde sind.
Wir sollen hier auf Erden wachsen
Manchmal stellen wir uns Glück als ein Leben ohne Probleme oder Schwierigkeiten vor. Ein Leben ohne Anstrengung würde uns aber nicht den Fortschritt ermöglichen, den wir hier auf der Erde machen sollen.
Elder Neal A. Maxwell (1926–2004) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat einmal gesagt:
„Es ist unmöglich, dass wir großen Glauben haben und dabei keine Probleme haben. …
Meinen wir wirklich, wir könnten blauäugig durchs Leben gehen, getreu dem Motto: Herr, gib mir Erfahrung, aber bewahre mich vor Trauer, Kummer, Schmerz, Widerstand, Verrat und vor allem davor, verlassen zu werden. Behüte mich, o Herr, vor all den Erfahrungen, die dich zu dem gemacht haben, was du bist! Dann lass mich zu dir kommen, bei dir wohnen und ganz an deiner Freude teilhaben!“5
Zweifelsohne brauchen wir im Leben Probleme, damit wir uns weiterentwickeln. Leid bleibt uns durch ein rechtschaffenes Leben schlichtweg nicht erspart. Betrachten wir einmal das Leben von Joseph Smith, Ijob, dem Volk Almas und vor allem das Leben unseres Erretters Jesus Christus.6
Nein, ein rechtschaffenes Leben erspart uns nicht alle Schwierigkeiten und Prüfungen. Keiner bleibt verschont. Sie können aber auch mit Gottes Hilfe und Heilung rechnen (siehe Alma 36:3,27). Elder Neil L. Andersen vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Ihnen, den Rechtschaffenen, sage ich, dass der Heiler unserer Seele – zu seiner Zeit und auf seine Weise – alle Ihre Wunden heilen wird.“7
Sollten Sie sich verwundet fühlen, sage ich Ihnen: Sie können geheilt werden. Dessen können Sie sicher sein (siehe Mosia 14:4,5).
Glück und Erbanlagen
Hier ein Punkt, den man schon früh bedenken sollte: Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass ein beträchtlicher Teil unserer Grundstimmung, unserer seelischen Gesundheit und des damit einhergehenden Glücklichseins im täglichen Leben genetisch bestimmt sein kann.
Es haben nicht alle den gleichen Körperbau oder die gleiche Haarfarbe. Genauso haben nicht alle ein unbefangen-fröhliches Naturell. Doch das ist nur ein Teil in diesem Puzzle.
Hank Smith, Professor an der Brigham-Young-Universität, hat geschrieben: „Was, wenn Sie im DNA-Spiel ein wirklich schlechtes Blatt haben? Bedeutet dies, dass Sie keine Chance haben – dass Sie nie glücklich sein werden und nichts dagegen tun können? Absolut nicht. … Wenn die Botenstoffe in Ihrem Gehirn aufgrund von Erbanlagen (etwa die Neigung zu Depressionen, Ängsten und dergleichen) einfach nicht so arbeiten, wie sie sollten, gibt es Medikamente und Verfahren, die diese Substanzen auf ein gesundes Niveau bringen können.“8
Schauen wir uns einiges an, was wir gezielt tun können – einiges aus dem Evangelium und anderes aus wissenschaftlichen Studien –, damit unsere Chancen, glücklich zu werden, steigen.
Neun Strategien glücklicher Menschen
Strategie 1: Leben Sie nach dem Evangelium
Wie Präsident Nelson, Elder Holland, Elder Bednar und andere erklärt haben, stellt sich wahres Glücklichsein ein, wenn man nach dem Evangelium lebt. Das Evangelium Jesu Christi wird auch als „der Plan des Glücklichseins“ bezeichnet (siehe Alma 42:8). In den heiligen Schriften finden wir viele Aussagen darüber, dass man rechtschaffen sein muss, wenn man wahrhaft glücklich sein will (siehe 2 Nephi 2:13 und Mosia 2:41, um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen).
Es ist einfach, es ist machtvoll und es ist grundlegend. Das Evangelium Jesu Christi voll und ganz anzunehmen und danach zu leben, ist der wichtigste Schritt, den man unternehmen kann, um mehr Freude und Glück in diesem und im künftigen Leben zu finden.
Strategie 2: Widmen Sie „sich voll Eifer einer guten Sache“ (Lehre und Bündnisse 58:27)
Ein Vermögen zu erben, das es Ihnen ermöglicht, für immer am Strand zu faulenzen, wäre Ihrem Glück ganz bestimmt abträglich – auch wenn die Logik der Welt lautstark etwas anderes verkündet. Es ist tatsächlich so, dass wir uns beständig sinnvoller Arbeit widmen müssen, um glücklich zu sein.
„Franklin D. Roosevelt hat es ganz richtig gesagt: ‚Glück besteht nicht im bloßen Besitz von Geld; es besteht in der Freude, etwas geleistet zu haben, in der Begeisterung, die mit kreativer Anstrengung einhergeht.‘“9
Sinnvolle Arbeit erzeugt eine Befriedigung, die wir auf keine andere Weise erhalten können.
Elder Ulisses Soares vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Für gewöhnlich [wird man] glücklich, wenn man sich über eine lange Zeit hinweg anstrengt, etwas Wichtigeres zu erreichen.“10 Solch sinnvolle Arbeit kann auch jenseits von Job oder Karriere angesiedelt sein. Dazu gehört die Kindererziehung, Dienst in der Kirche oder dass man seine Zeit und Talente ehrenamtlich einsetzt.
Strategie 3: Entschließen Sie sich, dankbar zu sein
Die Macht, die mit dem Entschluss einhergeht, dankbar zu sein, verändert das tägliche Denken so ungemein, dass man es oft als eine Möglichkeit bezeichnet, „das Gehirn neu zu verdrahten“.
Seien wir mal ehrlich: Selbst dann, wenn im Leben alles gut läuft, kann man noch etwas finden, worüber man sich beklagen könnte. Man muss nur lange genug suchen. Das Gegenteil trifft aber ebenfalls zu: Wie schwierig unsere Lage auch werden mag, wir können immer etwas finden, wofür wir dankbar sein können.
Und genau dann geschieht etwas Wunderbares.
Es gibt ein einfaches, aber beeindruckendes Experiment dazu: Versuchen Sie einmal, ein Dankbarkeits-Tagebuch zu führen. Schreiben Sie wenigstens drei Wochen lang jeden Tag dreierlei auf, was an diesem Tag geschehen ist und wofür Sie dankbar sind. Sie können natürlich gern noch ein paar allgemeine Dinge hinzufügen, für die Sie dankbar sind, zum Beispiel Blumen, die Familie oder Essen.
Sie werden bald feststellen, dass es Ihnen nicht nur leichter fällt, etwas zu bemerken, was Sie Ihrer Liste hinzufügen können, Sie rechnen nach und nach auch damit, etwas zu entdecken. Wenn Sie dankbarer sind, fällt es Ihnen leichter, in Ihren derzeitigen Lebensumständen Freude zu finden, und das wirkt sich beachtlich und ganz direkt darauf aus, wie glücklich Sie sind.11
In der Zeitschrift Forbes steht: „Dankbarkeit zu entwickeln, kostet kein Geld und gewiss auch nicht viel Zeit, doch der Nutzen ist gewaltig.“12
Wofür sind Sie heute dankbar?
Strategie 4: Verbringen Sie Zeit im Freien
Zeit draußen zu verbringen, vor allem in der Natur, hat vielerlei Nutzen: Es reduziert Stress, senkt den Puls und macht den Kopf frei.
Die Zeitschrift Time berichtet über eine Studie dazu, wie die Natur uns neu beleben kann. Der Studie zufolge „haben die Teilnehmer sich bereits seelisch regeneriert gefühlt, nachdem sie nur fünfzehn Minuten draußen im Park oder Wald gesessen hatten“13.
Es ist schwer, sich glücklich zu fühlen, wenn man ständig erschöpft und gestresst ist. Versuchen Sie, an den meisten Tagen der Woche für etwa eine halbe Stunde an die frische Luft zu gehen, wenn möglich auch länger. Warum gehen Sie nicht raus und genießen das ein bisschen öfter?
Strategie 5: Begrenzen Sie die Zeit vor dem Bildschirm
Zu viel Zeit vor dem Bildschirm ist nicht gut für unser Glücksempfinden. Die Zeit, die man auf den Fernseher, den Computer, das Tablet oder das Handy starrt, summiert sich und kann negative Auswirkungen auf unsere seelische Gesundheit haben, vor allem, was die sozialen Medien angeht. Die Bestseller-Autorin Jean M. Twenge, die sich eingehend mit diesem Thema befasst hat, erklärt: „Je mehr [die Menschen] Zeit damit zubringen, auf einen Bildschirm zu schauen, desto wahrscheinlicher ist es, dass bei ihnen Merkmale einer Depression auftreten.“14
Präsident Nelson hat gesagt: „Wenn ihr dem Newsfeed der sozialen Medien mehr Aufmerksamkeit schenkt als den Einflüsterungen des Geistes, dann bringt ihr euch in geistiger Hinsicht in Gefahr – und ihr lauft auch Gefahr, sehr einsam zu werden und Depressionen zu bekommen.“15
Also gönnen Sie sich etwas Zeit fernab Ihrer Bildschirme. Sie werden es sich später selbst danken.
Strategie 6: Leben Sie in der Gegenwart
Wenn Sie ein Mensch sind, haben Sie mit ziemlicher Sicherheit schon einmal etwas gesagt oder getan, was Sie später bereut haben. Höchstwahrscheinlich war das sogar schon oft der Fall. Merkwürdig ist aber, wie oft die meisten Menschen einen solchen Augenblick in Gedanken freiwillig immer wieder aufs Neue durchleben.
John Bytheway, Mitglied der Kirche Jesu Christi und Buchautor, schreibt über die Probleme, die sich einstellen, wenn man bei der Vergangenheit verweilt: „Unglückliche Menschen haben eine Wertstofftonne voller Fehler aus der Vergangenheit. Jeden Tag durchdenken sie erneut, was sie bedauern, und recyceln dies quasi immer wieder aufs Neue. Sie sagen ständig etwas wie ‚Hätte ich bloß‘, ‚Heute würde ich‘‚ ‚Es wäre mir doch möglich gewesen‘, ‚Warum habe ich nicht?‘ und ‚Wenn doch nur‘. Sie schauen nie auf das, was vor ihnen liegt, weil sie ihren Blick nicht von der Vergangenheit abwenden können.“16
Er schreibt auch über das ganz ähnliche Problem, zu viel über die Zukunft nachzudenken: „Unglückliche Menschen hoffen auf ein Ereignis in ihrem Leben, das sie glücklich macht. ‚Sobald ich den Abschluss gemacht habe, werde ich glücklich sein.‘ Nachdem sie den Abschluss dann gemacht haben, sagen sie: ‚Na schön, sobald ich eine Arbeitsstelle finde, werde ich glücklich sein.‘ Nachdem sie eine Stelle gefunden haben, sagen sie: ‚Also gut, sobald ich verheiratet bin, werde ich glücklich sein.‘ … Wenn Sie sich fest vorgenommen haben, unglücklich zu sein, dann sollten Sie sich das Leben als ein Wartezimmer und das Glück als Ihren Arzt vorstellen.“17
Am glücklichsten sind wir und am besten geht es uns, wenn wir in der Gegenwart leben und uns auf das konzentrieren, was jetzt gerade in unserem Leben geschieht.
In psychologischen und psychiatrischen Fachkreisen verwendet man den Begriff „Achtsamkeit“. Damit wird kurz und knapp ausgesagt, dass jemand voll und ganz im Hier und Jetzt lebt.
Experten aus diesem Bereich sagen: „Ängste und Verunsicherung in Bezug auf die Vergangenheit und die Zukunft können es schwer machen, die Gegenwart voll und ganz zu genießen.“18
Ein paar Tipps für ein achtsames Leben:
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Führen Sie ein Dankbarkeits-Tagebuch (siehe Strategie 3 oben). Schreiben Sie ein paar Sachen auf, für die Sie an diesem Tag dankbar waren.
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Verbringen Sie jeden Tag etwas Zeit mit Meditation. Suchen Sie sich einen friedlichen Ort, wo Sie sich hinsetzen können, ohne abgelenkt zu werden. Schließen Sie die Augen und achten Sie auf Ihre Atmung. Wenn Ihnen Gedanken kommen, gestehen Sie sich diese zu, lassen Sie sie los und konzentrieren Sie sich dann wieder auf Ihre Atmung. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber es ist ein sehr gutes mentales Training, um sich auf die Gegenwart zu fokussieren.
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Schenken Sie banalen Tätigkeiten, die Sie normalerweise automatisch machen, wie Geschirr abwaschen, Autofahren oder sogar essen, mehr Aufmerksamkeit. Spüren Sie das Spülwasser auf Ihren Händen. Achten Sie beim Autofahren auf die Bäume, Menschen und Gebäude. Genießen Sie den Geschmack und die Konsistenz jedes Bissens.
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Beten Sie darum, die Mitmenschen zu bemerken, die an diesem Tag Ihre Hilfe brauchen. Passen Sie dann gut auf und seien Sie bereit zu handeln.
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Verändern Sie von Zeit zu Zeit Ihre Gewohnheiten und erleben Sie dann ganz bewusst einen neuen Heimweg, die ungewohnte Anordnung in einem anderen Lebensmittelgeschäft oder verbringen Sie den Abend einmal ganz anders als sonst.
Strategie 7: Pflegen Sie Kontakt mit anderen
Was das Glücklichsein und die Gesundheit insgesamt betrifft, muss man vertrauensvollen Beziehungen unbedingt einen hohen Stellenwert einräumen.
Dr. Emma Seppälä schreibt, dass „feste soziale Bindungen
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die Chance auf ein langes Leben um 50 Prozent erhöhen
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das Immunsystem stärken …
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dazu beitragen, dass man sich schneller von einer Krankheit erholt“.
Sie fährt fort: „Menschen, die sich mit anderen verbundener fühlen, haben weniger Ängste und Depressionen.“19
Einige wenige vertrauensvolle Beziehungen, die Tiefe haben, sind wahrscheinlich besser als viele oberflächliche. Wir müssen unsere Freizeit nicht laufend mit geselligen Veranstaltungen überfrachten, aber wir müssen uns unbedingt mit anderen Menschen verbunden fühlen. Selbst für introvertierte Menschen gibt es viele Möglichkeiten, die Beziehungen zu Freunden und Familienmitgliedern zu vertiefen.
Über die Familie hat Elder Dieter F. Uchtdorf vom Kollegium der Zwölf Apostel einmal gesagt: „In der Beziehung zur Familie wird Liebe in Wirklichkeit so buchstabiert: Z-e-i-t, also Zeit.“20
Da Sie ja bereits Zeit hinzugewonnen haben, indem Sie nicht mehr so oft vor dem Bildschirm sitzen (kleine Anspielung auf meinen Vorschlag), könnten Sie doch ein wenig dieser Zeit von Angesicht zu Angesicht mit anderen verbringen. Betreuungsbesuche, Sportvereine, Briefmarkenklubs – alles, was Ihnen die Möglichkeit bietet, mit anderen in Kontakt zu kommen, kann Ihr Glück und Wohlbefinden steigern.
Strategie 8: Sorgen Sie für Ihren Tempel
Dem Körper guten Schlaf, die richtige Ernährung und ausreichend Bewegung zu verschaffen, kann sehr zum Glücklichsein beitragen. Unsere Gefühle entstehen im Gehirn, das genau wie jedes andere unserer Körperorgane sehr von einer gesünderen Lebensweise profitiert.
Die Schritte, die Sie unternehmen, um Ihre körperliche Gesundheit zu verbessern, kommen letztlich auch Ihrem Gehirn zugute, denn es ist ja Teil Ihres physischen Körpers. Dies kann Ihnen helfen, klarer zu denken, sich besser zu konzentrieren und Ihr Gefühlsleben ins Gleichgewicht zu bringen.
In puncto gesunde Gewohnheiten ist eine gute Faustregel, es langsam anzugehen und eine Veränderung nach der anderen vorzunehmen. Fangen Sie klein an, zum Beispiel indem Sie, wenn möglich, häufiger spazierengehen oder Ihre Ernährungsweise verbessern. Kleine Veränderungen summieren sich.
Strategie 9: Richten Sie den Blick nach außen
Die bisherigen acht Strategien mögen einleuchtender erscheinen als diese letzte, aber Glück findet man häufig dann, wenn man sich nicht direkt darauf konzentriert.
Elder Jeffrey R. Holland hat gesagt: „Glück findet man nicht einfach so, indem man geradewegs darauf zu rennt. Dafür ist es in der Regel zu flüchtig, zu vergänglich, zu verletzlich. Falls Sie es nicht bereits wissen, werden Sie in den kommenden Jahren feststellen, dass das Glück meist dann über uns kommt, wenn wir es am wenigsten erwarten, wenn wir mit etwas anderem beschäftigt sind. Glück ist fast immer eine Begleiterscheinung eines anderen Unterfangens.“21
Tun Sie auf jeden Fall alles Ihnen Mögliche, um sich Strategien und Gewohnheiten anzueignen, die das Glücklichsein fördern. Wenn wir alles in unserer Macht Stehende getan haben, ist es jedoch an der Zeit, sich nach außen zu wenden und zuzulassen, dass das Glück uns findet, während wir dabei sind, anderen zu helfen.
Glück und psychische Erkrankungen
Wenn es um gesundheitliche Probleme wie Depression und Ängste geht, wird Glück ein komplexeres Thema. Das nächtliche Zittern, das ich erwähnt habe, stellte sich als Symptom von Angstzuständen heraus, ausgelöst durch eine behandlungsbedürftige Depression.
Als mich finstere Gedanken und das Gefühl, dass nichts mehr Bestand hat, ganz und gar im Griff hatten – so äußert sich eine solche Depression –, konnte ich mich genauso wenig „dafür entscheiden, glücklich zu sein“, wie ich mir meine Körpergröße oder Augenfarbe hätte aussuchen können.
Ich kann mich aber immer dafür entscheiden, gegen die Finsternis anzukämpfen. Ich kann mich zu Gott emporstrecken. Ich kann alle Hilfsmittel nutzen, die mir zur Verfügung stehen – von Glauben und Gebet bis hin zur modernen Medizin.
Bei mir hat es über die Jahre jedes Mal viele verschiedene Maßnahmen erfordert, eine depressive Phase zu überwinden. Ich muss auf viele Bereiche achten und sie möglichst in Balance halten: meine körperliche Gesundheit (Bewegung, Ernährung, Schlaf), medizinische Maßnahmen (Medikamente, Vitamine, Arztbesuche), meine seelische Gesundheit (Psychotherapie, soziale Kontakte pflegen) und meine geistige Gesundheit (Gebet, Schriftstudium, in der Kirche dienen, Zeit im Tempel).
Trotz einiger schmerzlicher Tiefs, die ich im Laufe der Jahre durch die Depression erlebt habe, bin ich damit gesegnet, überwiegend glücklich zu sein und eine positive Einstellung zu haben. Ich empfinde tiefes Mitgefühl für diejenigen unter Ihnen, die stärker und anhaltender von einer psychischen Erkrankung betroffen sind als ich. Ich glaube aber fest daran, dass der Friedensfürst auch all Ihren Kummer heilen wird (siehe Johannes 14:27).
In der Depression hat man eine völlig verzerrte Wahrnehmung, was das Glücklichsein anbelangt: Man ist sich sicher, dass nichts je besser werden wird. Ein wirksames Gegenmittel gegen diese Unwahrheit ist – zumindest für mich – in meinem Lieblingslied „Be Still, My Soul“ zu finden. Darin heißt es:
Stille, mein Wille! Der Herr hat’s in Händen;
hält sich dein Herz nur im Glauben an ihn,
wird er den Kummer bald wenden und enden;
herrlich wird endlich, was rätselhaft schien.22
Das ist wahr und es gibt mir viel Kraft. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, habe ich keinen Zweifel daran, dass Gott mich auf dem ganzen Weg gesegnet, gestärkt und geführt hat. Daher weiß ich, dass er auch in Zukunft für mich da sein wird, und genauso weiß ich, dass Gott Sie auf Ihrem Weg zu glücklicheren Tagen führen wird.
Durch ihn wird Ihr Glück eines Tages vollkommen gemacht werden.