2000–2009
Die Früchte der ersten Vision
April 2005


Die Früchte der ersten Vision

Ich zähle Joseph Smith zu denen, deren Zeugnis von Christus mir half, mein eigenes Zeugnis vom Erretter zu entwickeln.

Vor nur sechs Monaten haben Sie, die treuen Mitglieder der Kirche Jesu Christi, mich als Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel bestätigt. Diese Berufung kam für viele überraschend, besonders aber für unsere Enkelkinder, die sagten: „Aber das ist doch unser Opa! Das ist doch ein ganz normaler Mensch. Der hat doch mit uns gespielt und uns oft die Haare geschnitten!“

Nach der Herbst-Generalkonferenz sprachen meine Frau und ich mit unseren Kindern am Telefon. Einer unserer Enkelsöhne sagte: „Nachdem wir so weit weg sind und nicht bei dir in Salt Lake City sein konnten, hättest du uns bei deiner Konferenzansprache wenigstens zuwinken können.“ Bis zu dieser Generalkonferenz konnten wir noch nicht wieder mit unseren Kindern und Enkelkindern zusammensein. Also winke ich heute und hoffe, damit einen Enkelsohn glücklich zu machen. Ich winke auch allen Ihnen zu, den wunderbaren Mitgliedern, deren Gebete und deren Zuneigung meiner Frau und mir so viel bedeuten und für die wir so dankbar sind.

In den Jahren, in denen ich in Deutschland aufwuchs, ging ich an vielerlei Orten und unter verschiedensten Bedingungen zur Kirche – mal in ein bescheidenes Hinterzimmer, mal in eine umgebaute Villa, mal in ein modernes Gemeindehaus. All diese Gebäude hatten etwas Wichtiges gemeinsam: Der Geist Gottes war anwesend, und wir konnten die Liebe des Erretters spüren, wenn wir uns als Gemeindefamilie versammelten.

In Zwickau gab es eine alte, luftbetriebene Orgel. Jeden Sonntag wurde ein junger Mann beauftragt, den robusten Hebel des Blasebalgs auf und ab zu bewegen, damit die Orgel genug Luft hatte. Auch als ich noch kein Träger des Aaronischen Priestertums war, fiel mir manchmal die große Ehre zu, hierbei zu helfen.

Während die Gemeinde die schönen Lieder über die Wiederherstellung sang, pumpte ich mit aller Kraft, damit der Orgel nicht die Luft ausging. Die Blicke des Organisten zeigten mir unmissverständlich, ob ich es gut machte oder ob ich mich gefälligst mehr anstrengen musste. Jedes Mal fühlte ich mich geehrt von der Bedeutung dieser Aufgabe und dem Vertrauen, das der Organist in mich setzte. Verantwortung zu tragen und in diesem großen Werk mitzuarbeiten, gab mir das großartige Gefühl, dem Herrn zu dienen.

Die Aufgabe brachte aber noch einen weiteren Vorteil mit sich: Derjenige, der den Blasebalg bediente, saß in einem Stuhl, der einen fantastischen Blick auf das Buntglasfenster bot, das die Stirnseite der Kapelle zierte. Auf dem Buntglas war die erste Vision dargestellt; man sah, wie Joseph Smith im heiligen Hain kniete und gen Himmel in eine Säule aus Licht blickte.

Während die Gemeinde ihre Lieder sang oder auch wenn Ansprachen gehalten oder Zeugnisse gegeben wurden, betrachtete ich oft diese Darstellung eines der heiligsten Momente der Weltgeschichte. Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie Joseph Smith Erkenntnis, ein Zeugnis und Weisung von Gott empfing und so zu einem gesegneten Werkzeug in der Hand des himmlischen Vaters wurde.

Ich empfand geistig etwas ganz Besonderes, wenn ich auf dem Fensterbild den schönen Moment sah, wo ein gläubiger Junge in einem abgeschiedenen Wäldchen den mutigen Entschluss fasste, aufrichtig zum himmlischen Vater zu beten, welcher ihm liebevoll zuhörte und ihm gütig antwortete.

Da war ich also – ein Junge, der im Nachkriegsdeutschland in einer Stadt lebte, die in Schutt und Asche lag, tausende Kilometer von Palmyra in Nordamerika entfernt und über hundert Jahre, nachdem dieses Ereignis stattgefunden hatte. Durch die allumfassende Macht des Heiligen Geistes spürte ich in Herz und Sinn, dass Joseph Smith Gott und Jesus Christus gesehen und ihre Stimme gehört hat. Der Geist Gottes füllte meine Seele in diesen jungen Jahren mit der Gewissheit, dass dieser heilige Moment sich wirklich ereignet hat und eine weltweite Bewegung ausgelöst hat, die dazu bestimmt ist, „dahinzurollen, bis sie die ganze Erde erfüllt hat“ (siehe LuB 65:2). Ich glaubte Joseph Smiths Zeugnis, glaubte dem Bericht über das herrliche Erlebnis im heiligen Hain, und ich weiß heute, dass es wahr ist. Gott hat wieder zu den Menschen gesprochen!

Rückblickend bin ich vielen Menschen sehr dankbar, die mir in meinen Jugendjahren halfen, ein Zeugnis von der wiederhergestellten Kirche Jesu Christi zu erlangen. Anfangs vertraute ich einfach auf das Zeugnis anderer, doch dann gab Gott auch mir durch den Geist im Verstand und im Herzen ein Zeugnis. Ich zähle Joseph Smith zu denen, deren Zeugnis von Christus mir half, mein eigenes Zeugnis vom Erretter zu entwickeln. Noch bevor ich erkannte, wie der Geist mich führte, als er mir bezeugte, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes war, spürte ich in meinem jungen Herzen, dass Joseph Smith ein Freund Gottes war und daher selbstverständlich auch mein Freund. Ich wusste: Ich konnte Joseph Smith vertrauen.

Aus den heiligen Schriften wissen wir, dass geistige Gaben denjenigen gegeben werden, die Gott bitten, ihn lieben und seine Gebote halten (siehe LuB 46:9). „Allen ist nicht jede Gabe gegeben; denn es gibt viele Gaben, und jedem Menschen ist durch den Geist Gottes eine Gabe gegeben.

Einigen ist die eine gegeben, anderen ist eine andere gegeben, damit allen dadurch genutzt sei.“ (LuB 46:11,12.)

Heute weiß ich, dass mein aufblühendes Zeugnis sehr von dem des Propheten Joseph Smith und dem vieler Freunde in der Kirche profitiert hat, die „durch den Heiligen Geist [wussten], dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist und dass er für die Sünden der Welt gekreuzigt worden ist“ (LuB 46:13). Durch gutes Beispiel, liebevolle Zuneigung und Hilfsbereitschaft ermöglichten sie es mir, bei meiner Suche nach mehr Licht und Wahrheit eine weitere besondere Geistesgabe zu empfangen: „Anderen ist es gegeben, dass sie ihren Worten glauben, damit auch sie ewiges Leben haben können, wenn sie weiterhin treu bleiben.“ (LuB 46:14). Was für eine wunderbare und kostbare Gabe dies ist!

Wenn wir wahrhaft demütig sind, werden wir mit dieser Gabe gesegnet, nämlich an etwas zu glauben und auf etwas zu hoffen, „was man nicht sieht, was aber wahr ist“ (siehe Alma 32:21). Wenn wir mit den Worten der heiligen Schrift und der lebenden Propheten einen Versuch machen – ja, selbst wenn wir bloß den Wunsch haben zu glauben – und dem Geist des Herrn keinen Widerstand leisten, wird unsere Seele erweitert und unser Verständnis erleuchtet (siehe Alma 32:26-28).

Der Erlöser selbst hat diesen barmherzigen Grundsatz aller Welt in seiner Fürbitte für alle Glaubenden unmissverständlich erklärt – nicht nur seinen damaligen Aposteln, sondern allen Heiligen, ja, auch uns in der Gegenwart, wo immer wir auch leben mögen. Er sagte:

„Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.

Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ (Johannes 17:20,21; Hervorhebung hinzugefügt.)

Auf diese Weise bringt die erste Vision uns selbst, den Familien und schließlich der gesamten Menschheit unendlichen Segen: Wir gelangen durch die Worte des Propheten Joseph Smith zum Glauben an Jesus Christus. Den Propheten und Aposteln hat sich Gott im Laufe der Geschichte immer wieder ganz ähnlich kundgetan wie Joseph Smith gegenüber. Mose sah Gott von Angesicht zu Angesicht und erfuhr, dass er ein Sohn Gottes „im Ebenbild [seines] Einziggezeugten“ war (siehe Mose 1:1-6). Der Apostel Paulus bezeugte, dass der auferstandene Jesus Christus ihm auf der Straße nach Damaskus erschien und aus ihm einen seiner großen Missionare machte (siehe Apostelgeschichte 26:9-23). Als der mächtige König Agrippa während der Gerichtsverhandlung in Cäsarea Paulus von dieser himmlischen Vision Zeugnis geben hörte, rief er aus: „Fast überredest du mich dazu, mich als Christ auszugeben.“ (Apostelgeschichte 26:28.)

Viele weitere Propheten aus der Vergangenheit gaben ebenfalls machtvoll Zeugnis von Christus. All diese Kundgebungen, ob vor alters oder in neuerer Zeit, führen den, der glaubt, zur Quelle aller Rechtschaffenheit – zu Gott, unserem Vater im Himmel, und seinem Sohn Jesus Christus.

Gott hat zu Joseph Smith gesprochen, um uns alle mit Gottes Gnade und Liebe zu segnen, leben wir doch in einer Zeit voller Ungewissheit, Unsicherheit, voller Kriege und Kriegsgerüchte, Naturkatastrophen und persönlicher Tragödien. Der Erlöser sagte: „Siehe, mein Arm der Barmherzigkeit ist euch entgegengestreckt, und wer auch immer kommt, den werde ich empfangen.“ (3 Nephi 9:14.) Und jeder, der diese Einladung annimmt, wird „ringsum von der unvergleichlichen Fülle seiner Liebe umschlossen“ (Alma 26:15).

Durch Vertrauen auf das persönliche Zeugnis des Propheten Joseph Smith und darauf, dass die erste Vision wirklich stattgefunden hat, sowie durch tiefes und aufrichtiges Lernen und Beten werden wir mit einem sicheren Glauben an den Erretter der Welt belohnt, der „an einem strahlend schönen Morgen in den ersten Frühlingstagen achtzehnhundertundzwanzig“ zu Joseph Smith sprach (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:14).

Der Glaube an Jesus Christus und ein Zeugnis von ihm und seinem allumfassenden Sühnopfer sind nicht nur Lehren von hohem theologischem Wert. Solcher Glaube ist vielmehr ein allumfassendes Geschenk, herrlich für alle Kulturen und Regionen dieser Erde, ungeachtet der Sprache, Rasse, Hautfarbe, Staatszugehörigkeit und gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse. Zwar kann man dieses Geschenk auch mit Verstandeskraft erfassen wollen, noch viel tiefer empfindet seine Auswirkungen aber derjenige, der bereit ist, den damit einhergehenden Segen anzunehmen, indem er ein reines Leben führt, den Pfad wahrer Umkehr beschreitet und die Gebote Gottes lebt.

Nun, da wir an den Propheten Joseph Smith denken und ihn ehren, wende ich mich ihm mit dankbarem Herzen zu. Er war ein guter, ehrlicher, demütiger, intelligenter und mutiger junger Mann mit einem Herzen aus Gold und unerschütterlichem Gottvertrauen. Er war aufrichtig und rechtschaffen. Als Antwort auf sein demütiges Gebet öffnete sich der Himmel erneut. Joseph Smith hatte wirklich eine Vision gesehen. Er wusste es, und er wusste, dass Gott es wusste, und er konnte es nicht leugnen (siehe Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:25).

Durch sein Werk und sein Opfer habe ich nun wahre Erkenntnis vom himmlischen Vater, seinem Sohn, unserem Erlöser und Erretter Jesus Christus, und ich kann die Macht des Heiligen Geistes spüren und um den Plan des himmlischen Vaters für uns, seine Kinder, wissen. Für mich sind dies wahrhaftig die Früchte der ersten Vision.

Ich bin dankbar, dass ich schon früh im Leben mit dem einfachen Glauben gesegnet wurde, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes war, dass er Gott, den Vater, und dessen Sohn, Jesus Christus, in einer Vision gesehen und dass er das Buch Mormon durch die Gabe und Macht Gottes übersetzt hat. Dieses Zeugnis ist mir immer wieder neu bestätigt worden.

Als einer der Geringsten unter Ihnen, aber in meiner Berufung als einer der Apostel Jesu Christi, bezeuge ich, dass er wirklich lebt und dass er der Messias ist. Ich habe ein persönliches Zeugnis von Jesus Christus, dem Erretter und Erlöser der ganzen Menschheit. Ich habe diese Erkenntnis durch die Macht des Geistes Gottes und durch den unbeschreiblichen Frieden, den er verleiht, erhalten. In Herz und Sinn habe ich den Wunsch, dem Herrn rein und treu heute und für immer zu dienen.

Dies sage ich im Namen Jesu Christi. Amen.