2000–2009
In Liebe verbunden
April 2005


In Liebe verbunden

Als Sie getauft wurden, blickten Ihre Vorfahren hoffnungsvoll zu Ihnen herunter. Sie jubelten, als sie sahen, wie einer ihrer Nachkommen gelobte, sie zu finden.

Ich möchte heute zu denen sprechen, die nicht in der Kirche aufgewachsen sind. Über die Hälfte der heutigen Mitglieder hat sich erst nach ihrem 8. Geburtstag taufen lassen. Sie sehen also, dass Sie keineswegs eine Ausnahme bilden! Ich möchte Ihnen sagen, dass der Herr Sie sehr liebt und dass er Ihnen vertraut; ja, dass er sich sehr auf Sie verlässt.

Bei Ihrer Taufe haben Sie seine Liebe in gewissem Maß verspürt. Vor vielen Jahren habe ich einen jungen Mann im Alter von zwanzig Jahren getauft. Mein Mitarbeiter und ich hatten ihn im Evangelium unterwiesen. Er war der Erste aus seiner Familie, der die Botschaft von der Wiederherstellung des Evangeliums vernahm. Er bat darum, getauft zu werden. Das Zeugnis des Geistes brachte ihn dazu, dass er dem Beispiel des Erretters folgen wollte, der sich ja von Johannes dem Täufer taufen ließ, obwohl er ohne Sünde war.

Als ich den jungen Mann aus dem Wasser der Taufe hob, warf er zu meiner Überraschung die Arme um mich, und während Tränen über seine Wangen strömten, flüsterte er mir ins Ohr: „Ich bin rein! Ich bin rein!“ Nachdem wir ihm die Hände aufgelegt und ihm mit der Vollmacht des Melchisedekischen Priestertums den Heiligen Geist übertragen hatten, sagte er mir: „Als Sie diese Worte sprachen, da fühlte ich vom Scheitel bis zur Sohle so etwas wie Feuer durch meinen Körper strömen.“

Sicher haben Sie Ihr ganz persönliches Erlebnis gehabt, und bis zu einem gewissen Grad haben auch Sie gespürt, wie groß der Segen ist, den Sie bekommen haben. Seit damals haben Sie erlebt, wie real die Verheißungen sind, die Ihnen gegeben worden sind, und auch die Versprechen, die Sie selbst gegeben haben. Sie haben erlebt, wie Sie durch die Taufe gereinigt wurden, und zwar dank des Sühnopfers Jesu Christi. Sie haben außerdem den Wandel im Herzen gespürt, als der Heilige Geist Ihr Begleiter wurde. Ihre Wünsche haben sich allmählich geändert.

Wenn mir jemand erzählt, er sei als Bekehrter zur Kirche gekommen, frage ich: „Hat noch jemand in Ihrer Familie das Evangelium angenommen?“ Lautet die Antwort Ja, folgt eine begeisterte Schilderung des herrlichen Wunders, das sich im Leben der Eltern, eines Bruders, einer Schwester oder der Großeltern ereignet hat. Es bereitet einem Freude, wenn man weiß, dass jemand in der Familie nun Teil hat an den Segnungen und dem Glück, das man gefunden hat. Lautet die Antwort „Nein, ich bin bis jetzt das einzige Mitglied“, dann wird dies fast immer mit Blick auf die Eltern gesagt. Dann höre ich beispielsweise: „Nein, noch nicht. Aber wir versuchen es weiter.“ Und dem Klang der Stimme lässt sich entnehmen, dass der Betreffende nie aufhören wird, es zu versuchen – nein, niemals.

Der Herr wusste, dass Sie so empfinden würden, als er Ihnen gestattete, die Bündnisse anzunehmen, die für Sie ein Segen sind. Er wusste, Sie würden den Wunsch haben, dass Ihre Familie an dem Glück teilhat, das sie verspürt haben, als Sie zur Kirche kamen. Mehr noch: Er wusste, dass dieser Wunsch stärker werden würde, wenn Sie erst die Freude der Verheißungen kennen lernten, die er uns im heiligen Tempel gibt. Dort lässt er diejenigen, die dafür bereit sind, Bündnisse mit ihm schließen. Wir geloben, seinen Geboten zu gehorchen. Und er verheißt uns, sofern wir treu bleiben, dass wir in der künftigen Welt auf immer in Herrlichkeit als Familie bei ihm leben dürfen.

In seiner liebevollen Güte wusste Gott, dass Sie den Wunsch verspüren würden, für immer mit Ihren Eltern und deren Eltern verbunden zu sein. Vielleicht hatten auch Sie einen Großvater wie ich, der sich immer sehr über meine Besuche freute. Ich hielt mich immer für sein Lieblingsenkelkind, bis mir meine Cousins und Cousinen erzählten, sie hätten das von sich auch gedacht. Mein Großvater lebt nicht mehr. Alle meine Großeltern und deren Vorfahren sind tot. Auch Sie haben Vorfahren, die gestorben sind, ohne je die Gelegenheit gehabt zu haben, das Evangelium anzunehmen und die Segnungen und Verheißungen zu empfangen, die Sie empfangen haben. Der Herr ist gerecht und liebevoll. Daher hat er es möglich gemacht, dass unser Herzenswunsch in Erfüllung geht und wir unseren Vorfahren alle Segnungen zugänglich machen können, die Gott uns anbietet.

Der Plan dazu hat schon von Anfang an bestanden. Schon vor langer Zeit hat der Herr seinen Kindern Verheißungen gegeben. Das allerletzte Buch im Alten Testament ist das Buch des Propheten Maleachi. Seine letzten Worte sind eine kostbare Verheißung und eine strenge Warnung:

„Bevor aber der Tag des Herrn kommt, der große und furchtbare Tag, seht, da sende ich zu euch den Propheten Elija.

Er wird das Herz der Väter wieder den Söhnen zuwenden und das Herz der Söhne ihren Vätern, damit ich nicht kommen und das Land dem Untergang weihen muss.“1

Einige dieser Worte sind überaus wichtig, und wir müssen sie begreifen. Der große und furchtbare Tag des Herrn ist das Ende der Welt. Jahwe, der Messias, wird in Herrlichkeit erscheinen. Die schlechten Menschen werden vernichtet. Wir leben in den Letzten Tagen. Die Zeit, all das zu tun, was wir versprochen haben, könnte knapp werden.

Wir müssen auch wissen, weshalb der Herr verheißen hat, Elija zu senden. Elija war ein großer Prophet, und Gott hatte ihm große Macht gegeben. Er hatte die größte Macht inne, die Gott seinen Kindern gibt: Er hatte die Siegelungsmacht inne, nämlich die Macht, auf Erden zu binden, was auch im Himmel gebunden sein wird. Gott gab sie auch dem Apostel Petrus. Und der Herr erfüllte seine Verheißung, Elija zu senden. Am 3. April 1836 kam Elija zum Propheten Joseph Smith; es war kurz nach der Weihung des Kirtland-Tempels, des ersten Tempels, der nach der Wiederherstellung des Evangeliums gebaut worden war. Diesen heiligen Augenblick beschreibt Joseph Smith so:

„Uns [wurde] plötzlich eine weitere große und herrliche Vision eröffnet, denn der Prophet Elija, der in den Himmel aufgenommen wurde, ohne den Tod zu schmecken, stand vor uns und sprach:

Siehe, die Zeit ist völlig da, von der Maleachis Mund gesprochen hat – der bezeugte, dass er [Elija] gesandt werden würde, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn käme –

um das Herz der Väter den Kindern und der Kinder den Vätern zuzuwenden, damit nicht die ganze Erde mit einem Fluch geschlagen werde –,

darum sind die Schlüssel dieser Evangeliumszeit in eure Hände übergeben, und dadurch könnt ihr wissen, dass der große und schreckliche Tag des Herrn nahe ist, ja, vor der Tür.“2

Als Sie zur Kirche kamen, haben Sie gemerkt, wie sich Ihr Herz der Familie zuwendet, und zwar sowohl den Lebenden als auch denen, die in der Geisterwelt sind. In einer weiteren Vision hat der Herr gezeigt, wie Sie mit solchen Gefühlen umgehen sollen.

Nach Joseph Smith hat der Herr weitere Propheten berufen, seine Kirche zu führen. Einer davon war Joseph F. Smith. In einer Vision sah er, was sich in der Geisterwelt zutrug, als der Erretter zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung dort erschien.3 Präsident Smith sah, welch große Freude die Geister hatten, als sie hörten, dass der Erretter die Bande des Todes zerrissen hatte und sie dank des Sühnopfers auferstehen konnten. Er sah auch, wie der Erretter unter den Geistern seine Knechte organisierte, damit sie jedem Geist das Evangelium predigten und ihm die Chance gäben, sich für die Bündnisse und Segnungen zu entscheiden, die Ihnen offen stehen und die Sie sich für Ihre Vorfahren wünschen. Diese Chance muss jeder bekommen.

Präsident Smith sah auch die Führer, die der Erretter berief, damit sie den Kindern des himmlischen Vaters in der Geisterwelt das Evangelium brachten. Von einigen nannte er die Namen: unsere Stammeltern Adam und Eva, Noach, Abraham, Ezechiel, Elija, außerdem Propheten aus dem Buch Mormon und aus der Neuzeit – darunter Joseph Smith, Brigham Young, John Taylor und Wilford Woodruff. Bedenken Sie nur, welche Macht diese Missionare haben, das Evangelium zu predigen und Ihren Vorfahren das Herz zu berühren. Es überrascht wohl kaum, dass Wilford Woodruff zu Lebzeiten einmal gesagt hat, seiner Ansicht nach werden – wenn überhaupt – nur wenige der Vorfahren unserer Mitglieder die Botschaft der Errettung verwerfen, wenn sie ihnen in der Geisterwelt gepredigt wird.4

Viele Ihrer verstorbenen Vorfahren haben inzwischen wahrscheinlich schon das Zeugnis empfangen, dass die Botschaft der Missionare wahr ist. Als Sie selbst dieses Zeugnis empfangen haben, konnten Sie die Missionare um die Taufe bitten. Aber die Menschen in der Geisterwelt können das nicht. Die heiligen Handlungen, die Ihnen so viel bedeuten, werden nur auf der Erde angeboten. So muss jemand auf Erden zum heiligen Tempel gehen und die Bündnisse stellvertretend für denjenigen in der Geistwelt annehmen. Deswegen haben wir die Pflicht, die Namen unserer Vorfahren herauszufinden und ihnen das zugänglich zu machen, was sie ohne unsere Hilfe dort nicht empfangen könnten.

Was mich betrifft, so wendet sich mein Herz aus diesem Wissen heraus nicht nur meinen wartenden Vorfahren zu, sondern auch den Missionaren, die sie unterweisen. In der Geisterwelt lerne ich diese Missionare dann ja kennen – genauso, wie Sie sie kennen lernen. Stellen Sie sich das einmal vor: Da steht ein treuer Missionar bei denen, die ihm am Herzen liegen und die er unterwiesen hat – bei Ihren Vorfahren! Stellen Sie sich wie ich vor, wie dieser Missionar sich freut, wenn Sie zu ihm und zu den Vorfahren treten, die er bekehrt hat, die aber erst getauft und an ihre Familie gesiegelt werden konnten, als Sie ihnen zu Hilfe kamen. Ich weiß nicht, wie man dort miteinander umgeht, aber ich kann mir vorstellen, dass diese Leute Sie umarmen und vor Dankbarkeit weinen werden.

Und wenn Sie sich vorstellen können, wie sich der Missionar und Ihr Vorfahr freuen, dann stellen Sie sich erst den Erretter vor, wenn Sie ihm gegenübertreten. Er wird ein Gespräch mit Ihnen führen. Christus hat den Preis für Ihre Sünden wie auch für die Sünden aller Geistkinder des himmlischen Vaters gezahlt. Er ist Jahwe. Er hat Elija gesandt. Aus vollkommener Liebe hat er die Macht des Priestertums zum Siegeln und zum Segnen übertragen. Und er hat Ihnen Vertrauen geschenkt, indem er Sie zu Ihren Lebzeiten das Evangelium hat hören lassen; er hat es Ihnen möglich gemacht, die Aufgabe zu übernehmen, das Evangelium denjenigen Ihrer Vorfahren zugänglich zu machen, die es zu Lebzeiten nicht kennen lernen konnten. Stellen Sie sich nur vor, wie dankbar Christus denjenigen ist, die die Mühe und den Glauben aufbringen, die Namen ihrer Vorfahren zu ermitteln, und die diese Menschen und ihn selbst so sehr lieben, dass sie es ihnen ermöglichen, mit ihrer Familie ewiges Leben zu erlangen, die größte aller Gaben Gottes. Er hat diesen Menschen ein unbegrenztes Opfer angeboten. Er wird diejenigen lieben und wertschätzen, die jeden ihnen nur möglichen Preis gezahlt haben, um ihre Vorfahren in die Lage zu versetzen, sein Angebot ewigen Lebens anzunehmen.

Da Ihr Herz bereits gewandelt ist, mag Ihnen der Preis gar nicht so hoch erscheinen. Sie beginnen mit ganz einfachen Schritten. Schreiben Sie auf, was Sie bereits über Ihre Familie wissen. Notieren Sie die Namen von Ihren Eltern und deren Eltern sowie die Daten von Geburt, Tod und Eheschließung. Falls es möglich ist, schreiben Sie auch die jeweiligen Orte auf. Manches davon wissen Sie vielleicht auswendig. Sie können aber auch Verwandte fragen. Möglicherweise besitzen die Verwandten sogar Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden. Machen Sie Kopien davon, und ordnen Sie sie. Sollten Sie Geschichten aus dem Leben Ihrer Vorfahren hören, schreiben Sie sie auf, und bewahren Sie sie auf. Sie sammeln nicht einfach nur Namen. Aus Menschen, denen Sie hier im Leben nie begegnet sind, werden liebe Freunde. Sie werden auf ewig miteinander verbunden.

Fangen Sie mit den letzten paar Generationen an und forschen Sie von dort weiter. Sie werden auf viele Vorfahren stoßen, die Ihre Hilfe brauchen. In Ihrer eigenen Gemeinde ist jemand berufen, Ihnen dabei zu helfen, diese Namen für den Tempel vorzubereiten. Dort können den Vorfahren die Bündnisse zugänglich gemacht werden, die sie aus dem Gefängnis der Geister befreien und sie in eine Familie einbinden – Ihre Familie –, und zwar auf ewig.

Die Möglichkeiten und die daraus entstehenden Verpflichtungen, die Sie, Brüder und Schwestern, haben, sind in der Weltgeschichte höchst bemerkenswert. Es gibt heute auf Erden mehr Tempel denn je. Mehr Menschen in aller Welt werden vom Geist des Elija dazu bewegt, Daten und Fakten über das Leben ihrer Vorfahren aufzuzeichnen. Es gibt mehr Hilfsmittel für die Suche nach Ihren Vorfahren, als es in der Geschichte der Welt je gegeben hat. Der Herr hat Wissen darüber, wie man diese Angaben weltweit verfügbar machen kann, ausgeschüttet – Technologien, die uns vor wenigen Jahren noch wie ein Wunder vorgekommen wären.

Mit diesen Möglichkeiten geht die erhöhte Verpflichtung einher, dem Vertrauen des Herrn gerecht zu werden. Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert.5 Wenn Sie die ersten paar Generationen beisammen haben, wird die Sache schwieriger. Der Preis wird höher. Je älter die Aufzeichnungen, desto unvollständiger sind sie. Wenn auch andere Verwandte Genealogie betreiben, kann es vorkommen, dass dem einen oder anderen Ihrer Vorfahren bereits die vollständigen Segnungen des Tempels zugänglich gemacht worden sind. Und dann stehen Sie vor einer schwierigen und wichtigen Entscheidung. Sie werden versucht sein, die schwierige Forschungsarbeit anderen zu überlassen, die darin erfahrener sind, oder Sie möchten die Arbeit auf später verschieben. Doch im Herzen werden Sie den Drang verspüren, weiterzumachen, auch wenn es schwierig wird.

Denken Sie bei Ihrer Entscheidung daran, dass die Namen, die so schwer zu finden sind, wirkliche Menschen sind, denen Sie Ihr Dasein in dieser Welt verdanken und denen Sie in der Geisterwelt wieder begegnen werden. Als Sie getauft wurden, blickten Ihre Vorfahren hoffnungsvoll zu Ihnen herunter. Nach vielleicht jahrhundertelangem Warten jubelten sie, als sie sahen, wie einer ihrer Nachkommen gelobte, sie zu finden und ihnen Freiheit anzubieten. Wenn Sie diesen Menschen wieder begegnen, werden Sie in ihren Augen entweder Dankbarkeit oder schreckliche Enttäuschung sehen. Sie sind mit ihnen in Liebe verbunden. Die Hoffnung Ihrer Vorfahren liegt in Ihrer Hand. Fassen Sie den Entschluss, weiterzuarbeiten und diese Menschen zu finden, dann werden Sie mehr als nur Ihre eigene Kraft haben.

Vor einigen Nächten hatte ich einen Traum. Ich sah einen weißen Zettel mit einem Namen darauf, den ich nicht kannte, und einem Datum, das ich nur zum Teil erkennen konnte. Ich stand auf und nahm mir die Aufzeichnungen meiner Familie vor. Der Nachname auf dem Zettel stammt aus einer Linie, die vor dreihundert Jahren zur Familie meiner Mutter stieß; das war in einer Ortschaft namens Eaton Bray. Jemand ist sehr darauf bedacht, die lange Zeit des Wartens zu beenden. Ich weiß noch nicht, um wen es sich dabei handelt. Aber ich habe wieder einmal bestätigt bekommen, dass Gott in seiner Liebe unsere Gebete erhört und Hilfe schickt für das heilige Werk der Erlösung unserer Familien; dies ist ja sein Werk und seine Herrlichkeit, und wir haben versprochen, von ganzem Herzen darin zu wirken. Dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Maleachi 3:23,24

  2. LuB 110:13-16

  3. Siehe LuB 138

  4. Siehe „Discourse by President Wilford Woodruff“, Millennial Star, 21. Mai 1894, Seite 339f.

  5. Siehe Lukas 12:48