O fest wie ein Felsen
CES-Andacht für junge Erwachsene • 2.November 2014 • Tabernakel in Ogden, Utah
Meine Frau und ich sind begeistert, heute Abend bei Ihnen zu sein. Wenn wir in die Gesichter schauen, die wir heute hier vor uns haben, sehen wir in Gedanken all die alleinstehenden und verheirateten jungen Erwachsenen auf der Welt vor uns, die an dieser Übertragung teilnehmen. Wir haben ausgiebig Gelegenheit, die Kirche auf der ganzen Welt zu besuchen. Wir haben viele von Ihnen kennengelernt, und viele, die wie Sie sind. Wir haben junge Erwachsene kennengelernt, die sich bekehrt haben, und auch solche, die an einer tieferen Bekehrung arbeiten. Wir haben junge Erwachsene kennengelernt, die verlorengegangen sind, und solche, die wiedergefunden wurden, oder besser: die sich selbst gefunden haben. Wir haben welche kennengelernt, die nicht unseres Glaubens sind, welche, die sich vor kurzem haben taufen lassen, und welche, deren Familie seit vielen Generationen in der Kirche ist. Wir geben Zeugnis, dass sie alle Gottes Kinder sind und jeden Segen der Ewigkeit erlangen können.
Im Namen der Führer der Kirche kann ich voller Begeisterung sagen: Wir haben Sie lieb! Da ich die Propheten und Apostel aus nächster Näher beobachte und kenne, kann ich ruhigen Gewissens sagen, dass ihnen an den jungen Erwachsenen der Kirche sehr viel liegt. Sie sind die Gegenwart und die Zukunft. Wir brauchen Sie!
Diese Versammlung wird vom Tabernakel in Ogden aus ausgestrahlt, einem wunderschön renovierten Gebäude, das gleich neben dem stattlichen Ogden-Utah-Tempel steht. Der Tempel und dieses Tabernakel wurden erst vor sechs Wochen von Präsident Thomas S. Monson erneut geweiht. Der Tempel ist einer von 143, die derzeit weltweit in Betrieb sind. Damit Sie wissen, wie alt ich bin – oder um es positiver auszudrücken, wie sehr der Herr sein Werk beschleunigt: Als ich geboren wurde, gab es gerade einmal acht Tempel.
Heute Abend werde ich über Fundamente sprechen und den Tempel als Sinnbild dafür heranziehen. Wenn ein Tempel geplant und gebaut wird, fließt viel Arbeit in etwas, was nach Abschluss des Bauvorhabens kaum noch zu sehen ist: das Fundament. Das hier zum Beispiel ist eine Entwurfszeichnung des Philadelphia-Pennsylvania-Tempels, der derzeit gebaut wird. Nach seiner Fertigstellung wird dieses außergewöhnliche Gebäude an der Dachkante 25 Meter und mit dem Engel Moroni gut 60 Meter hoch sein. Wie Sie sehen, wird es prächtig! So beeindruckend und imposant dieses Bauwerk auch sein wird, wird es doch immer noch zerstörerischen Winden und eindringendem Grundwasser ausgesetzt sein. Wenn gegen diese misslichen Umstände nichts unternommen wird, können sie dieses stattliche Gebäude ernsthaft beschädigen oder gar zerstören.
Weil die Ingenieure wussten, dass diese Kräfte ohne Unterlass auf den Tempel einwirken würden, haben sie auf der gesamten Grundfläche des Gebäudes einen fast 10 Meter tiefen Aushub eingeplant. Die Baufirma musste ein Loch in den dort vorherrschenden Granitboden bohren, um ein unerschütterliches Fundament zu schaffen, auf das man bauen konnte. Die Betonsockel und das Fundament wurden dann in der Felssohle verankert, um selbst stürmischem Wind und mächtig treibendem Grundwasser standzuhalten. Die Anker wurden 15 bis 53 Meter tief in den Granit getrieben und mit 17,5 Tonnen pro Quadratzentimeter verspannt. Sie liegen in beiden Richtungen jeweils viereinhalb Meter auseinander.
Ich erwähne diese Einzelheiten, um etwas zu verdeutlichen: Anders als beim Bau eines Gebäudes (das ja stets von vorübergehender Natur ist) geben wir beim Bau unseres immerwährenden (und hoffentlich auch ewigen) Lebens oft wenig Acht auf die Planung und die Errichtung unseres Fundaments. Infolgedessen sind wir gefährlichen Mächten, die uns leicht umwerfen können, extrem ausgeliefert.
Wir leben in einer Welt, die verwirrend sein kann. Wenn wir es zulassen, kann sie uns vergessen lassen, wer wir wirklich sind. Präsident Thomas S. Monson hat gesagt:
„Das Erdenleben ist eine Zeit der Prüfung, eine Zeit, in der wir uns würdig erweisen müssen, in die Gegenwart unseres himmlischen Vaters zurückzukehren. Um geprüft werden zu können, müssen wir mit Herausforderungen und Schwierigkeiten konfrontiert werden. Diese können uns brechen und bewirken, dass unsere Seele an der Oberfläche Risse bekommt und bröckelt – jedenfalls dann, wenn das Fundament unseres Glaubens und unser Zeugnis von der Wahrheit nicht tief in uns verankert sind.
Auf den Glauben und das Zeugnis anderer können wir nur kurz bauen. Letztlich müssen wir selbst ein stabil und tief verankertes Fundament haben, sonst werden wir nicht imstande sein, den Stürmen des Lebens zu trotzen, die gewiss kommen.“1
Jesus Christus hat sich so ausgedrückt, als er einen Menschen beschrieb, der ihn hört und ihm folgt:
„Er ist wie ein Mann, der ein Haus baute und dabei die Erde tief aushob und das Fundament auf einen Felsen stellte. Als nun ein Hochwasser kam und die Flutwelle gegen das Haus prallte, konnte sie es nicht erschüttern, weil es gut gebaut war.
Wer aber hört und nicht danach handelt, ist wie ein Mann, der sein Haus ohne Fundament auf die Erde baute. Die Flutwelle prallte dagegen, das Haus stürzte sofort in sich zusammen und wurde völlig zerstört.“ (Lukas 6:48,49.)
Jesus Christus ist der Felsen, auf den wir unser Fundament bauen müssen. Der Herr bezeichnet sich selbst als „Stein Israels“ und sagt nachdrücklich: „Wer auf diesem Felsen baut, wird nie fallen.“ (LuB 50:44.)
„Preist die Größe unseres Gottes“, sagte Mose. „Er heißt: der Fels. Vollkommen ist, was er tut.“ (Deuteronomium 32:3,4.) David sagte: „Herr, du mein Fels, meine Burg … mein Schild … meine Feste.“ (2 Samuel 22:2,3.) Der Herr sprach zu Henoch: „Ich bin Messias, der König Zions, der Fels des Himmels.“ (Mose 7:53.) Nephi pries den Herrn mit „Fels meiner Errettung“ und „Fels meiner Rechtschaffenheit“ (2 Nephi 4:30,35). Jesaja nannte den Herrn „einen harten und kostbaren Eckstein, ein Fundament, das sicher und fest ist“ (Jesaja 28:16). Paulus sprach über die Apostel und Propheten als das Fundament der Kirche, und „der Schlussstein ist Christus Jesus selbst“ (Epheser 2:20).2
Das ist keine neue Lehre. In welcher Form uns dies auch begegnet – wir alle verstehen es. Es wurde uns von unseren Eltern beigebracht, in der Primarvereinigung, im Unterricht der Jungen Damen und des Aaronischen Priestertums, im Seminar, im Institut, von den Vollzeitmissionaren, Freunden, den Führern unserer Kirchengemeinde, in den heiligen Schriften und von lebenden Propheten und Aposteln. Warum ist es dann für viele von uns so schwer, danach zu leben?
Nun, um es einfach auszudrücken: Es muss uns vom Verstand ins Herz und in die Seele dringen. Es muss mehr sein als nur ein Gedanke und auch mehr als nur ein Gefühl – es muss ein Teil unserer Selbst werden. Unsere Verbindung mit Gott, unserem Vater, seinem ewigen Plan und Jesus Christus, seinem Sohn und unserem Felsen, muss so fest verankert sein, dass sie wirklich zum Schlussstein unseres Fundaments wird. Was dann als Erstes geschieht, ist, dass wir ein ewiges Wesen werden – ein Sohn oder eine Tochter Gottes. Wir nehmen dankbar die Segnungen des Sühnopfers Jesu Christi in Empfang. Auf diesem Fundament können wir uns anschließend weitere rechtschaffene Züge aneignen, denn dann wissen wir, welche ewig sind und welche vorübergehend und welchen Rang wir ihnen einzuräumen haben. Andere Eigenschaften und die damit einhergehenden Angewohnheiten (von denen manche in der Welt hoch geschätzt sind) werden wir sogar ablegen wollen.
Mir gefällt das bekannte Kirchenlied „O fest wie ein Felsen“. Meine Lieblingsinterpretation ist – wen wundertʼs? – die des Tabernakelchors. Wenn ich während der Generalkonferenz genau vor dem Chor sitze und die Kraft der Orgel, der Stimmen, der Musik und des Textes höre und spüre, möchte ich am liebsten aufstehen und mitmachen. Weil ich weiß, dass man mich aus dem Konferenzzentrum hinausbegleiten würde, lasse ich es bleiben. Hören Sie sich dieses beliebte Kirchenlied an, das vor gerade einmal vier Wochen in der Sonntagvormittagsversammlung der Generalkonferenz gesungen wurde. Genießen Sie den Text und achten Sie besonders auf die letzte Strophe. Im Englischen ist es die siebte, hier aber wurde sie als vierte gesungen.
Vor kurzem war ich im Salt-Lake-Tempel in einer Versammlung mit Mitgliedern der Ersten Präsidentschaft und des Kollegiums der Zwölf Apostel sowie allen anderen Generalautoritäten, die am Hauptsitz der Kirche tätig sind. Wir sangen die ersten drei Strophen dieses schönen Kirchenlieds und hörten nach der dritten auf, wie das auch in der Abendmahlsversammlung und in anderen Versammlungen oft vorkommt. Dieses Mal aber sagte Präsident Monson: „Singen wir doch die siebte Strophe!“ All die großen Generalautoritäten, einschließlich der lebenden Propheten und Apostel, sangen gemeinsam:
Mein Herz, das an Jesus sich lehnt mit Vertraun,
kann sicher auf deine Verheißungen baun;
und mag alle Hölle auch gegen mich sein:
Du lässest mich nimmer, du lässest mich nimmer,
du lässest mich nimmer, o nimmer allein.3
Wird da beschrieben, wer Sie sind? Wird zumindest beschrieben, worauf Sie hinarbeiten? Es ist nicht einfach, ein geistiges Fundament zu errichten und es instand zu halten. Das Errichten selbst ist eine bedeutsame Maßnahme, und mit der Instandhaltung ist man sein Leben lang beschäftigt.
Wir möchten Sie, die Sie sich wirklich bemühen, von Herzen loben und möchten gerne wissen, was Sie dafür tun. Nutzen Sie bitte die sozialen Netzwerke und das Hashtag #cesdevo, um uns zu erzählen, was Sie tun. Vervollständigen Sie den Satz: „Ich errichte mein geistiges Fundament, indem ich …“ Die Antworten werden so unterschiedlich ausfallen wie Ihre Lebensumstände, und das ist gut so. Noch einmal, der Satz lautet: „Ich errichte mein geistiges Fundament, indem ich …“ Wir freuen uns, von Ihnen zu hören und zu erfahren, was in Ihrem Leben vor sich geht.
Sollten Sie dieses Fundament, von dem wir sprechen, noch nie gehabt haben, oder sollte es Risse bekommen haben und verfallen, weil Sie es nicht gepflegt haben, so ist es nicht zu spät, sich einen Schutzhelm aufzusetzen und sich an die Arbeit zu machen. Alle Werkzeuge, die Sie dafür brauchen, stehen Ihnen zur Verfügung. Es sind dieselben Werkzeuge, mit denen man ein bereits errichtetes Fundament instand hält. Sie kennen sie. Zu ihnen gehört, dass wir jederzeit bedeutungsvoll beten, täglich in den heiligen Schriften das Evangelium studieren, aktiv an den Versammlungen der Kirche teilnehmen, dabei insbesondere mit wirklichem Vorsatz vom Abendmahl nehmen, dass wir immerzu selbstlos dienen und dass wir Bündnisse gewissenhaft einhalten.
Ein weiteres wichtiges Werkzeug ist der Rat der lebenden Propheten. Es gibt fünfzehn Männer auf der Welt, die als Propheten, Seher und Offenbarer bestätigt sind. Sie haben die Schlüssel des Priestertums Gottes inne. Wir werden oft von ihnen unterwiesen. Wir erheben mehrmals im Jahr die Hand, um sie zu bestätigen. Wir beten jeden Tag für sie. Doch dieser außerordentliche Segen, so leicht Zugang zu ihren Botschaften zu haben, kann auch dazu führen, dass wir deren Bedeutung geringschätzen.
Präsident Henry B. Eyring warnte: „Im Rat der Propheten nach dem Weg zur Sicherheit zu suchen, erscheint jemandem mit starkem Glauben sinnvoll. Wenn ein Prophet spricht, mag jemand mit wenig Glauben meinen, er höre bloß einen weisen Mann guten Rat erteilen. Wenn sein Rat angenehm und vernünftig erscheint und zu dem passt, was er sowieso tun will, nimmt er ihn an. Ist das nicht so, hält er ihn entweder für einen falschen Rat, oder er betrachtet sich aufgrund seiner Umstände als darin gerechtfertigt, dass er eine Ausnahme zu dem Rat bildet.“
Weiter sagte er: „Ein weiterer Trugschluss besteht darin, zu meinen, die Entscheidung, ob wir den Rat der Propheten annehmen wollen, bedeute nicht mehr, als dass man eben einen guten Rat annimmt und daraus Nutzen zieht, oder aber dort bleibt, wo man ist. Dabei ändert die Entscheidung, den prophetischen Rat nicht anzunehmen, sogar den Boden unter unseren Füßen. Er wird gefährlicher.“4
Denken Sie beim Bau und der Instandhaltung Ihres Fundaments an drei Grundsätze: Vision, Verpflichtung und Selbstdisziplin. Die Vision ist die Fähigkeit, zu sehen. Bezogen auf das Evangelium nennen wir es manchmal die „ewige Sichtweise“. Wie Jakob es beschreibt, sieht man die Dinge, „wie sie wirklich sind, und [Dinge], wie sie wirklich sein werden“ (Jakob 4:13).
Die Verpflichtung ist die Bereitschaft, ein Versprechen einzugehen. Wir nennen das oft „Bündnisse“. Formell schließen wir Bündnisse mit Gott durch die Verordnungen des Priestertums. Denken Sie daran, dass „in seinen Verordnungen die Macht des Göttlichen kundgetan“ wird (LuB 84:20). Außer Gott gegenüber sollten wir auch bereit sein, uns selbst gegenüber Verpflichtungen einzugehen sowie auch gegenüber unserem Ehepartner (oder ein Ehepartner zu werden), Freunden und denjenigen, mit denen wir zusammenarbeiten.
Selbstdisziplin kann als die Fähigkeit aufgefasst werden, mit der Vision, die wir haben, und den Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, in Einklang zu leben. Selbstdisziplin zu entwickeln ist wichtig für den Fortschritt, weil sie Lernen und Handeln nahtlos miteinander verbindet. Letzten Endes zeigt sich die Stärke unseres Fundaments darin, wie wir unser Leben gestalten, besonders in Zeiten, in denen wir enttäuscht und geprüft werden.
Vor vielen Jahren erzählte Präsident Gordon B. Hinckley einmal die Geschichte von Caroline Hemenway, die als zweites von elf Kindern am 2. Januar 1873 in Salt Lake City geboren wurde:
„Mit 22 Jahren heiratete Caroline George Harman. Sie hatte sieben Kinder, von denen eines noch als Kleinkind starb. Mit 39 Jahren starb dann auch ihr Mann und ließ sie als Witwe zurück.
Ihre Schwester Grace hatte den Bruder ihres Mannes geheiratet. Er hieß David. In der schrecklichen Grippeepidemie von 1919 erkrankte David schwer, und dann wurde auch seine Frau Grace krank. [Caroline kümmerte sich um sie und ihre Kinder wie auch um ihre eigenen.] Inmitten dieser Bedrängnis brachte Grace einen Sohn zur Welt – und starb dann innerhalb weniger Stunden. Caroline nahm das kleine Kind zu sich, ernährte es und erhielt es am Leben. Drei Wochen später starb ihre eigene Tochter Annie.
Nun hatte Caroline zwei ihrer Kinder, ihren Mann und ihre Schwester verloren. Die Belastung war zu groß, und sie brach zusammen. Durch diesen Zusammenbruch holte sie sich eine schwere Diabetes. Aber sie ruhte sich nicht aus. Sie sorgte weiterhin für das Baby ihrer Schwester, und ihr Schwager, der Vater des Kindes, kam jeden Tag, um nach dem kleinen Jungen zu sehen. Später heirateten David Harman und Caroline, und nun waren 13 Kinder in ihrem Haus.
Fünf Jahre später erlitt David einen schrecklichen Unfall. Alle, die mit ihm litten, wurden auf das Schwerste geprüft. David hatte bei der Vorbereitung von Saatgut ein starkes Desinfektionsmittel benutzt. Es kam an seinen Körper, und die Folgen waren verheerend. Haut und Fleisch lösten sich von den Knochen; Zunge und Zähne fielen heraus. Die ätzende Lösung zerfraß ihn buchstäblich bei lebendigem Leibe.
Caroline pflegte ihn in diesem schrecklichen Zustand, und als er starb, blieb sie mit fünf eigenen Kindern und mit acht Kindern ihrer Schwester sowie mit der 113 Hektar großen Farm zurück, wo sie und die Kinder pflügten und säten, für die Bewässerung sorgten und die Ernte einbrachten, sodass sie alles hatten, was sie brauchten. Zu dieser Zeit war sie auch FHV-Leiterin, ein Amt, das sie 18 Jahre innehatte.
Obwohl sie für eine so große Familie zu sorgen hatte, half sie voll Nächstenliebe auch noch ihren Mitmenschen. Sie buk acht Brote am Tag und wusch vierzig Fuhren Wäsche in der Woche. Sie machte tonnenweise Obst und Gemüse ein und versorgte tausend Legehennen, um etwas Bargeld hereinzubekommen. Ihr Grundsatz war Unabhängigkeit. Müßiggang betrachtete sie als Sünde. Sie kümmerte sich nicht nur um die eigene Familie, sondern nahm sich wohlwollend auch anderer an. Sie wollte nicht zulassen, dass irgendjemand, den sie kannte, Hunger oder Kälte litt oder nichts zum Anziehen hatte.
Später heiratete sie Eugene Robison, der nicht lange danach einen Schlaganfall erlitt. Sie pflegte ihn fünf Jahre bis zu seinem Tod und sorgte in allem für ihn.
Schließlich war sie erschöpft und durch die Diabetes körperlich am Ende. Sie starb mit 67 Jahren. Sie hatte ihren Kindern angewöhnt, fleißig zu sein und hart zu arbeiten, und dies kam den Kindern bei ihren Bestrebungen im Laufe der Jahre zugute. Ihr Neffe – einst das kleine Baby ihrer Schwester, das sie von der Stunde seiner Geburt an ernährt hatte – und seine Geschwister haben aus Liebe und Dankbarkeit ein beträchtliches Vermächtnis für die [Brigham-Young-]Universität bestimmt, um den Bau des schönen Gebäudes zu ermöglichen, das den Namen dieser Frau [trägt].“5
Ein festes Fundament zu besitzen ist der beste Schutz gegen die Schläge, die einem die Welt zufügt. Wir sollten uns ernsthaft um das bemühen, was die Lamaniten erlangten, als sie von Ammon und seinen Brüdern belehrt wurden. Über sie wurde gesagt, dass sie „sich zum Herrn bekehrten [und] niemals ab[fielen]“ (Alma 23:6).
Mary Ann Pratt heiratete Parley P. Pratt 1837. Als sie zusammen mit den übrigen Heiligen nach Missouri zogen, hatten sie schreckliche Verfolgung zu erdulden. Als Parley zusammen mit dem Propheten Joseph Smith in Far West in Missouri von einer Pöbelhorde ergriffen und ins Gefängnis geworfen wurde, war Mary Ann schwer erkrankt ans Bett gefesselt und hatte zwei kleine Kinder zu versorgen.
Später erst besuchte sie ihren Mann im Gefängnis und blieb eine Weile bei ihm. Sie schrieb: „Ich teilte mir das Verlies mit ihm. Es war ein feuchter, dunkler, schmutziger Ort ohne Lüftung, der lediglich ein kleines Gitter an einer Seite hatte. Dort mussten wir schlafen.“
Nach Parleys Entlassung aus dem Gefängnis erfüllten Mary Ann und ihr Mann eine Mission in New York und eine in England und gehörten zu denen, die „die letzte beschwerliche Sammlung in Utah“ überstanden, wie sie es nannte. Parley erlitt schließlich auf einer weiteren Mission den Märtyrertod.
Trotz eines turbulenten Lebens blieb Mary Ann Pratt dem Glauben treu. Mit Macht erklärte sie: „Ich war durch die Taufe Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage geworden[,] nachdem mich die erste Predigt, die ich gehört hatte, von der Wahrheit ihrer Lehren überzeugt hatte; und ich sagte mir innerlich, falls es nur drei Menschen geben sollte, die am Glauben festhielten, so wollte ich ihnen zugezählt werden; und bei aller Verfolgung, die ich aushalten musste, habe ich niemals etwas anderes empfunden; im Herzen bin ich niemals von diesem Entschluss abgewichen.“6
Wir sprechen heute über ein sehr persönliches Thema. Wir können von anderen belehrt werden. Wir können andere beobachten. Wir können aus den Fehlern und Erfolgen anderer lernen. Aber niemand kann uns das abnehmen. Niemand kann unser geistiges Fundament für uns errichten. Hier sind wir die Baufirma.
Wie sagte Helaman so beeindruckend? „Und nun, meine Söhne, denkt daran, denkt daran, dass es auf dem Fels unseres Erlösers ist, und das ist Christus, der Sohn Gottes, dass ihr eure Grundlage bauen müsst; damit, wenn der Teufel seine mächtigen Winde aussenden wird, ja, seine Pfeile im Wirbelsturm, ja, wenn all sein Hagel und sein mächtiger Sturm an euch rütteln, dies keine Macht über euch haben wird, euch in den Abgrund des Elends und des endlosen Wehs hinabzuziehen, und zwar wegen des Felsens, auf den ihr gebaut seid, der eine sichere Grundlage ist, und wenn die Menschen auf dieser Grundlage bauen, können sie nicht fallen.“ (Helaman 5:12.)
Eines der großartigsten Erlebnisse mit dem Errichten von Fundamenten hatte ich vor 36 Jahren. Nach Abschluss unseres Studiums zogen meine Frau und ich nach Honolulu (wo ich geboren und aufgewachsen bin), um unseren nächsten Lebensabschnitt zu beginnen. Es sollte ein langer Abschnitt werden, nämlich 27 Jahre. Erst der Anruf eines Propheten veranlasste uns, Hawaii zu verlassen.
Der Hawaii-Tempel – er trägt heute den Namen Laie-Hawaii-Tempel, denn es gibt jetzt zwei Tempel in Hawaii – wurde von Präsident Heber J. Grant (passenderweise) an Thanksgiving, dem 27. November 1919, geweiht. Es war der erste Tempel außerhalb von Utah, abgesehen von Kirtland und Nauvoo. Beinahe sechzig Jahre lang stand er den Mitgliedern in Hawaii und die meiste Zeit auch denen im gesamten Pazifikraum und in Asien zur Verfügung. Mitte der 70er Jahre musste der Tempel geschlossen, vergrößert und renoviert werden. Daraufhin musste er erneut geweiht werden, was am 13. Juni 1978 geschah.
Den Vorsitz bei der erneuten Weihung führte der Präsident der Kirche, Spencer W. Kimball. Begleitet wurde er von seinen beiden Ratgebern, N. Eldon Tanner und Marion G. Romney. Auch Ezra Taft Benson, der Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel, und weitere Apostel sowie Siebziger waren zugegen. In der gewachsenen Kirche von heute erlebt man das nicht mehr, dass so viele der führenden Brüder gemeinsam an einer Veranstaltung fernab vom Hauptsitz der Kirche teilnehmen. Doch 1978 durften wir das noch miterleben.
Ich war damals ein junger Priestertumsführer und wurde vom Koordinationskomitee für die erneute Weihung des Tempels gebeten, mich um die Sicherheit vor Ort und die Bereitstellung von Transportmitteln für Präsident Kimball und seine Reisegruppe zu kümmern. Ich möchte meine Aufgaben nicht überbewerten; es war lediglich eine Hilfestellung hinter den Kulissen. Sie gestatteten es mir jedoch, in der Nähe von Präsident Kimball zu sein. In einer Woche, in der unter anderem drei Tage lang Sessionen zur erneuten Weihung des Tempels, eine feierliche Versammlung und eine große Regionskonferenz stattfanden, beobachtete ich den Präsidenten der Kirche aus nächster Nähe. Ich sah zu, wie er lehrte, Zeugnis gab und mit Vollmacht und Macht prophezeite. Ich sah, wie unermüdlich er sich bemühte, Einzelnen geistig zu dienen, indem er um private Treffen bat, wenn ihm jemand in einer Versammlung oder unterwegs aufgefallen war. Ich sah, wie er ständig „ein Werkzeug in den Händen Gottes“ war (Alma 17:9). Ich war zutiefst beeindruckt!
Am Ende der Woche waren wir zur Abreise von Präsident Kimball und seiner Begleiter am Flughafen. Da geschah Folgendes – und ich möchte noch einmal betonen, wie begrenzt meine Aufgabe als Helfer war: Präsident Kimball kam zu mir und bedankte sich für meinen eigentlich doch recht dürftigen Einsatz. Er war ja körperlich nicht sonderlich groß, im Gegensatz zu mir. Er packte mich am Revers und zog mich mit einem Ruck auf seine Höhe hinunter. Dann küsste er mich auf die Wange und dankte mir. Nachdem er ein paar Schritte gegangen war, kam Präsident Kimball zurück. Er packte mich auf dieselbe Weise und zog mich wieder zu sich hinab. Diesmal küsste er mich auf die andere Wange und sagte mir, dass er mich lieb habe. Dann reiste er ab.
Im Jahr davor war eine Biografie von Spencer W. Kimball erschienen, die sein Sohn und sein Enkel verfasst hatten. Ich hatte sie mir gekauft und hatte sie gelesen und interessant gefunden. Doch nach dieser sehr persönlichen Erfahrung mit Spencer Woolley Kimball ging ich vom Flughafen nach Hause und zog den dicken Wälzer aus unserem Bücherregal. Ich hatte den starken Wunsch, ihn noch einmal zu lesen. Immer wenn ich an den nächsten paar Tagen nichts anderes zu tun hatte, las ich und dachte nach. Nun las ich allerdings über jemanden, den ich sehr lieb hatte. Ich las nun über jemanden, von dem ich wusste, dass er mich lieb hatte. Ich las nun über jemanden, für den ich alles tun würde, weil ich wusste, dass er mich um nichts bitten würde, was nicht zu meinem Besten wäre.
Von diesem freudigen Erlebnis beflügelt, hatte ich dann ein weiteres. Es ist zu persönlich, um davon zu erzählen, aber die Folge war, dass ich mich sehr geschämt habe. Mir wurde bewusst, dass ich nicht die gleiche Liebe und den gleichen Respekt für diejenigen empfand, auf die es doch am meisten ankommt – die Mitglieder der Gottheit nämlich und insbesondere Jesus, den Messias, den Erretter und Erlöser. Dies bewog mich dazu, seine „Biografie“ zu studieren und durch Beten, Fasten und Nachsinnen zu erkennen, dass ich nun über jemanden las, den ich sehr lieb hatte. Ich las nun über jemanden, von dem ich wusste, dass er mich lieb hatte. Ich las nun über jemanden, für den ich alles tun würde, weil ich wusste, dass er mich um nichts bitten würde, was nicht zu meinem Besten wäre.
Meine lieben jungen Freunde, ich gebe Zeugnis davon, dass diese Erkenntnis in meinem Leben und in unserer Familie alles verändert hat. Doch ich muss hinzufügen, dass wir nicht wie durch ein Wunder plötzlich makellos wurden. Unser Leben wurde auch nicht unbedingt leichter. Dergleichen liefe dem Plan Gottes zuwider. Aber sie hat zu einer grundsätzlichen Hoffnung geführt, einem „vollkommenen Glanz der Hoffnung“ (2 Nephi 31:20). Ich habe nie daran gedacht, aufzugeben, alles hinzuwerfen oder zurückzuweichen. Dasselbe wünsche ich mir für Sie.
So großartig Sie auch sind, wenn Sie sich in dieser Größenordnung versammeln, so gibt es doch viel Freude und Leid. Der eine oder andere von Ihnen mag sehr wohl die schwere Last des Lebens spüren. Vielleicht ist manches in Ihrer Familie nicht so, wie Sie es gerne hätten. Möglicherweise hadern Sie mit Ihrem Glauben. Es kann sein, dass Ihnen etwas aus Ihrer Vergangenheit zu schaffen macht – vielleicht haben Sie etwas angestellt oder Ihnen wurde Unrecht angetan. Einige von Ihnen mögen körperlich, geistig oder seelisch Herausforderungen haben, die unerträglich scheinen. Doch wie die Umstände auch sein mögen: Ein festes Fundament wird Ihnen die Last leichter machen. Wenn Ihnen die Botschaft des oft gesungenen Liedes „Ich bin ein Kind von Gott“7 in Herz und Seele gedrungen ist – und nicht bloß auf den Lippen liegt – und wenn Sie stets auf das Sühnopfer des Erlösers Jesus Christus bauen, können Sie selbst in schwierigsten Zeiten Frieden und Trost finden.
Der heutige Tag kann für Ihr Leben ausschlaggebend, sogar historisch sein. Es kann der Tag sein, an dem wir die Entscheidung treffen und diszipliniert daran arbeiten, unser Fundament zu errichten oder zu verstärken. Für manche von uns bedeutet das vielleicht, zwanghafte oder abstoßende Angewohnheiten abzulegen, mit denen man Gott beleidigt. Andere müssen möglicherweise ihre Prioritäten neu ordnen und die Liebe zu Gott an die oberste Stelle setzen. Es ist jeden Preis wert. Es ist in der Tat der Kern unseres Lebenswerks.
Insoweit dies bei einer so riesigen Zuhörerschaft möglich ist, möchte ich jedem Einzelnen von Ihnen ganz persönlich mein Zeugnis von Jesus Christus geben, dem Schlussstein der Kirche und dem Fels in unserem Leben. Ich gebe Zeugnis von seinem heiligen Namen. Ich gebe Zeugnis von seiner Vollmacht, seiner Mission und vor allem von seinem Sühnopfer, das es jedermann ermöglicht, zu ihm zu kommen (siehe Moroni 10:32), wie die Umstände auch aussehen oder ausgesehen haben mögen. Im Namen Jesu Christi. Amen.
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