Vom Licht kosten
Ein Abend mit Elder Lynn G. Robbins
Andacht für junge Erwachsene in aller Welt • 3. Mai 2015 • Tabernakel in Salt Lake City
Brüder und Schwestern, herzlich willkommen zu dieser Andacht für Junge Erwachsene in aller Welt. Ich begrüße auch ganz besonders alle, die dieses Jahr das Seminar abschließen – das ist eine lobenswerte Leistung und ein Zeichen Ihres Glaubens und Ihrer Liebe zum Herrn. Ich lade Sie ein, dem Beispiel der vielen anderen zu folgen, die heute Abend hier sind. Setzen Sie Ihr Streben nach geistigem Wissen in Ihrem jeweiligen Religionsinstitut oder an einer Universität der Kirche fort! Ich verheiße Ihnen, dass Sie auch weiterhin bei allen anderen wichtigen Entscheidungen in Ihrem Leben geführt werden und darüber hinaus auf Menschen treffen werden, die großen Einfluss auf Ihr Leben haben.
Heute Abend werden Sie hören, wie ich Zeugnis vom Herrn Jesus Christus und von seinem Evangelium gebe. Sie werden hören, wie ich sage: „Ich weiß.“ Ich möchte Ihnen beschreiben, wie ich die Gewissheit erlangt habe, dass er buchstäblich der Sohn Gottes ist, der Erretter und Erlöser der Welt, und dass das Evangelium wahr ist.
Außerdem möchte ich Ihnen zu der Erkenntnis verhelfen, dass Ihr Zeugnis vom Herrn Jesus Christus und von seinem Evangelium weitaus stärker ist, als Sie vielleicht meinen.
Wo stehen Sie mit Ihrem Zeugnis auf der Glaubensskala?
Zu Beginn möchte ich, dass Sie sich gedanklich einmal selbst einschätzen. Sehen Sie sich die Linie in diesem Schaubild an und bewerten Sie, wo Ihr Zeugnis auf dieser Glaubensskala steht.
Ganz unten haben wir den Atheisten, den bewerten wir mit Null. Die Zehn oben an der Skala bedeutet, dass man ein vollkommenes Wissen von Jesus Christus und von seinem Evangelium erlangt hat. Wo würden Sie sich auf dieser Skala einordnen? Ich habe den Verdacht, dass viele von Ihnen sich weiter unten einordnen würden, als Sie es verdienen.
Merken Sie sich, welche Punktzahl Sie sich selbst gegeben haben, und achten Sie darauf, ob diese nicht im Laufe dieses Abends steigt. Wir wollen verschiedene glaubensstärkende Aspekte eines Zeugnisses besprechen. Wie helfen uns diese, auf der Glaubensskala voranzuschreiten und mehr Frieden und Glück zu erfahren?
Alma fordert jeden Menschen auf, den ersten Schritt auf der Skala vorwärtszugehen und „einen Versuch zu machen, und zu einem kleinen Teil Glauben [auszuüben], ja, selbst wenn ihr nicht mehr könnt, als dass ihr den Wunsch habt zu glauben“ (Alma 32:27; Hervorhebung hinzugefügt).
Der Wunsch
Die folgende Überlegung veranschaulicht, wie klug dieser erste Schritt ist – der Wunsch.
1623 wurde in Frankreich ein Wunderkind geboren: der Mathematiker und Erfinder Blaise Pascal. Zu seinen Entdeckungen zählt die mathematische Wahrscheinlichkeitstheorie, welche die wissenschaftliche Grundlage für die Theorie der rationalen Entscheidung bildet – ein logisches Konzept, wie man optimale Entscheidungen trifft. Anhand der Entscheidungstheorie stellte Pascal scharfsinnig fest, dass sich kein Mensch der größten Frage im Spiel des Lebens entziehen kann: ob Gott existiert oder nicht. Bekannt wurde diese Frage als Pascalsche Wette. Bei dieser steht das Leben eines Menschen – oder genauer: sein ewiges Leben – auf dem Spiel, wie in folgender Abbildung veranschaulicht wird.
Die Spaltenüberschriften stehen für zwei Möglichkeiten: Entweder existiert Gott, oder er existiert nicht. Auch die Zeilen stehen für zwei Möglichkeiten: Ich kann mich dafür entscheiden, zu glauben oder nicht zu glauben.
Folgende Kombinationen sind möglich:
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Wenn Gott existiert und ich glaube und mich entsprechend verhalte, kann ich das ewige Leben ererben.
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Wenn ich glaube und Gott existiert nicht, habe ich nichts verloren.
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Wenn ich nicht glaube und Gott nicht ehre und gehorche, verwirke ich das ewige Leben.
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Wenn ich nicht glaube und Gott existiert nicht, habe ich nichts gewonnen.
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Nach der Pascalschen Wette ist die optimale Entscheidung, an Gottes Existenz zu glauben. Nur ein Narr würde gegen die Existenz Gottes wetten, weil er alles zu verlieren und nichts zu gewinnen hat.
Der verlorene Sohn würde einwenden, dass er die Chance verlieren würde, zu essen, zu trinken und lustig zu sein (siehe 2 Nephi 28:7) – ein schwacher Trostpreis, wenn man sich vor Augen hält, was auf dem Spiel steht. Er hat vielleicht „eine Zeit lang Freude an [seinen] Werken, [aber] bald kommt das Ende“ (3 Nephi 27:11). Seine Träume vom Feiern und Lustigsein werden zum Alptraum, der wahr wird, wenn er zwangsläufig mit dem geistigen Kater seines Lebens aufwacht und ihm klar wird, dass „schlecht zu sein … noch nie glücklich gemacht“ hat (Alma 41:10) und er später, am Tag des Gerichts, „vor Gott bekennen wird, dass seine Richtersprüche gerecht sind“ (Mosia 16:1). Zu gegebener Zeit erfährt er, dass der Meister der Täuschung ihn mit den üblichen Beschönigungen überlistet hat, mit dem Elend, das sich als Vergnügen tarnt. Daher der Satz: „Dein Herz ereifere sich nicht wegen der Sünder.“ (Sprichwörter 23:17.)
Zum Glück hatte der verlorene Sohn eine zweite Chance. Dies ist eine der großen Lehren, die wir nach dem Willen des Erlösers aus diesem Gleichnis lernen sollen (siehe Lukas 15:11–32).
Pflanzt den Samen – trachtet nach Wissen
Alma erklärt, wie jemand, der den Wunsch hat, dann Glauben entwickeln kann:
„Lasst diesen Wunsch in euch wirken, ja, bis ihr auf eine Weise glaubt, sodass ihr einem Teil meiner Worte Raum geben könnt.
Nun wollen wir das Wort mit einem Samenkorn vergleichen. Wenn ihr nun Raum gebt, [lasst] ein Samenkorn in euer Herz gepflanzt werden.“ (Alma 32:27,28; Hervorhebung hinzugefügt.)
Wenn Sie den Samen gepflanzt haben, bedeutet das, dass Sie dem Wunsch mit einer inspirierten Neugier an dem Versuch gefolgt sind. Damit haben Sie den Lernprozess eingeleitet.
Den heiligen Schriften zufolge soll man nun in zweierlei Hinsicht fortfahren: „Und da nicht alle Glauben haben, so sucht eifrig und lehrt einander Worte der Weisheit; ja, sucht Worte der Weisheit aus den besten Büchern; trachtet nach Wissen, ja, durch Studium und auch durch Glauben.“ (LuB 88:118; Hervorhebung hinzugefügt.)
Aus den heiligen Schriften erfahren wir auch von zwei Kanälen, über die uns der Geist lehrt:
„Ja, siehe, ich werde es dir in deinem Verstand und in deinem Herzen durch den Heiligen Geist sagen, der über dich kommen wird und der in deinem Herzen wohnen wird.
Nun siehe, dies ist der Geist der Offenbarung.“ (LuB 8:2,3; Hervorhebung hinzugefügt.)
Die Angleichung der Lernmethoden und Lernkanäle
Bevor ich zur Glaubensskala zurückkehre, möchte ich den Zusammenhang zwischen den beiden Lernmethoden und den beiden Lernkanälen erläutern. Wenn wir sie miteinander verbinden, dürften Sie einige nützliche Einsichten darüber erlangen, wie wir auf der Glaubensskala vorankommen können.
Durch Studium erfuhr Joseph Smith etwas über das Beten, denn er las in der Bibel: „Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf.“ (Jakobus 1:5.)
Durch Glauben erfuhr Joseph etwas über das Beten, als er gemäß seinem Glauben handelte und in den heiligen Hain ging, um zu beten.
Oben im Schaubild sind die zwei Lernkanäle zu sehen – der Verstand und das Herz.
Mit dem Verstand durch Studium lernen
Wenn wir durch Studium nach Wissen trachten, tut sich der Herr uns im Verstand in Form inspirierter Gedanken kund. Zu den weiteren Begriffen, bei denen sich „Studium“ und „Verstand“ überschneiden, können wir die nachstehenden rechnen, aus denen hervorgeht, wie man den Samen pflegt:
Pflanzen
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Gedanken
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Interessen
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Neugier
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untersuchen
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studieren
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erforschen
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überlegen
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Fragen stellen
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nachsinnen
Inspirierte Fragen führen dazu, nachzusinnen, und wenn wir unter dem Einfluss des Geistes nachsinnen, kommen wir auf das nächste Lernniveau, wo sich „Studium“ und „Herz“ überschneiden.
Mit dem Herzen durch Studium lernen
Der Same beginnt bald zu sprießen. Sie spüren allmählich, wie der Geist Ihre Gefühle beeinflusst. Es ist das Herz, es sind die inspirierten Gefühle, wodurch ein Gedanke sich in Glauben verwandelt.
Der Same sprießt
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Gefühle
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Glaube
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Verständnis
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köstlich
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innerlich tief bewegt
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stärkerer Glaube, größere Hoffnung
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zum Handeln bewegt
Alma drückt es wie folgt aus: „Wenn es ein wahres Samenkorn oder ein gutes Samenkorn ist, wenn ihr es nicht durch euren Unglauben ausstoßt, sodass ihr dem Geist des Herrn Widerstand leistet, siehe, so wird es anfangen, in eurer Brust zu schwellen; und wenn ihr dieses Schwellen spürt, so werdet ihr anfangen, in euch zu sagen: Es muss notwendigerweise so sein, dass dies ein gutes Samenkorn ist oder dass das Wort gut ist, denn es fängt an, meine Seele zu erweitern; ja, es fängt an, mein Verständnis zu erleuchten; ja, es fängt an, mir köstlich zu sein.“ (Alma 32:28; Hervorhebung hinzugefügt.)
Normalerweise verbinden wir den Begriff Verständnis mit dem Verstand, doch in mehreren Schriftstellen wird das Verständnis auch mit dem Herzen in Verbindung gebracht, wie etwa in folgenden: „Und ihr Herz war offen, und sie verstanden in ihrem Herzen die Worte, die er betete.“ (3 Nephi 19:33.) In Bezug auf Jakobus 1:5 sagt der junge Joseph Smith: „Nie ist einem Menschen eine Schriftstelle mit mehr Macht ins Herz gedrungen als diese damals mir.“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:12.)
Wenn wir solche Gefühle haben, spricht Alma: „Nun siehe, würde dies nicht euren Glauben vermehren? Ich sage euch: Ja; und doch ist er noch nicht zu einem vollkommenen Wissen herangewachsen.“ (Alma 32:29; Hervorhebung hinzugefügt.)
Es ist noch kein vollkommenes Wissen. Doch nun, da unser Herz berührt wurde, sind wir motiviert, einen weiteren Schritt auf der Glaubensskala zu machen. Joseph wurde dazu inspiriert, zu handeln: Er folgte der Aufforderung in den heiligen Schriften und betete. Ein Zeugnis erhielt er jedoch erst, nachdem sein Glaube geprüft wurde (siehe Ether 12:6).
Mit dem Verstand durch Glauben lernen
Durch Glauben lernen wir, wenn wir den Gefühlen und dem Glauben folgen und handeln.1 Der Erlöser forderte uns genau dazu auf – durch Glauben zu lernen –, als er sagte: „Wer bereit ist, den Willen Gottes zu tun, wird erkennen, ob diese Lehre von Gott stammt oder ob ich in meinem eigenen Namen spreche.“ (Johannes 7:17; Hervorhebung hinzugefügt.) In diesem Vers erklärt uns der Erretter, dass das Handeln ein Akt des Glaubens ist, wodurch der Glaube zu Wissen wird. Die Neinsager ermahnt er: „Glaubt wenigstens den Werken, wenn ihr mir nicht glaubt. Dann werdet ihr erkennen und einsehen, dass in mir der Vater ist und ich im Vater bin.“ (Johannes 10:38; Hervorhebung hinzugefügt.)
Was das Erkennen und Wissen betrifft, sagt Alma:
„Und nun siehe, weil ihr den Versuch angestellt und das Samenkorn gepflanzt habt und es schwillt und sprosst und zu wachsen anfängt, müsst ihr notwendigerweise wissen, dass das Samenkorn gut ist.
Und nun siehe, ist euer Wissen vollkommen? Ja, darin ist euer Wissen vollkommen, und euer Glaube ruht, und zwar, weil ihr Wissen habt [und] euer Verständnis anfängt, erleuchtet zu werden, und euer Sinn anfängt, sich zu erweitern.“ (Alma 32:33,34; Hervorhebung hinzugefügt.)
Dadurch, dass Sie Ihrem Glauben gefolgt sind, haben Sie Wissen erlangt.
Zu den Begriffen, die man mit dem Lernen durch Glauben und den Verstand in Zusammenhang bringen kann, gehören auch:
Wachstum
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handeln
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vollkommenes Wissen (in einer bestimmten Sache)
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beten
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umkehren
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das Verhalten ändern
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gehorchen
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Erfahrungen
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kosten
Alma benutzt den Begriff kosten in einer eigentümlichen Weise, als er davon spricht, vom Licht zu kosten. Hören Sie zu:
„O ist dies dann nicht etwas Wirkliches? Ich sage euch: Ja, denn es ist Licht, und alles, was Licht ist, das ist gut, denn man kann es erkennen; darum müsst ihr wissen, dass es gut ist; und nun, siehe, nachdem ihr von diesem Licht gekostet habt, ist euer Wissen vollkommen?
Siehe, ich sage euch: Nein; auch dürft ihr euren Glauben nicht beiseitelegen, denn ihr habt euren Glauben nur ausgeübt, um das Samenkorn zu pflanzen, damit ihr den Versuch anstellen könnt, um zu wissen, ob das Samenkorn gut sei.“ (Alma 32:35,36; Hervorhebung hinzugefügt.)
Dadurch, dass Sie vom Licht gekostet und es genossen haben, haben Sie darin, nämlich, dass der Same gut ist, ein vollkommenes Wissen erlangt. Das Licht lädt Sie ein, zu Jesus Christus zu kommen, und die Macht Gottes wirkt in Ihnen Wundertaten, damit Sie sich zum Herrn bekehren (siehe Alma 23:6).
Mit dem Herzen durch Glauben lernen
Alma fährt fort: „Und siehe, wenn der Baum zu wachsen anfängt, werdet ihr sagen: Lasst uns ihn mit großer Sorgfalt nähren, … mit großem Eifer und mit Geduld, und nach seiner Frucht [ausschauen.]
Siehe, da werdet ihr bald die Frucht davon pflücken [oder kosten], die höchst kostbar ist.“ (Alma 32:37,41,42; Hervorhebung hinzugefügt.)
Pflegen und kosten
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Bekehrung
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Werden
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Eine mächtige Wandlung im Herzen
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Taufe
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Heiliger Geist
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Segnungen
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Freude und Glück
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Der Wunsch, andere teilhaben zu lassen
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Jesus Christus ähnlicher werden
Wenn wir von der Frucht gekostet haben, kommen wir an die Stelle, wo sich „Glaube“ und „Herz“ überschneiden. Dort stellen wir fest, dass die Frucht wahrhaftig süß und kostbar ist. Indem wir Jesus Christus nachfolgen und seinen Willen tun, kosten wir auf verschiedene Art und Weise von seinem Sühnopfer und dem Evangelium. Zuvor waren wir innerlich tief bewegt. Nun setzt die von Alma beschriebene „mächtige Wandlung [im] Herzen“ ein (Alma 5:12), und durch den Geist wird aus unserer Erfahrung und unserem Wissen schließlich Bekehrung.
Wenn wir zum Herrn bekehrt sind (siehe Alma 23:8), folgen wir dem Erretter, indem wir uns taufen lassen und die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Wenn wir von den Früchten des Evangeliums kosten, empfangen wir Segnungen und so viel Freude und Glück, dass wir auch andere daran teilhaben lassen möchten. Auch Lehi erging es so: „Und als ich von seiner Frucht aß, erfüllte sie meine Seele mit überaus großer Freude; darum regte sich in mir der Wunsch, auch meine Familie möge davon essen; denn ich wusste, dass diese Frucht begehrenswerter war als jede andere.“ (1 Nephi 8:12.)
Buchstäblich zum Herrn bekehrt zu sein bedeutet, dass man eine mächtige Wandlung erlebt und Jesus Christus ähnlicher wird, indem man „den Einflüsterungen des Heiligen Geistes nachgibt und den natürlichen Menschen ablegt und durch das Sühnopfer Christi, des Herrn, ein Heiliger wird“ (Mosia 3:19). Im umfassenderen Sinne ist unsere Bekehrung erst dann vollständig, wenn wir geistig gewachsen sind „und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Epheser 4:13). Dies geschieht, wenn wir ein Leben lang bestrebt sind, in ihm und mit seiner Gnade oder göttlichen Kraft auf dem Glaubensweg zu wandeln (siehe 2 Nephi 25:23).
Dieser lebenslangen Bekehrung müssen wir zweifellos fortdauernd Nahrung geben, um das Verdorren zu verhindern, von dem Alma spricht: „Aber wenn ihr den Baum vernachlässigt und euch keine Gedanken macht, wie er zu nähren sei, siehe, dann wird er keine Wurzeln bekommen; und wenn die Sonnenhitze kommt und ihn versengt, wird er verdorren.“ (Alma 32:38.)
„Darum müsst ihr mit Beständigkeit in Christus vorwärtsstreben, erfüllt vom vollkommenen Glanz der Hoffnung und von Liebe zu Gott und zu allen Menschen. Wenn ihr darum vorwärtsstrebt und euch am Wort von Christus weidet und bis ans Ende ausharrt, siehe, so spricht der Vater: Ihr werdet ewiges Leben haben.“ (2 Nephi 31:20; Hervorhebung hinzugefügt.)
Diese mächtige Wandlung und Bekehrung bedeutet nicht, dass wir nicht immer noch Fragen haben werden. Doch wenn wir vom Licht gekostet haben, sollten Fragen in uns den Wunsch wecken, weiter zu lernen, und nicht Zweifel auslösen, die unseren wachsenden Glauben verdorren lassen. „Und wer auch immer an meinen Namen glaubt und in nichts zweifelt, dem werde ich alle meine Worte bestätigen, ja, bis an die Enden der Erde.“ (Mormon 9:25.)
Fragen sind etwas Gutes. Sie führen uns dazu, nachzusinnen, nachzuforschen und zu beten. Joseph Smith hatte sein Leben lang Fragen. Nahezu jeder Abschnitt im Buch Lehre und Bündnisse wurde ihm als Antwort auf eine Frage offenbart, die er dem Herrn im Gebet vorgetragen hatte – Zeile um Zeile, Weisung um Weisung. Auf die gleiche Weise hat auch der Erretter gelernt: „Und er empfing zuerst nicht von der Fülle, sondern ging von Gnade zu Gnade, bis er eine Fülle empfing.“ (LuB 93:13.)
Ein vollkommenes Wissen
Um auf unsere Glaubensskala zurückzukommen: Dort stand das obere Ende dafür, „ein vollkommenes Wissen von Jesus Christus und von seinem Evangelium“ zu haben.
Lassen Sie uns dieses „vollkommene Wissen“ näher betrachten. In Bezug auf das Licht, das zu kosten ist, erklärte Alma: „Darin ist euer Wissen vollkommen.“ (Alma 32:34.) Achten Sie im folgenden Vers darauf, wie der Prophet Mormon dieselben Worte verwendet – „vollkommenes Wissen“ –, als er von ebendiesem Licht Zeugnis gibt:
„Denn siehe, meine Brüder, es ist euch gegeben zu urteilen, damit ihr Gut von Böse unterscheiden könnt; und der Weg zu urteilen, ist so klar, damit ihr mit vollkommenem Wissen wissen könnt, wie das Tageslicht gegenüber der finsteren Nacht.
Denn siehe, jedem Menschen ist der Geist Christi gegeben, damit er Gut von Böse unterscheiden könne; darum zeige ich euch den Weg zu urteilen; denn alles, was einlädt, Gutes zu tun, und dazu bewegt, dass man an Christus glaubt, geht von der Macht und Gabe Christi aus; darum könnt ihr mit vollkommenem Wissen wissen, dass es von Gott ist. …
Und nun, meine Brüder, in Anbetracht dessen, dass ihr das Licht kennt, mit dem ihr urteilen könnt, und dieses Licht ist das Licht Christi, seht zu, dass ihr nicht unrecht urteilt.“ (Moroni 7:15,16,18; Hervorhebung hinzugefügt.)
Beide Propheten bezeugen, dass uns durch das Licht Christi ein vollkommenes Wissen zuteilwird, was die Wahrheit betrifft. Selbst die Menschen in dieser Welt erkennen, dass sie einen inneren Sinn dafür haben, was richtig und was falsch ist. Sie bekennen sich zum Licht Christi, wenn sie vom Gewissen sprechen, was in seiner heutigen Bedeutung auf das lateinische conscientia zurückgeht und auch für „inneres Wissen“ steht.2
Mit diesem Licht als unserem Siegel der Wahrheit schreiten wir auf der Glaubensskala Zeile um Zeile und Weisung um Weisung voran (siehe 2 Nephi 28:30; LuB 98:12; 128:21), „und durch die Macht des Heiligen Geistes könnt ihr von allem wissen, ob es wahr ist“ (Moroni 10:5; Hervorhebung hinzugefügt).
Gleich werden wir Almas Versuch einmal durchführen, damit Sie vom Licht kosten und sich merken können, wie Sie dadurch vollkommenes Wissen erhalten.
Gegensätze offenbaren Wahrheit
Bevor wir uns diesem Versuch zuwenden, müssen wir noch einen weiteren entscheidenden Bestandteil im Lernprozess erkennen. In 2 Nephi 2 wird uns gesagt: „Es muss notwendigerweise so sein, dass es in allen Dingen einen Gegensatz gibt.“ (2 Nephi 2:11.) Die Menschen „schmecken das Bittere, damit sie das Gute zu würdigen wissen“ (Mose 6:55). Um beispielsweise zu erkennen, was gesund ist, befasst man sich in erster Linie mit Krankheit – ihrem Gegenteil, um Freiheit zu erkennen, mit Unterdrückung und Sklaverei, um Glück zu erkennen, mit Kummer und so weiter. Und wie bei den wunderbaren, winzig kleinen Glühwürmchen fällt das Licht auch erst vor einem dunklen Hintergrund wirklich auf.
Gegensätze sind für unsere Bildung und unser Glück unverzichtbar. Ohne sie bleibt Wahrheit vor aller Augen verborgen, so wie man Luft für selbstverständlich hält, solange man nicht darum ringen muss. Da das Licht Christi allgegenwärtig ist, erkennen viele Menschen in ihrem Leben den Geist nicht. Sie gleichen den Lamaniten in 3 Nephi 9:20, die „mit Feuer und mit dem Heiligen Geist getauft wurden, und sie wussten es nicht“.
Gegensätze offenbaren und enthüllen nicht nur die Wahrheit, sondern auch die Macht, die Freude und die Süße, die ihr innewohnen. Zum Beispiel erkannte der verlorene Sohn erst, als er das Bittere schmeckte, wie süß das Leben war, das er zu Hause verlassen und in seiner Jugend für selbstverständlich gehalten hatte.
Erst durch Schmerzen und Krankheit wissen wir unsere Gesundheit zu schätzen. Sind wir Opfer von Unehrlichkeit, schätzen wir Ehrlichkeit. Sind wir Zeugen von Unrecht oder Grausamkeit, halten wir an Liebe und Freundlichkeit fest – jeweils mit „vollkommenem Wissen“, da wir von all diesen Früchten durch das Licht gekostet haben, das in uns ist. Dieses vollkommene Wissen erlangen wir Frucht für Frucht durch die Gegensätze, die in allem herrschen. Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes verheißt uns in größtem Maße Glück, Wachstum und Fortschritt, und zwar durch Gegensätze und nicht, indem wir sie umgehen. „Eine ruhige See hat noch nie einen guten Seemann hervorgebracht.“3
Beachten Sie diese aufschlussreiche Aussage des Propheten Joseph Smith: „Wo Gegensätze sie beweisen, tritt die Wahrheit hervor.“4
Und Brigham Young hat gesagt: „Jede Tatsache wird durch ihren Gegensatz bewiesen und offengelegt.“5
Der Versuch mit dem Glauben
Ich möchte nun, dass Sie an einem Versuch teilnehmen. Sie werden eine Reihe von Geboten oder christlichen Tugenden untersuchen, indem Sie sie ihrem Gegensatz gegenüberstellen. Bei jedem einzelnen Punkt wird das Licht Christi, das Sie in sich tragen, Ihnen im Verstand und im Herzen bestätigen, wie süß eine jede dieser christlichen Tugenden ist und wie bitter der jeweilige Gegensatz.
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Liebe gegenüber Hass, Feindseligkeit, Widerstand
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Ehrlichkeit gegenüber Verlogenheit, Betrug, Diebstahl
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Vergebung gegenüber Rache, Missgunst, Verbitterung
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Freundlichkeit gegenüber Gemeinheit, Zorn, Lieblosigkeit
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Geduld gegenüber Unbeherrschtheit, Hitzköpfigkeit, Intoleranz
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Demut gegenüber Stolz, Unbelehrbarkeit, Arroganz
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Friedfertigkeit gegenüber Streitlust, Uneinigkeit, Provokation
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Fleiß gegenüber Unlust, Kleinmütigkeit, Sturheit
Zu den christlichen Tugenden gehören noch weitaus mehr, doch diese genügen, um den Erfolg des Versuchs mit dem Samenkorn deutlich zu machen.
Als Sie über diese Punkte nachgedacht haben, haben Sie festgestellt, dass Sie durch tausende bestätigende Erfahrungen bereits erkannt haben, wie viel Macht, Wahrheit und Süße jeder einzelnen Tugend innewohnen. Eine gute Frucht beweist und bestätigt sich selbst – durch ihren Geschmack. Der Beweis wird erbracht, wenn man sie isst, Frucht für Frucht und Zeile um Zeile, jeweils mit „vollkommenem Wissen“. Möglicherweise hat der Apostel Paulus genau das gemeint, als er sagte: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1 Thessalonicher 5:21; Hervorhebung hinzugefügt.) Wenn Sie diese und andere Tugenden in Ihr Leben aufgenommen haben, sind Sie auf der Glaubensskala wesentlich weiter oben, als Sie vielleicht meinen.
Doch das allein führt nur zu einem, wie ich es nenne, terrestrialen Zeugnis, ähnlich der Herrlichkeit des Mondes. Alle guten und gottesfürchtigen Menschen in jeder Religion haben dieses Zeugnis, weil auch sie das Licht Christi haben, von dem Mormon sprach, und einen Teil des Evangeliums Christi angenommen haben.
Der Versuch mit dem Glauben – die nächste Stufe
Ein celestiales Zeugnis, ähnlich der Herrlichkeit der Sonne, erlangt man, wenn man nach „der Fülle des Vaters“ trachtet (siehe LuB 76:75–78; 93:19). Wenn sich jemand taufen lässt und der Gabe des Heiligen Geistes würdig ist, empfängt er mehr vom Licht Christi, wie es in dieser Schriftstelle im Buch Mormon steht: „Wenn das euer Herzenswunsch ist, was habt ihr dann dagegen, euch im Namen des Herrn taufen zu lassen, … damit er seinen Geist reichlicher über euch ausgieße?“ (Mosia 18:10; Hervorhebung hinzugefügt.)
Präsident Dieter F. Uchtdorf hat gesagt: „Je mehr wir uns mit Herz und Sinn Gott zuwenden, desto mehr himmlisches Licht fällt auf unsere Seele.“6
„Und wer Licht empfängt und in Gott verbleibt, empfängt mehr Licht; und jenes Licht wird heller und heller bis zum vollkommenen Tag.“ (LuB 50:24.)
Ich muss Ihnen nicht sagen, dass eine größere Lichtfülle für eine bessere Sicht sorgt; das wissen Sie. Der Prophet Joseph Smith hat gesagt: „Je näher der Mensch der Vollkommenheit kommt, desto klarer wird sein Blick und desto größer seine Freude.“7
Lassen Sie uns nun, mit größerer Lichtfülle, den Versuch auf der celestialen Stufe durchführen und einige Lehren, die es nur in der Kirche Jesu Christi der Heiligen Tage gibt, mit dem vergleichen, was man anderswo unter schwächerer Beleuchtung, jedoch mit reinen Absichten findet:
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Gott ist unser Vater und wir sind in seinem Abbild erschaffen gegenüber er ist nicht buchstäblich unser Vater, unbegreiflich oder nicht zu erkennen
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die göttliche Organisation mit Aposteln und Propheten gegenüber dem Verzicht auf das von ihm festgelegte Muster
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der Herr ist ein Gott der Ordnung und regiert durch diejenigen, die Priestertumsschlüssel besitzen, gegenüber Verwirrung, Meinungsverschiedenheiten, „falschen Geistern“ (siehe LuB 50:2)
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Priestertumsvollmacht und eine Berufung von Gott gegenüber einem abgeschlossenen Theologiestudium; gewählt, angestellt oder selbsternannt
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heilige Handlungen und Bündnisse gegenüber einfach ein gutes Leben führen
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Kinder sind unschuldig gegenüber Kleinkindtaufe
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das Buch Mormon, ein zweiter Zeuge, gegenüber der Bibel, einem einzigen Zeugen
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Tempelarbeit für Verstorbene gegenüber für die Verstorbenen eine Kerze anzünden und für sie beten
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ewige Ehen und Familien gegenüber bis dass der Tod uns scheidet
Es ist aufschlussreich, Wahrheit ihrem Gegensatz gegenüberzustellen. Dadurch wird das Offensichtliche offenbar, das, was vor aller Augen verborgen ist. Wir erkennen, dass wir weitaus mehr wissen, als wir angenommen haben. Das sollte uns ermutigen, weiterhin „im Licht Christi eifrig zu forschen [und] alles Gute“ zu ergreifen (Moroni 7:19).
„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Johannes 20:29)
Betrachten wir nun einen weiteren interessanten Gesichtspunkt im Zusammenhang mit Glaube und Zeugnis.
Uns ist bewusst: „Damit [wahrer] Glaube einen Menschen zur Errettung führt, muss er Jesus Christus als Mittelpunkt haben. …
[Er] schließt eine Hoffnung ein auf das, was man nicht sieht, was aber wahr ist [siehe Hebräer 11:1].“8
Ist es nicht interessant, dass wahrer Glaube an Jesus Christus bedeutet, zu glauben ohne zu sehen? Die Welt hingegen hält am Gegenteil fest – dass man sehen muss, um glauben zu können.
Der natürliche Mensch erfasst die Welt mithilfe seiner fünf Sinne und verlangt Zeichen als Beweis. Und doch gibt es in den heiligen Schriften eine Fülle an Beispielen, wie jemand mit seinen fünf Sinnen Kundgebungen der Gegenwart und Macht Gottes erhalten und sich doch nicht dauerhaft bekehrt hat:
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Laman und Lemuel sahen einen Engel (siehe 1 Nephi 3:29). Sie hörten die Stimme des Herrn und sie „züchtigte sie heftig“ (1 Nephi 16:39). Sie spürten die Macht Gottes, als Nephi seine Hand gegen seine Brüder ausstreckte und der Herr „sie erbeben“ ließ (1 Nephi 17:54). Sie schmeckten und rochen: „Ich will eure Speise süß machen, dass ihr sie nicht kocht.“ (1 Nephi 17:12.) Trotz mehrerer Kundgebungen über alle fünf Sinne lehnten Laman und Lemuel sich auf. Glaubten sie, weil sie sahen?
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Als Mose die Kinder Israel aus Ägypten führte, waren sie Zeugen von Plagen, Feuersäulen, der Teilung des Roten Meeres und aßen Manna – Erfahrungen mit allen fünf Sinnen. „Und obwohl sie geführt wurden, denn der Herr, ihr Gott, ihr Erlöser, ging vor ihnen her und führte sie des Tags und gab ihnen Licht des Nachts und tat für sie alles, was ratsam ist, dass der Mensch es empfange, verhärteten sie ihr Herz und verblendeten ihren Sinn und schmähten Mose und den wahren und lebendigen Gott.“ (1 Nephi 17:30.) Zweifellos glaubten sie nicht, obwohl sie sahen!
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In den heiligen Schriften finden wir viele weitere Beispiele, doch am verblüffendsten ist das der geistig Unfähigen, die den Erlöser sogar in seiner Gegenwart verwarfen. „Obwohl Jesus so viele Zeichen vor ihren Augen getan hatte, glaubten sie nicht an ihn.“ (Johannes 12:37; siehe auch LuB 138:26.)
Es gibt nur allzu viele Bestätigungen dafür, dass man nicht notwendigerweise glaubt, wenn man sieht. Wer auf ein spektakuläres Erlebnis hofft, um sein Zeugnis näher zu bestimmen, ist sich nicht bewusst, dass wir das größere Zeugnis vom Geist Tag für Tag durch etliche Kleinigkeiten erhalten – zum Beispiel, als Sie das letzte Mal Ihre heiligen Schriften markiert haben. Denken Sie einmal darüber nach. Sie haben eine bestimmte Schriftstelle markiert, weil Sie eine Eingebung, eine Erkenntnis, ein Aha-Erlebnis hatten. Eine inspirierte Eingebung ist eine Offenbarung.
Ein weiteres Beispiel von Offenbarung ist, wenn Ihnen eingegeben wird, nett zu sein oder ein gutes Werk zu verrichten, „denn alles, was einlädt, Gutes zu tun, … geht von der Macht und Gabe Christi aus“ (Moroni 7:16). Das Licht Christi ist allgegenwärtig! Sie kosten es jeden Tag. Und aus diesen Einflüsterungen, aus „Kleinem[,] geht das Große hervor“ (LuB 64:33).
„Durch die Macht des Heiligen Geistes könnt ihr von allem wissen, ob es wahr ist“ (Moroni 10:5)
Fällt Ihnen jemand aus dem Buch Mormon ein, der einen Engel gesehen und deshalb geglaubt hat? Bestimmt denken Sie an Alma den Jüngeren. Ihm und den Söhnen Mosias erschien ein Engel, „und er kam wie in einer Wolke herab; und er sprach wie mit einer Donnerstimme“ (Mosia 27:11). Sie wissen, wie die Geschichte ausgeht – Alma kehrte um und diente geistlich.
Glaubte Alma, weil er sah? Natürlich nicht. Warum nicht? Weil Alma sich noch nicht dafür entschieden hatte, durch Studium und Glauben nach Wissen zu trachten, und noch nicht darum gebetet hatte, die Wahrheit zu erkennen. Das Sehen ist keine Abkürzung auf dem Weg zum Glauben oder zum Zeugnis, wie all die Beispiele beweisen, die ich gerade angeführt habe. Alma beschreibt selbst, wie er sein Zeugnis erlangt hat, und er schreibt es nicht dem Erscheinen eines Engels zu. In seinem Zeugnis wird der Engel nirgends erwähnt:
„Und dies ist nicht alles. Meint ihr denn nicht, ich wisse dies alles selbst? Siehe, ich bezeuge euch, ich weiß, dass das, wovon ich gesprochen habe, wahr ist. Und wie, meint ihr, weiß ich denn, dass es gewiss und wahr ist?
Siehe, ich sage euch: Es wird mir durch den Heiligen Geist Gottes [das Licht] zu wissen gegeben. Siehe, ich habe viele Tage gefastet und gebetet, um dies für mich selbst wissen zu können. Und nun weiß ich für mich selbst, dass es wahr ist; denn der Herr, Gott, hat es mir durch seinen Heiligen Geist kundgetan; und dies ist der Geist der Offenbarung, der in mir ist.“ (Alma 5:45,46; Hervorhebung hinzugefügt.)
Ein Weckruf mag uns wachrütteln und kurzfristige Verhaltensänderungen mögen durch äußere Einflüsse, über die fünf Sinne, eintreten, doch das ist nur von kurzer Dauer, wie im Falle von Laman und Lemuel. Ein dauerhaftes Zeugnis kann nur von innen nach außen wirken. Wir lernen durch Studium und Glauben, wobei der Heilige Geist das Evangelium in uns legt und es auf unser Herz schreibt (siehe Jeremia 31:33). Deshalb beteten die Nephiten – obwohl sie den Erretter sahen, hörten und fühlten, als er sie besuchte, und das Brot schmeckten und rochen, womit er sie auf wundersame Weise versorgt hatte (siehe 3 Nephi 20:3–9) – „um das, was sie am meisten wünschten; und sie wünschten, es möge ihnen der Heilige Geist gegeben werden“ (3 Nephi 19:9).
Vor einigen Jahren erzählte mir ein älterer Missionar die folgende Geschichte. Sie trug sich in den 60er Jahren zu, als er ein junger Mann war, und veranschaulicht recht gut, dass Studium und Gebet die Voraussetzung dafür sind, dass der Heilige Geist uns die Wahrheit bezeugt. Er berichtete:
„Ich wohnte in Provo in einer kleinen Wohnung nahe der Stadtmitte. Ich war Verkäufer in einem kleinen Möbelladen in Provo. Am langen Wochenende um Neujahr trug sich die folgende Begebenheit zu.
Wir hatten ein verlängertes Wochenende. Es war Donnerstag, der 31. Dezember, Silvester. Wir mussten von Donnerstag bis Sonntag nicht arbeiten, und ich saß in meiner Wohnung und hatte noch keine Pläne für die Feiertage gemacht. Ich wartete auf mein Abendessen, das noch im Backofen schmorte, und wollte solange etwas lesen. Da ich nichts zu lesen in der Wohnung hatte, ging ich nach nebenan und fragte die jungen Männer dort – Studenten an der BYU –, ob sie vielleicht ein Freizeitmagazin oder etwas in der Art für mich hätten. Sie meinten, sie hätten zwar keine Zeitschriften da, aber ein Buch, das mir gefallen könnte. Daraufhin überreichten sie mir ein Buch Mormon.
Ich hatte schon von der Kirche der Mormonen gehört – wer nicht in Utah? –, doch dieses Buch kannte ich noch nicht. Ich dankte ihnen und nahm es mit in meine Wohnung. Beim Abendessen blätterte ich es durch und begann zu lesen. Ich gebe zu, dass ich viele Stellen nur überflog, weil ich wissen wollte, worum es ging. Da kamen Namen und Orte vor, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte, und so tat ich mich etwas schwer. Also gab ich das Buch nach dem Abendessen wieder zurück und sagte: ‚Nein, danke.‘
‚Haben Sie darüber gebetet?‘, fragte einer der Männer. ‚Darüber gebetet?‘, erwiderte ich. ‚Ich wollte doch nur etwas zum Lesen haben, nicht zum Beten.‘ Damit begann dann ein sehr interessantes Gespräch über den Inhalt des Buches Mormon. Sie erklärten mir, dass es sich um eine heilige Schrift handele. Wenn ich zuerst über das Buch beten und es dann mit dem aufrichtigen Wunsch lesen würde, zu erfahren, ob es wahr ist oder nicht, würde Gott mir durch die Macht des Heiligen Geistes offenbaren, dass es wahr ist.
Ich bin katholisch erzogen worden. Auch wenn ich damals nicht sehr aktiv war, hing ich doch sehr an meiner Mitgliedschaft in der katholischen Kirche. Ich kannte einfach nichts anderes. Gebetet hatte ich bisher nur das Vaterunser und das Ave-Maria, und gelesen hatte ich im Messbuch – und selbst das schon sehr, sehr lange nicht mehr. Und nun baten mich diese jungen Männer, zu einem Gott zu beten, den ich gar nicht so recht kannte, und ihn um eine Antwort zu bitten, ob das Buch wahr ist oder nicht. Aber was soll’s? Ich hatte nichts zu verlieren, und außerdem stand mir ein sehr langes Wochenende bevor. Ich nahm das Buch mit heim, machte ein Flasche Bier auf, zündete mir eine Zigarette an und ging auf die Knie, um Gott zu fragen, ob das Buch wahr ist. Dann begann ich zu lesen: ‚Ich, Nephi, stamme von guten Eltern.‘
Die Namen und Orte waren immer noch die gleichen wie die, von denen ich nur wenige Stunden zuvor gelesen hatte. Diesmal lag der einzige Unterschied darin, dass mein Unglaube auf wundersame Weise zurückblieb. Ich fand mich buchstäblich in dem Buch wieder! Ich konnte Nephi sehen, ich konnte seine Brüder sehen, und es ärgerte mich, wenn sie ihn schlecht behandelten. Ich mochte Nephi! Ich jubelte für die Guten und mir taten die Schlechten leid. Ich las stundenlang und konnte das Buch nicht aus der Hand legen. Als ich schließlich auf die Uhr schaute, war es schon fast fünf Uhr morgens. Ich wünschte mir ein frohes neues Jahr und ging zu Bett.
Gegen 8:30 Uhr wachte ich auf und griff instinktiv nach dem Buch. Und so verlief der ganze Rest des Wochenendes. Wie bei Bruder Parley P. Pratt war der Gedanke an Essen für mich ein Ärgernis; ich wollte durch nichts gestört werden. Ich hängte den Telefonhörer aus und las den ganzen Tag. Nur ab und zu legte ich eine Pause für einen kleinen Imbiss ein. Wie schon in der ersten Nacht stellte ich irgendwann fest, dass es früh am Morgen war, schlief ein paar Stunden, nahm das Buch wieder zur Hand und setzte meinen selbst auferlegten Marathon fort. Schließlich, gegen fünf Uhr früh am Montagmorgen, hatte ich das Buch ausgelesen und schlief völlig erschöpft ein.
Kurz vor Weihnachten in diesem Jahr war im Raum American Fork ein Großauftrag für einen Teppich zu erledigen, den ich verkauft hatte. Es handelte sich um einen ganz speziellen Teppichboden und mein Chef wollte, dass ich die Teppichleger beaufsichtige. Mein Chef war ein ehemaliger Bischof aus dem Raum Provo. Er hatte mit mir schon mehrmals über die Kirche gesprochen, aber ich wollte davon nichts wissen. Er war ein guter Chef, aber reizen durfte man ihn nicht, denn er war ein Hitzkopf. An diesem Montagmorgen um acht Uhr hätte ich also die Teppichleger beaufsichtigen sollen. Die Uhrzeit kam, aber ich nicht. Es wurde neun Uhr, dann zehn.
Schließlich, gegen 10:30 Uhr, kam mein Chef fuchsteufelswild zu meiner Wohnung. Fest entschlossen, mir den Kopf abzureißen, trat er ein. Als er aber sah, wie ich mit dem Buch Mormon auf meiner Brust auf der Couch lag, änderte er seine Meinung. Behutsam schloss er die Tür und fuhr zurück zum Laden. Sicher würde er die Teppichleger schon anfangen lassen können. Kurz nach halb zwölf wachte ich auf. Ich hatte nicht mitbekommen, dass mein Chef zu Besuch gewesen war, schaute auf die Uhr und sprach zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit ein weiteres Gebet. Ich zog mich schnell an, in der Erwartung, wenig später meinen Job los zu sein, stieg ins Auto und eilte zum Einsatzort.
Dort sah ich meinen Chef und ging zu ihm, um mich zu entschuldigen. Er wandte sich um, fing an zu grinsen und fragte: ‚Na, wie hat dir das Buch gefallen?‘ Mir wurde bewusst, was geschehen sein musste. Ich dachte wieder an das vergangene Wochenende und sagte dann mit Tränen in den Augen das einzige, was mir möglich war: ‚Das Buch ist wahr. Das Buch Mormon ist das Wort Gottes.‘ Dann begann ich zu weinen. Er kam zu mir, nahm mich in die Arme und hielt mich fest. Am 22. Januar 1965 wurde ich getauft und somit Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.“
Diesen guten Bruder habe ich einige Jahrzehnte nach seiner Bekehrung kennengelernt, als er mit seiner Frau im Besucherzentrum für das Mormonenbataillon in San Diego eine Mission erfüllte. Diese Geschichte gefällt mir so sehr, weil sie den Gegensatz in den beiden Herangehensweisen an das Buch Mormon deutlich macht. Beim ersten Mal las er ohne aufrichtigen Wunsch und ohne zu beten. Beim zweiten Mal war das Erlebnis ein ganz anderes, weil er einen Wunsch hatte und weil er gebetet hatte.
Man kann nur auf eine Art und Weise herausfinden, ob das Buch Mormon und das Evangelium wahr sind, und dazu sind mehr als Neugier und die fünf Sinne nötig. Man muss seine Entscheidungsfreiheit vernünftig gebrauchen und dem Wunsch nach Erkenntnis folgen:
„Und ich möchte euch ermahnen: Wenn ihr dieses hier empfangt, so fragt Gott, den Ewigen Vater, im Namen Christi, ob es wahr ist; und wenn ihr mit aufrichtigem Herzen, mit wirklichem Vorsatz fragt und Glauben an Christus habt, wird er euch durch die Macht des Heiligen Geistes kundtun, dass es wahr ist.
Und durch die Macht des Heiligen Geistes könnt ihr von allem wissen, ob es wahr ist.“ (Moroni 10:4,5.)
Diese Verheißung ist nicht in Worte wie „er könnte“, „möglicherweise“ oder „vielleicht“ gefasst. Die Verheißung lautet: Er wird „euch durch die Macht des Heiligen Geistes kundtun, dass es wahr ist“.
Ein weiterer aufschlussreicher Grundsatz aus dieser Geschichte ist der, dass man das Buch Mormon nicht bis zum Ende lesen muss, um ein Zeugnis davon zu erlangen. Der Mann in dieser Geschichte kostete vom Licht, als er allein die erste Seite las. Er musste nicht erst die ganze Pizza essen, um zu wissen, dass sie gut schmeckt. Für andere mag der Geschmack etwas gewöhnungsbedürftig sein, das Licht wird dann im Laufe der Zeit köstlicher. Alma scheint das in diesem Vers auszudrücken: „Ja, es fängt an, mein Verständnis zu erleuchten; ja, es fängt an, mir köstlich zu sein.“ (Alma 32:28.)
Ihr Zeugnis ist stärker, als Sie meinen
Zu Beginn hatte ich Sie gebeten, ihr Zeugnis anhand der Glaubensskala zu bewerten. Ich hoffe, dass Sie feststellen konnten, dass Ihr Zeugnis weitaus stärker ist, als Sie anfangs vermutet haben. Mit dem Heiligen Geist als Lehrer haben Sie ein vollkommenes Wissen von vielen Früchten des Evangeliums erhalten, und Frucht für Frucht, Zeile um Zeile ist Ihr Zeugnis jeden Tag stärker geworden.
Je mehr man das Evangelium lernt und danach lebt, desto mehr Licht empfängt man und desto mehr wird der Plan des Vaters zum Evangelium des gesunden Menschenverstands. Wir lernen aus eigener Erfahrung, dass die Frucht vom Baum des Lebens wahrhaftig kostbar und „sehr süß [ist], mehr als alles, was [wir] je zuvor gekostet“ haben, und dass sie unsere Seele „mit überaus großer Freude“ erfüllt (1 Nephi 8:11,12). Wir schließen sie ins Herz, weil wir ihr Segnungen und Freude verdanken. Durch sie haben wir es in der Hand, ob unser Leben positive Ergebnisse hat. Sie verleiht uns Hoffnung auf endloses Glück als ewige Familie.
Ich bezeuge Ihnen, dass ich weiß, und durch den Heiligen Geist weiß ich, dass ich weiß, dass das Buch Mormon wahr ist. Es ist das Wort Gottes. Es ist süß, kostbar und ein Genuss. Ich schätze seinen Geschmack sehr. Ich gebe Zeugnis, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist und dass er für die Sünden der Welt gekreuzigt wurde und dafür litt. Er ist unser Erlöser und er führt seine Kirche und sein Reich hier auf Erden auch weiterhin durch lebende Propheten und Apostel. Ich gebe Zeugnis von seinem Namen und von diesen heiligen Wahrheiten im Namen Jesu Christi. Amen.
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