2010–2019
Freude finden, indem man liebevoll dient
April 2011


2:3

Freude finden, indem man liebevoll dient

Mögen wir unsere Liebe und unseren Dank für das Sühnopfer des Erlösers durch kleine, gute Taten zum Ausdruck bringen.

Brüder und Schwestern, ich hoffe, dass diejenigen, die in Salt Lake City zu Besuch sind, die Gelegenheit nutzen, die Farben und den Duft der wunderbaren Frühlingsblumen auf dem Tempelplatz zu genießen.

Im Frühling kehren Licht und Leben zurück, was uns im Kreislauf der Jahreszeiten an das Leben, das Opfer und die Auferstehung des Erlösers Jesus Christus erinnert, denn „alles gibt Zeugnis von [ihm]“ (Mose 6:63).

Dem schönen Frühling und der Hoffnung, die er symbolisiert, steht eine Welt entgegen, die unsicher, kompliziert und verwirrend ist. Die Anforderungen des täglichen Lebens – Ausbildung, Beruf, Kindererziehung, Verwaltungsaufgaben und Berufungen in der Kirche, weltliche Unternehmungen und auch Schmerzen und Sorgen wegen plötzlicher Erkrankungen oder Schicksalsschläge – können uns zusetzen. Wie können wir uns aus dem verworrenen Netz von Problemen und Unsicherheiten befreien und innerlich Frieden und Glück finden?

Oft sind wir wie ein junger Kaufmann aus Boston, der, wie es heißt, 1849 vom Goldrausch in Kalifornien erfasst wurde. Er verkaufte alles, was er besaß, um sein Glück in den Flüssen Kaliforniens zu suchen, die angeblich voller Goldklumpen waren – so groß, dass man sie kaum tragen konnte.

Tagein, tagaus tauchte der junge Mann seinen Sichertrog in den Fluss, doch er blieb leer. Sein einziger Lohn bestand aus einem immer größer werdenden Haufen Steine. Als er, entmutigt und mittellos, schon im Begriff war, aufzugeben, sagte eines Tages ein alter, erfahrener Goldsucher zu ihm: „Du hast hier ja einen schönen Haufen Steine, mein Junge.“

Der junge Mann erwiderte: „Es gibt hier kein Gold. Ich gehe wieder nach Hause.“

Der alte Goldsucher ging zu dem Steinhaufen und sagte: „Hier ist doch Gold. Man muss nur wissen, wo es zu finden ist.“ Er nahm zwei Steine und schlug sie gegeneinander. Ein Stein zerbrach, und es traten mehrere Goldkörner zutage, die im Sonnenlicht funkelten.

Der junge Mann sah, dass der Goldsucher einen prall gefüllten Beutel um die Hüften hängen hatte, und sagte: „Ich suche Goldklumpen wie die in Ihrem Beutel, keine winzigen Körner.“

Der alte Goldsucher hielt dem jungen Mann seinen Beutel hin. Dieser blickte hinein, in der Erwartung, darin mehrere große Goldklumpen vorzufinden. Sprachlos stellte er fest, dass der Beutel mit tausenden winziger Goldkörner gefüllt war.

Der alte Goldsucher sagte: „Mein Sohn, mir scheint, du bist so sehr mit der Suche nach großen Goldklumpen beschäftigt, dass du es versäumst, deinen Beutel mit diesen kostbaren Goldkörnern zu füllen. Dass ich so geduldig diese kleinen Körner angehäuft habe, hat mich so wohlhabend gemacht.“

Diese Geschichte verdeutlicht die geistige Wahrheit, die Alma seinem Sohn Helaman erläuterte:

„Durch Kleines und Einfaches wird Großes zustande gebracht. …

Und durch sehr kleine Mittel [bringt der Herr] die Errettung vieler Seelen zuwege.“ (Alma 37:6,7.)

Brüder und Schwestern, das Evangelium Jesu Christi ist einfach, wie sehr wir uns auch anstrengen, es kompliziert zu machen. Wir sollten uns bemühen, das Leben gleichfalls einfach zu halten, uns nicht von äußeren Einflüssen behindern lassen und uns auf das ausrichten, was am wichtigsten ist.

Was ist das Kostbare, Einfache im Evangelium, was unserem Leben Klarheit und einen Sinn verleiht? Was sind die kleinen Goldkörner, die uns, wenn wir sie ein Leben lang voller Geduld anhäufen, mit dem größten Schatz belohnen – der kostbaren Gabe des ewigen Lebens?

Ich glaube, dass es einen einfachen, aber tiefgründigen, geradezu erhabenen Grundsatz gibt, der das gesamte Evangelium Jesu Christi umfasst. Wenn wir diesen Grundsatz von ganzem Herzen annehmen und zum Mittelpunkt des Lebens machen, wird er uns reinigen und heiligen, sodass wir eines Tages wieder in Gottes Gegenwart leben können.

Der Erlöser erwähnte diesen Grundsatz, als er einem Pharisäer die Frage beantwortete: „Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?

Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.

Das ist das wichtigste und erste Gebot.

Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Matthäus 22:36-40.)

Nur wenn wir Gott und Christus mit ganzem Herzen, ganzer Seele und allen Gedanken lieben, können wir den Nächsten durch gute Taten und Hilfsbereitschaft an dieser Liebe teilhaben lassen – auf die Weise, wie der Erlöser uns alle lieben und uns dienen würde, wenn er heute unter uns wäre.

Wenn diese reine Christusliebe, die Nächstenliebe, uns umgibt, dann denken, fühlen und handeln wir so, wie der Vater im Himmel und Jesus denken, fühlen und handeln würden. Wir haben die gleichen Beweggründe, den gleichen Herzenswunsch wie der Erlöser. Am Abend vor der Kreuzigung teilte er den Aposteln seinen Wunsch mit. Er sagte:

„Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.

Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Johannes 13:34,35.)

Die Liebe, die der Erlöser beschrieb, ist eine aktive; sie zeigt sich nicht in großen Heldentaten, sondern vielmehr in einfachen guten Taten und Hilfsbereitschaft.

Es gibt unzählige Wege und Möglichkeiten, wie wir anderen dienen und ihnen Liebe erweisen können. Ich möchte nur ein paar vorschlagen.

Erstens: Nächstenliebe beginnt in der Familie. Der wichtigste Grundsatz, der in jeder Familie herrschen sollte, ist die Goldene Regel, nämlich diese Ermahnung des Herrn: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Matthäus 7:12.) Überlegen Sie einmal kurz, wie Sie sich fühlen, wenn man Sie mit unbedachten Äußerungen oder gedankenlosem Tun verletzt. Zeigen wir unserer Familie durch ein gutes Beispiel, wie man einander liebt.

Ein anderer Ort, wo wir reichlich Gelegenheit zum Dienen haben, ist die Kirche. In den Gemeinden und Zweigen sollen sich unsere Worte und Taten stets an der Goldenen Regel ausrichten. Wenn wir freundlich zueinander sind, einander aufmunternd zusprechen und feinfühlig wahrnehmen, was der andere braucht, können wir dazu beitragen, dass unter den Gemeindemitgliedern eine liebevolle Einigkeit entsteht. Wo es Nächstenliebe gibt, ist kein Platz für Klatsch und unfreundliche Worte.

Manchmal können Jugendliche und Erwachsene in der Gemeinde gemeinsam sinnvoll dienen und anderen helfen. Erst vor zwei Wochen berichtete der Präsident des Gebiets Südamerika Nordwest, Elder Marcus B. Nash von den Siebzigern, dass durch den Auftrag an die geistig Starken, sich der Schwachen anzunehmen, hunderte der weniger aktiven Erwachsenen und Jugendlichen gerettet werden. Durch Liebe und Hilfsbereitschaft kehrt einer nach dem anderen zurück. Diese guten Taten knüpfen ein starkes, bleibendes Band zwischen allen Beteiligten – den Helfern und den Hilfeempfängern. Viele kostbare Erinnerungen hängen mit solchen Taten zusammen.

Wenn ich an die vielen Jahre zurückdenke, die ich für die Kirche tätig bin, so gehören zu den stärksten Eindrücken die Gelegenheiten, bei denen ich gemeinsam mit den Mitgliedern der Gemeinde jemandem geholfen habe.

Ich erinnere mich beispielsweise daran, wie ich als Bischof mit mehreren aktiven Mitgliedern der Gemeinde die Silagegrube auf der Pfahl-Wohlfahrtsfarm ausgemistet habe. Ein schöner Auftrag war das nicht! Ein weniger aktiver Bruder, der viele Jahre nicht in der Kirche gewesen war, wurde gebeten, uns zu helfen. Aufgrund der Liebe und der Gemeinschaft, die er bei der Arbeit und den Gesprächen in dieser stinkenden Grube spürte, kehrte er zur Kirche zurück und wurde später im Tempel an seine Frau und seine Kinder gesiegelt. Der Zusammenhalt, der durch das Dienen entstanden ist, hat sich als Segen für seine Kinder, Enkel und nun auch für seine Urenkel erwiesen. Viele davon waren auf Mission, haben im Tempel geheiratet und eine ewige Familie gegründet. So ist ein großes Werk durch eine einfache Tat entstanden – ein kleines Goldkörnchen.

Ein dritter Bereich, wo wir dienen können, ist die Gesellschaft. Wir können unsere Liebe und Anteilnahme ganz klar zum Ausdruck bringen und denen die Hand reichen, die unsere Hilfe brauchen. Viele von Ihnen haben schon ein T-Shirt der „Mormon Helping Hands“ übergestreift und mit unermüdlichem Einsatz Leid gelindert oder am Wohnort Verbesserungen herbeigeführt. Junge Alleinstehende aus dem Pfahl Sendai in Japan haben vor kurzem unschätzbare Dienste geleistet, als sie nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami nach Mitgliedern suchten. Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie man dienen kann.

Wenn wir von Herzen freundlich sind und dienen, können wir mit denjenigen, denen wir helfen, Freundschaft schließen. Diese Freundschaften führen zu einem besseren Verständnis, warum uns das Evangelium so viel bedeutet, und wecken das Interesse, mehr über die Kirche zu erfahren.

Mein guter Freund Elder Joseph B. Wirthlin sagte einmal über die Kraft dieses Grundsatzes: „Güte und Freundlichkeit zeichnen einen wahrhaft großen Menschen aus. … Sie sind wie ein Pass, der Türen öffnet und durch den man sich Freunde schafft. Sie berühren das Herz und schaffen Beziehungen, die ein Leben lang halten können.“ („Die Tugenden Güte und Freundlichkeit“, Liahona, Mai 2005, Seite 26.)

Eine andere Art und Weise, wie wir den Kindern des himmlischen Vaters dienen können, ist Missionsarbeit – nicht nur als Vollzeitmissionar, sondern auch als Freund und Nachbar. Die Kirche wird künftig nicht nur dadurch wachsen, dass man an fremde Türen klopft. Sie wird wachsen, wenn Mitglieder und Missionare gemeinsam, von der Liebe Gottes und Christi erfüllt, Bedürfnisse erkennen und auf diese im Geiste der Nächstenliebe eingehen.

Wenn wir das tun, Brüder und Schwestern, werden die im Herzen Ehrlichen unsere Aufrichtigkeit und Zuneigung spüren. Viele werden mehr über uns erfahren wollen. Dann, und nur dann, wird die Kirche sich ausbreiten, bis sie die ganze Erde erfüllt. Das kann nicht allein durch die Vollzeitmissionare bewerkstelligt werden, sondern erfordert die Aufmerksamkeit und die Mithilfe jedes einzelnen Mitglieds.

Wann immer wir dienen, müssen wir auch empfänglich für die Eingebungen des Heiligen Geistes sein. Die sanfte, leise Stimme wird uns zuflüstern, wer unsere Hilfe braucht und wie wir helfen können.

Präsident Spencer W. Kimball hat gesagt: „Es ist also sehr wichtig, dass wir einander im Reich Gottes dienen. … Wie oft besteht der notwendige Dienst am Nächsten nur darin, dass wir ihm Mut machen oder ihm bei einfachen Arbeiten einfache Hilfe leisten; aber welch wunderbare Folgen können sich aus diesen einfachen Handlungen und aus kleinen, aber wohlüberlegten Taten ergeben!“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Spencer W. Kimball, Seite 96f.)

Präsident Thomas S. Monson hat außerdem gesagt:

„Die Nöte anderer Menschen sind jedoch allgegenwärtig, und jeder von uns kann etwas tun, um einem anderen zu helfen. …

Unser Leben [hat] nur wenig Zweck, wenn wir uns nicht im Dienst an anderen verlieren.“ („Was habe ich heute für einen anderen getan?“, Liahona, November 2009, Seite 85.)

Brüder und Schwestern, ich möchte noch einmal hervorheben, dass die wichtigste Eigenschaft des himmlischen Vaters und seines geliebten Sohnes, die wir uns selbst wünschen und aneignen sollen, die Nächstenliebe ist, „die reine Christusliebe“ (Moroni 7:47). Dieser Gabe entspringt unsere Fähigkeit, andere zu lieben und ihnen zu dienen, wie der Heiland es tat.

Der Prophet Mormon sagte, dass diese Gabe von größter Bedeutung ist, und erklärte uns, wie wir sie empfangen können: „Darum, meine geliebten Brüder, betet mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater, dass ihr von dieser Liebe erfüllt werdet, die er all denen zuteilwerden lässt, die wahre Nachfolger seines Sohnes Jesus Christus sind; damit ihr Söhne Gottes werdet; damit wir, wenn er erscheinen wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist; damit wir diese Hoffnung haben; damit wir rein gemacht werden, so wie er rein ist.“ (Moroni 7:48.)

Großes wird durch Kleines und Einfaches zustande gebracht. Wie die kleinen Goldkörner, die sich mit der Zeit zu einem großen Schatz anhäufen, häufen sich unsere kleinen guten Taten und unsere Hilfsbereitschaft zu einem Leben an, das erfüllt ist mit der Liebe zum Vater im Himmel, mit Hingabe an das Werk des Herrn Jesus Christus und mit Frieden und Freude, immer dann, wenn wir einander die Hand entgegenstrecken.

Mögen wir in dieser Osterzeit unsere Liebe und unseren Dank für das Sühnopfer des Erlösers zum Ausdruck bringen, indem wir durch kleine gute Taten unseren Brüdern und Schwestern zu Hause, in der Kirche und dort, wo wir wohnen, zur Seite stehen. Darum bitte ich demütig im Namen Jesu Christi. Amen.