Jeremia: Wie Ton in der Hand des Töpfers
Der Herr hat den Propheten Jeremia mit liebevoller Hand geformt. Genauso kann er auch jeden Einzelnen von uns formen.
Sein Name bedeutete „Jahwe wird erhöhen“, und er diente furchtlos dem Herrn. Dennoch machte der Prophet Jeremia viele geistige Qualen durch.
Irgendwann während des ersten Teils der mehr als vierzig Jahre, in denen Jeremia in Jerusalem wirkte, wies der Herr ihn an, das Haus eines Töpfers zu besuchen (siehe Jeremia 18:1,2). Jeremia beobachtete die Arbeitsweise des Töpfers. Dieser drehte unten mit dem Fuß eine Scheibe, während er an der oberen Scheibe mit den Händen den feuchten Ton formte. Die Töpferei ist eines der ältesten Handwerke der Zivilisation. Jeremia sah, wie der Töpfer an dem Gefäß, das er hergestellt hatte, einen Fehler fand. Interessiert beobachtete er, wie der Töpfer den Ton mit der Hand zusammendrückte und dann ein ganz anderes Gefäß daraus formte (siehe Jeremia 18:3,4). Dann stellte der Herr die rhetorische Frage: „Kann ich nicht mit euch verfahren wie dieser Töpfer, Haus Israel?“ (Jeremia 18:6.) Diese Frage hätte er aber auch genauso gut an Jeremia richten können.
Jeremia war ein Prophet, der eine der finstersten Epochen der Schlechtigkeit der Israeliten miterlebte. Dennoch sah er in allem die geschickte Hand des Töpfermeisters, der seinem Kunstwerk seine guten Eigenschaften einhauchte. Sein Leben hält uns vor Augen, wie notwendig es ist, dass wir unser ganzes Leben – wie schwer es auch sein mag – in die liebevollen Hände des Herrn legen.
Jeremia Wird Zum Dienst Berufen
Jeremia wurde in der Stadt Anatot, etwa fünf Kilometer nordöstlich von Jerusalem, geboren. Sein Vater, Hilkija, gehörte zur „Priesterschaft zu Anatot im Land Benjamin“ (Jeremia 1:1). Als Jeremia noch klein war, wurde er schon vom Herrn zum Propheten berufen. „Wohin ich dich auch sende, dahin sollst du gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden.“ (Jeremia 1:7.) Zuerst war Jeremia gar nicht damit einverstanden, dass der Herr so großes Vertrauen in ihn setzte. „Ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung.“ (Jeremia 1:6.) Doch der Herr wusste, was in Jeremia steckte: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, … zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt.“ (Jeremia 1:5.)
Gleichermaßen kennt der Herr uns alle und hat uns erwählt, zu einer Zeit und an einem Ort unser sterbliches Leben zu beginnen, wie es für uns am besten ist. Er kann uns durch unsere Berufungen zu Hause und in der Kirche formen. Meine Frau und ich haben dieses Prinzip besser schätzen gelernt, als wir berufen wurden, über die Mission Suva auf den Fidschi-Inseln zu präsidieren. Wir sprachen nicht fließend Englisch, und vor allem meine Frau fühlte sich überfordert. Bei der Einsetzung wurde sie speziell mit dieser Gabe gesegnet. Sie lernte fleißig und übte zu Hause und mit den Missionaren die englische Sprache. Schon bald konnte sie auf den Zonenkonferenzen auf den Inseln Fidschi, Vanuatu und Kiribati auf Englisch zu den Missionaren sprechen. Im Gegenzug übte sie Französisch mit den Missionaren, die in Neukaledonien arbeiteten. Sie hatte das Gefühl, der Herr habe sie berufen, Menschen beider Sprachen zu dienen, und deshalb müsse sie auch beide Sprachen sprechen. Diese Erfahrung hat sie geformt und sowohl sie selbst als auch unsere Familie und ihre Schüler positiv beeinflusst, auch wenn ihr Englisch einen leichten französischen Akzent hat.
Jeremia War Formbar
Ein wichtiger Grund dafür, dass der Herr den Jeremia formen konnte, liegt darin, dass er überhaupt formbar war, also bereit, sich den Geboten Gottes zu unterwerfen und sich immer wieder aus freien Stücken dem Willen Gottes zu beugen. Demut, Gehorsam, Glauben und das Freisein von Stolz sind Charaktereigenschaften, die den Menschen formbar machen. Der Töpfermeister stellte Jeremias Bereitschaft zum Gehorsam häufig auf die Probe.
Einmal wies der Herr den Jeremia an, einen irdenen Krug zu kaufen und ihn vor den Augen der Ältesten des Volkes zu zerbrechen. Anschließend sollte er kühn Folgendes prophezeien: „So spricht der Herr der Heere: Ebenso zerbreche ich dieses Volk und diese Stadt, wie man Töpfergeschirr zerbricht, sodass es nie wieder heil werden kann.“ (Jeremia 19:11; siehe auch 19:1–15.) Jeremia kam dem Auftrag nach, die politischen Führer so deutlich anzuprangern. Dazu waren Mut und Gehorsam notwendig, und er durfte keinen Gedanken an seine eigene Sicherheit verschwenden.
Dann erging das Wort des Herrn erneut an Jeremia. Er wollte mit seiner Hilfe einen bestimmten Grundsatz veranschaulichen. Jeremia wurde angewiesen, sich Stricke und Jochhölzer zu machen und daraus ein Joch anzufertigen wie das, das Tieren umgelegt wurde. Dieses Joch sollte er sich auf den Nacken legen und damit vor König Zidkija und den Gesandten anderer Könige erscheinen. Jeremia in diesem Aufzug vor den einflussreichen, mächtigen Männern – was muss das für ein Anblick gewesen sein! Jeremia sagte ihnen, wenn sie sich nicht aus freien Stücken beugen und dem König von Babel untertan sein würden – wie der Ochse im Joch –, dann würde der Herr sie vernichten (siehe Jeremia 27:1–11).
Im genannten und in vielen weiteren Beispielen erwies sich Jeremia als so formbar, dass er tat, was der Herr gebot, und zwar unabhängig davon, wie eigenartig und töricht es ihn erscheinen ließ und wie unbeliebt er sich damit machte.
Während meines Wirkens als Missionspräsident habe ich viele junge Menschen kennen gelernt, die eine ähnliche Formbarkeit an den Tag gelegt haben. Olivier Pecqueux beispielsweise lernte ich kennen, als ich Neukaledonien besuchte. Er war 24 Jahre alt und beim Militär. Damals war er nicht aktiv in der Kirche, sondern führte ein weltlich orientiertes Leben. Doch der Herr hatte andere Pläne für ihn. Auf seine Bitte hin trafen wir uns und sprachen über seinen Patriarchalischen Segen. Er nahm sich vor, sich zu demütigen, Umkehr zu üben und es dem Herrn zu überlassen, sein Leben zu formen. Schon bald wurde er auf eine Vollzeitmission berufen und entwickelte sich zu einem meiner fähigsten Missionare. Heute besucht er das College und hat vor kurzem im Tahiti-Tempel geheiratet.
Auch unsere Entscheidungen müssen deutlich machen, dass wir formbar sind und auf Christus hoffen. Elder Hugh W. Pinnock (1934–2001) von den Siebzigern hat zu diesem Thema Folgendes gesagt: „Wenn wir einen Fehler machen, so wie die Israeliten Fehler gemacht haben, können wir das, was wir verpfuscht haben, noch einmal machen. Der Töpfer hat auch nicht aufgegeben und den Ton weggeworfen. … Wir dürfen keine Hoffnungslosigkeit aufkommen lassen und uns selbst ablehnen. Wir müssen vielmehr unsere Probleme überwinden und mit dem, was wir haben und sind, von vorn anfangen.“1
Was Jeremia Gelitten Hat
Jeremia war ein Mensch, der viel Unglück ertrug. Ja, der Herr warnte ihn zum Zeitpunkt seiner Berufung sogar, dass Könige, Prinzen, Priester und die Bürger des Landes gegen ihn kämpfen würden: „Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten“ (Jeremia 1:19), verhieß ihm der Herr. Die beiden folgenden Begebenheiten sind nur ein Beispiel dafür, welch schwierige Lebens-umstände Jeremia bewältigen musste.
Als der Priester Paschhur, der Oberaufseher im Haus des Herrn, hörte, wie Jeremia das Tongefäß zerbrochen und dem Volk prophezeit hatte, ließ er ihn verhaften und schlagen und in den Block spannen. Am nächsten Tag ließ Paschhur Jeremia zu sich führen. Doch Jeremia wiederholte die Worte des Herrn bezüglich der bevorstehenden Vernichtung ohne jede Furcht und fügte noch hinzu: „Du aber, Paschhur, und alle deine Hausgenossen, ihr werdet in die Verbannung ziehen.“ (Jeremia 20:6.)
Als das babylonische Heer Jerusalem belagerte, überbrachte Jeremia König Zidkija und seinen Leuten das Wort des Herrn, das besagte, dass sie sich ergeben sollten. Dies aber missfiel bestimmten Beamten, die daraufhin Jeremias Versuch, die Stadt zu verlassen, zum Vorwand nahmen, ihn festzunehmen, des Verrats zu beschuldigen und in den Kerker zu werfen (siehe Jeremia 37:6–15).
Jeremia wurde in eine fürchterliche Zisterne geworfen, wo er verhungern sollte. In der Zisterne gab es kein Wasser, sondern nur Schlamm. Jeremia sank in den Schlamm (siehe Jeremia 38:6). Wenn Ebed-Melech, ein kuschitischer Höfling, nicht so großen Mut gehabt hätte und nicht ein so christusähnlicher Mensch gewesen wäre, wäre Jeremia dem Tod gewiss nicht entgangen (siehe Jeremia 38:7–13; siehe auch 1 Nephi 7:14).
Als der König von Babel Jerusalem einnahm, zog Jeremia es vor, bei seinem Volk in Jerusalem zu bleiben und ihm das Wort des Herrn zu verkündigen, obwohl es sich doch immer geweigert hatte, seinen Rat zu befolgen. Es heißt, Jeremia sei in Ägypten gestorben – kurz nach einem erneuten Versuch, sein Volk zu bewegen, zum Herrn zurückzukehren (siehe Jeremia 44).
Was Jeremia gelitten hat, diente dem Zweck, ihn zu formen und rein zu machen. Gleichermaßen bringt uns alles, was wir geduldig erleiden und ertragen, Erfahrung und kann uns zum Guten dienen (siehe LuB 122:7,8). Elder John B. Dickson von den Siebzigern hat gesagt: „Es war nicht vorgesehen, dass das Leben einfach wird, aber ich verheiße denen, die … treu dienen und die Herausforderungen des Lebens mit Entschlossenheit… annehmen, dass sie so glücklich werden, dass ihre ganze Seele davon erfüllt wird….. Das … ist eine Segnung, die uns formt und die uns nie genommen werden kann.“2
Ein Wohlgeratenes Gefäss
Am 19. Dezember 1841 kam das Kollegium der Zwölf Apostel im Haus des Propheten Joseph Smith zusammen. Gemäß dem Protokoll dieser Versammlung, das Wilford Woodruff führte, „predigte Elder Heber C. Kimball … vom Ton in der Hand des Töpfers und davon, wie das Gefäß, wenn es dem Töpfer missraten war, von der Töpferscheibe genommen und wieder zum zu verarbeitenden Ton gegeben wurde. Beim nächsten Mal wurde der Ton des missratenen Gefäßes dann neu verarbeitet. Doch aller Ton, der sich von der Hand des Töpfers richtig formen ließ,… wurde als wohlgeratenes Gefäß betrachtet.“3
Jeremia war ein Prophet, der wahrhaftig von Christus Zeugnis gab (siehe Helaman 8:20). Der Erretter lehrte und prophezeite während seines irdischen Wirkens ja selbst anhand der Worte Jeremias. Dieser war ein wohlgeratenes Gefäß und ist den heutigen Mitgliedern ein Vorbild darin, wie man dient, sich formen lässt und Langmut unter Beweis stellt.
Auch wir können ein wohlgeratenes Gefäß sein, ein vom Töpfermeister geformtes Kunstwerk, wenn wir auf seinen Ruf hören, uns von ihm formen lassen und aus dem lernen, was wir leiden.
Elder Jean A. Tefan ist Gebietsautorität-Siebziger und dient im Gebiet Pazifik-Inseln.