Bis an die Enden der Erde

Richard M. Romney

„Gott… blickt bis hin zu den Enden der Erde; was unter dem All des Himmels ist, sieht er.“ (Ijob 28:23,24.)

Fahren Sie nach Argentinien. Von dort aus geht es weiter nach Süden. Fahren Sie immer weiter, immer weiter. Wenn Sie die Magellanstraße erreicht haben, setzen Sie nach Feuerland über. Fahren Sie weiter. Wenn Sie am äußersten Ende der Insel angekommen sind, halten Sie an. Nun befinden Sie sich in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Sie liegt so weit südlich, dass ihre Bewohner sie als „Ende der Welt“ bezeichnen.

Dort gibt es Gletscher und zerklüftete Berge, die ins Meer abfallen. Sommerliches Wetter mit längerem Tageslicht herrscht dort nur zwei, drei Monate im Jahr. Die übrigen Monate ist es kalt, stürmisch und dunkel.

Wer an junge Heilige der Letzten Tage denkt, denkt wahrscheinlich nicht gleich an Ushuaia. Doch die Kirche ist dort lebendig – und gedeiht. Die jungen Heiligen der Letzten Tage in Ushuaia wissen, dass sich auch an ihnen die Verheißung erfüllt, die besagt, dass das Evangelium „bis an die Enden der Erde hinrollen“ wird (siehe LuB 65:2).

Einen Mann für die Mutter finden

Sehen Sie sich einmal die Geschichte von Ximena Martínez an. Vor ein paar Jahren wohnten Ximena, ihre Schwester Micaela und ihr Bruder Gonzalo mit ihrer geschiedenen Mutter in Buenos Aires. Damals war Ximena 15 Jahre alt. Sie hatte die Aufgabe, den Garten zu pflegen. „Aber ich habe den Garten vernachlässigt“, erzählt sie. „Daniel Garrido, ein freundlicher Nachbar, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnte, bot uns seine Hilfe an. Ein paar Tage später kam er vorbei und brachte Vollzeitmissionare mit. Sie arbeiteten fleißig und brachten alles in Ordnung. Das war aber erst der Anfang. Daniel Garrido und seine Frau, Elisabet, blieben uns weiterhin als treue Freunde verbunden und die Missionare boten an, uns von der Wiederherstellung des Evangeliums zu erzählen. Wie konnten wir da ablehnen?“

Damit hatten sie den Weg zum Verständnis eingeschlagen. Nachdem Ximenas Mutter mit den Missionaren studiert hatte, ließ sie sich taufen. Die Kinder folgten bald ihrem Beispiel. „Ich nahm mir vor, mich zu ändern und die Freiheit zu genießen, die nur Christus schenken kann“, erzählt Ximena weiter. „Mein Wunsch, nach dem Evangelium zu leben, wurde immer stärker. Doch es fehlte noch etwas – wir brauchten einen Vater und wir wollten im Tempel gesiegelt werden.

Bei einer Tanzveranstaltung der Kirche unterhielt ich mich eines Tages mit einem Freund namens Martín Morresi. Er erwähnte, dass sein Vater Witwer sei. Im Scherz sagte ich: ‚Weißt du, meine Mutter braucht einen Mann! Wir sollten die beiden einmal zusammenbringen.‘ Die ganze Sache hatte nur einen Haken – Martíns Vater wohnte mehr als dreitausend Kilometer entfernt!

Ich fing an, meine Mutter damit zu necken, dass ich einen Mann für sie gefunden hätte. Dann erzählte mir Martín während einer Probe des Pfahlchores: ‚Mein Vater kommt nach Buenos Aires und möchte deine Mutter zum Abendessen einladen!‘ Ich war starr vor Staunen. Die Reaktion meiner Mutter verschweige ich lieber. Trotzdem nahm sie seine Einladung an. Martín begleitete seinen Vater, Rubén, und ich begleitete meine Mutter, Susana. Wir hatten einen wunderschönen Abend. Rubén Morresi war aufmerksam und respektvoll uns gegenüber. Ich sah, dass er ein untadeliger und gläubiger Mann Gottes war.“

Dreieinhalb Monate später heirateten Rubén und Susana im Buenos-Aires-Tempel in Argentinien. Ximena, Micaela und Gonzalo Martínez wurden an die beiden gesiegelt und zogen mit ihnen nach Ushuaia, wo ihre neuen Geschwister Manuel und Micaela Morresi wohnten. (Drei ältere Kinder wohnen schon nicht mehr zu Hause.)

„Jetzt wohne ich am Ende der Welt“, sagt Ximena. „Und ich bin bemüht, nach besten Kräften dazu beizutragen, dass Zion hier wächst. Ich weiß, dass sich das Reich des Herrn bis an die vier Ecken der Erde erstrecken wird und dass er uns aus diesem Grund in diese eine Ecke geführt hat.“

Wem die Mitmenschen am Herzen liegen, der teilt mit ihnen

Sprechen Sie mit anderen jungen Leuten in Ushuaia. Sie werden feststellen, dass auch sie die Kirche und die Segnungen, die ihnen dadurch ermöglicht werden, von Herzen lieben. Boris Zapata, 12 Jahre alt, sagt, das Evangelium habe ihn – laut den Worten Moronis – gelehrt, „auf eine bessere Welt“ zu hoffen (siehe Ether 12:4). Juan Frau, 16 Jahre alt, erklärt, wie dankbar er für das Seminar ist. „Es ist herrlich, jeden Tag in den heiligen Schriften studieren zu können“, meint er.

„Ich hatte die Möglichkeit, mit einer meiner Schulfreundinnen namens Elena Ayala über das Evangelium zu sprechen“, erzählt Micaela Martínez, 18 Jahre alt. „Als sie sich taufen ließ, war ich richtig glücklich. Wenn man weiß, dass Jesus Christus lebt, macht es einem Freude, mit anderen darüber zu sprechen.“

Hier am Ende der Welt haben die jungen Leute in Ushuaia das helle Licht des Evangeliums gefunden. Und sie teilen es voller Freude miteinander und auch mit jedem, der Interesse daran hat.

Grosse Freude Im Herzen

In einer so abgelegenen Gegend wie Ushuaia kann das Leben manchmal ganz schön einsam sein. Deshalb flüchten sich manche jungen Leute in Alkohol, Drogen oder unsittliches Verhalten und bringen sich damit schließlich in eine verzweifelte Lage. Junge Leute aus der Kirche jedoch finden ihr Glück, indem sie auf den himmlischen Vater hören. Hören Sie, was drei junge Leute aus der Familie Quiroga zu sagen haben, die sich vor zwei Jahren taufen ließen:

„Es macht mich sehr glücklich, dass ich Mitglied der Kirche bin“, sagt Matías, 14 Jahre alt. „Tief im Innern spüre ich, dass ich wirklich zur wahren Kirche gehöre und dass der himmlische Vater mir jederzeit hilft. Als neues Mitglied habe ich schon viel gelernt. Meine Lehrer haben mir viel erklärt, und die Mitglieder sind sehr nett.“

Patricia, seine achtzehnjährige Schwester, ist derselben Meinung: „Mein Leben hat sich von Grund auf geändert, seit ich Heilige der Letzten Tage bin“, erklärt sie. „Ich habe zwar schon immer an Gott geglaubt, seine Gegenwart aber noch nie so deutlich gespürt wie in der Kirche. Ich finde es sehr schön, dass ich zu den Jungen Damen gehöre und daran arbeite, Fortschritt zu machen.“

„Ehe ich mich taufen ließ, habe ich gebetet und gefragt, ob ich auch das Richtige tue“, meint die sechzehnjährige Paola. „Ich empfand große Freude im Herzen. Anschließend ließ ich mich taufen und spürte, wie der Geist in mein Herz einzog. Ich weiß, dass dies die wahre Kirche ist. Ich zweifle nicht daran. Und wenn ich das Richtige tue, bin ich glücklich.“

Ein Lichtstrahl

Die Familien Morresi, Martínez und Quiroga sind aber nicht die einzigen in Ushuaia mit mehreren Teenagern. Auch bei den Cabanillas gibt es vier junge Leute im Teenageralter, die ein festes Zeugnis haben.

„Ich gehöre zur Kirche, seit ich acht Jahre alt bin“, erzählt Florencia Cabanillas, 14 Jahre alt. „Ich weiß, dass Jesus Christus lebt und die heilige Schrift das Wort Gottes ist. Ich weiß auch, dass Joseph Smith ein Prophet war. Ich bin sehr froh darüber, dass ich das Evangelium kenne und wir nun unser Ziel erreichen können, als Familie im Tempel gesiegelt zu werden.“

„Ich weiß, dass wir heute einen Propheten, Seher und Offenbarer haben und dass er Offenbarung von Gott empfängt“, erklärt Andrea, 15 Jahre alt. „Ich weiß, dass das Buch Mormon ein Wunder ist und unter Schwierigkeiten übersetzt wurde. Joseph Smith hat voll großem Glauben gebetet und Antwort erhalten.“

„Erst vor kurzem habe ich im Sonntagsschulunterricht über das Buch Mormon gesprochen“, sagt Estefania, 17 Jahre alt. „Dazu musste ich in den heiligen Schriften forschen, und dabei habe ich mir vorgestellt, ich hätte alles miterlebt. Ich werde nie vergessen, was Mormon empfand, als er Zeuge des Untergangs der Nephiten wurde. Auch das Zeugnis der Propheten werde ich niemals vergessen. Wer noch nicht in den heiligen Schriften forscht, dem rate ich: Fangen Sie heute damit an!“

Sabrina, 18 Jahre alt, weiß noch, wie die Missionarinnen zum Familienabend kamen, als sie zehn Jahre alt war. „Sie erklärten mir schlicht, aber eindringlich, dass Gott einem Wahrheit offenbart, wenn man betet“, erzählt sie. „Sie sagten, ich müsse niederknien und den himmlischen Vater demütig darum bitten, mir ein Zeugnis zu schenken. ‚Ich soll niederknien?‘, dachte ich. Ein paar Tage später wollte Mama zusammen mit meinen Schwestern und mir einen Spaziergang machen. Obwohl die Sonne schien und ich gerne mitgegangen wäre, hielt mich doch etwas zurück. Ich wusste, dass dies der richtige Zeitpunkt zum Beten war. Also kniete ich im Esszimmer nieder. Ich bat den himmlischen Vater, mir zu sagen, ob das Buch Mormon wahr ist. Ich fragte ihn, ob die Grundsätze, die ich in der Kirche lernte, wahr sind. Fünf Minuten vergingen. Als ich zu Ende gebetet hatte, blieb ich noch auf Knien liegen. Plötzlich fiel ein Sonnenstrahl auf mein Gesicht. Das konnte ich mir gar nicht erklären, denn im Haus war es dunkel. Doch in der Küche gab es ein kleines Fenster ohne Gardinen. Von dort kam das Licht.

Ich war so glücklich. Ich spürte, dass der Vater mein Gebet auf diese Weise erhört hatte. Jetzt habe ich ein Zeugnis von allem und weiß, dass es wahr ist. Ich weiß, dass das Gebet große Kraft hat.“