Der Tag, an dem das Lamm verkauft wurde
U nsere Familie ist vor über acht Jahren nach Logandale in Nevada gezogen. Seither haben wir immer die landwirtschaftliche Ausstellung von Clark County besucht. Sie findet immer im April statt, um die Osterzeit. Kinder können die Ferkel, Kälber oder Lämmer ausstellen, die sie großgezogen haben. Am Donnerstag werden die Tiere ausgezeichnet, und am Samstag findet dann die Versteigerung statt.
Ich fürchte mich immer vor der Versteigerung. Ich mache mir immer Sorgen, dass eines meiner Kinder ein Tier hat, das sich nicht verkaufen lässt. Die meisten Eltern versuchen, schon im Voraus jemand zu finden, der das Tier des Kindes kaufen wird. Doch selbst wenn man jemanden gefunden hat, muss man immer noch stundenlang warten, bis das Kind mit seinem Tier an der Reihe ist.
Vor drei Jahren ereignete sich bei der Versteigerung etwas, was mich tief berührt hat. Wir saßen schon fast den ganzen Tag auf den unbequemen Bänken und hörten dem Gebrüll des Auktionators, dem Gemurmel der Menge und dem Blöken, Muhen und Quieken der Tiere zu. Plötzlich hörten wir noch ein anderes Geräusch – ein eisiger Regen prasselte gegen das Gebäude.
Schon bald war der metallene Viehpavillon nicht mehr nur mit den Eltern und Verwandten gefüllt, die an der Versteigerung teilnahmen. Viele andere suchten dort Zuflucht. Sie waren ganz überrascht, dass eine Versteigerung stattfand. Die meisten kamen aus Las Vegas und waren noch nie bei einer Viehversteigerung dabei gewesen. Sie fanden es wohl sehr unterhaltsam, und einige boten sogar mit. Nachdem allerdings der Auktionator erkläre, dass die Preise je Pfund zu verstehen waren, ließen die Gebote beträchtlich nach.
Das Ferkel unseres Sohnes kam an die Reihe, und ich war sehr erleichtert, als es verkauft wurde. Ich wollte nur noch nach Hause, fort von den Leuten, dem Lärm und dem Gestank. Draußen regnete es immer noch. Während ich also darauf wartete, dass mein Schwager das Auto holte, hörte ich unfreiwillig, wie der Auktionator begann, die Lämmer zu versteigern.
Ein kleines Mädchen brachte sein Lamm und das Bieten begann. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Betrag erinnern, aber ich weiß noch, dass ich dachte: „Das ist viel Geld für ein Lamm.“ Dann geschah etwas Erstaunliches. Der Auktionator erklärte, dass der Käufer dem kleinen Mädchen das Lamm zurückgab, damit es noch einmal verkauft werden konnte. Er erklärte weiter, dass der Vater des Mädchens, der es sonst immer zur Versteigerung begleitet hatte, im Krankenhaus lag. Er hatte Krebs und die Prognose war nicht gut. Die Familie hatte keine Krankenversicherung und der Vater war der Alleinverdiener.
Was sich dann ereignete, werde ich nie vergessen.
Die Leute fingen wieder an zu bieten, und das kleine Lamm wurde für eine noch nie da gewesene Summe verkauft. Wieder wurde das Lamm an das Mädchen zurückgegeben. Etwa zu der Zeit kehrte mein Schwager zurück, durchnässt und vom Wind zerzaust, aber ich konnte mich nicht von der Stelle rühren. Ich erzählte ihm, dass etwas Bemerkenswertes geschah, und konnte die Tränen nicht zurückhalten.
Wieder und wieder wurde das Lamm verkauft und all diese Menschen, viele von ihnen aus der Stadt, boten Geld und spendeten für diese Familie.
Verwundert stand ich da und musste an ein anderes Lamm denken – das nicht wieder und wieder verkauft wurde, damit nur einer Familie geholfen wurde, sondern das sich für alle Kinder Gottes als Opfer darbrachte. Es schien gut zu passen, dass bald Ostern war. Der Geist bezeugte mir an diesem Tag, wie wichtig es ist, für andere Opfer zu bringen, und welche Bedeutung die Gemeinschaft mit anderen hat.
Leider überlebte der Vater des kleinen Mädchens nicht. Die Familie ist umgezogen und gehört jetzt zu unserer Gemeinde. An einem Sonntag gab die Frau dieses guten Mannes in der FHV Zeugnis. Sie erzählte uns, dass sie bei ihrem im Sterben liegenden Mann im Krankenhaus war, als sie von der Versteigerung hörte. Sie wusste nicht, wer oder wie viele Menschen Geld gespendet hatten, aber sie war zu Tränen gerührt, als sie all denen dankte, die geholfen hatten. Sie war überrascht von der Liebe und Unterstützung, die ihre Familie an jenem stürmischen Tag bei der Versteigerung erfahren hatte – an dem Tag, als das Lamm verkauft wurde.
Julie A. Masters gehört zur Gemeinde Logandale 1 im Pfahl Logandale in Nevada.