2007
Eine warnende Stimme
August 2007


Eine warnende Stimme

„Fasst nichts Unreines an!“ (Jesaja 52:11.)

Nach einer wahren Begebenheit

Schweißperlen liefen Tad über das Gesicht, als er den Auffangbehälter vom Rasenmäher durch das Tor auf die Straße zog. Tad konnte an diesem heißen Samstag nur an eines denken: ein Glas kaltes Wasser! Als er die Mülltonne öffnete, um das gemähte Gras hineinzuwerfen, entdeckte er unten in der Tonne eine Zeitschrift.

Tad griff nach ihr, und als er sie herausholte, streifte er mit dem Arm den heißen Metallrand der Tonne. Autsch! Er stellte sich aufrecht hin und sah sich die Zeitschrift an, die er in der Hand hielt. Auf der Titelseite war eine lächelnde Frau, die unanständig gekleidet war.

Tad fiel ein, dass sein Vater ihn vor Zeitschriften mit solchen Bildern gewarnt hatte. Jemand musste die Zeitschrift in die Mülltonne geworfen haben, als er die Straße entlanggelaufen war.

„Tad, möchtest du etwas zu trinken?“, rief Mutter von der Veranda.

Tads Herz schlug auf einmal ganz schnell. Er wusste, dass er die Zeitschrift in der Tonne hätte lassen sollen, aber er wollte sie nicht wieder hergeben.

„Ich bin gleich da, Mama“, rief Tad. Schnell rollte er die Zeitschrift zusammen und stopfte sie oben in seine Jeans und zog sein T-Shirt darüber. Er warf das gemähte Gras in die Tonne und ging zurück durch das Tor. Mutter gab ihm ein Glas Limonade.

„Danke, Mama“, sagte er.

„Ich danke dir, dass du den Rasen gemäht hast“, entgegnete die Mutter. „Du musst jetzt ins Haus kommen. Dein Gesicht ist von der Hitze ganz rot.“ Sie wandte sich um und ging wieder ins Haus.

Tad wusste, dass sein Gesicht wohl eher deshalb rot war, weil er Angst hatte, erwischt zu werden. Als er sein leeres Glas in die Küche stellte, kam sein Vater plötzlich herein. Tad erschrak.

„Hallo Tad! Bist du mit dem Garten fertig?“, fragte Vater.

„Ja.“

„Ich repariere jetzt das Auto und könnte deine Hilfe gebrauchen“, sagte Vater. „Wie sieht’s aus?“

„Na klar“, antwortete Tad. „Ich bin gleich wieder da.“

„Danke“, sagte Vater und ging hinaus.

„Puh! Das war knapp“, dachte Tad. Er rannte in sein Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Er zog die Zeitschrift hervor. Seine Hände zitterten, als er nach einem Versteck dafür suchte. Tad teilte sich das Zimmer mit seinem kleinen Bruder Alex, und er wollte nicht, dass Alex das Heft fand. Tad zog einen Stuhl zum Schrank. Er kletterte auf den Stuhl und auf dem obersten Regalbrett entdeckte er eine leere Pappröhre, in der früher sein Teleskop war. Er steckte die Zeitschrift in die Röhre und schob sie auf dem Brett ganz nach hinten. Jetzt sagte ihm ein ungutes Gefühl: Wenn du etwas verheimlichen musst, solltest du es gar nicht erst tun. Tad schob dieses Gefühl beiseite und hing hinaus, um seinem Vater zu helfen.

Er war den restlichen Tag so beschäftigt, dass Tad sich nicht das Heft anschauen konnte. Er war frustriert und auch ein wenig durcheinander. Am Sonntag machte er sich für die Kirche fertig, und er fühlte sich immer unwohler. Ein dunkles Gefühl erfüllte ihn und er konnte es nicht loswerden.

„Warum habe ich das Heft behalten?“, fragte er sich. „Warum habe ich es nicht einfach da gelassen, wo es war?“

In der PV ging es in Tads Klasse darum, dass man das Rechte wählen soll, und dass die Jungen sich auf das Priestertum vorbereiten sollen. Tad war auf dem Heimweg ganz in Gedanken versunken. Er nahm sich vor, dass er am Montag nach der Schule das Heft verbrennen werde. Da fühlte er sich schon besser.

Als Tad am Montag aus der Schule kam, rannte er in sein Zimmer. „Je eher ich das erledige, desto besser“, dachte er sich. Doch als er um die Ecke kam, stolperte er fast über einen Stapel Bücher auf dem Fußboden. Er bemerkte den kräftigen, frischen Geruch nach Farbe.

Tad lugte in sein Zimmer und sah Mutter auf seinem Bett sitzen. Auf dem Boden lag ein großes Tuch mit den Malerutensilien. Als Mutter Tad ansah, wusste er, dass sie die schmutzige Zeitschrift gefunden hatte.

Tads Herz schlug immer schneller. „Was machst du mit meinem Zimmer?“, fragte er.

„Ich wollte es streichen und ich hatte das starke Gefühl, dass ich mit dem Schrank anfangen solle“, sagte Mutter. Sie winkte Tad zu, er solle sich neben sie setzen. Sie legte den Arm um ihn und für ein paar Sekunden sagte sie gar nichts. „Der Heilige Geist wollte, dass ich das finde, was du in deinem Schrank versteckt hast.“

Tad ließ den Kopf hängen. Er hatte Angst vor dem, was seine Mutter wohl über ihn dachte. Tränen stiegen ihm in die Augen.

„Woher hast du sie denn?“, fragte Mutter ernst.

„Sie war in der Mülltonne auf der Straße“, sagte er. „Samstagnachmittag.“

„Hast du dir das Heft angeschaut?“

„Nein, Mama. Am Sonntag, na ja, es hat sich einfach falsch angefühlt. Ich wollte es heute gleich nach der Schule verbrennen.“

„Oh Tad, ich freue mich sehr, das zu hören!“ Mutter zog ihn zu sich und umarmte ihn. „Den ganzen Tag habe ich mir Sorgen um dich gemacht. Der Vater im Himmel hat sich auch Sorgen gemacht. Er wollte nicht, dass du dir die pornografischen Bilder anschaust, weil dadurch schlechte Bilder in deinem Kopf gespeichert werden.“

„Es tut mir leid, Mama“, sagte Tad. Er schämte sich so.

„Das sehe ich, Tad. Ich habe den ganzen Tag daran gedacht, was für eine wundervolle Gabe der Heilige Geist und seine warnende Stimme ist.“

Tad war froh, dass seine Mutter darauf gehört hatte. Er nahm sich vor, dass er das nächste Mal auch darauf hören werde.

Als Tad an diesem Abend vor seinem Bett kniete, roch es noch immer nach Farbe. Er sah, wie schön sein Schrank ohne die abgekratzen Stellen, Flecken und Fingerabdrücke aussah. Auch wenn die schmutzige Zeitschrift nur ein Wochenende lang in seinem Schrank war, waren das die beiden längsten, fürchterlichsten Tage seines Lebens gewesen. Als Tad mit seinem Gebet anfing, wusste er, wofür er dem Vater im Himmel als Erstes danken würde: für seine Mutter.

„Der Heilige Geist bewahrt uns davor, getäuscht zu werden; aber um diese große Segnung wirklich zu empfangen, müssen wir stets das tun, was nötig ist, um den Geist bei uns zu haben.“

Elder Dallin H. Oaks vom Kollegium der Zwölf Apostel, „Lasst euch nicht täuschen“, Liahona, November 2004, Seite 46.