Das Sühnopfer in Aktion
Ich wusste, dass der Herr mit meinem Sohn etwas vorhatte, aber als mein Sohn sich für einen Weg entschloss, den ich für ihn nicht wünschte, war ich mir nicht sicher, wie er zurückkommen konnte.
Ich schloss mich 1992 in den Niederlanden der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an. Mein Mann schloss sich jedoch nicht der Kirche an und erlaubte unseren Kindern Alex und Petra (Namen geändert) nicht, dass sie sich taufen ließen. Trotzdem gingen wir drei zur Kirche und hielten regelmäßig den Familienabend ab.
Einige Jahre ging alles gut, aber dann verkündete Alex, als er 13 Jahre alt war, dass er nicht länger zur Kirche gehen oder beim Familienabend dabei sein wollte. Je älter er wurde, umso schlimmer wurde alles. Es war schwer für mich, ihm nahe zu bleiben, denn er begann nicht nur zu rauchen und zu trinken, sondern belog mich auch, was sein Verhalten betraf. Mir brach das Herz, und ich vergoss viele Tränen und sprach viele Gebete, in denen ich den himmlischen Vater anflehte, meinem Sohn zu helfen.
Als ich eines Abends still im Tempel saß, kam mir ein Bild in den Sinn. Ich sah einen jungen Mann, der das Abendmahl austeilte. Es war so, als erinnerte der Herr mich an die Realität und Macht des Sühnopfers, und er ermutigte mich dadurch, meinen Sohn zu lieben und ihm zur Seite zu stehen.
Doch im Laufe der Zeit wurde das Leben sogar noch schwieriger. Nach meiner Scheidung von Alex’ Vater war Alex wirklich niedergeschlagen. Ich wusste, dass er Hilfe brauchte, aber er wollte meine Hilfe nicht, und er hörte auch nicht zu, wenn ich mit ihm sprechen wollte.
Eines Abends fragte unser Zweigpräsident, ob er mit Alex sprechen dürfe. Alex war verärgert, aber er erklärte sich zu einem Gespräch bereit. Nach dem Treffen war Alex auf den Zweigpräsidenten böse, weil dieser ihn aufgefordert hatte, auf Mission zu gehen, und er sagte: „Wenn der Zweigpräsident wirklich ein Mann Gottes wäre, wüsste er es besser. Er wüsste, dass ich dafür nicht würdig bin – warum belästigt er mich?“ An diesem Abend wusste ich, dass der Herr etwas vorhatte.
Der Plan nahm auf unerwartete Weise Gestalt an, als ich einen Anruf von der örtlichen Polizeistation bekam. Alex war verhaftet worden. Mein neuer Mann und ich zogen uns die Mäntel über und holten Alex mitten in der Nacht von der Polizeistation ab. Wir machten keine Szene daraus, ja, Alex’ Stiefvater und ich sprachen nur ganz wenig.
Als wir heimkamen, erzählte uns Alex, was geschehen war, als er und sein Freund einen Motorroller gestohlen hatten. Was er getan hatte, tat ihm sehr leid. Zum ersten Mal sah ich einen gebrochenen jungen Mann vor mir.
Die Verhaftung war ein Wendepunkt für Alex. Die Folgen seiner Handlungen wurden ihm bewusst, und er sah, wohin dies führte. Von diesem Tag an wurden wir reich gesegnet.
Am nächsten Tag erzählte uns Alex, dass er den Polizeibeamten gebeten hatte, uns anzurufen, weil er wusste, dass wir ihn lieb hatten. Er erkannte auch, dass er uns sehr wehgetan hatte, und er war dankbar, dass wir ruhig geblieben waren.
Alex hatte mehrere Freunde, die Mitglieder der Kirche waren und sich um ihn kümmerten. Einer lud ihn zu den Aktivitäten in der Kirche ein. Ein anderer gab ihm ein Buch Mormon und forderte ihn auf, es zu lesen. Und obwohl Alex eine Leseschwäche hat, sah ich ihn immer wieder darin lesen.
Die nächste Segnung – um nur einige aufzuzählen – bestand darin, dass Alex uns bat, ihm einen Anzug zu kaufen, da er beschlossen hatte, zur Kirche zu gehen. Ich dachte, er meinte damit, nur zu Weihnachten. Aber zu meiner großen Überraschung ging er auch nach den Feiertagen mit.
Die nächste Segnung konnte ich kaum fassen: Alex verkündete, dass er sich taufen lassen wollte! Er brauchte keinerlei Unterstützung von mir, sondern bereitete mithilfe seiner Freunde und der Missionare, die ihn belehrten, alles selbst vor. Ich traute meinen Augen kaum, als der Tag kam, wo ich tatsächlich sah, wie mein Sohn, weiß gekleidet, heilige Bündnisse schloss.
Als Alex später seine Bekehrungsgeschichte erzählte, erkannte ich, dass er große Schmerzen und Kummer gelitten hatte, dadurch aber auch so demütig geworden war, dass er auf den Knien um Hilfe gebeten hatte. Alex berichtete: „Als eines Abends meine Last so schwer war, dass ich sie nicht mehr ertragen konnte, fielen mir die Worte eines guten Freundes ein, der mich daran erinnert hatte, dass ich immer um Hilfe beten könne. An diesem Abend beschloss ich, es auszuprobieren. Einen anderen Ausweg gab es ja nicht für mich, und da mich meine Mutter gelehrt hatte, wie man betet, kniete ich nieder und schloss die Augen. Als ich begann, um Hilfe zu flehen, überkam mich ein ganz wunderbares Gefühl. Was ich da auf einmal empfand, werde ich nie vergessen – ich verspürte die reine Christusliebe. Ich fühlte, dass meine Probleme von mir genommen wurden. Seitdem bin ich nie wieder so verzweifelt gewesen – und ich bin mit einem Zeugnis von Jesus Christus gesegnet worden. Mein Herz hat sich gewandelt, sodass ich mir wünsche, Jesus Christus nachzufolgen.“
Nach seiner Taufe, der Konfirmierung und der Ordinierung zum Priestertum wurde Alex gebeten, das Abendmahl auszuteilen – die heiligen Symbole des Opfers des Erlösers. Was ich vor so vielen Jahren im Tempel gesehen hatte, wurde vor meinen Augen Realität. Leise dankte ich dem himmlischen Vater, dass ich das erleben durfte. Es war ein heiliger Augenblick für mich.
Das könnte das Ende der Geschichte sein, aber zum Glück ist es nicht so. Seit damals erlebe ich, wie das Sühnopfer weiterhin auf das Leben meines Sohnes einwirkt. Erinnern Sie sich an die Worte unseres inspirierten Zweigpräsidenten? Das Zeugnis meines Sohnes ist beständig gewachsen, und die Aufforderung unseres Zweigpräsidenten ist Wirklichkeit geworden. Alex hat vor kurzem seine Vollzeitmission beendet. Er ist zwei Jahre lang für andere Menschen dagewesen und hat ihnen geholfen – so wie der Herr für ihn dagewesen ist.
Ich bin dankbar dafür, dass ich Alex’ Mutter bin, aber noch dankbarer bin ich für das Sühnopfer Jesu Christi, das im Leben eines jeden Menschen wirksam ist.