2012
Popcorn, Pioniere und Frieden
Dezember 2012


Popcorn, Pioniere und Frieden

Shirlee Hurst Shields, Utah

Meine Mutter hatte im Ofen Ziegelsteine heiß gemacht und in Tücher gewickelt. So blieben unsere Füße warm, während wir ohne Heizung im Auto unterwegs waren. Man schrieb das Jahr 1935. Wir fuhren Anfang Dezember die knapp 100 Kilometer von Salt Lake City nach Payson, um meine Großeltern zu besuchen. Es herrschte sanftes Schneegestöber, das vor uns auf der Straße aussah wie kleine Wirbelstürme. Mein älterer Bruder Fred und ich waren in warme Mäntel, kratzige Wollsocken und dicke Schals eingemummelt. Mir als Siebenjähriger kam die Fahrt endlos vor.

Diese Fahrt unternahmen wir jeden Dezember. Die Weihnachtszeit begann eigentlich erst, wenn wir bei Oma und Opa Tanner in der warmen Küche saßen und Popcornkugeln machten. Opa schürte das Feuer, und Oma füllte einen Drahtkorb mit Mais, den sie kräftig über dem Feuer schüttelte, bis er sich mit flockigem, weißem Popcorn füllte. In einem großen gusseisernen Topf schüttete Oma dann heiße Honigbutter über das Popcorn und mischte Erdnüsse unter. Wenn die Mischung abgekühlt war, tauchten wir mit gebutterten Händen hinein und formten weihnachtliche Kugeln, die wir dann an Angehörige und Freunde verschenkten.

Doch dieses Mal war Weihnachten anders. Eigentlich saßen Fred und ich im Auto immer auf dem Rücksitz, aber dieses Jahr saßen wir zwischen unseren Eltern eingezwängt auf der Vorderbank. Auf dem Rücksitz stand ein kleiner weißer Sarg mit dem Leichnam unseres einjährigen Bruders Gerold. Zu den Masern war eine Lungenentzündung dazugekommen, die sein junges Leben ausgelöscht hatte. Vor der Abfahrt hatten wir den kleinen Holzsarg aus der Leichenhalle abgeholt.

Auf der zweistündigen Fahrt sang Vater mit uns Weihnachtslieder. Unsere Eltern sangen zweistimmig, und die schönen Lieder trösteten uns in unserer Trauer um den Kleinen.

Als wir bei Opas Haus eintrafen, erwartete uns die sonst so fröhliche Gruppe von Verwandten in ernster, feierlicher Stimmung. Der Sarg wurde vom Rücksitz geholt und in Omas blitzsaubere gute Stube getragen. Der Bischof meiner Großeltern sprach ein paar freundliche Worte, und dann ging es im Auto zum Friedhof, wo wir alle weinten, als der liebe kleine Junge in den gefrorenen Boden gelegt wurde.

Doch dann kam wirklich Weihnachten. Das Feuer wurde geschürt, Popcorn zubereitet, und die weihnachtlichen Popcornkugeln wurden mit Opas Pferdeschlitten ausgeliefert. Auch wenn an diesem Tag Trauer herrschte, verspürte ich doch auch tiefen Frieden, während ich meinen glaubenstreuen Großeltern lauschte, die die Geschichte von der Geburt Jesu vorlasen.

Die Eltern meiner Großeltern waren Pioniere gewesen und hatten viele ihrer kleinen Kinder begraben müssen. Meine Familie trauerte zwar um den Verlust, wandte sich aber, so wie es unsere Vorfahren getan hatten, dem Sohn Gottes und seinem Wort zu. In diesem Jahr nahm ich die Weihnachtsgeschichte anders wahr, denn dank des Kindes, das im Stall geboren worden war, würde das Kind, das wir begraben hatten, wieder leben und einst wieder zu uns gehören.

Viele Jahrzehnte sind seitdem vergangen. Jedes Jahr an Weihnachten gieße ich Honigbutter über Popcorn, mische Erdnüsse unter und forme die Mischung zu Kugeln, und Erinnerungen werden wach.