2015
Wie man dem Nächsten vergeben kann
Juli 2015


Wie man dem Nächsten vergeben kann

Die Verfasserin lebt in Utah.

A sad-looking young woman at school.  Behind her are two other young women who are looking at a cell phone and smiling.

Uns allen kann es einmal passieren, dass uns jemand verletzt. Manchmal erscheint es unmöglich, den Schmerz hinter uns zu lassen. Doch der Heiland hat uns aufgetragen, allen Menschen zu vergeben, selbst, wenn wir uns sehr getroffen fühlen. Vergebung kann harte Arbeit sein, aber wenn wir etwas tun, was uns Christus näherbringt, erlangen wir den Frieden, der mit der Vergebung einhergeht. Hier schildern zwei Mädchen, wie sie es geschafft haben, jemand anderem zu vergeben.

Ich vergab einer Freundin

Als Renee * an eine neue Schule in Belgien wechselte, freute sie sich darauf, neue Freundschaften zu schließen. Doch dann machte eine Freundin etwas, was zu Schwierigkeiten führte. Renee schildert das so:

„Meine Freundin Nora meldete sich auf Facebook unter dem Namen einer anderen Freundin, Kate, an. Sie begann, über dieses Profil Leute zu belästigen, und jeder dachte, Kate stecke hinter diesen Schikanen. Nora machte sich sogar in der Schule über mich lustig und hackte auf meiner Religion und auf mir herum. Ich versuchte, diesen Angriffen aus dem Weg zu gehen, aber das war unmöglich. Ich war dann lieber mit anderen Leuten zusammen.

Als Nora ihren Schwindel mit dem falschen Profil zugab, waren alle sauer auf sie. Nora gab mir einen Brief, in dem sie sich entschuldigte, aber ich dachte, ich könne ihr nicht vergeben. Ich war ziemlich wütend!

Eines Tages las ich in den heiligen Schriften und stieß auf Lehre und Bündnisse 64:9,10: ,Darum sage ich euch: Ihr sollt einander vergeben; denn wer seinem Bruder dessen Verfehlungen nicht vergibt, der steht schuldig vor dem Herrn; denn auf ihm verbleibt die größere Sünde. Ich, der Herr, vergebe, wem ich vergeben will, aber von euch wird verlangt, dass ihr allen Menschen vergebt.‘

Da fiel mir sofort Nora ein. Ich wusste, dass es nicht recht von mir war, so wütend zu sein. Also betete ich und bat den Vater im Himmel, er möge mir helfen, ihr zu vergeben. Es war nicht leicht, aber ich habe es trotzdem geschafft. Anfangs schickte ich ihr Nachrichten, in denen ich sie fragte, wie ihr Tag war, und ab und zu unterhielten wir uns beim Essen. Ich erfuhr, dass Noras Vater vier Jahre zuvor verstorben war. Sie hatte es schwer im Leben und dachte, keiner könnte sie leiden. Da war ich froh darüber, dass ich nicht länger böse auf sie war. Kate und manche andere verstanden nicht, wie ich Nora vergeben konnte, aber ich wusste, ich hatte das Richtige getan, und ich wusste, dass der Vater im Himmel stolz auf mich war.“

Renee erfuhr, dass Gott uns gebietet, allen Menschen zu vergeben. Als sie dieses Gebot befolgte, entwickelte sie Mitgefühl und Verständnis für Nora und war in der Lage, ihr vollständig zu vergeben.

Ich fand nach dem Tod meines Bruders Frieden

Janets Bruder kam bei einem Autounfall ums Leben, den ein betrunkener Jugendlicher und seine Mitfahrer verschuldet hatten. Sie wusste, dass sie die Bitterkeit ablegen musste, die sie ergriffen hatte, aber sie wusste nicht, wie.

„Ich kann gar nicht sagen, was am meisten schmerzte – meine Wut auf diese gedankenlosen Teenager oder dass ich mir wirklich sehnlichst wünschte, meinen Bruder zurückzubekommen. Ich konnte diese große Leere in meinem Leben kaum ertragen. Ich weiß noch, dass ich inständig betete, so lange, dass es mir wie Stunden vorkam. Ich wollte nur eins, nämlich Nathan wiederhaben.

Ich hatte Mitleid mit den Jungs, die für Nathans Tod verantwortlich waren, denn ich wusste ja, dass sie ungeheure Schuldgefühle hatten. Aber ich war auch wütend und voller Groll. Es war so einfach, ihnen die Schuld zu geben. Ich bildete mir ein, ich hätte diesen jungen Männern vergeben, doch wenn ich über den Unfall nachdachte, machte sich immer noch Zorn in mir breit. Ich fragte mich oft, wie ich ihnen bloß jemals ehrlich vergeben sollte und woran ich erkennen würde, ob ich es geschafft habe.

Erst nach hunderten Gebeten, ernsthaftem Fasten und vielem Studieren und Nachdenken spürte ich schließlich, dass ich ihnen tatsächlich vergeben hatte. Ich weiß noch, wie ich eines Tages nachdachte und mir sagte: ,Ich vergebe ihnen. Wie sollte ich auch nicht? Jeder macht doch Fehler, und wer bin ich, dass ich sie verurteilen sollte? Ich werde nie zu einer Lösung kommen, wenn ich weiter an meinen schlechten Gefühlen festhalte, also lass ich sie jetzt los.‘ Dieses Gefühl war erstaunlich! Die ganze Zeit hatte ich unbedingt erkennen wollen, dass ich den jungen Männern wirklich vergeben hatte, und mit der Zeit geschah das dann auch. Ich kann nicht ungeschehen machen, was Nathan passiert ist, aber ich kann mich dafür entscheiden, mit Vergebung und Liebe darauf zu reagieren anstatt mit Wut.“

Janet hat erfahren, dass wahre Vergebung oft Zeit und Anstrengung erfordert. Der Erretter sagte: „Naht euch mir, und ich werde mich euch nahen.“ (LuB 88:63.) Janet kam dem Herrn durch Fasten, Beten, Schriftstudium und andere Bemühungen näher. Wenn wir dasselbe tun, können unsere Wut und unsere Verletzungen dem friedvollen Gefühl der Vergebung weichen.

Von Liebe erfüllt

Wie Janet und Renee können auch wir durch Vergebung mehr Mitgefühl, Verständnis und Geduld aufbringen. Wenn wir anderen vergeben, erfüllt uns der Herr mit seiner reinen Liebe und wir werden ihm ähnlicher.

  • Namen geändert.