Am Scheideweg der Freundschaft
Immer wieder nahm ich meine Freunde vor meinen Eltern in Schutz – und umgekehrt.
Mit 14 Jahren traf ich eine Entscheidung, die alles veränderte. Es war Freitagabend, und ich schlenderte mit ein paar Freunden die Straße entlang. Wie immer hatten wir eine Menge Spaß. Heute gab es jedoch ein Problem, und ich wusste genau, dass ich etwas tun musste. Bloß wusste ich nicht, ob ich das auch schaffen würde.
Seit ein, zwei Jahren probierten meine Freunde Zigaretten und Alkohol – anfangs eher selten, nur ab und zu mal, aber als jener Freitag heranrückte, rauchten und tranken sie bereits regelmäßig, wenn wir allein weggingen.
Ich dachte, wenn ich mich selbst rein hielt, konnte ich mit meinen Freunden doch weiterhin Zeit verbringen. Natürlich spürten meine Eltern, dass mit meinen Freunden etwas nicht stimmte. Und meine Freunde spürten, dass meine Eltern sie nicht akzeptierten. Ich stand zwischen den Fronten: Immer wieder nahm ich meine Freunde vor meinen Eltern in Schutz – und umgekehrt.
Da schlenderten wir also am Freitagabend die Straße entlang, meine Freunde tranken und rauchten wieder, und plötzlich wurde mir bewusst, wie unwohl ich mich bei ihrem Verhalten fühlte. Also fasste ich einen Entschluss:
Ich ging auf die andere Straßenseite.
Meine Freunde lachten mich aus und bezeichneten mich als „superbrav“. Sie sagten, wenn ich nicht zurückkäme, sei ich nicht mehr ihr Freund.
Schließlich erreichten wir das Ende der Straße. Meine Freunde bogen links ab, ich rechts. Ich musste drei Kilometer nach Hause laufen. Nie war mir ein Fußmarsch länger vorgekommen. Man sollte annehmen, dass mich eine solch mutige Entscheidung mit Stolz erfüllte, aber ich fühlte mich furchtbar. Am nächsten Morgen wachte ich auf und erkannte mit Entsetzen, dass ich meine Freunde verloren hatte. Nun stand ich ganz allein da. Für einen 14-Jährigen ist so etwas niederschmetternd.
Ein neuer Freund
Schon ein paar Tage später rief mich ein Junge namens Dave an, der der Kirche angehörte. Er lud mich am Samstagabend zu sich ein. Auch fragte er, ob ich am Tag darauf zum Essen kommen wolle. Ich nahm die Einladung an, denn sie klang schließlich besser als meine Pläne ohne Freunde.
Dave und ich hatten viel Spaß zusammen, und das natürlich ganz ohne Zigaretten und Alkohol. Als Daves Vater vor dem Essen ein Gebet sprach, erfüllte mich ein gutes Gefühl. Mir kam der Gedanke, dass nun vielleicht – aber nur vielleicht – alles besser werde.
Dave wurde mein bester Freund. Wir spielten zusammen Football, gingen zusammen zur Schule, bereiteten uns gemeinsam auf Mission vor. Nach der Mission teilten wir uns am College ein Zimmer. Wir halfen einander, die richtige Frau zu finden und auf dem engen und schmalen Weg zu bleiben – bis zum Tempel und darüber hinaus. Auch nach all den Jahren sind wir immer noch gut befreundet. Das alles begann mit einem einfachen Anruf zum rechten Zeitpunkt.
Der Einfluss einer Mutter
Jedenfalls dachte ich, dass es so begann. Stell dir vor, wie überrascht ich war, als ich Jahre später herausfand, dass meine Mutter hinter all dem gesteckt und unsere Freundschaft eingefädelt hatte! Nachdem ich meine Freunde verloren hatte, bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie rief Daves Mutter an und wollte mit ihr besprechen, was sie für mich tun konnten. Daves Mutter überredete ihren Sohn, mich anzurufen und einzuladen. Manchmal gibt der Heilige Geist uns ein, jemandem zu helfen. Manchmal kommt eine solche Eingebung aber auch von einem Engel – wie einer Mutter –, der „durch die Macht des Heiligen Geistes“ redet (2 Nephi 32:3).
Ich habe mich oft gefragt, wie das Leben wohl bei mir und auch bei Dave verlaufen wäre, hätte meine Mutter nicht bemerkt, dass ich Probleme hatte, und dann etwas dagegen getan. Erinnert dich das nicht auch daran, wie der Vater im Himmel uns segnet? Er weiß genau, was wir alles brauchen, und er sendet „Segen aus der Höh durch andrer Menschen Wort und Tat“ („Wenn uns ein Mensch zum Guten lenkt“, Gesangbuch, Nr. 193).
Ein gemeinsamer Weg
Letzten Endes sind wir für unsere Entscheidungen selbst verantwortlich. Präsident Thomas S. Monson betont immer wieder: „Unsere Entscheidungen bestimmen unser Schicksal.“1 Viele dieser Entscheidungen muss jeder für sich allein treffen. Oft bewirkt eine Entscheidung, dass wir uns ausgegrenzt fühlen, sogar einsam. Doch der Vater im Himmel hat uns nicht allein hierhergeschickt.
Die Entscheidungen, die ich in wichtigen Augenblicken getroffen habe, haben mein ganzes Leben zum Guten beeinflusst. Die Inspiration und Kraft zu diesen Entscheidungen kam jedoch von den Gebeten meiner Mutter und der Unterstützung und Freundschaft von Dave.
Der Test, den wir als Erdenleben bezeichnen, verläuft anders als ein Test in der Schule, bei dem man nur aufs eigene Blatt schaut und seinem Sitznachbarn nicht helfen darf. In diesem Test hingegen können und müssen wir einander helfen – das ist sogar ein fester Bestandteil davon. Manchmal führen deine Entscheidungen dich ganz allein auf die andere Straßenseite, aber sei dir bitte bewusst, dass es viele auf dieser Straßenseite gibt, die ebenfalls schwierige Entscheidungen getroffen haben, damit sie auf der Seite des Herrn stehen können. Sie gehen den Weg mit dir gemeinsam, und sie brauchen dich ebenfalls an ihrer Seite.