In seinem Namen segnen
Wir erhalten das Priestertum, damit wir Menschen für den Herrn segnen können, und zwar in seinem Namen
Meine lieben Brüder, die Sie im Priestertum Gottes mit mir dienen, es ist mir eine Ehre, heute Abend zu Ihnen zu sprechen. Ich hege tiefe Achtung und Dankbarkeit für Sie. Nach allem, was ich aus Gesprächen mit Ihnen über Ihren großen Glauben erfahre, bin ich überzeugt, dass die Priestertumsmacht in der Welt immer mehr zunimmt, mit immer stärker werdenden Kollegien und immer treueren Priestertumsträgern.
In der kurzen Zeit, die mir heute Abend zur Verfügung steht, wende ich mich an diejenigen, die in ihrem Priestertumsdienst noch mehr bewirken wollen als bisher. Sie kennen Ihre Verantwortung, Ihre Berufung, zu dienen, groß zu machen.1 Vielleicht fragen Sie sich aber, was Ihre Berufung groß zu machen konkret für Sie bedeutet.
Ich beginne mit den neuesten Diakonen, weil diese sich wohl am ehesten unsicher sind, was es bedeutet, ihren Priestertumsdienst groß zu machen. Neu ordinierten Ältesten geht es vielleicht ähnlich. Es interessiert Sie vielleicht auch, wenn Sie gerade seit ein paar Wochen Bischof sind.
Für mich ist es aufschlussreich, auf meine Zeit als Diakon zurückzublicken. Ich wünschte, jemand hätte mir damals gesagt, was ich jetzt anrege. Es hätte bei all den Priestertumsaufträgen helfen können, die ich seither erhalten habe – selbst bei denen, die ich heutzutage erhalte.
Der Zweig, in dem ich ordiniert wurde, war so klein, dass ich der einzige Diakon und mein Bruder Ted der einzige Lehrer war. Wir waren die einzige Familie im Zweig. Der gesamte Zweig versammelte sich bei uns zuhause. Als Priestertumsführer zuständig für mich und meinen Bruder war ein Neubekehrter, der selbst gerade erst das Priestertum empfangen hatte. Ich glaubte damals, meine einzige Priestertumspflicht bestehe darin, das Abendmahl in meinem eigenen Esszimmer auszuteilen.
Als meine Familie nach Utah zog, kam ich in eine große Gemeinde mit vielen Diakonen. In meiner ersten Abendmahlsversammlung dort beobachtete ich, mit welcher Präzision die Diakone – ein ganzes Heer, wie mir schien – sich bewegten, als sie das Abendmahl wie ein eingespieltes Team austeilten.
Mir war so bange, dass ich am Sonntag darauf früh zum Gemeindehaus ging, um allein und unbeobachtet zu sein. Ich weiß noch, dass das die Gemeinde Yalecrest in Salt Lake City war, mit einer Statue auf dem Gelände. Ich ging hinter die Statue und betete inständig darum, zu erkennen, wie es mir gelingen sollte, nicht zu versagen, wenn ich meinen Platz als Abendmahlsausteiler einnahm. Dieses Gebet wurde erhört.
Mittlerweile aber weiß ich, dass es eine bessere Art gibt, zu beten und zu denken, wenn wir uns bemühen, im Priestertumsdienst zu wachsen. Das rührt daher, dass ich nun verstehe, warum man das Priestertum erhält. Wir erhalten das Priestertum, damit wir Menschen für den Herrn segnen können, und zwar in seinem Namen.2
Erst Jahre, nachdem ich Diakon gewesen war, lernte ich, was das eigentlich bedeutet. So bekam ich beispielsweise als Hoher Priester den Auftrag, eine Abendmahlsversammlung in einem Pflegeheim zu besuchen. Ich wurde gebeten, das Abendmahl auszuteilen. Ich dachte nicht darüber nach, auf welche Weise oder mit welcher Präzision ich das Abendmahl austeilte, sondern blickte jedem der Senioren ins Gesicht. Vielen kamen die Tränen. Eine Frau griff nach meinem Ärmel, schaute auf und sagte laut: „Haben Sie vielen, vielen Dank!“
Der Herr hatte meinen Dienst gesegnet, der in seinem Namen geleistet wurde. An diesem Tag hatte ich darum gebetet, dass ein solches Wunder geschehen würde, und nicht darum, dass ich meine Aufgabe gut erfülle. Ich betete darum, dass die Menschen durch meinen liebevollen Dienst die Liebe des Herrn spüren würden. Ich habe gelernt, dass dies der Schlüssel dazu ist, in seinem Namen anderen zu dienen und sie zu segnen.
Vor kurzem habe ich etwas gehört, was mich an solche Liebe erinnert hat. Als wegen der COVID-19-Pandemie alle Versammlungen der Kirche ausgesetzt waren, nahm ein betreuender Bruder von seinem Ältestenkollegiumspräsidenten den Auftrag an, einer Schwester, die er betreute, das Abendmahl zu spenden. Als er sie anrief und ihr anbot, ihr das Abendmahl zu bringen, willigte sie nur zögerlich ein, da ihr nicht wohl dabei war, dass er in dieser gefährlichen Zeit ihretwegen das Haus verließ. Außerdem war sie überzeugt, dass die Lage sich bald wieder normalisieren würde.
Als er am Sonntagvormittag bei ihr eintraf, hatte sie eine Bitte. Konnten sie nach nebenan gehen und auch ihre 87-jährige Nachbarin am Abendmahl teilnehmen lassen? Er holte die Genehmigung des Bischofs ein und stimmte zu.
Viele, viele Wochen lang versammelte sich diese kleine Gruppe Heiliger unter genauester Einhaltung der Abstandsregeln und anderer Sicherheitsvorkehrungen jeden Sonntag zu einem schlichten Abendmahlsgottesdienst. Nur einige wenige Stücke gebrochenen Brotes und Becher mit Wasser – aber viele Freudentränen dank der Güte eines liebevollen Gottes.
Nach einer Weile konnten der betreuende Bruder, seine Familie und die Schwester, die er betreute, wieder in die Kirche gehen. Die Nachbarin der Schwester, die 87-jährige Witwe, musste jedoch zuhause bleiben, um jedes Risiko zu vermeiden. Der betreuende Bruder – der ja eigentlich gar nicht für diese ältere Schwester zuständig war, sondern für deren Nachbarin – kommt heute noch jeden Sonntag still und leise mit den heiligen Schriften und einem kleinen Stück Brot in der Hand zu ihr nach Hause, um das Abendmahl des Herrn zu spenden.
Sein Priestertumsdienst, so wie meiner an jenem Tag im Pflegeheim, wird aus Liebe geleistet. Dieser betreuende Bruder hat kürzlich sogar seinen Bischof gefragt, ob es noch andere in der Gemeinde gebe, um die er sich kümmern könne. Sein Wunsch, seinen Priestertumsdienst groß zu machen, ist gewachsen, als er im Namen des Herrn und auf eine Weise gedient hat, die fast ausschließlich dem Herrn bekannt ist. Ich weiß nicht, ob der betreuende Bruder so wie ich damals dafür gebetet hat, dass diejenigen, denen er dient, die Liebe des Herrn erfahren mögen, aber weil sein Dienst im Namen des Herrn erfolgt ist, ist genau das geschehen.
Das gleiche wunderbare Ergebnis wird auch erzielt, wenn ich es im Gebet erflehe, bevor ich jemandem, der krank oder in Not ist, einen Priestertumssegen spende. Einmal geschah dies, als ungeduldige Ärzte mich in einem Krankenhaus drängten – oder vielmehr mir unmissverständlich befahlen –, mich zu beeilen und beiseitezutreten, damit sie ihre Arbeit erledigen könnten. Sie hätten mir am liebsten nicht die Zeit eingeräumt, einen Priestertumssegen zu spenden. Doch ich blieb und spendete den Segen. Das kleine Mädchen, das ich an jenem Tag segnete, blieb entgegen aller Befürchtungen der Ärzte am Leben. Ich bin dankbar, dass ich mir in jenen Minuten damals nicht die Ruhe nehmen ließ, sondern spürte, dass der Herr wollte, dass das kleine Mädchen einen Segen bekam. Und ich wusste, womit ich die Kleine segnen sollte: Ich gab ihr den Segen, gesund zu werden. Und das wurde sie auch.
Es geschah viele Male, wenn ich im Beisein von Angehörigen, die in der Hoffnung auf einen heilenden Segen das Bett umringten, jemandem einen Segen spendete, der dem Tod nahe zu sein schien. Auch wenn mir nur ein Augenblick Zeit bleibt, bete ich stets darum, zu erfahren, welchen Segen der Herr bereithält, den ich in seinem Namen spenden kann. Und ich frage ihn, wie er den Betreffenden segnen möchte, unabhängig davon, was ich oder die Umstehenden wünschen. Meine Erfahrung ist, dass der Geist, auch wenn der Segen nicht dem entspricht, was andere sich für sich selbst oder einen geliebten Menschen wünschen, ihnen das Herz so berührt, dass sie es akzeptieren und Trost statt Enttäuschung empfinden.
Die gleiche Inspiration stellt sich ein, wenn ein Patriarch um Führung fastet und betet, damit er den Segen spenden kann, den der Herr für den Betreffenden wünscht. Auch hier habe ich Segen gehört, die mich und auch den Empfänger des Segens überrascht haben. Jedes Mal stammte der Segen eindeutig vom Herrn, die darin enthaltenen Warnungen gleichermaßen wie die in seinem Namen ausgesprochenen Verheißungen. Das Beten und das Fasten des Patriarchen wurden vom Herrn belohnt.
Als Bischof lernte ich, während Würdigkeitsinterviews darum zu beten, dass der Herr mir ein Gespür dafür gibt, was er für den Betreffenden möchte, und dafür sorgt, dass jegliche Inspiration, die von ihm kommt, nicht durch mein eigenes Urteil getrübt wird. Dies ist schwer, wenn der Herr jemanden liebevoll mit Zurechtweisung segnen möchte. Es kostet Mühe, das, was der Herr möchte, von dem zu unterscheiden, was man selbst oder der Betreffende vielleicht möchte.
Ich glaube, dass wir unseren Priestertumsdienst im Laufe unseres Lebens und vielleicht sogar darüber hinaus immer mehr verstärken können. Es hängt davon ab, wie eifrig wir uns bemühen, den Willen des Herrn zu erkennen und seine Stimme zu vernehmen, damit wir besser wissen können, was er für den Menschen möchte, dem wir in seinem Auftrag dienen. Diese Verstärkung erfolgt in kleinen Schritten. Sie mag sich langsam einstellen, aber sie wird nicht ausbleiben. Der Herr verheißt uns Folgendes:
„Denn diejenigen, die treu sind, sodass sie diese zwei Priestertümer erlangen, von denen ich gesprochen habe, und ihre Berufung groß machen, werden vom Geist geheiligt, sodass sich ihr Körper erneuern wird.
Sie werden Söhne Moses und Aarons und Nachkommen Abrahams und die Kirche und das Reich und die Auserwählten Gottes.
Und alle, die dieses Priestertum empfangen, die empfangen auch mich, spricht der Herr.“3
Es ist mein Zeugnis, dass die Schlüssel des Priestertums dem Propheten Joseph Smith wiederhergestellt wurden. Diener des Herrn sind aus dem Himmel erschienen, um das Priestertum für die bedeutenden Ereignisse wiederherzustellen, die sich bereits abgespielt haben oder die noch vor uns liegen. Israel wird gesammelt werden. Das Volk des Herrn wird auf sein herrliches Zweites Kommen vorbereitet sein. Die Wiederherstellung wird weitergehen. Der Herr wird seinen Propheten und seinen Dienern mehr von seinem Willen offenbaren.
Sie mögen sich angesichts all des Großen, was der Herr insgesamt vollbringen wird, klein vorkommen. Falls dem so ist, fragen Sie doch im Gebet, wie der Herr Sie sieht. Er kennt Sie persönlich, er hat Ihnen das Priestertum übertragen, und wenn Sie sich erheben und das Priestertum groß machen, ist ihm das wichtig, weil er Sie liebt und Ihnen vertraut, dass Sie Menschen, die er liebt, in seinem Namen segnen werden.
Ich segne Sie nun, dass Sie in der Lage sein mögen, seine Liebe und sein Vertrauen zu spüren. Im Namen des Herrn Jesu Christi. Amen.