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Das erste Gebot zuerst
Gott gibt uns das Gebot, ihn zu lieben, weil er weiß, was das in uns bewirkt
In jedem der drei synoptischen Evangelien – in Matthäus, Markus und Lukas – kommt die Begebenheit vor, wie Jesus nach dem wichtigsten Gebot im Gesetz gefragt wird. In Matthäus wird die Frage von einem Gesetzeslehrer gestellt, dessen Beweggründe unaufrichtig sind und der den Meister damit auf die Probe stellen will (siehe Matthäus 22:35,36). In Markus kommt die Frage von einem Schriftgelehrten, der jedoch aufrichtig an der Antwort interessiert ist (siehe Markus 12:28-34). Im Lukasevangelium wird wiederum ein Gesetzeslehrer genannt, der Jesus auf die Probe stellen will (siehe Lukas 10:25).
Obwohl ich als Rechtsanwalt tätig war, fällt es mir schwer, für diesen Gesetzeslehrer hier einzutreten. Doch ich will ihm zumindest – trotz seiner Beweggründe – zugutehalten, dass er diese Frage gestellt hat, denn die Antwort des Erretters darauf ist wunderbar tiefgründig. Auch für die zweite Frage – „Und wer ist mein Nächster?“ – schulden wir dem Gesetzeslehrer Dank (Lukas 10:29), denn sie ist der Auslöser für das bewegende Gleichnis des Erretters vom barmherzigen Samariter (siehe Lukas 10:30-37). Der Gesetzeslehrer bekam mehr, als ihm lieb war. Doch wir haben dadurch etwas Unbezahlbares erhalten.
Im Matthäusevangelium lesen wir die Antwort Jesu, die uns ja allen vertraut ist:
„Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?
[Jesus] antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.
Das ist das wichtigste und erste Gebot.
Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 22:36-40.)
Wir sollen Gott also mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Denken lieben – wobei Markus und Lukas noch „mit deiner ganzen Kraft“ (Markus 12:30; Lukas 10:27) hinzufügen.
Bitte überlegen Sie doch, wie erhaben diese beiden wichtigsten Gebote sind, an denen „das ganze Gesetz und die Propheten“ hängen, und warum dabei das erste Gebot an erster Stelle steht. Welche Bedeutung hat diese Reihenfolge für uns?
Das zweite Gebot ist eine großartige Anleitung bei jedwedem zwischenmenschlichen Umgang. Wie wäre die Welt wohl, wenn das zweite Gebot allgemein anerkannt und befolgt würde? Denken Sie doch mal, was es dann alles nicht geben würde. Unter anderem gäbe es keine Gewaltverbrechen, keine Misshandlung und keinen Missbrauch, keinen Betrug, keine Verfolgung und kein Mobbing, keinen Klatsch und gewiss keinen Krieg. Das zweite Gebot entspricht im Grunde genommen der Goldenen Regel: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 7:12; siehe auch Lukas 6:31; 3 Nephi 14:12.) Als Jünger müssen wir bewusst nach diesem zweiten Gebot leben, indem wir uns liebevoll und einfühlsam jedem zuwenden, den der Herr als unseren Nächsten bezeichnet – einem jedem somit.
Um „das Gesetz und die Propheten“ zu stützen – jene Gesamtheit an Wahrheit und Geboten, die Gott festgelegt hat und die von den Propheten gelehrt wird –, werden sowohl das erste als auch das zweite Gebot gebraucht, und sie gehen Hand in Hand. Aber warum hat das erste Gebot übergeordnete Priorität? Mir kommen dafür mindestens drei Gründe in den Sinn.
Erstens ist da der grundlegende Charakter des ersten Gebots als Basis von allem zu nennen. Das zweite Gebot ist zwar wunderbar und unerlässlich, es schafft jedoch nicht die nötige Grundlage für unser Leben und soll das auch gar nicht. Wenn wir das zweite Gebot befolgen, sind wir zwar nette Menschen, doch zu welchem Zweck? Was ist Sinn und Zweck unseres Daseins? Sinn und Zweck sowie Orientierung finden wir darin, wenn wir das erste und wichtigste Gebot betrachten.
Das erste Gebot an die erste Stelle zu setzen bedeutet keineswegs, dass unsere Fähigkeit, das zweite Gebot zu halten, dadurch geschmälert oder eingeschränkt wird. Im Gegenteil, sie wird erweitert und gestärkt. Es bedeutet nämlich, dass wir unsere Liebe stärken, indem wir sie in einem göttlichen Zweck und in göttlicher Macht verankern. Es bedeutet, dass wir den Heiligen Geist haben, der uns auf bisher ungeahnte Weise dazu inspiriert, wie wir auf andere zugehen können. Unsere Liebe zu Gott vergrößert unsere Fähigkeit, unsere Mitmenschen noch umfassender und vollkommener zu lieben, weil wir im Grunde gemeinsam mit Gott daran arbeiten, uns um seine Kinder zu kümmern.
Zweitens: Wenn man das erste Gebot missachtet oder die Reihenfolge zwischen erstem und zweitem Gebot umkehrt, läuft man Gefahr, im Leben das Gleichgewicht zu verlieren, und gelangt auf zerstörerische Abweichungen vom Weg des Glücklichseins und der Wahrheit. Unsere Liebe zu Gott und unsere Fügsamkeit ihm gegenüber schützen uns vor dem menschlichen Hang, Tugenden zu verderben, indem sie bis ins Extrem übersteigert werden. So ist etwa Mitgefühl für die Bedrängnis unseres Nächsten edel und gut, selbst wenn dessen Leid durch seine eigene Übertretung zustande gebracht wurde. Doch ungezügeltes Mitgefühl kann uns – wie das etwa bei Almas Sohn Korianton der Fall war – dazu bringen, Gottes Gerechtigkeit in Frage zu stellen und seine Barmherzigkeit falsch zu verstehen (siehe Alma 42:1).
Beispielsweise meinen manche, jemanden zu lieben bedeute, dass wir Gottes Gesetze dergestalt verdrehen oder missachten müssen, dass wir Sünde befürworten oder billigen können. Elder Jeffrey R. Holland hat über diese falsche Vorstellung gesagt:
„Wenn nun also Liebe unsere Losung sein soll – und so muss es sein –, dann müssen wir auf Geheiß desjenigen, der die Liebe in Person ist, von der Übertretung lassen und dürfen sie auch nicht im Geringsten bei anderen befürworten. Jesus wusste genau, was viele in unserer modernen Kultur zu vergessen scheinen: Es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen dem Gebot, Sünde zu vergeben (wozu er in unbegrenztem Maße imstande war), und der Warnung, sie zu dulden (was er nicht ein einziges Mal getan hat).“1
Wie Alma Korianton erklärt hat, bedürfen wir sowohl der Gerechtigkeit als auch der Barmherzigkeit, und nur durch Gottes Liebe – durch das Geschenk seines Sohnes – sowie das Geschenk des Sohnes – nämlich die Gabe der Umkehr – können wir in den Genuss von beidem kommen (siehe Alma 42:13,15,22-24).
Drittens muss das erste Gebot an erster Stelle stehen, weil mit Bemühungen, Liebe an den Tag zu legen, die nicht auf Gottes Wahrheiten gegründet sind, die Gefahr einhergeht, dass wir demjenigen, dem wir eigentlich helfen wollen, Schaden zufügen. Präsident Russell M. Nelson hat gesagt:
„Da der Vater und der Sohn unendliche, vollkommene Liebe für uns empfinden und da sie wissen, dass wir nicht alles erkennen, was sie erkennen, haben sie uns Gesetze gegeben, die uns leiten und schützen.
Gottes Liebe und Gottes Gesetze sind also eng miteinander verknüpft.“2
Das sind also drei Gründe, weshalb das erste Gebot an erster Stelle stehen muss. Doch wir sollten wahrscheinlich noch einen weiteren nennen, der an sich ja bereits ausreicht: Das erste Gebot steht deswegen an erster Stelle, weil Gott es an die erste Stelle gesetzt hat.
Das erste und wichtigste Gebot gibt uns das wahre Leitbild für unser Leben an die Hand. Präsident Ezra Taft Benson hat einmal gesagt:
„Wenn wir Gott an die erste Stelle setzen, nimmt alles andere seinen rechten Platz ein, oder es verschwindet aus unserem Leben. Unsere Gottesliebe bestimmt dann, wer oder was unsere Zuneigung, unsere Zeit, unser Interesse beansprucht und was wir an die erste Stelle setzen.“3
Gottes Liebe zu uns ermöglicht es uns, „ebensolchen Fortschritt“ zu machen wie auch er
Gott, der uns das Gebot gibt, ihn zu lieben, hat uns zuerst geliebt (siehe 1 Johannes 4:19). Denken wir doch einen Moment darüber nach, was Gottes Liebe bisher in unser aller Leben bedeutet und worauf sie hinweist. Schon bevor wir als Geist existiert haben, hat es uns als unerschaffene Intelligenzen gegeben. Gott kam inmitten der Intelligenzen hernieder und entwarf einen Plan, durch den wir Fortschritt machen können. Joseph Smith sagte dazu:
„Gott, der ja intelligenter war als alle, sah sich inmitten von Geistern [also Intelligenzen] und Herrlichkeit und hielt es für richtig, Gesetze wirksam werden zu lassen, die den übrigen einen ebensolchen Fortschritt ermöglichen konnten.“4
Sein Plan umfasste bekanntlich, dass wir seine Geistkinder werden, was ein herrlicher Schritt nach vorne war, unser erster Stand also (siehe Abraham 3:26). Dann bereitete er den Weg, wie wir zum Geistigen auch die Beigabe des Physischen erlangen – einen „zweiten Stand“ (Abraham 3:26), der unentbehrlich ist, wollen wir die Fülle der Existenz und Herrlichkeit, wie Gott sie besitzt, empfangen. Dies machte die Erschaffung einer Erde erforderlich, die als Rahmen für den „Zustand der Bewährung“ (Alma 12:24) dient, und ebenso den geistigen wie den physischen Tod sowie einen Erretter, der uns erlösen und auferstehen lassen sollte. Bei all dem hat Gott uns Entscheidungsfreiheit gegeben und größere sowie geringere Ergebnisse und Segnungen vorbereitet gemäß dem, wofür wir uns entscheiden sollten.
Daher macht der Vater im Himmel seit unserem Urzustand als Intelligenzen uns – unsere Unsterblichkeit und unser ewiges Leben – zum Mittelpunkt seines Wesens und seines Wirkens. Er betrachtet es als sein Werk und seine Herrlichkeit, dies zustande zu bringen (siehe Mose 1:39). Ich glaube nicht, dass er irgendetwas davon tun muss. Warum tut er das also für uns? Was ist sein Beweggrund? Kann es einen anderen Grund geben als Liebe? Ein eindeutiger Beweis dafür besteht darin, dass er uns ja seinen Sohn geschenkt hat:
„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Johannes 3:16.)
Ist es zu viel verlangt, dass wir im Gegenzug Gott zum Mittelpunkt unseres Lebens machen und ihn so lieben, wie er uns liebt – mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Sinn und aller Kraft? Wie können wir uns seiner Liebe zu uns widersetzen und ihm unsere eigene Liebe vorenthalten, wo wir doch wissen, dass unsere Liebe zu Gott der Schlüssel zu unserem eigenen Glück ist?
Unsere Liebe zu Gott – das Beispiel des Erretters
Wenn wir Gott in vollem Umfang unseres Herzens, unserer Seele, unseres Sinnes und unserer Kraft lieben, liegt unser Schwerpunkt im Leben darin, seine Wünsche zu erfüllen. Natürlich hat das kein Wesen jemals vollständiger und vollkommener getan als unser Vorbild, Jesus Christus, der einmal gesagt hat: „[Der Vater] hat mich nicht alleingelassen, weil ich immer das tue, was ihm gefällt.“ (Johannes 8:29.) Seine höchste Priorität war und ist es, den Vater zu verherrlichen.
Diese höchste Priorität, diese höchste Treue versetzte Jesus in die Lage, sein Sühnopfer bis zum Abschluss hin zu vollbringen und den bittersten aller Kelche bis zum letzten Tropfen zu trinken. In diesem größten (ja, im wahrsten Sinne des Wortes übermenschlichen) Opfer ließ das Ausmaß des Leidens den Erlöser, wie er selbst feststellte, „mich, selbst Gott, den Größten von allen, der Schmerzen wegen zittern und aus jeder Pore bluten und an Leib und Geist leiden – und ich wollte den bitteren Kelch nicht trinken und zurückschrecken“ (Lehre und Bündnisse 19:18). Dennoch übertraf seine Liebe zum Vater und sein Wunsch, ihn zu verherrlichen, selbst das unbegreifliche Leiden. Der Herr selbst schildert es so: „Doch Ehre sei dem Vater, und ich trank davon und vollendete meine Vorbereitungen für die Menschenkinder.“ (Lehre und Bündnisse 19:19; Hervorhebung hinzugefügt.)
Als Christus am Kreuz hing, lag unser Schicksal – unsere Unsterblichkeit und unser ewiges Leben – in der Waagschale, und das, was zu unseren Gunsten den Ausschlag gab, damit unsere Existenz wirklich von Bedeutung sei, war, dass Jesus Christus den Vater mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Sinn und aller Kraft liebte.
Christus lebte uns also das Muster vor: Treue gegenüber Gott steht über allem und jedem, zudem ist da das Bewusstsein, dass wir ihm allzeit und in allem Rechenschaft schuldig sind, und dazu kommt noch der drängende Wunsch, seinen Willen zu erkennen und zu tun. Dies ist unsere Richtschnur bei Entscheidungen. Wenn wir Gott zuerst lieben, sehen wir die Welt und unser Leben mit seinen Augen und nicht mit den Augen eines anderen (auch nicht eines Influencers in den sozialen Medien).
Wie sieht es also aus, wenn man das erste Gebot an die erste Stelle setzt? Ich kann nicht alles aufzählen, was es bedeutet, Gott mehr als alles andere zu lieben, aber ich möchte einige Beispiele anführen.
Das erste Gebot an die erste Stelle setzen: Haltet meine Gebote
Gewiss ist beim Halten des ersten Gebots unser strikter Gehorsam gegenüber Gott ausschlaggebend. Der Erretter hat gesagt: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (Johannes 14:15; siehe auch Lehre und Bündnisse 42:29.) Jesus war fest entschlossen, jedes einzelne Gebot seines Vaters zu halten, und zeigte uns, was Gehorsam gegenüber Gott im Alltag wirklich bedeutet.
Ein guter Freund von mir hat einmal über die offenbar überall vorherrschende menschliche Neigung gesprochen, Ausreden zu gebrauchen, wenn es um Gottes Gebote geht. Beispielsweise stellte er aus Beobachtung und eigener Erfahrung fest, dass jede Frage, die mit „Ist es dem Herrn wirklich wichtig, ob ich …?“ anfängt, stets mit einem „Nein“ beantwortet wird. Auf diese bequeme Art lässt sich fast alles entschuldigen, solange wir uns nur einreden können, dass der Herr sich gewiss nicht um etwas schert, was wir als ziemlich unbedeutend erachten. Mein Freund stellte jedoch fest, dass dies die falsche Frage sei. Es gehe nicht darum, ob es dem Herrn wichtig ist, sondern darum, ob wir das tun, was wir versprochen haben. Die Frage lautet also: „Welches Zeichen gebe ich Gott in Hinblick auf meine Liebe zu ihm?“ oder „Was bedeutet es, seine Gebote und Bündnisse genau und ehrenvoll zu halten?“
Natürlich besteht einer der wesentlichsten Aspekte am Halten des ersten Gebots darin, auch das zweite Gebot zu halten, nämlich unsere Brüder und Schwestern zu lieben. Johannes hat gesagt: „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht.“ (1 Johannes 4:20.) Diese Worte des Herrn sind uns vertraut: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Johannes 13:35.)
Das erste Gebot an die erste Stelle setzen: Weide meine Schafe
Mit der disziplinierten Fügsamkeit Gottes Geboten gegenüber ist eines eng verbunden: dem Herrn und seiner Sache zu dienen. An Petrus und an uns wiederholt der Herr seine Frage dreimal: „Liebst du mich?“ (Siehe Johannes 21:15-17.) Und wie bei Petrus muss auch unsere Antwort lauten: „Ja, sogar mehr als meine Karriere oder sonst etwas.“ Und wir alle vernehmen die Stimme des Hirten: „Weide meine Lämmer!“ (Johannes 21:15); „Weide meine Schafe!“ (Johannes 21:16,17.)5
Ich bin überzeugt, dass unser Vater im Himmel und sein geliebter Sohn sich über die Hilfeleistungen eines jeden von Ihnen freuen, wie begrenzt oder unbedeutend sie in dieser riesigen Welt großer Not auch scheinen mögen. Jede Tat und jede Opfergabe ist von Bedeutung. Ich bin mir auch sicher, dass sich Gott und sein Sohn darüber freuen, was wir als Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und auch gemeinsam mit anderen leisten. Ein Beispiel von vielen ist hier die wahrhaft christliche Hilfe zur Linderung des Leids, das durch den gegenwärtigen Krieg gegen die Ukraine entstanden ist. Wir bemühen uns beständig, uns um das zu kümmern, was gerade notwendig ist, und lassen die rechte Hand nicht wissen, was die linke tut, aber ich hoffe, dass wir als Kirche in Zukunft umfassender darüber berichten können, damit Sie mehr darüber erfahren, was Sie als Teil des Leibes Christi tun, um seine Schafe zu weiden.
Das erste Gebot zu halten bedeutet auch, sich für die Sache des Herrn auf Erden einzusetzen und mitzuhelfen, das ewige Leben der Kinder unseres Vaters zustande zu bringen. Ich kann mir kein besseres Beispiel vorstellen als den Missionsdienst, den viele von Ihnen geleistet haben oder noch leisten werden. Wir von den Zwölf Aposteln ergreifen voller Begeisterung gern jede Gelegenheit, mit Missionaren zusammenzukommen – und zwar wegen des erbaulichen, erneuernden Geistes, den wir unter denen verspüren, die so eifrig daran beteiligt sind, Gottes Schafe und Lämmer zu weiden.
In unserer Zeit ist die Sammlung des Bundesvolkes Gottes auf Erden und in der Geisterwelt, wie Präsident Russell M. Nelson betont, ein wesentlicher Bestandteil dessen, was es für uns bedeutet, das erste und wichtigste Gebot zu halten.
Das erste Gebot an die erste Stelle setzen: Ruft ihn an! Weidet euch an seinen Worten!
Eine weitere Möglichkeit, wie wir das erste Gebot an die erste Stelle setzen, ist ganz offensichtlich und bedeutet, dass wir Gott im Gebet anrufen und uns an seinem Wort weiden, um mehr Verständnis und Weisung zu erlangen. Wir wollen erkennen und tun, was er möchte. Wir möchten das wissen, was er weiß. Wir wollen alles lernen, was er uns als seine Jünger zu lehren gewillt ist. Wir wünschen uns persönliche Offenbarung.
Amulek legte uns ans Herz, Gott im Namen Christi um Barmherzigkeit anzurufen – für unseren Haushalt und für unsere Felder und Herden. Er legte uns ans Herz, Gott gegen die Macht unserer Feinde und den Einfluss des Teufels anzurufen. „Und wenn ihr den Herrn nicht anruft, so lasst euer Herz voll sein, ständig im Gebet zu ihm hingezogen für euer Wohlergehen und auch für das Wohlergehen derer, die um euch sind.“ (Alma 34:27.)6
Nephi riet uns: „Weidet euch an den Worten von Christus; denn siehe, die Worte von Christus werden euch alles sagen, was ihr tun sollt.“ (2 Nephi 32:3.) In unserer Zeit ist es ein bemerkenswertes Geschenk, dass uns vom geschriebenen Wort Gottes so viel per Knopfdruck zur Verfügung steht – und uns daher jederzeit zugänglich ist – und dass die aktuellen Lehren der Propheten und Apostel in verschiedenen Formaten und Sprachen veröffentlicht werden. Dies hat es noch nie zuvor in der Weltgeschichte gegeben. Wir sollten uns also fragen: Was beabsichtigt Gott damit?
Ich liebe das Gebet. Ich liebe die heiligen Schriften. Ich wünsche mir all das Licht und all die Erkenntnis, die der Vater im Himmel mir geben möchte. Ich weiß, dass Gott nicht auf die Person sieht und dass er sowohl Ihnen als auch mir alles geben wird, wozu wir uns bereitmachen. Lieben wir Gott so inniglich, dass wir beständig durch die von ihm eingesetzten Mittel mit ihm kommunizieren wollen. Denken Sie an Präsident Nelsons Beispiel: Führen Sie Bericht darüber, was Sie durch den Heiligen Geist empfangen, und handeln Sie entsprechend.
Das erste Gebot an die erste Stelle setzen: Gott gegenüber Rechenschaft ablegen
Ich möchte noch eine weitere Möglichkeit erwähnen, wie wir das erste Gebot im Alltag an erster Stelle verankern. Sie besteht darin, dass wir mit Verantwortungsbewusstsein gegenüber Gott leben – rechenschaftspflichtig in Bezug auf die Richtung, die wir einschlagen, und auch für jeden Tag unseres Lebens. Das bedeutet, Versuchungen zu widerstehen und sie zu überwinden, umzukehren und zu vergeben, Selbstsucht zu überwinden, den Namen Christi auf uns zu nehmen und einen Charakter zu entwickeln, wie Christus ihn hat. Es bedeutet, dass wir auf unsere Gedanken, Worte und Taten achten (siehe Mosia 4:30 und Alma 12:14). Es bedeutet, „den Einflüsterungen des Heiligen Geistes nach[zugeben]“ und „wie ein Kind [zu werden], fügsam, sanftmütig, demütig, geduldig, voller Liebe und willig, sich allem zu fügen, was der Herr für richtig hält, ihm aufzuerlegen, so wie ein Kind sich seinem Vater fügt“ (Mosia 3:19).
Das ist keine belastende, niederdrückende Art der Rechenschaftspflicht. Vielmehr bedeutet sie, dass wir anerkennen, dass wir einen weisen, interessierten und fürsorglichen Vater haben, der den Weg zu Erfüllung und vollkommener Freude kennt. Sie bedeutet, dass wir anerkennen, dass er für uns eine Chance geschaffen hat, die wir uns selbst nicht schaffen könnten – und zudem eine, die wir ohne seine Hilfe gar nicht wahrnehmen können. Wir sollen „an jedem Tag [in Danksagung leben] für all die große Barmherzigkeit und die vielen Segnungen, die er [uns] zuteilwerden lässt“ (Alma 34:38). Und im Rahmen dieser Rechenschaftspflicht spüren wir auch, dass Gott Freude an uns hat. Uns wird bewusst, dass er sich auch über die kleinsten Anstrengungen freut, die wir unternehmen, um ihn mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Sinn und aller Kraft zu lieben. Welche größere Zuversicht und welch größeren Frieden könnten wir denn haben als das Zeugnis des Heiligen Geistes, der zu unserem Geist spricht, dass der Vater im Himmel und der Erlöser mit uns und unserem Lebensweg zufrieden sind?
Die Quintessenz des Ganzen lautet also, dass Gott uns gebietet, ihn zu lieben, weil er weiß, was das in uns bewirkt. Und aus dem gleichen Grund gebietet er uns auch, einander zu lieben. Die Liebe zu Gott wandelt uns. Die Liebe zu Gott verändert unsere Liebe zueinander. Diese Liebe ist unentbehrlich, wenn wir ihn, den einzigen wahren Gott, und Jesus Christus, den er gesandt hat, erkennen wollen (siehe Johannes 17:3). Sie ist der Schlüssel dazu, dass wir wie er werden können.
Ich weiß, dass die Liebe des Vaters im Himmel zu Ihnen echt und endlos ist. Am machtvollsten tut sie sich durch die Gnade seines Sohnes Jesus Christus kund. Ich segne Sie, dass die Liebe Gottes Sie umschließt, wenn Sie ihn lieben und bemüht sind, ihm zu dienen. Ich segne Sie, dass Sie seine Liebe verspüren und sie der machtvollste Einfluss in Ihrem Leben wird. Ich weiß und kann Ihnen versichern, dass der Vater im Himmel lebt, ebenso sein Sohn, unser auferstandener Herr, und auch der Bote seiner Gnade, der Heilige Geist. Ich weiß dies und bete darum, dass auch Sie dies umfassend erkennen mögen.