2023
Das Werkzeug des Erretters ist Liebe – nicht Selbsthass
Juli 2023


Nur online: Junge Erwachsene

Das Werkzeug des Erretters ist Liebe – nicht Selbsthass

Gott will nicht, dass ich mich wegen meiner Fehler selbst hasse. Es hat lange gedauert, bis ich das begriff.

Eine Frau hält ein leuchtendes Herz in der Hand

Ich habe mich oft mit Selbstvorwürfen gequält. Tja, und was hat das gebracht? Ich wurde nicht besser, wenn ich hart mit mir ins Gericht ging.

Als ich heiratete, war ich noch sehr jung, und obwohl ich eine gesunde und glückliche Ehe führte, brachte sie meine schlechteren Charaktereigenschaften zum Vorschein. Dazu kam, dass mein Mann und ich sofort Kinder bekommen wollten. Aber meine erste Schwangerschaft war das schrecklichste Erlebnis meines Lebens. Ich hatte völlig unerwartete körperliche Probleme. Ich litt unter Stimmungsschwankungen und kämpfte schließlich mit Depressionen.

Meine Bemühungen, eine gute Ehefrau, gute Mutter und gute Studentin zu sein, zeigten nie den Erfolg, den ich nach meinen eigenen Maßstäben hätte haben müssen. Ich reagierte darauf stets mit heftigen Selbstvorwürfen.

Mir war klar, dass es in den beiden wichtigsten Geboten heißt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben“ und „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Matthäus 22:37,39; Hervorhebung hinzugefügt). Das bedeutet, dass wir uns auch selbst Liebe entgegenbringen sollen. Aber ich hatte das Gefühl, keine Liebe zu verdienen.

Ich dachte: „Wenn ich sündige und mich trotzdem für liebenswert halte – führt das dann nicht dazu, dass ich mir sozusagen die Erlaubnis erteile, mich weiter falsch zu verhalten? Schließlich sollen wir ein reuiges Herz und einen zerknirschten Geist darbringen. Also müssten wir uns doch schlecht fühlen, bis wir uns geändert haben?“

Davon war ich damals fest überzeugt. Doch ich fand heraus, dass meine Sichtweise falsch war.

Elder S. Gifford Nielsen von den Siebzigern hat gesagt: „Der Vater im Himmel möchte, dass wir uns selbst lieben, … damit wir uns so sehen, wie er uns sieht: Wir sind seine geliebten Kinder. Wenn diese Wahrheit uns tief ins Herz dringt, wächst unsere Liebe zu Gott.“1 Und wenn meine Liebe zu Gott wächst, mache ich Fortschritte. Wenn ich Gott liebe, erkenne ich die Gabe des Erretters, die es mir ermöglicht, Vergebung für meine Sünden zu erlangen und meine Unzulänglichkeiten zu überwinden. Wenn ich Gott liebe, fällt es mir leichter, mich selbst zu lieben.

Andere mit Vorwürfen zu überschütten hilft ihnen schließlich auch nicht in ihrem Vorankommen – es entmutigt sie nur. Kritik muss immer auch mit Zuspruch einhergehen. Warum also sollte das für mich nicht gelten? Wie konnte ich mir selbst das gleiche Mitgefühl entgegenbringen?

Unterstützung suchen

Als ich meinem Mann von diesem Kampf erzählte, fühlte ich mich erbärmlich. Es wäre so einfach gewesen, meine Angewohnheit beizubehalten, negative Selbstgespräche zu führen. Aber ich wollte mutig und offen über meine Schwächen sprechen. Indem ich mein Problem einer anderen Person gegenüber aussprach, fand ich mehr Klarheit und neue Lösungen.

Ich beschäftigte mich mit aufbauendem Material, um meine Denkmuster verstehen zu lernen und an mir zu arbeiten. Eine weitere Erkenntnis war, dass auch regelmäßige Bewegung einen großen Unterschied ausmacht. Früher hatte ich nur Sport getrieben, weil ich meinen Körper hasste und ihn verändern wollte. Jetzt mag ich Sport, weil ich mich danach gut fühle und mehr Energie habe.

Mein Veränderungsprozess wurde gefördert, weil ich wusste, dass mich der Erretter dabei unterstützt, anstatt mich zu verurteilen. Zuvor hatte mein Schamgefühl mein Schriftstudium, meine Gebete und meinen Tempelbesuch überschattet und mein geistiges Wachstum eingeschränkt. Jetzt sind meine Gebete aufrichtiger und ehrlicher, weil ich mich nicht mehr vor dem Herrn verstecke.

Welcher Stimme willst du folgen

Ich musste auch entscheiden, was mir wichtig war und auf wen ich hören wollte. Unsere Welt, die Menschen um uns herum und unsere sozialen Netzwerke stellen an uns so viele Erwartungen, wie wir handeln, aussehen, erziehen und kommunizieren sollten. Es ist schlichtweg unmöglich, es allen recht zu machen.

Aber rate mal, wer noch mit Ablehnung zu kämpfen hatte? Jesus Christus. Er war freundlich, mitfühlend und vollkommen, aber er gewann keinen Beliebtheitswettbewerb. Die Entscheidung, bestimmten Menschen seine Liebe zu zeigen, kostete ihn sogar oft den Respekt anderer. Ich musste akzeptieren, dass ich nicht jedem gefalle, und mich stattdessen bemühen, Gott zu gefallen.

Gedanken bewusst steuern

Das Ziel von Selbstliebe besteht niemals darin, Versäumnisse zu rechtfertigen, Ausreden für Sünden zu finden oder in Selbstgefälligkeit zu verfallen. Mir ist bewusst, dass mir bestimmte negative Gefühle wie etwa gottgewollte Traurigkeit zeitweise helfen können – aber ich darf mich nicht darin verlieren, denn sie verhindern Fortschritt.

Elder Neil L. Andersen vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt:

„Schuldgefühlen kommt eine wichtige Aufgabe zu, denn sie rütteln uns wach, sodass wir notwendige Änderungen vornehmen. Aber sie helfen uns nur begrenzt.

Ein schlechtes Gewissen lässt sich mit der Batterie in einem benzinbetriebenen Auto vergleichen. Sie kann dem Fahrzeug Licht geben, den Motor starten und Strom für die Scheinwerfer erzeugen, aber sie versorgt das Auto nicht mit dem Treibstoff, der für die bevorstehende lange Fahrt notwendig ist. Die Batterie alleine genügt also nicht. Ein schlechtes Gewissen ebenso wenig.“2 Es ist wichtig, dass ich bewusst darauf achte, nicht in negative Denkmuster zu verfallen, und mich stattdessen darauf konzentriere, Christus und mich selbst zu lieben.

Es war ein langwieriger Prozess, diese Last meinem Erretter zu Füßen zu legen, aber es funktioniert. Die kleinen – oft nur gedanklichen – Veränderungen, die ich vorgenommen habe, konnten durch die Gnade des Erretters eine starke Wirkung entfalten.

Ich bin dankbar, dass die Liebe das Herzstück des Evangeliums ist. Die Liebe Gottes, die Nächstenliebe und die Liebe zu mir selbst.