Matthäus 18:21-35
Das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht
Als Antwort auf eine Frage, die Petrus über das Vergeben gestellt hatte, erzählte Jesus Christus das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht. Die Lektion kann dir helfen, durch Vergebungsbereitschaft mehr wie der Vater im Himmel und Jesus Christus zu werden.
Vorschläge für Lernaktivitäten
Werden Sie mir vergeben?
Während des Zweiten Weltkriegs musste eine Frau namens Corrie ten Boom monatelang in einem Konzentrationslager der Nazis in Ravensbrück leiden. Ihre ältere Schwester Betsie starb dort. Nach dem Krieg sprach Corrie zu einer Gruppe von Menschen über die Vergebung Gottes. Bischof Keith B. McMullin, ehemals von der Präsidierenden Bischofschaft, hat beschrieben, was nach ihrer Rede geschah. Denk beim Lesen darüber nach, wie Corrie reagiert haben könnte.
Ein Mann kam auf sie zu. Sie erkannte in ihm einen der grausamsten Aufseher im Lager wieder. „Sie haben in Ihrer Rede Ravensbrück angesprochen“, sagte er. „Ich war dort Aufseher. … Seitdem bin ich jedoch Christ geworden.“ Er erklärte, dass er Gott für die Grausamkeiten, die er begangen hatte, um Vergebung gebeten habe. Er streckte die Hand aus und fragte: „Werden Sie mir vergeben?“ [Corrie ten Boom, Tramp for the Lord, 1974, Seite 56.]
(Keith B. McMullin, „Unser Weg der Pflicht“, Liahona, Mai 2010, Seite 13)
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Welche Gedanken sind Corrie in diesem Moment vielleicht durch den Kopf gegangen?
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Warum kann es uns manchmal so schwerfallen, anderen zu vergeben?
Lies Matthäus 18:21,22 . Wie hat Jesus die Frage von Petrus zur Vergebung beantwortet?
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Wie würdest du erklären, was Jesus hier dem Petrus sagen wollte?
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Warum verlangt der Herr von uns wohl, dass wir vergebungsbereit sind?
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Welche Fragen hast du zum Gebot des Erretters, anderen zu vergeben?
Denk über deine eigenen Empfindungen in Bezug auf Vergebung nach. Gibt es jemanden, dem du nur schwer vergeben kannst? Schreib in deinem Studientagebuch auf, inwiefern du gesegnet würdest, wenn du all denen vergeben könntest, die dich verletzt haben. Du kannst auch aufschreiben, wie anders dein Leben wäre, wenn du gar nicht versuchen würdest, anderen zu vergeben.Wenn du das Gleichnis liest, das der Herr hier Petrus erzählt hat, dann achte darauf, wie die Vergebungsbereitschaft des Herrn auch dir Kraft geben könnte, anderen zu vergeben.
Das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht
Lies Matthäus 18:23-27 . Wie behandelt der König im Gleichnis seinen Gläubiger? Es ist wichtig zu wissen, dass 10.000 Talente eine unbezahlbar große Schuld darstellen. Für einen armen Arbeiter zu der damaligen Zeit hätte es über zweihundertfünfzigtausend Jahre gedauert, diese Summe zu verdienen (siehe Jay A. Parry und Donald W. Parry, Understanding the Parables of Jesus Christ, 2006, Seite 95).
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Warum hat Jesus Christus in diesem Gleichnis wohl eine unbezahlbare Summe gewählt?
Lies den Rest des Gleichnisses in Matthäus 18:28-35 und achte darauf, wie wir andere behandeln sollen – und wieso. Man sollte hierbei wissen, dass 100 Denare ungefähr der Lohn für drei Monate Arbeit eines Armen waren.
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Was hast du aus diesem Gleichnis über Vergebung gelernt?
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Warum ist es wichtig, zu verstehen, wie viel Barmherzigkeit uns der Erretter entgegenbringt?
Aus diesem Gleichnis lernen wir unter anderem: Wir können dem Beispiel Jesu Christi folgen, indem wir anderen vergeben, wie auch er uns vergibt.
Der Herr hat in unserer Evangeliumszeit ebenfalls darauf hingewiesen, wie wichtig Vergebungsbereitschaft ist. Lies Lehre und Bündnisse 64:9-11 und achte darauf, was der Herr hier über Vergebung sagt.
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Angesichts dessen, was du heute gelernt hast – weshalb möchte der Herr wohl, dass wir allen vergeben?
Jesus Christus kann uns helfen, zu vergeben
Manchmal kann es sehr schwierig sein, einem anderen zu vergeben. Doch mit der Hilfe des Erretters ist alles möglich.
Lies das Ende von Bischof McMullins Geschichte über Corrie, die ihrem ehemaligen Aufseher gegenübersteht, und achte darauf, wie der Erretter ihr die Kraft gegeben hat, zu vergeben.
Du kannst dir das Video „Unser Weg der Pflicht“ von Minute 2:16 bis 3:26 anschauen, das auf ChurchofJesusChrist.org verfügbar ist.
Es sind sicher nur einige Sekunden gewesen, die er dort mit ausgestreckter Hand stand – doch mir kam es wie Stunden vor, als ich mit mir rang, das Schwerste zu tun, was ich jemals getan habe. …
Die Botschaft, dass Gott vergibt, hat eine … Bedingung: Wir müssen denen, die uns verletzt haben, vergeben. …
‚Hilf mir!‘, betete ich im Stillen. „Ich kann meine Hand heben. So viel kann ich tun. Du musst mir das Gefühl geben.“ …
Hölzern und mechanisch legte ich meine Hand in die seine, die er mir entgegenstreckte. Dann geschah etwas Unglaubliches. Es durchdrang meine Schulter, den Arm hinab, bis in unsere verschränkten Hände. Und dann war mir, als würde eine heilende Wärme mein ganzes Wesen durchfluten, und mir kamen die Tränen.
„Ich vergebe dir, Bruder“, sagte ich weinend, „von ganzem Herzen.“
Eine lange Zeit hielten wir die Hand des anderen umschlossen, er, der einstige Aufseher, und ich, die ehemalige Gefangene. Ich habe niemals die Liebe Gottes so intensiv erfahren wie damals.“ [Corrie ten Boom, Tramp for the Lord, 1974, Seite 54f.]
(Keith B. McMullin, „Unser Weg der Pflicht“, Liahona, Mai 2010, Seite 13)
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Was hast du aus den Erlebnissen von Corrie gelernt, was dir helfen könnte, auch dann zu vergeben, wenn es dir schwerfällt?
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Was hast du aus deinem eigenen oder dem Leben anderer oder aus den heiligen Schriften darüber gelernt, auch dann zu vergeben, wenn es schwierig ist?
Etwas, was uns beim Studium der heiligen Schriften helfen kann, ist, von den Eigenschaften Jesu Christi zu lernen und danach zu streben, sie zu entwickeln. Matthäus 18:21-35 ist eine der vielen Schriftstellen, die die Vergebungsbereitschaft des Erretters verdeutlichen, aber auch die Gerechtigkeit Gottes, wenn wir nicht vergeben wollen. Denk darüber nach, was du tun kannst, um ähnlich vergebungsbereit zu werden wie Jesus Christus. Wie möchtest du zulassen, dass der Erretter dir hilft?
Kommentar und Hintergrundinformationen
Matthäus 18:24 . Wie viel Geld sind zehntausend Talente?
Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt:
Unter Fachleuten ist man sich nicht ganz einig, wie viel die hier genannten Beträge wert waren. Nehmen wir der Einfachheit halber an, die 100 Denare, die nicht erlassen wurden, wären heute 100 Dollar wert (und ich bitte den Bezug zur US-Währung zu entschuldigen), dann entsprächen die 10.000 Talente, die so großzügig erlassen wurden, etwa einer Milliarde Dollar – oder mehr!
Für Privatschulden ist das ein astronomischer Betrag, völlig jenseits unseres Vorstellungsvermögens. (Kein Mensch kann für so viel Geld einkaufen!) Aber bei diesem Gleichnis soll der Betrag ja unvorstellbar sein; er soll jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen – von unserer Fähigkeit, ihn zurückzuzahlen, ganz zu schweigen. Das liegt daran, dass da keine Geschichte über zwei streitende Diener im Neuen Testament steht. Die Geschichte handelt von uns, der gefallenen Menschheit: Wir alle sind sterbliche Schuldner, Übertreter und Gefangene. Wir alle sind Schuldner, und der Schuldspruch für uns alle lautete „Gefängnis“. Und dort würden wir auch alle bleiben, wäre ein König nicht so gnädig gewesen, uns freizulassen, weil er uns liebt und „von Mitleid mit uns bewegt“ [ Lehre und Bündnisse 121:4 ] ist.
(Jeffrey R. Holland, „Ihr sollt also vollkommen sein – eines Tages“, Liahona, November 2017, Seite 41)
Wenn ich wegen etwas, was mir angetan wurde, immer noch Schmerz empfinde, bedeutet das, dass ich noch nicht vergeben habe?
Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt:
Doch für diejenigen von Ihnen, die gerade große Qualen erleiden, ist es wichtig zu beachten, was [Jesus Christus] nicht gesagt hat. Er hat nicht gesagt: „Du darfst keinen echten Schmerz oder echten Kummer empfinden, wenn dir jemand etwas Schreckliches angetan hat.“
(Jeffrey R. Holland, „Der Dienst der Versöhnung“, Liahona, November 2018, Seite 79)
Elder David E. Sorensen vom Kollegium der Zwölf Apostel hat einen wichtigen Grundsatz im Zusammenhang mit dem Vergeben angesprochen.
Ich möchte klarstellen, dass das Vergeben von Sünden nicht mit dem Dulden von Unrecht verwechselt werden darf. … Wir müssen unserem Nächsten, der uns verletzt hat, zwar vergeben, doch wir sollen dennoch konstruktiv dazu beitragen, dass sich die Missetat nicht wiederholt.
(David E. Sorensen, „Vergebung verwandelt Verbitterung in Liebe“, Liahona, Mai 2003, Seite 12)
Inwiefern kann Vergebungsbereitschaft befreiend wirken?
Schau dir das Video „Grundsätze für inneren Frieden: Vergebung“ (1:49) an, das auf ChurchofJesusChrist.org verfügbar ist. Dort erfährst du mehr über den Frieden, den eine Frau empfand, nachdem sie ihrem Vater viele Jahre nach der Scheidung ihrer Eltern vergeben hat.
Was hat der Erretter gemeint, als er zu Petrus sagte, wir müssten anderen „bis zu siebzigmal siebenmal“ ( Matthäus 18:22) vergeben?
Elder Lynn G. Robbins von der Präsidentschaft der Siebziger hat erklärt:
Der Erretter entgegnete Petrus im Grunde genommen, dass er nicht einmal zählen sollte – dass er seiner Vergebungsbereitschaft keine Grenzen setzen sollte. …
Offensichtlich setzte der Erretter keine Obergrenze in Höhe von 490. Das wäre vergleichbar mit der Behauptung, dass wir nur 490 Mal vom Abendmahl nehmen dürfen und dass beim 491. Mal ein himmlischer Buchprüfer eingreift und sagt: „Es tut mir leid, aber Ihr Umkehr-Abonnement ist gerade abgelaufen – ab jetzt sind Sie auf sich allein gestellt.“
Der Herr hat die Rechnung siebzigmal siebenmal als Metapher für sein unbegrenztes Sühnopfer, seine unermessliche Liebe und seine unendliche Gnade verwendet. „Ja, und sooft mein Volk umkehrt, werde ich ihm seine Verfehlungen gegen mich vergeben.“ ( Mosia 26:30 ; Hervorhebung hinzugefügt.)
(Lynn G. Robbins, „Bis zu siebzigmal siebenmal“, Liahona, Mai 2018, Seite 23)