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Lebst du nur halbherzig nach dem Evangelium?
Es kommt enorm auf unsere Einstellung zu unseren Aufgaben in der Kirche an.
„Muss das denn sein?“
Hast du das schon einmal gedacht? Mir ist der Gedanke schon oft gekommen. Ich habe erkannt, dass solch ein scheinbar unbedeutender Gedanke ganz klar meine Einstellung widerspiegelt. Sicher, wir alle können uns anderen zuwenden und ihnen dienen, wir können Berufungen annehmen und erfüllen, und wir können an den Versammlungen der Kirche teilnehmen. All das kann selbst dann etwas nützen, wenn wir es nur halbherzig tun. Aber ist es für Gott dadurch womöglich schwieriger, dich als Werkzeug einzusetzen? Und ist es für Gott dadurch womöglich schwieriger, eine Änderung in dir zu bewirken? Ich glaube, bei mir ist das so.
Dieser Gedanke erinnert mich an Laman und Lemuel. Sie verließen Jerusalem, kehrten zurück, um die Platten zu holen, halfen beim Bau des Schiffes mit und waren auch in anderen Punkten gehorsam, aber sie taten es widerwillig und halbherzig. Sie ließen nicht zu, dass ihre Erlebnisse bessere Menschen aus ihnen machten. Stattdessen murrten sie dauernd und hatten in jeder Situation eine miese Einstellung. Jetzt, da mir das bewusst ist, möchte ich wirklich nicht wie Laman oder Lemuel sein.
Denk einmal gründlich über die Beweggründe für dein Verhalten nach. Geht es dir, wenn du dich anderen zuwendest, vor allem um die Segnungen, die du dafür erhältst? Oder tust du Gutes, weil du wirklich Licht und Liebe verbreiten möchtest? Tust du alles, was für deine Berufung erforderlich ist, weil es von dir erwartet wird? Oder tust du es, weil du dem Herrn und deinen Mitmenschen dienen möchtest?
Solche Fragen stelle ich mir möglichst von Zeit zu Zeit. Tue ich alles dafür, um mit wirklichem Vorsatz wie ein wahrer Jünger Christi zu leben? Oder bin ich nur mit halbem Herzen dabei? Ich glaube, Gérald Caussé, Präsidierender Bischof der Kirche, hat es am besten ausgedrückt: „Sind wir im Evangelium aktiv oder sind wir lediglich in der Kirche beschäftigt?“ („Es geht um die Menschen“, Liahona, Mai 2018, Seite 112.)
Aktiv sein ist nicht das Gleiche wie beschäftigt sein
Wenn ich in der Kirche nur „beschäftigt“ bin, hat sich Gleichgültigkeit in meinen Sinn eingeschlichen. Diese Gleichgültigkeit kann daher rühren, dass es mir an Begeisterung mangelt oder dass ich mich durch weniger wichtige Aufgaben von den Aufgaben abhalten lasse, die wirklich zählen. Diese Gleichgültigkeit schleicht sich ein, wenn ich in der Abendmahlsversammlung nicht aufpasse, wenn abends beim Beten meine Gedanken abschweifen, wenn ich die heiligen Schriften einfach nur schnell überfliege, ohne darüber nachzudenken, oder wenn ich mich jemandem nur zuwende, um eine Aufgabe abhaken zu können, anstatt mich aufrichtig zu bemühen, mich mit ihm anzufreunden.
Manchmal bin ich sogar irritiert, wenn ich keinen Fortschritt in meinem Leben sehe – wenn mir alles einfach gleichgültig ist und ich im Evangelium nur „beschäftigt“ bin. Und diese Gefühle halten an, bis mir bewusst wird, wo das Problem liegt. Manchmal muss ich innehalten, mich besinnen und fragen: „Schenke ich dieser Berufung, diesem Menschen, diesem Gebet oder dieser Schriftstelle gerade meine volle Aufmerksamkeit? Bin ich mit ganzem Herzen dabei?“
Nach solch einem Geistesblitz tritt dann tatsächlich eine Änderung in meinem Leben ein. Wenn ich ernsthaft darum bete, andere so zu sehen, wie der Vater im Himmel sie sieht, wenn ich darum bete, Gelegenheiten zum Helfen zu bekommen, wenn ich in meiner Berufung, im Beruf und im Alltag um Führung bete, und vor allem, wenn ich den Eingebungen folge, die Gott mir schenkt, wenn mein Verhalten meinen Wunsch widerspiegelt, besser zu werden, dann bin ich im Evangelium aktiv. Dann verspüre ich in meiner Einstellung, in meinem Herzen und in meiner Seele eine wahre Veränderung. Dann erlebe ich Wunder. Dann verspüre ich wahres Glück. Dann versuche ich tatsächlich, ein besserer Mensch zu werden.
Unser Verhalten spiegelt nicht immer unsere Gefühle wider
Bestimmt können wir alle auf Situationen in unserem Leben zurückblicken, in denen unser Verhalten edler war als die Gefühle, die damit einhergingen. Manchmal ist das Leben hektisch, manchmal sind wir mit unseren Lebensumständen nicht ganz zufrieden, und manchmal läuft etwas nicht so, wie wir es uns wünschen. Wir sind nicht vollkommen, aber wenn wir den Vater im Himmel um Hilfe dabei bitten, die manchmal langweiligen oder zeitaufwendigen Aufgaben, die an uns herangetragen werden, mit ganzem Herzen zu erfüllen, können wir lernen, sie auf christlichere Weise zu erledigen.
Ich weiß noch, dass es immer mal wieder Dienstprojekte gab, die ich nur zögernd ausgeführt habe, aber letztendlich wurde mein Herz dadurch erweicht und hat sich gewandelt. Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich einmal eine Berufung erhielt und mich beschwerte, sie nehme zu viel Zeit in Anspruch. Doch bei meiner Entlassung vergoss ich dann bittersüße Tränen, weil ich sie liebgewonnen hatte.
Wenn wir das Herz am rechten Fleck haben, sind wir besser in der Lage, Licht zu verbreiten, unsere Aufgaben zu erfüllen und Antworten auf unsere Gebete zu erhalten. Wenn wir uns die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, welche Einstellung und welche Absichten hinter unserem Verhalten stecken, und möglichst alles „mit aufrichtigem Herzen [und] wirklichem Vorsatz“ (Moroni 10:4) tun, erkennen wir die Führung des Vaters im Himmel besser, verspüren mehr Freude und können in unserem Leben und im Leben anderer viel Positives bewirken.