2021
Wie können wir in einer immer finsterer werdenden Welt Hoffnung und Freude haben?
Mai 2021


Antworten finden: Von Schwester zu Schwester

Wie können wir in einer immer finsterer werdenden Welt Hoffnung und Freude haben?

Diese Frage wurde von vielen gläubigen Schwestern – so auch von mir – gestellt.

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Junge Frau blickt in den Sonnenuntergang

Ich habe eine schlechte Angewohnheit. Ich teile dem Vater im Himmel oft mit, was ich meiner Meinung nach ertragen kann und was nicht. Als kleines Mädchen habe ich mal zu ihm gesagt, dass ich in den Letzten Tagen nicht mehr leben möchte, weil ich eine so böse, schreckliche Zeit nicht aushalten würde.

Und noch immer gibt es in meinem Leben Momente, da ich mich beklage, ich käme mit der zunehmenden Finsternis in der Welt nicht klar.

Seltsamerweise steht in meinem Patriarchalischen Segen, dass ich in diesem Leben Freude finden werde. Ich frage mich allerdings häufig, wie Gott denn von mir erwarten kann, in einer Welt Freude zu verspüren, in der immer mehr Menschen offen das Böse wählen, unterstützen und fördern.

Wie soll denn in einer solchen Welt irgendwer Hoffnung oder dauerhafte Freude finden?

Die offensichtliche Diskrepanz zwischen der Aussage in meinem Patriarchalischen Segen und dem aktuellen Zustand dieser Welt hat mich dazu veranlasst, über die Rolle von Hoffnung und Freude innerhalb des Evangeliums Jesu Christi nachzudenken.

Hoffnung

Zum Thema Hoffnung fand ich eine Aussage von Elder Steven E. Snow, einem emeritierten Generalautorität-Siebziger: „Unsere Hoffnung auf das Sühnopfer [Jesu Christi] verleiht uns eine ewige Sichtweise. Diese Sichtweise ermöglicht es uns, übers Erdenleben hinaus auf das zu blicken, was in der Ewigkeit auf uns wartet. Wir brauchen uns nicht von den engen Grenzen einschränken zu lassen, die die unstete Gesellschaft vorgibt.“1

Mir wurde klar, dass ich diese machtvolle Wahrheit ein paar Jahre zuvor sogar am eigenen Leib erfahren hatte. Kurz bevor ich meine Mission in Südfrankreich beendete, verübten Terroristen einen Anschlag in Paris und erschütterten das ganze Land bis ins Mark. Wenn wir in der Woche danach Menschen ansprachen, fragten sie uns oft, wie wir denn immer noch glauben könnten, wo doch Gott etwas so Schreckliches zugelassen habe. Wir erzählten ihnen Geschichten aus der Bibel, verdeutlichten ihnen Gottes Liebe und seinen Plan des Glücklichseins. Diejenigen, die unserer Botschaft zuhörten und sich bemühten, sich eine ewige Sichtweise zu eigen zu machen, konnten wieder Hoffnung fassen.

Präsident Russell M. Nelson hat einmal erklärt: „Wo es keine Hoffnung in Christus gibt, wird auch der göttliche Plan für die Erlösung der Menschheit abgelehnt. Ohne dieses Wissen wird dann fälschlicherweise angenommen, dass auf das heutige Leben morgen die Auslöschung folge und dass Glück und Familienbande bloß vergänglich seien.“2

Wenn Verzweiflung, wie sie in der Welt so häufig vorkommt, aus einem Mangel an Hoffnung in Christus resultiert, dann kann uns im Umkehrschluss die Stärkung unseres Glaubens und die Hoffnung in Christus sicherlich helfen, das Leben hoffnungsfroher zu sehen. Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel untermauert diese Annahme: „Da die Wiederherstellung die grundlegende Wahrheit bestätigt, dass Gott in dieser Welt am Werk ist, können wir hoffen, sollen wir hoffen – auch wenn alle Chancen gegen uns zu stehen scheinen.“3

Doch manchmal wissen wir zwar, dass wir unsere Hoffnung auf Christus setzen sollten, doch die Umsetzung gelingt angesichts der zunehmenden Finsternis in der Welt um uns herum nicht so leicht. Wenn ich mich mutlos fühle, denke ich gerne an einen weisen Rat von Kevin J. Worthen, der gerade Präsident der Brigham-Young-Universität ist:

Wenn wir unsere Hoffnung stärken wollen – insbesondere dann, wenn wir uns hoffnungslos fühlen –, müssen wir uns mehr auf den Erretter konzentrieren. Am einfachsten und wirkungsvollsten können wir das tun, indem wir seinem Beispiel folgen und unseren Mitmenschen dienen. Dann verlagert sich unser Blickfeld von uns selbst auf andere, und wir wünschen uns, es möge ihnen gut gehen. Diese Hoffnung kann dann mit der Gewissheit verbunden werden, dass Christus ihnen helfen kann – und zwar auch durch uns. Glaube in Verbindung mit unseren rechtschaffenen Wünschen kann unsere kleine, aufkeimende Hoffnung in eine dauerhafte, kraftvolle, machtvollere Form der Hoffnung verwandeln, die uns und andere zu verändern vermag.4

Ganz gleich, was in der Welt um uns herum passiert: Wenn wir einfach das tun, was uns näher zu Christus bringt, können wir optimistischer in die Zukunft blicken. Stärken wir unsere Beziehung zu ihm, dann lernen wir, das Leben aus einer ewigen Sichtweise heraus zu betrachten, und wir können erkennen, dass die Nöte und Prüfungen des Lebens „nur einen kleinen Augenblick dauern“ (Lehre und Bündnisse 121:7).

Freude

Und wie steht es mit der Freude? Sind wir nicht dazu da, dass wir Freude haben können? (Siehe 2 Nephi 2:25.) Wie können wir aber Freude finden, wenn das Leben düster und trostlos ist und wir uns doch schon nach besten Kräften bemühen, uns wenigstens die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht rauben zu lassen?

Elder David A. Bednar vom Kollegium der Zwölf Apostel hat den Begriff Freude einmal so definiert: „Interessanterweise führt uns die Sichtweise des Evangeliums vor Augen, dass Freude mehr ist als ein vergängliches Gefühl oder eine flüchtige Regung. Sie ist vielmehr eine geistige Gabe und ein Zustand des Seins und Werdens.“5

Nachdem ich das von ihm gehört hatte, ging ich bei der Suche nach Freude anders vor. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nach einem Gefühl reinen Glücks gesucht, das mich nie mehr verlassen und jegliche Traurigkeit und jeden Schmerz hinwegfegen sollte. Aber Elder Bednars Definition öffnete mir die Augen für die Einsicht, dass ich die versprochene Freude vielleicht deshalb nicht fand, weil ich nach dem Falschen Ausschau hielt.

Anstatt mich freudevoll zu fühlen, hätte ich danach streben sollen, voll Freude zu werden.

Und wie wird man voll Freude? Ich hatte keine Ahnung.

Elder Bednar erklärte weiter: „Freude erlangt man, indem man an Jesus Christus glaubt, würdig heilige Handlungen und Bündnisse empfängt, sie treu in Ehren hält und darum bemüht ist, sich durch und durch zum Erretter und seinen Absichten zu bekehren.“6

Präsident Nelson hat Ähnliches gesagt:

„Die Freude, die wir empfinden, hat wenig mit unseren Lebensumständen und vielmehr damit zu tun, worauf wir im Leben den Blick richten. …

Freude ist eine Gabe, die der empfängt, der treu ist. Sie ist die Gabe, die man erhält, wenn man sich bewusst bemüht, ein rechtschaffenes Leben zu führen, wie Jesus Christus es gelehrt hat.“7

Diese Wahrheiten über die Quelle der Freude lösten bei mir eine Erkenntnis aus.

Glaube an Jesus Christus? Sich zutiefst zu ihm und seinen Zielen bekehren? Klar, das hatte ich mein ganzes Leben lang gehört. War das wirklich der Schlüssel, der ändern konnte, wie mir in dieser Zeit der Finsternis in der Welt zumute war?

Ja!

Wenn ich über die Momente in meinem Leben nachdenke, in denen ich die meiste Hoffnung und Freude empfunden habe, stelle ich fest, dass es fast immer dann war, als ich mich am meisten darauf konzentriert habe, meine Beziehung zu Christus zu stärken und mehr wie er zu werden.

Auch wenn ich bisweilen immer noch bekümmert und verzweifelt bin, bin ich doch von Hoffnung und Glauben erfüllt, dass Christus da sein wird, um mir bei meinen Schwächen zu helfen, wenn ich mich darum bemühe, ihm weiterhin näherzukommen. Ich hoffe, eines Tages die Fülle der Freude zu erlangen. Wenn ich nach dem Licht des Erlösers Ausschau halte und mich bemühe, trotz herausfordernder Umstände von Freude erfüllt zu sein, kann ich die Art Freude finden, die mir in meinem Patriarchalischen Segen verheißen wurde und die uns allen verheißen ist, nämlich: unsere „Freude wird voll sein immerdar“ (2 Nephi 9:18).

Anmerkungen

  1. Steven E. Snow, „Hoffnung“, Liahona, Mai 2011, Seite 54

  2. Russell M. Nelson, „A More Excellent Hope“, Andacht an der Brigham-Young-Universität, 8. Januar 1995, Seite 5, speeches.byu.edu

  3. Jeffrey R. Holland, „Der vollkommene Glanz der Hoffnung“, Liahona, Mai 2020, Seite 83

  4. Kevin J. Worthen, „The Process and Power of Hope“, Andacht an der Brigham-Young-Universität am 8. September 2020, Seite 4, speeches.byu.edu

  5. David A. Bednar, „Jesus Christus – Die Quelle dauerhafter Freude“, Liahona, Dezember 2019, Seite 20

  6. David A. Bednar, „Jesus Christus – Die Quelle dauerhafter Freude“, Seite 20

  7. Russell M. Nelson, „Freude und geistiges Überleben“, Liahona, November 2016, Seite 82 und 84

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