Wie bittere Erfahrungen uns zu einem besseren Menschen machen können
Zu dem schmerzlichen, herausfordernden Prozess, den wir Leben nennen, gehört dazu, dass wir unter Beweis stellen, ob wir tatsächlich weitermachen wollen
Der Fall Adams und Evas leitete eine Bewährungszeit ein, in der Gottes Kinder dahingehend geprüft werden, „ob sie alles tun werden, was auch immer der Herr, ihr Gott, ihnen gebietet“ (Abraham 3:25). Inmitten dieser Prüfungszeit erleben wir Glück und Freude, aber auch Widrigkeiten und Bedrängnisse wie etwa Versuchungen, Krankheit, Behinderung oder Entmutigung.
Woran liegt es, dass manch einer im Angesicht des Unglücks versagt, während andere aus bitteren Erfahrungen gestärkt hervorgehen? Die Antwort darauf finden wir sowohl in den Worten der Propheten als auch in der sogenannten Resilienzforschung.
Mitunter wird Resilienz als die Fähigkeit definiert, sich von Unglücksfällen, Widrigkeiten oder Veränderungen zu erholen oder sich an diese anzupassen.1 Der Fall Adams brachte Veränderungen mit sich, die Raum für Resilienz schufen – die Möglichkeit also, sich sowohl vorwärts als auch aufwärts weiterzubewegen. Dieser Teil des Plans des himmlischen Vaters öffnete uns die Tür zur Phase der Sterblichkeit, in der wir sowohl Freude als auch Elend erleben – und wachsen können (siehe 2 Nephi 2:23).
Im Folgenden finden Sie vier Grundsätze aus der Resilienz-forschung, die Ihnen helfen können, wenn Ihr Lebensweg von Widrigkeiten geprägt ist.
Nach innen blicken
Wenn wir finstere, schwierige Tage erleben, können wir nach innen blicken und uns darauf besinnen, mit welchen Gaben uns der Vater im Himmel ausgestattet hat.
Fragen Sie sich: „Mit welchen Gaben, Stärken und Talenten hat Gott mich gesegnet, auf die ich in dieser schwierigen Zeit zurückgreifen kann?“ Befassen Sie sich mit Ihrem Patriarchalischen Segen. Denken Sie auch darüber nach, welche Erfahrungen in Ihrem bisherigen Leben auf Gaben hinweisen, die Ihnen Gott vielleicht verliehen hat (siehe Lehre und Bündnisse 46:11).
Alltagsstress und Probleme können uns unverhältnismäßig groß und erdrückend vorkommen. Wenn Stress und Sorgen nicht durch Glauben ausgeglichen werden, können sie dazu führen, dass wir unseren Fokus verlieren – dann kreisen unsere Gedanken voller Verzweiflung nur noch um uns selbst. Das hat zur Folge, dass wir uns noch machtloser, ängstlicher und deprimierter fühlen.
Wir könnten auch versucht sein, unsere Lebensumstände mit denen anderer zu vergleichen, die scheinbar keinerlei Probleme haben. Aber diese Art von Vergleich raubt uns die Freude – während Dankbarkeit die Freude steigert.
Wenn wir uns die Gaben bewusstmachen, die wir vom Vater im Himmel erhalten haben, können wir zu einer klareren Sichtweise gelangen. Auch Präsident Russell M. Nelson hat geraten: „Es ist viel besser, seine Segnungen aufzuzählen, als immer wieder von Problemen zu erzählen.“2 Eine positive und dankbare Geisteshaltung steigert unsere Energie und Kreativität. Wir können die Dinge dann aus einem lösungsorientierteren Blickwinkel betrachten und uns stärker auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist und was wir steuern können.
In stressigen Zeiten könnten Sie sich fragen:
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Wie kann ich besser für meinen Körper und Geist sorgen – durch Ernährung, Bewegung und Schlaf? (Siehe Lehre und Bündnisse 88:124.)
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Wende ich mich an den Vater im Himmel und Jesus Christus, um Kraft und Führung zu erhalten? Erkenne ich, wie sie mich auf meinem Weg segnen?
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Vertraue ich darauf, dass der Vater im Himmel und Jesus Christus mich segnen und unterweisen werden, wenn ich ihnen nachfolge – egal, was mein Problem ist?
Wir müssen das Gute im Leben erkennen und uns daran festhalten. Unzählige Studien haben gezeigt, dass Dankbarkeit Herz und Verstand stärkt, unsere Laune hebt, zu einer optimistischeren Einstellung verhilft und sogar Ängste und Schmerzen reduziert. Dankbarkeit ermöglicht es, sich der Gegenwart zu erfreuen, giftige Emotionen abzuschütteln und zwischenmenschliche Beziehungen zu stärken.3
Wenn wir uns in unruhigen Zeiten darauf konzen-trieren, unseren Glauben und unser Gottvertrauen zu vertiefen, können wir das große Ganze sehen und fühlen uns in Prüfungen, Mühen und Bedrängnissen unterstützt (siehe Alma 36:3).
Nach außen blicken
Ein zweites Prinzip der Resilienz ist der Blick nach außen. Damit ist sowohl die Hinwendung zu den Menschen in unserem Umfeld gemeint als auch die Nutzung der Hilfen, die Gott uns gegeben hat.
Viele Menschen, die Herausforderungen erfolgreich gemeistert haben, bestätigen, dass ein Schlüssel zur Problembewältigung darin gelegen hat, dass sie aus den Möglichkeiten und Hilfsangeboten ihrer Umgebung Kraft geschöpft haben. Dazu können Hobbys gehören, Tagebuch, Sport, Schriftstudium, gute Bücher, Gespräche mit einem Angehörigen, einem Freund oder einem Therapeuten oder auch die Beschäftigung mit einem Haustier. All diese Maßnahmen können nachweislich Angst und Stress reduzieren.4
Sowohl Nephi als auch Jareds Bruder verließen sich auf die Mittel, die „vom Herrn bereitet“ waren (1 Nephi 17:5). Von Früchten, Samen, Bäumen und wildem Honig bis hin zu Erzen und Gestein stellte Gott seinem Volk Produkte zur Verfügung, die es nutzen konnte, wenn es auf der Reise vor Herausforderungen stand. Welche Hilfen hat Gott Ihnen zur Verfügung gestellt, um Ihnen die Last leichter zu machen?
Sich nach außen zu wenden bedeutet auch, das Leid anderer wahrzunehmen und darauf zu reagieren – selbst wenn wir gerade mit eigenen Problemen zu ringen haben. Präsident Henry B. Eyring, Zweiter Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, hat uns aufgefordert, dass wir „die Bedrängnisse anderer wahrnehmen und versuchen [sollen], ihnen zu helfen. Das ist ganz besonders schwer, wenn wir gerade selbst hart auf die Probe gestellt werden. Doch wir werden feststellen: Wenn wir die Last eines anderen leichter machen, und sei es nur ein wenig, wird unser Rücken gestärkt und wir erahnen ein Licht in der Dunkelheit.“5
Was Elder David A. Bednar vom Kollegium der Zwölf Apostel in diesem Zusammenhang besonders hervorhebt, ist die wichtige Aufgabe, auch inmitten eigener Prüfungen an unserem christlichen Charakter zu arbeiten und uns unseren Mitmenschen zuzuwenden. „Unsere Charakterstärke wird offenbar, … wenn wir das Leiden anderer wahrnehmen können, obwohl wir selbst leiden, wenn wir den Hunger anderer wahrnehmen, obwohl wir selbst hungrig sind, und wenn wir anderen, die sich in geistiger Qual befinden, helfen und ihnen Mitgefühl entgegenbringen, obwohl wir uns selbst in geistiger Drangsal befinden. Wir zeigen also Charakterstärke, wenn wir uns unseren Mitmenschen zuwenden, uns um andere kümmern und ihnen helfen, auch wenn unsere natürliche und instinktive Reaktion die wäre, uns abzukapseln und nur an uns selbst zu denken.“6
Nach oben blicken
Wenn wir auf unserem Weg zur Resilienz nach innen und nach außen blicken, dürfen wir natürlich auch nicht vergessen, uns nach oben zu wenden und um Frieden und göttliche Führung zu bitten. Der Vater im Himmel hat verheißen, dass wir sowohl bekehrt als auch geheilt werden, wenn wir angesichts unserer Prüfungen das Herz nicht gegen ihn verhärten (siehe Lehre und Bündnisse 112:13).
Als der Prophet Joseph Smith in tiefster Verzweiflung auf dem kalten Boden des Gefängnisses zu Liberty schmachtete und außer verunreinigter Nahrung nichts zu essen bekam, entschied er sich, nach oben zu blicken und Hilfe aus der Höhe zu erflehen.
Der Herr versicherte ihm: „Mein Sohn, Friede sei deiner Seele; dein Ungemach und deine Bedrängnisse werden nur einen kleinen Augenblick dauern.“ (Lehre und Bündnisse 121:7.) Und dann verhieß ihm der Herr: „Wenn du gut darin ausharrst, wird Gott dich in der Höhe erhöhen; du wirst über alle deine Feinde triumphieren.“ (Lehre und Bündnisse 121:8.)
Wenn wir in den Stürmen des Lebens nach Frieden suchen, müssen wir beim Blick nach oben allerdings auch Vertrauen in den Zeitplan des Herrn haben, uns in Geduld üben und nicht die Perspektive verlieren. Können Sie erkennen, auf welche Weise Gott Sie trotz Ihrer Probleme segnet?
Vorwärtsstreben
Im Buch Mormon ermahnt uns Nephi, dass wir „mit Beständigkeit in Christus vorwärtsstreben [müssen], erfüllt vom vollkommenen Glanz der Hoffnung und von Liebe zu Gott und zu allen Menschen“ (2 Nephi 31:20).
Selbst wenn wir überlastet, entmutigt oder ohne große Hoffnung sind oder für andere Menschen gerade keine allzu positiven Gefühle aufbringen, sollten wir uns trotzdem dafür entscheiden, vorwärtszustreben. Denn das sind doch die Geschichten, die wir gerne lesen – Berichte von treuen Mitgliedern, die Resilienz gelernt und gelebt haben! Diese Zeugnisse von Glauben und Mut belegen, wie wir mit Beständigkeit in Christus vorwärts-streben können.
Natürlich wird es Zeiten geben, da wir das Gefühl haben, unsere Gebete würden nicht so erhört, wie wir es uns erhoffen. Trotz unseres Bittens und Sehnens nach besseren Tagen wird es immer noch Scheidungen, Tod, Krankheiten und Enttäuschungen geben. Zu diesem schmerzlichen Prozess der Prüfung gehört auch, zu „sehen, ob [wir] alles tun werden, was auch immer der Herr, [unser] Gott, [uns] gebietet“ (Abraham 3:25). Wenn die Welt finster ist, suchen wir dann immer noch das Licht, nämlich den Herrn?
Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel hat über Prüfungen und Schwierigkeiten gesprochen und gefragt: „Wie lange warten wir auf Befreiung von den Bedrängnissen, die uns ereilen? Wie sieht es bei unseren ganz persönlichen Herausforderungen aus, wenn wir warten und warten und die ersehnte Hilfe sich alle Zeit der Welt lässt? Warum dauert das so lange, wenn wir meinen, die Last sei mehr, als wir ertragen können?“ Doch Elder Holland beruhigt uns: „Glaube bedeutet, Gott zu vertrauen – in guten wie in schlechten Zeiten –, selbst wenn wir Leid ertragen müssen, bis wir sehen, wie sein Arm um unsertwillen offenbar wird.“7
Unser liebender, allwissender Vater hat nicht nur einen Plan des Glücklichseins für alle seine Kinder entworfen, sondern auch eine irdische Erlebniswelt geschaffen, die auf unsere Bedürfnisse und unser Potenzial an Wachstum und Freude zugeschnitten ist. Ich gebe Ihnen mein Zeugnis, dass bittere Erfahrungen uns besser machen, wenn wir lernen, nach innen, nach außen und nach oben zu blicken und vorwärtszustreben.