Es ist doch wahr, oder? Was ist dann noch wichtig?
Unsere Überzeugung vom Erretter und von seinem Werk in den Letzten Tagen wird zu einer starken Lupe, durch die wir alles andere beurteilen.
Ich habe heute eine Aussage Präsident Hinckleys von der Frühjahrs-Generalkonferenz 1973 als Thema gewählt.
Ich war gerade von meiner Mission zurückgekehrt. Es schien so viel vor mir zu liegen. Würde ich fähig sein, mein Leben lang stets die richtigen Entscheidungen zu treffen?
Dann erzählte Elder Gordon B. Hinckley, dass er einen jungen Marineoffizier aus Asien kennengelernt hatte. Der Offizier war kein Christ gewesen, hatte aber während seiner Ausbildung in den Vereinigten Staaten die Kirche kennengelernt und sich taufen lassen. Nun bereitete er sich darauf vor, in sein Heimatland zurückzukehren.
Präsident Hinckley fragte den Offizier: „Ihre Verwandten sind keine Christen. Was wird geschehen, wenn Sie als Christ nach Hause kommen, noch dazu als Mormone?“
Sein Blick verfinsterte sich und er erwiderte: „Meine Familie wird enttäuscht sein. … Und was meine Zukunft und meine Karriere betrifft, so bleiben mir vielleicht alle Möglichkeiten verschlossen.“
Präsident Hinckley fragte: „Sind Sie denn bereit, für das Evangelium einen so hohen Preis zu zahlen?“
Seine dunklen Augen waren von Tränen feucht, als er mit einer Frage antwortete: „Es ist doch wahr, oder?“
Präsident Hinckley antwortete: „Ja, es ist wahr.“
Woraufhin der Offizier erwiderte: „Was ist dann noch wichtig?“1
All die Jahre habe ich über diese Worte nachgedacht: „Es ist doch wahr, oder? Was ist dann noch wichtig?“ Diese Fragen haben mir geholfen, schwierige Fragen aus der richtigen Perspektive zu betrachten.
Die Sache, in der wir tätig sind, ist wahr. Wir achten den Glauben unserer Freunde und Nachbarn. Wir sind alle Söhne und Töchter Gottes. Wir können viel von anderen gläubigen und tugendhaften Männern und Frauen lernen, wie Präsident Faust uns so gut dargelegt hat.
Wir wissen jedoch, dass Jesus der Messias ist. Er ist auferstanden. Das Priestertum Gottes ist in unserer Zeit durch den Propheten Joseph Smith wiederhergestellt worden. Wir haben die Gabe des Heiligen Geistes. Das Buch Mormon ist genau das, was wir von ihm behaupten. Die Verheißungen des Tempels sind gewiss. Der Herr selbst hat die einzigartige Mission der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage verkündet – nämlich dass sie „der Welt ein Licht“ und „ein Bote sei, den Weg vor [ihm] zu bereiten“2, während „das Evangelium bis an die Enden der Erde hinrollen“3 wird.
Es ist doch wahr, oder? Was ist dann noch wichtig?
Natürlich ist für jeden von uns etwas anderes wichtig. Als ich mit 21 Jahren Präsident Hinckleys Ansprache hörte, musste ich mich ernsthaft meinem Studium widmen; ich brauchte eine Arbeit, um mein Studium zu finanzieren, musste irgendwie herausfinden, wie ich eine bestimmte junge Frau davon überzeugen konnte, dass sie es mit mir versuchen sollte, und ging weiteren sinnvollen Beschäftigungen nach.
Wie finden wir uns in all dem, was von Bedeutung ist, zurecht? Wir vereinfachen und klären unsere Sichtweise. Manches ist schlecht und muss gemieden werden, manches ist schön, manches ist wichtig, und manches ist absolut unerlässlich. Der Erretter hat gesagt: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast.“4
Glaube ist nicht nur ein Gefühl. Glaube ist eine Entscheidung. Durch Gebet, Studium, Gehorsam und Bündnisse entwickeln und stärken wir unseren Glauben. Unsere Überzeugung vom Erretter und von seinem Werk in den Letzten Tagen wird zu einer starken Lupe, durch die wir alles andere beurteilen. Wenn wir dann vor den Feuerproben im Leben stehen – wie Elder Oaks erklärt hat – haben wir die Kraft, den richtigen Weg einzuschlagen.
Präsident Hinckley hat das so ausgedrückt: „Wenn jemand durch eine starke Überzeugung von der Wahrheit motiviert wird, so übt er sich nicht in Selbstdisziplin, weil die Kirche es von ihm fordert, sondern wegen der Erkenntnis, die er im Herzen trägt.“5
Sind wir ausreichend motiviert durch eine „starke Überzeugung von der Wahrheit“? Spiegeln unsere Entscheidungen diese Beweggründe wider? Werden wir zu dem Menschen, der wir sein wollen? Es ist doch wahr, oder? Was ist dann noch wichtig?
Wir wissen, was richtig ist. Vor ein paar Jahren war Kathy, meine Frau, bei unseren vier Enkelkindern, während deren Eltern fort waren. Unser vierjähriger Enkel gab seinem kleinen Bruder einen kräftigen Schubs. Nachdem Kathy das weinende Kind getröstet hatte, wandte sie sich dem Vierjährigen zu und fragte bedächtig: „Warum schubst du denn deinen kleinen Bruder?“ Er schaute seine Großmutter an und antwortete: „Omi, es tut mir leid. Ich habe meinen WdR-Ring verloren und kann jetzt nicht das Rechte wählen.“ Wir müssen vorsichtig sein, denn Ausreden können unseren Fortschritt behindern.
Im Herzen der Heiligen der Letzten Tage ist unter den Völkern und Kulturen in der ganzen Welt eine starke Überzeugung von der Wahrheit zu finden. Diese Glaubensstärke bringt das Werk des Gottesreiches voran.
Vor vielen Jahren standen meine Frau und ich einer tapferen Schwester in Frankreich bei, als ihr Mann, der noch keine vierzig Jahre alt war, verstarb. Die Verantwortung, ihre vier kleinen Kinder allein in Rechtschaffenheit zu belehren und zu führen, schien überwältigend zu sein. Und doch haben 16 Jahre später ihre drei Söhne eine Mission erfüllt, und ihre Tochter hat im Tempel geheiratet.
Ich kenne einen Bruder in Brasilien, der sich mit sechzehn Jahren als einziger aus seiner Familie der Kirche anschloss. Als es Zeit für ihn war, auf Mission zu gehen, waren seine Eltern dagegen. Während seiner Mission hörte er nichts von ihnen, und als er zurückkam, wohnte er bei der Familie seines Bischofs. Aber die Geschichte hat ein glückliches Ende, denn jetzt hat er eine wunderbare Familie und arbeitet als Zahnarzt, und seine Eltern wünschten sich, er könnte seine Brüder dazu bewegen, dass sie sich auch für die Kirche interessieren.
Ich kenne einen Bruder in Lateinamerika, der nach seiner Taufe beschloss, dass er nicht nur seinen Zehnten, sondern auch seine Steuern ehrlich zahlen wollte – etwas, was seine Konkurrenten nicht taten. Der Herr segnete ihn für seine Ehrlichkeit.
Viele Opfer werden im Stillen gebracht: Der zurückgekehrte Missionar, der seine Pflicht, eine Partnerin für die Ewigkeit zu finden, nicht aufschiebt; die gute Frau, die sich Kinder wünscht und ihr Leben damit zubringt, diese liebevoll in der Wahrheit aufzuziehen; die Familie, die den geistig abstumpfenden Einfluss der Medien und des Internets mit Bedacht einschränkt; der Mann und die Frau, die mehr Zeit dafür finden, gemeinsam im Tempel zu sein.
Auch Kinder können diese Lupe des Glaubens entwickeln. Vor kurzem habe ich Jugendliche in Seoul kennengelernt, die aufgrund eines strengen Stundenplans erst sehr spät abends nach Hause kommen und doch an fünf Tagen in der Woche morgens um 6.00 Uhr am Seminar teilnehmen. Ich weiß von einem 8-jährigen Baseballspieler, einem Star in seiner Mannschaft, der seinem Trainer von sich aus erklärte, dass er nicht am Endspiel teilnehmen könne, weil es an einem Sonntag stattfinden sollte.
Viele der stillen Taten, die tiefem Glauben entspringen, sind nur Gott bekannt. Aber sie sind im Himmel aufgezeichnet. Es ist doch wahr, oder? Was ist dann noch wichtig?
Der Erretter hat gesagt: „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.“6
Ich bezeuge, dass dies wahr ist und dass es tatsächlich wichtig ist. Im Namen Jesu Christi. Amen.