2000–2009
Der „Point of Safe Return“
April 2007


2:3

Der „Point of Safe Return“

Das Sühnopfer Jesu Christi, das uns geschenkt wurde, eröffnet uns jederzeit und überall die Segnungen der Umkehr und der Vergebung.

Während meiner Ausbildung zum Flugkapitän musste ich lernen, wie man ein Flugzeug auf Langstrecken steuert. Ein Flug über die Weiten der Meere, über endlose Wüsten hinweg von einem Kontinent zum anderen verlangt nach sorgfältiger Planung, wenn man sicher am vorgesehenen Bestimmungsort ankommen will. So ein Nonstop-Flug kann sich über bis zu 14 Stunden und an die 14 000 Kilometer erstrecken.

Auf solch langen Flügen gibt es einen entscheidenden Punkt, den man gemeinhin als Point of Safe Return oder als Punkt, an dem eine sichere Rückkehr möglich ist, kennt. Bis dahin hat das Flugzeug genügend Treibstoff, um wenden und sicher zum Ausgangsflughafen zurückkehren zu können. Ist dieser Punkt überschritten, fällt diese Möglichkeit weg, und der Kapitän muss weiterfliegen. Deshalb spricht man oft auch vom Point of No Return oder vom Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt.

Gibt es in unserem Leben Punkte, an denen es kein Zurück mehr gibt?

Der Satan, „der Vater aller Lügen“ (2 Nephi 2:18), „der Vater des Streites“ (3 Nephi 11:29), „der Urheber aller Sünde“ (Helaman 6:30) und der „Feind Gottes“ (Moroni 7:12) bedient sich der Kräfte des Bösen, um uns weiszumachen, dass es kein Zurück mehr gibt, wenn wir sündigen. In der heiligen Schrift wird er der Verleumder genannt, weil er uns das Gefühl geben möchte, Vergebung sei für uns außer Reichweite. Der Satan möchte uns glauben machen, dass wir den Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, überschreiten, wenn wir eine Sünde begehen. In unserer schönen, aber auch problembeladenen Welt ist diese Ansicht leider tatsächlich die Ursache für großen Kummer, Trauer und Leid in Familien, bei Ehepaaren und bei vielen Einzelnen.

Der Satan versucht, Gottes Werk zu verfälschen, und viele lassen sich von ihm täuschen. Er verwendet sogar Schriftstellen, damit seine Lügen plausibler erscheinen. Er will uns die Hoffnung nehmen. Damit wir uns so elend fühlen wie er selbst und glauben, Vergebung sei außer Reichweite, verdreht der Satan bisweilen sogar Worte aus den heiligen Schriften, die Gottes Gerechtigkeit hervorheben, so, dass wir den Eindruck gewinnen, es gebe keine Barmherzigkeit.

Welchen Plan hat der Herr für unsere sichere Rückkehr?

Schutz vor dem Einfluss des Teufels finden wir im Evangelium Jesu Christi. Die gute Botschaft lautet: Jesus Christus hat für alle Menschen ein vollkommenes Sühnopfer dargebracht. Es kündet von Liebe, Hoffnung, Barmherzigkeit und davon, dass der Mensch sich mit Gott versöhnen kann.

Man sündigt, wenn man absichtlich ein Gesetz Gottes übertritt. Gott hat seinen Kindern das Sühnopfer Jesu Christi geschenkt, um die Folgen der Sünde zu überwinden. Gott liebt alle seine Kinder; er wird nie aufhören, uns zu lieben, und niemals die Hoffnung für uns aufgeben. Der Plan des himmlischen Vaters ist eindeutig; was er verheißt, ist großartig: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt … gerettet wird.“ (Johannes 3:17.)

Wenn wir einen falschen Kurs eingeschlagen haben, kann uns das Sühnopfer Jesu Christi die Gewissheit geben, dass Sünde kein Punkt ist, an dem es kein Zurück mehr gibt. Eine sichere Rückkehr ist möglich, wenn wir dem Plan Gottes folgen.

Diesen Plan haben wir von der höchsten Autorität im Universum empfangen, nämlich von Gott, unserem himmlischen Vater. Dieser Plan ist schon vor Grundlegung der Welt bereitet worden. Es ist ein großer Plan des Glücklichseins, ein Plan der Barmherzigkeit, ein Plan der Errettung. Dieser Plan ermöglicht uns die Erfahrung eines körperlichen Daseins, zu dem auch das Erdenleben gehört, eine Zeit der Bewährung, und die Rückkehr in die Gegenwart Gottes, wo wir ewig glücklich sein und in Herrlichkeit leben können. Er wird in den Lehren des wiederhergestellten Evangeliums Jesu Christi erklärt.

Folgen wir diesem Plan, so wirkt es sich für die Ewigkeit wunderbar aus – für uns selbst, für unsere Familie, für künftige Generationen und sogar für die Generationen, die uns vorausgegangen sind. Versöhnung und Vergebung sind Bestandteile dieses Plans.

Wie können wir Vergebung von Gott erlangen?

Wir räumen ein, dass „alle … gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren [haben]“ (Römer 3:23), aber wir verkündigen auch voller Überzeugung, dass Umkehr und Vergebung ebenso wirklich sein können wie die Sünde.

Das Sühnopfer Jesu Christi bewirkt, dass jeder Mensch sich für seine eigenen Sünden verantworten muss. Wir überwinden die Auswirkungen unserer eigenen Sünden, indem wir Anspruch auf die Segnungen und die Vorteile erheben, die das Sühnopfer Jesu Christi mit sich bringt.

Präsident David O. McKay hat gesagt: „Jeder Grundsatz und jede Verordnung des Evangeliums Jesu Christi ist bedeutsam und wichtig …, aber nichts ist so entscheidend für die Errettung der Menschheit wie der göttliche und ewig gültige Grundsatz Umkehr.“ (Gospel Ideals, 1953, Seite 13.)

„Denn Errettung wird keinem … zuteil, außer durch Umkehr und Glauben an den Herrn Jesus Christus.“ (Mosia 3:12.)

Es ist nicht die Umkehr an sich, die den Menschen rettet. Es ist das Blut Jesu Christi, das uns errettet. Wir werden nicht allein durch unsere ehrliche und aufrichtige Verhaltensänderung gerettet, sondern „durch Gnade …, nach allem, was wir tun können“ (2 Nephi 25:23). Wahre Umkehr ist allerdings die Bedingung dafür, dass Gottes Vergebung in unserem Leben wirksam wird. Wahre Umkehr verwandelt „die finsterste Nacht in einen strahlend hellen Tag“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Spencer W. Kimball, Seite 41).

Was macht wahre Umkehr aus?

Wir brauchen starken Glauben an Christus, um umkehren zu können. Unser Glaube muss eine „richtige Vorstellung von [Gottes] Wesen, seiner Vollkommenheit und seinen Eigenschaften“ einschließen (Lectures on Faith, 1985, Seite 38). Wenn wir glauben, dass Gott alles weiß, dass er uns liebt und dass er barmherzig ist, können wir ohne jeden Zweifel auf ihn vertrauen, was unsere Errettung betrifft. Der Glaube an Christus ändert alle Gedanken, Ansichten und Verhaltensweisen, die nicht mit dem Willen Gottes im Einklang stehen.

Wahre Umkehr bringt uns dahin zurück, dass wir das Rechte tun. Zur wahren Umkehr gehört, dass wir unsere Sünden einsehen und Reue, also gottgewollte Traurigkeit, empfinden, und diese Sünden Gott bekennen. Wenn wir eine schwere Sünde begangen haben, müssen wir sie auch dem für uns zuständigen Priestertumsführer bekennen. Wir müssen Gott um Vergebung bitten und tun, was wir können, um Schaden wiedergutzumachen, den wir durch unser Verhalten angerichtet haben. Umkehr bedeutet einen Herzens- und Sinneswandel – wir hören auf, das Falsche zu tun, und beginnen, das Rechte zu tun. Daraus erwächst eine neue Einstellung zu Gott, zu uns selbst und zum Leben allgemein.

Was sind die Früchte der Vergebung?

Wahre Umkehr bringt in unser Leben viele segensreiche Auswirkungen des Sühnopfers: Wir fühlen, dass Gott uns vergibt, und können seinen Frieden spüren; Schuld und Trauer werden von uns genommen; wir verspüren in größerem Maße den Einfluss des Geistes, und wir sind besser darauf vorbereitet, beim himmlischen Vater zu leben.

Präsident Spencer W. Kimball hat gesagt: „Das Wesentliche am Wunder der Vergebung ist, dass die angsterfüllte, ruhelose, unglückliche und vielleicht gepeinigte Seele dadurch Frieden findet. … Gott [wischt] die Tränen der Seelenpein, der Gewissensqual …, der Furcht und Schuld … ab.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Spencer W. Kimball, Seite 41f.)

Der Prophet Alma, der durch Gottes Vergebung aus der Sünde ins Glücklichsein zurückgeführt wurde, hat verkündet: „Schlecht zu sein hat noch nie glücklich gemacht.“ (Alma 41:10.) Er hatte die bitteren Qualen der Sünde erlebt, aber er sprach auch voll Begeisterung über das Glücksgefühl, das wahre Umkehr und Vergebung begleitet: „Ja, ich sage dir, … nichts [kann] so außerordentlich und so süß sein, wie meine Freude es war.“ (Alma 36:21.) Alma schloss mit eindrucksvollen und weisen Worten an all jene, die nach Vergebung trachten: „Und nun … wünsche ich, [ihr würdet euch] von diesen Dingen nicht mehr beunruhigen lassen, sondern [euch] nur von [euren] Sünden beunruhigen lassen, mit jener Unruhe, die [euch] hinabführt zur Umkehr.“ (Alma 42:29.)

Wie können wir erkennen, dass Gott uns vergeben hat?

Präsident Harold B. Lee hat gesagt: „Wenn Sie alles in Ihrer Macht Stehende getan haben, um Ihre Fehler abzulegen, und im Herzen den Entschluss gefasst haben, sie nie mehr zu wiederholen, … [kann in Ihre] Seele ein Frieden einziehen, der Ihnen die Gewissheit gibt, dass Ihre Sünden vergeben sind.“ (Aus „Law of Chastity Vital, Girls Told“, Church News, 2. September 1972, Seite 7.)

Sobald wir wahrhaft umgekehrt sind, wird Christus die Last der Schuld für unsere Sünden von uns nehmen. Wir können selbst Gewissheit erlangen, dass uns vergeben wurde und dass wir rein gemacht worden sind. Der Heilige Geist wird uns dies bestätigen; er ist es, der uns heiligt. Kein Zeugnis könnte größer sein!

Der Herr hat gesagt: „Wer umkehrt und die Gebote des Herrn tut, dem wird vergeben.“ (LuB 1:32; Hervorhebung hinzugefügt.) „Sei treu und eifrig …, dann werde ich dich mit den Armen meiner Liebe umschließen.“ (LuB 6:20.)

Außerdem hat er verkündigt: „Siehe, wer von seinen Sünden umgekehrt ist, dem ist vergeben, und ich, der Herr, denke nicht mehr an sie.“ (LuB 58:42.)

Der Satan möchte uns glauben machen, unsere Sünden seien uns nicht vergeben, weil wir uns an sie erinnern können. Der Satan ist ein Lügner; er will uns den Blick vernebeln und uns vom Pfad der Umkehr und Vergebung wegführen. Allerdings hat Gott nicht verheißen, dass wir nicht mehr an unsere Sünden denken werden. Die Erinnerung hilft uns, die gleichen Fehler nicht zu wiederholen. Wenn wir aber treu bleiben, wird die Erinnerung an unsere Sünden nachlassen und mit der Zeit verblassen. Das ist Teil des unerlässlichen Prozesses der Heilung und Heiligung. Alma bezeugte, dass er sich an seine Sünden zwar noch immer erinnern konnte, nachdem er Jesus um Gnade angefleht hatte, aber diese Erinnerung verfolgte und quälte ihn nicht mehr, weil er wusste, dass ihm vergeben worden war (siehe Alma 36:17-19).

Wir müssen alles vermeiden, was alte, sündhafte Erinnerungen wieder aufleben lassen könnte. Wenn wir uns ein „reuige[s] Herz und einen zerknirschte[n] Geist“ (3 Nephi 12:19) bewahren, können wir darauf vertrauen, dass Gott nicht mehr an unsere Sünden denkt.

Inwiefern hilft uns unsere Vergebungsbereitschaft, selbst Vergebung zu finden?

Jesus lehrte eine ewige Wahrheit, als er uns beten lehrte: „Vergib uns unsere Schuld, wie wir unseren Schuldigern vergeben. … Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben; wenn ihr aber … nicht vergebt, wird euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ (3 Nephi 13:11,14,15.)

Anderen vergeben ist daher eine Voraussetzung dafür, dass einem vergeben wird.

Wir brauchen sittlichen Mut, um anderen zu vergeben und selbst um Vergebung zu bitten. Nichts macht unsere Seele edler und nie beweisen wir größeren Mut, als wenn wir vergeben. Dazu gehört auch, dass wir uns selbst vergeben.

Wir alle unterstehen der gottgegebenen Verpflichtung, aufeinander mit Güte und Barmherzigkeit zuzugehen und einander zu vergeben. Bloße Lippenbekenntnisse sind nicht genug. Die Bereitschaft, sich zu versöhnen und respektvoll miteinander zu reden, räumt viele Schwierigkeiten aus und ist ein Segen für jeden. Diese christlichen Eigenschaften brauchen wir dringend – in unserer Familie, in unserer Ehe, in unseren Gemeinden und Pfählen, in unserem Lebensumfeld und in unserem Land.

Wir müssen uns in Herz und Sinn von bitteren Gefühlen und Gedanken reinigen und das Licht und die Liebe Christi einlassen. Dann wird der Geist des Herrn unsere Seele mit Freude und unser Gewissen mit Frieden erfüllen (siehe Mosia 4:2,3).

Liebe Brüder und Schwestern, liebe junge Freunde, wenn der Kapitän eines Langstreckenflugzeugs den Punkt, an dem eine sichere Rückkehr noch möglich wäre, überschritten hat und der Gegenwind zu stark oder die Flughöhe zu niedrig ist, ist er vielleicht gezwungen, einen anderen als den geplanten Zielort anzusteuern. Nicht so auf unserer Reise durch das Leben, zurück zu unserem himmlischen Zuhause. Wo immer Sie sich auf ihrer Reise durchs Leben auch befinden, welchen Herausforderungen Sie auch begegnen: Es gibt immer einen Punkt, an dem eine sichere Rückkehr möglich ist, es gibt immer Hoffnung. Sie sind der Kapitän in Ihrem Leben, und Gott hat einen Plan erstellt, wie Sie sicher zu ihm zurückkehren können. Das ist unser Bestimmungsort.

Das Sühnopfer Jesu Christi, das uns geschenkt wurde, eröffnet uns jederzeit und überall die Segnungen der Umkehr und der Vergebung. Dank dieses Gottesgeschenks steht uns allen die Möglichkeit offen, den verhängnisvollen Kurs, auf den uns die Sünde bringt, zu verlassen und sicher zurückzukehren.

Dafür danke ich unserem himmlischen Vater von ganzem Herzen und davon gebe ich aus ganzer Seele Zeugnis. Im Namen Jesu Christi. Amen.