Erinnern Sie sich und handeln Sie entsprechend
Satellitenübertragung für Seminar und Institut•4.August2015
Elder Marlin K. Jensen sagte bei einer Generalkonferenz: „Wenn wir einmal genau betrachten, wie der Begriff erinnern in den heiligen Schriften gebraucht wird, erkennen wir, dass das ‚Erinnern‘, so wie Gott es möchte, ein fundamentaler und errettender Grundsatz des Evangeliums ist.“ Inwiefern ist das Erinnern wohl ein „fundamentaler und errettender Grundsatz des Evangeliums“? Elder Jensen sagte dazu: „Wenn ein Prophet mahnt, sich an etwas zu erinnern bzw. an etwas zu denken, ist das häufig ein Aufruf zur Tat: zu hören, zu sehen, zu tun, zu gehorchen, zur Umkehr.“1
Ein Beispiel dafür finden wir im Buch Mormon. Helaman gab seinen Söhnen die Namen Nephi und Lehi und erklärte ihnen den Grund dafür:
„Siehe, ich habe euch die Namen unserer ersten Eltern gegeben, die aus dem Land Jerusalem gekommen sind; und dies habe ich getan, damit ihr an sie denkt, wenn ihr an euren Namen denkt; und wenn ihr an sie denkt, damit ihr an ihre Werke denkt; und wenn ihr an ihre Werke denkt, damit ihr wisst, wie es gesprochen und auch geschrieben ist, dass sie gut waren.
Darum, meine Söhne, möchte ich, dass ihr das tut, was gut ist.“2
Das ist eine Möglichkeit, wie uns das Erinnern als fundamentaler und errettender Grundsatz helfen kann, angemessen und in der richtigen Weise zu handeln. Aus diesem Grund sind wir in der Kirche dazu angehalten, an diejenigen zu denken, die uns vorangegangen sind: in unserer eigenen Familie, in der Geschichte der Kirche, in den heiligen Schriften, vor allem aber an den Erlöser selbst.
Eine junge Frau, die bei der Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg ihr Leben lassen musste, beschrieb sehr schön, wie uns die Menschen aus der Vergangenheit ein Segen sein können. Sie schrieb: „Es gibt Sterne, die man von der Erde aus strahlen sieht, obwohl sie schon lange erloschen sind. Es gibt Menschen, die die Welt auch dann noch erleuchten, wenn sie bereits von uns gegangen sind. Diese Lichter sind im Dunkel der Nacht besonders hell. Sie leuchten der Menschheit den Weg.“3
Dieser Grundsatz trifft auch auf die Geschichte von Seminar und Institut zu. Unsere Geschichte enthält viel Denkwürdiges. Darum wurde die Geschichte von Seminar und Institut geschrieben. Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass jeder von Ihnen diese Geschichte schon bald in gedruckter Form oder online lesen kann. Wir hoffen, dass Sie sie lesen und dass sie ein wichtiges Hilfsmittel wird, wenn wir allein oder gemeinsam lernen. Durch diese Geschichte können wir mehr von denjenigen lernen, die das Seminar und Institut zu dem gemacht haben, was es heute ist. Wir stehen auf ihren Schultern und genießen ein reiches Erbe, das sie uns hinterlassen haben. Auch wenn viele von ihnen schon lange nicht mehr unter uns weilen, können sie uns doch immer noch den Weg in unsere Zukunft erleuchten. Hoffentlich führt uns diese Erinnerung dazu, dass wir an ihre Werke denken und entsprechend handeln.
Heute Morgen möchte ich ein wenig auf einige Begebenheiten aus unserer Geschichte eingehen. Ich erzähle Ihnen davon, weil ich hoffe, dass unser Gedenken an diejenigen, auf deren Schultern wir stehen, den Wunsch in uns weckt, ihnen nachzueifern – dem, was sie wollten, und dem, was sie angestrebt haben.
In seiner Ansprache „Der vorgegebene Weg des Bildungswesens der Kirche“ erklärte Präsident J. Reuben Clark Jr., dass ein Religionslehrer in allererster Linie ein persönliches Zeugnis davon haben muss, „dass Jesus der Messias ist und dass Joseph Smith ein Prophet Gottes war“4. Dieses Zeugnis hat viele glaubenstreue Religionslehrer und ihre Familien dazu veranlasst, schwierige und unangenehme Aufgaben zu übernehmen, persönliche Ziele aufzugeben und auf etliche Annehmlichkeiten zu verzichten. Sie zeigen beispielhaft, was Präsident Gordon B. Hinckley einmal von sich selbst behauptete: „Ich weiß nicht, wie ich etwas erledigen kann, ohne mich hinzuknien und um Hilfe zu bitten, und dann aufzustehen und an die Arbeit zu gehen.“5 Ein solcher Mensch war Ray L. Jones. Er wurde gebeten, das Seminar am frühen Morgen aufzubauen.
„Bei der Frühjahrs-Generalkonferenz 1950 trafen sich zehn Pfahlpräsidenten aus dem Gebiet Los Angeles mit Elder Joseph Fielding Smith, um zu besprechen, ob es möglich sei, eine Art Seminarprogramm für die Jugendlichen im Gebiet einzurichten.“ Sie waren sich nicht sicher, wie sie das anstellen sollten, da Religionsunterricht in den Schulfreistunden in Kalifornien verboten war.
Franklin L. West, der Beauftragte für das Bildungswesen der Kirche, wusste, dass in Utah der Seminarunterricht mancherorts vor Schulbeginn stattfand, und sah darin eine Möglichkeit, der Situation in Südkalifornien gerecht zu werden. Bruder West fragte Ray L. Jones, einen Seminarleiter aus Logan in Utah, ob er wohl nach Kalifornien fahren und dort das Programm in die Wege leiten würde. Da er mit seiner gegenwärtigen Aufgabe ganz zufrieden war und sich gerade ein neues Haus gekauft hatte, äußerte Bruder Jones Zweifel, ob er der Richtige für dieses Programm sei.
Bruder West, der das Programm schleunigst in Gang setzen wollte, „schlug Bruder Jones vor, dass seine Familie doch in Logan bleiben und er regelmäßig nach Los Angeles ‚pendeln‘ könne – eine Strecke von über 1000 Kilometern. Bruder Jones willigte schließlich ein, darüber zu beten. Nach etwas Bedenkzeit beschloss er, das Haus in Logan aufzugeben und dauerhaft nach Los Angeles zu ziehen, um das Programm auf den Weg zu bringen.“6
Wie Nephi, der „vom Geist geführt“ wurde und „nicht im Voraus [wusste], was [er] tun sollte“,7 machte sich Ray L. Jones auf den Weg nach Südkalifornien.
Die Kirche kam nicht für seine Reisekosten auf, und so nahm er einen Job an und legte bei einem Viehtransport von Utah nach Kalifornien mit Hand an. Schließlich zog er mit seiner Familie nach Los Angeles und beteiligte sich an der Gründung eines örtlichen Bildungsausschusses. Einer der Pfahlpräsidenten in dem Gebiet, Howard W. Hunter, war Vorsitzender dieses Ausschusses. Der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte.8 Was 1950 mit 195 Schülern in sieben Klassen begann, ist heute, 65 Jahre später, eine Einrichtung mit einer Viertelmillion Schülern in 136 Ländern.
Eine solche Einsatz- und Opferbereitschaft legen die Religionslehrer überall auf der Welt immer und immer wieder an den Tag. Hören Sie sich diesen Bericht eines unserer Religionslehrer aus der Mongolei an, der den Rat seines Priestertumsführers vernommen hatte und sich unter schwierigen Bedingungen an die Arbeit machte.
Der Bekehrte Odgerel Ochirjav hatte einen Doktortitel in Forstwirtschaft erworben und war in der Mongolei in der Forschung tätig, als er gebeten wurde, hauptberuflich als Koordinator für Seminar und Institut zu arbeiten. Anfangs lehnte er das Angebot ab, dann aber nahm er es doch an. Im November 2008 trafen sich Bruder Odgerel und sein Gebietsdirektor, Patrick Cheuck, mit dem Missionspräsidenten. Dieser erkundigte sich, weshalb in der Mongolei kein Seminar am frühen Morgen eingerichtet war. „Bruder Odgerel gab zur Antwort: ‚Präsident, wir sind hier in der Mongolei. Es ist kalt, dunkel, voller Hunde und es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel.‘ Ein Jahr später trafen sich die drei erneut, und der Missionspräsident erkundigte sich abermals. Wieder antwortete Bruder Odgerel: ‚Es ist kalt, dunkel, voller Hunde und es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel.‘ Nach dem Treffen nahm Bruder Cheuck Bruder Odgerel zur Seite und sagte: ‚Odgerel, wenn dein Priestertumsführer dich um etwas bittet, musst du dich an die Arbeit machen.‘ Bruder Odgerel erwiderte: ‚Patrick, ich glaube, du verstehst nichts von mongolischer Dunkelheit, mongolischer Kälte, mongolischen Hunden und dem Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln!‘ So endete das Gespräch.
Kurz darauf las Bruder Odgerel Lehre und Bündnisse 85:8. Dabei fiel ihm auf, wie darin davor gewarnt wurde, ‚die Lade Gottes festzuhalten‘. Er … las [in einem Institutsleitfaden] ein Zitat von Präsident David O. McKay, wonach diejenigen, die die ‚Lade festzuhalten‘ versuchten, bald darauf geistig sterben. Später schrieb Bruder Odgerel: ‚Da ich den Geist nicht verlieren wollte, begann ich, ein Programm für das Seminar am frühen Morgen in der Mongolei auszuarbeiten. Erstaunlicherweise waren unsere örtlichen Priestertumsführer von der Idee begeistert.‘“9 Im September 2009 begannen sie mit 140 Schülern, und bis März waren es schon 352 Schüler, die dem kältesten Winter in der Mongolei seit 30 Jahren trotzten – einem Winter mit durchschnittlich minus 32 Grad Celsius.
Bischof Victor L. Brown sagte einmal bei einer Generalkonferenz: „In der Welt haben viele Organisationen, Kirchen, Regierungen und sogar Familien viel von ihrer Vitalität verloren, weil sie sich davor fürchten, die Leute aufzufordern, Opfer zu bringen. Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass wir nicht denselben Fehler begehen.“10
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und Ihnen im Namen der Verwaltung für Ihre Opferbereitschaft danken. Viele der bedeutungsvollsten Taten, durch die Sie jungen Menschen ein Segen sind, geschehen im Verborgenen und tauchen in keinem Bericht auf. Ich glaube, dass in unserer Organisation die Dienst- und Opferbereitschaft blüht und gedeiht wie eh und je. Vielen Dank dafür. Wie es in einem unserer Kirchenlieder heißt,11 möge der Himmel Sie und Ihre Angehörigen für Ihre Opfer segnen.
Eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Seminar- und Institutsprogramm waren schon immer gute Beziehungen zwischen Religionslehrern und anderen, wie zum Beispiel Eltern, Priestertumsführern, Mitarbeitern an Schulen oder Nachbarn aus der Umgebung. Wie wir uns verhalten und wie wir mit anderen zusammenarbeiten, muss stets den Geist Christi und sein Evangelium beispielhaft widerspiegeln.
Elder Robert D. Hales hat gesagt: „Die Art und Weise, wie wir die Mitglieder unserer Familie, unsere Nachbarn, unsere Geschäftspartner und alle, mit denen wir zusammenkommen, behandeln, zeigt, ob wir wirklich seinen Namen auf uns genommen haben und immer an ihn denken.“12 Diese Einstellung zeigte sich bei Bruder J. Wyley Sessions, dem Leiter des allerersten Instituts.
Nachdem er sieben Jahre lang Präsident der Südafrikanischen Mission gewesen war, wurden Bruder Sessions und seine Frau von der Ersten Präsidentschaft gebeten, nach Moscow in Idaho zu ziehen, um dort das Institutsprogramm einzuführen. „Von den Mitgliedern der Kirche in Moscow wurden Bruder Sessions und seine Familie willkommen geheißen, Teile der Einwohnerschaft des Ortes standen ihnen aber skeptisch gegenüber. Da seine Aufgabe in Moscow nicht näher umrissen war, herrschte ihm gegenüber ein gewisses Misstrauen. … Mehrere Geschäftsleute am Ort beriefen sogar einen Ausschuss ein, um ihn ihm Auge zu behalten und sicherzustellen, dass er die Universität nicht ‚mormonifizierte‘.“
Bruder Sessions trat mehreren Vereinigungen bei, „um auf diejenigen zugehen zu können, die das Gespräch mit ihm sonst gemieden hätten. Bei den zweiwöchentlichen, von der Handelskammer veranstalteten gemeinsamen Essen bemühte er sich um einen Platz neben dem Vorsitzenden des Ausschusses, der seine Arbeit vereiteln sollte. Bei einer dieser Veranstaltungen sagte dieser Mann: ‚Sie sind wirklich ein merkwürdiger Kerl. Ich wurde zum Vorsitzenden eines Ausschusses ernannt, der Sie von Moscow fernhalten soll, aber jedes Mal, wenn ich Sie sehe, kommen Sie so unverschämt freundlich daher, dass ich Sie jedes Mal besser leiden kann.‘ Bruder Sessions entgegnete: ‚Mir geht es genauso. Wir könnten ebenso gut Freunde sein!‘ Später erzählte Bruder Sessions, dass dieser Mann während seines Aufenthalts in Moscow zu einem seiner besten Freunde wurde.“13
Im Buch Lehre und Bündnisse erklärt der Herr: „Niemand kann bei diesem Werk helfen, wenn er nicht demütig und voller Liebe ist.“14 Unsere Arbeit als Religionslehrer muss von Liebe beseelt sein: Liebe zum Herrn, zu unserer Familie, zu unseren Schülern und zu allen, mit denen wir zusammenarbeiten.
1978 sprach Elder Gordon B. Hinckley zu Mitarbeitern des Bildungswesens und sagte:
„Möge die Liebe Ihr Leitstern sein. Sie ist die stärkste Kraft auf Erden. …
Gehen Sie liebevoll mit den [Schülern] um, die Sie unterrichten, … insbesondere mit denen, die offenbar schwer zu erreichen sind. Gerade diese brauchen Sie am meisten, und wenn Sie mit ihnen zusammenarbeiten und ihnen freundlich und wohlwollend Mut machen, werden Wunder geschehen. Dann erfahren Sie jeden Tag Freude und Zufriedenheit, und Ihre Schüler erhalten Kraft, Glaube und ein Zeugnis.“15
Mitunter fällt es uns schwer, bestimmten Schülern oder anderen mit Liebe zu begegnen. Was dann? In unserer Geschichte finden wir den Bericht eines ehemaligen Administrators, dem es schwerfiel, diejenigen gern zu haben, mit denen er zusammenarbeiten sollte. Achten Sie bei dieser Geschichte darauf, wodurch es ihm schließlich möglich wurde, zu lieben.
Als die Kirche sich allmählich in aller Welt ausbreitete, stellte sich dem Seminar und Institut die Aufgabe, in neuen Ländern, Kulturen und Sprachen Religionsunterricht anzubieten. Anfang der Siebzigerjahre wurde die Verwaltung von Seminar und Institut neu geordnet. Stellvertretende Administratoren wurden mit der Leitung der Gebiete außerhalb Nordamerikas beauftragt.
Frank Day, einer der stellvertretenden Administratoren, war im Zweiten Weltkrieg Elitesoldat gewesen. Er hatte im Südpazifik gekämpft. Man hatte ihm beigebracht, den Feind zu hassen. Er befürchtete daher, dass man ihn beauftragen würde, mit den Menschen in Asien zusammenzuarbeiten.
Wie er es befürchtet hatte, bat ihn Bruder Joe J. Christensen, der beigeordnete Bildungsbeauftragte, die Gebiete Südpazifik und Asien zu leiten. „Als Bruder Day über den Pazifik nach Japan flog, kamen die Gefühle aus Kriegszeiten, die noch immer in seinem Herzen schwelten, wieder auf, obwohl er aufrichtig gebetet hatte, dass sie vergehen mögen. Beim Landeanflug war Bruder Day von tiefer Furcht ergriffen. Er bahnte sich den Weg durch den Flughafen und lief auf den Missionspräsidenten zu. Als er dem Missionspräsidenten ins Gesicht blickte, sah er darin so viel Liebe, dass er von liebevollen Gefühlen völlig übermannt wurde.“ Alle negativen Gefühle von vorher lösten sich in Luft auf.16
Bruder Day sagte, er habe aufrichtig gebetet und der Geist des Herrn habe eine Liebe in sein Herz einkehren lassen, die er eigentlich gar nicht hatte. So können wir auch beten. Mormon ermahnte uns: „Betet mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater, dass ihr von dieser Liebe erfüllt werdet.“17
Dieser Geist kann uns auch ermuntern und aufbauen, wenn wir uns allein, unbeachtet oder mutlos fühlen.
Bob und Gwenda Arnold erhielten den Auftrag, nach Guatemala zu ziehen und dort das Seminar- und Institutsprogramm in Gang zu setzen. Bruder Arnold beschrieb, wie er sich fühlte, als er nach einem Arbeitsauftrag die lange Strecke nach Hause fuhr: „Es war halb eins oder eins am Morgen. Auf einmal fühlte ich eine schreckliche Einsamkeit, weil niemand auf der Welt wusste, wo ich war. Meine Familie glaubte, ich würde irgendwo schlafen. Die Menschen in den Vereinigten Staaten hatten keine Ahnung, wo ich mich aufhielt. Ich fühlte mich so allein. Als ich durch ein schönes [Waldstück] fuhr, der Himmel voller heller Sterne, blickte ich auf und der Geist flüsterte mir zu: ‚Ich weiß, wo du bist.‘ Die Einsamkeit verschwand. Auf dem Rest des Heimwegs musste ich die meiste Zeit weinen. Ich empfand Freude und Frieden, weil ich die Gewissheit hatte, dass der Vater im Himmel an mich dachte und wusste, was ich tat.“18
Wenn wir etwas aus der Geschichte von Seminar und Institut lernen können, dann sicherlich Dankbarkeit für den großen Vorzug, mit den glaubenstreuen Jugendlichen der Kirche zusammenzuarbeiten. Überall auf der Welt legen diese Schüler Glauben und Opferbereitschaft an den Tag. So stand zum Beispiel ein junger Mann jeden Morgen um Viertel nach drei auf, um rechtzeitig zum Seminar zu erscheinen. Auf seinem Weg dorthin musste er zu einer Bushaltestelle laufen, eine Viertelstunde mit dem Bus fahren, auf seinen Anschluss warten, mit dem zweiten Bus weiterfahren und schließlich vier Häuserblocks weiter zur Kirche laufen. Regen und Kälte waren keine Seltenheit. Zum Jahresende betrug seine Anwesenheit 90 Prozent, und er war stets pünktlich.
Ich möchte noch ein weiteres Beispiel anführen, das zeigt, wie gläubig und eifrig unsere Schüler sein können.
Stephen K. Iba, ein ehemaliger stellvertretender Administrator, war in den Philippinen auf Mission gewesen und kehrte dann einige Jahre später zurück, um das Seminarprogramm mit aufzubauen. Er berichtet vom Besuch bei einer Familie, die er von seiner Mission kannte und zu auch der Maria, eine lebhafte zwölfjährige Tochter, gehört hatte. Bruder Iba schreibt:
„Ich klopfte an die Tür des Betonsteinbaus … und die Mutter öffnete mir. … Ich [erklärte] ihr, warum ich zurückgekehrt war, und erzählte ihr vom Seminar im Heimstudium.
Ich erkundigte mich nach Maria. Sie muss damals etwa 19 Jahre alt gewesen sein. Der Vorhang, der den Raum teilte, wurde beiseitegeschoben. Dort lag Maria wie eine Schaufensterpuppe auf einer Pritsche. Sie wog nur etwa 25 Kilo und hatte Krebs im Endstadium. Als ich zu ihr ging, erhellte ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht und ihre Augen leuchteten.
Sie fragte mich, ob sie am Seminar teilnehmen könne. Sie hatte nur noch sechs Monate zu leben und wollte besser vorbereitet sein, ihre Angehörigen in der Geisterwelt zu unterweisen. Ich versprach ihr, dass sie die Leitfäden als Erste erhalten sollte, sobald diese in Manila eintrafen. Als ich eine Woche später zurückkam, war Maria bereit, mit dem Seminar zu beginnen.
Ihr Vater, der sich mittlerweile der Kirche angeschlossen hatte und Zweigpräsident war, hatte über ihrem Kopf Spiegel angebracht, damit sie aufblicken und lesen und schreiben konnte. Weil sie schon so schwach war, konnte sie nicht mehr aufrecht sitzen. Eine Woche bevor sie starb schloss Maria die letzte Übung im Heimstudium zum Buch Mormon ab – neun Monate Arbeit, tausend Seiten oder mehr, jedes Wort gelesen, jede Lücke ausgefüllt.“19
Wir hoffen, dass Sie dieses Geschichtswerk lesen werden, sobald es vorliegt, dass Sie die darin enthaltenen Lektionen verinnerlichen und dass Sie vor allem ein starkes Glied in der Kette unserer Geschichte werden, die sich weiter entfaltet.
Präsident Dieter F. Uchtdorf hat gesagt:
„Manchmal stellen wir uns die Wiederherstellung des Evangeliums als etwas vor, was bereits abgeschlossen ist. … Tatsächlich aber setzt sich die Wiederherstellung immer weiter fort; wir erleben sie gerade jetzt, in diesem Augenblick. …
Dieser Zeitabschnitt ist einer der erstaunlichsten der Weltgeschichte!“
In Anbetracht dessen forderte Präsident Uchtdorf uns auf, „die Wiederherstellung nicht [zu] verschlafen“20. Wir sollten die uns übertragene heilige Aufgabe, an diesem Kapitel der fortlaufenden Geschichte der Wiederherstellung mitzuwirken, dankbar und demütig annehmen.
Wir alle sind Zeugen davon, wie der Herr sein Erlösungswerk beschleunigt. Elder Quentin L. Cook hat gesagt: „Viel von der schwierigen Arbeit, das Erlösungswerk unter den Lebenden und den Toten zu beschleunigen, wird von [den] jungen Leuten geschultert.“21 Wir als Religionslehrer können sie bei ihrer schweren Arbeit unterstützen. Am besten gelingt uns dies, wenn wir, wie Präsident Eyring vor einigen Jahren vorschlug, mehr von ihnen verlangen und nicht weniger.22
Wenn die Schüler das Lernen auf eine neue Ebene heben, indem sie am Unterricht teilnehmen, außerhalb des Unterrichts lesen und an der Lernauswertung teilnehmen, sind sie besser vorbereitet als jede vorangegangene Generation.
Der christliche Autor und Apologet C. S. Lewis schrieb einmal: „Es ist zu allen Zeiten dasselbe: Die wichtigsten Ereignisse gehen nie in die Geschichtsbücher ein.“23 Seit über 100 Jahren arbeiten die Mitarbeiter von Seminar und Institut im Stillen daran, junge Menschen zu Christus zu führen, und bringen dafür Opfer. Die meisten dieser Mitarbeiter und ihre Geschichte werden nie in einem Buch stehen. Wir haben aber die Gewissheit, dass sie nicht unbeachtet bleiben. „Engel verzeichnen im Buche des Lebens all [unsere] Taten“24, darunter auch jede einzelne Tat, die das Werk des Herrn voranbringt – auch das, was Sie tun.
Wir sind heute kurz auf unsere Geschichte eingegangen. Wenn wir uns nun der Zukunft zuwenden, empfiehlt es sich, an ein Wort von Elder James E. Talmage zu denken: „Eine Prophezeiung“, sagte er, „beschreibt zukünftige Ereignisse vor ihrem Eintreten. Danach sind sie Teil der Geschichte. Was ihre Genauigkeit angeht, so ist der Prophezeiung mehr Vertrauen zu schenken als der Geschichte.“25
Und was sagen die Prophezeiungen über unsere Zukunft aus? Der Prophet Joseph Smith hat uns gesagt: „Keine unheilige Hand kann den Fortschritt dieses Werks aufhalten. … Die Wahrheit Gottes wird vorwärtsschreiten, unerschrocken, erhaben und unbeirrbar, bis sie jeden Kontinent durchdrungen, jeden Breitengrad erreicht, jedes Land überzogen hat und in jedem Ohr erklungen ist, bis die Pläne Gottes verwirklicht sind und der erhabene Jehova sagt: Das Werk ist getan.“26
Möge der Herr uns in unseren Bemühungen segnen, unsere Geschichte im Gedächtnis zu bewahren und entsprechend zu handeln, und mögen wir so dem Werk des Herrn einen glorreichen Sieg bescheren. Im Namen Jesu Christi. Amen.
© 2015 Intellectual Reserve, Inc. Alle Rechte vorbehalten. Genehmigung: Englisch 6/15, Genehmigung Übersetzung: 6/15. Das Original trägt den Titel: „Remember and Act“. German. PD10054335 150