„Ein besonderes Sommerlager“, Unser Freund, Oktober 2024, Seite 30f.
Ein besonderes Sommerlager
Kat wusste, wie man sich fühlt, wenn man anders ist.
Diese Geschichte spielt in den USA.
Nervös strich sich Kat über die Armprothese, als ihre Mutti in den Feldweg einbog. „Mutti, ich hab Angst!“
Mutti lächelte sie sanft an. „Ich weiß. Aber dir wird das Sommerlager gefallen, mein Schatz. Überleg mal, wie viele neue Kinder du kennenlernen wirst!“
Kat sagte nichts, aber innerlich dachte sie: Genau davor habe ich doch Angst.
Bald schon erreichten sie das Lager. Hier würde Kat ein paar Tage lang an Aktivitäten teilnehmen. Aber abends schliefen alle Kinder daheim. Mutti stellte Kat ihrem Betreuer Brian vor. „Kat musste als Baby der Arm amputiert werden“, erklärte Mutti. „Sie kann ganz normal spielen, aber manchmal fällt es ihr schwer, auf neue Leute zuzugehen.“
„Mach dir keine Sorgen, Kat“, sagte Brian. „Es ist schön, dass du hier bist!“
Kat wurde einer Gruppe zugeteilt, den „lila Tigern“. Es war toll, die anderen Kinder kennenzulernen! Sie machten eine Wanderung, naschten Cracker mit Käse und machten Wettrennen. Kat war die Schnellste aus der Gruppe!
Später gab Brian bekannt, dass sie als letzte heutige Aktivität gegen eine andere Gruppe im Sackhüpfen antreten würden. Kat hoffte, dass die lila Tiger gewinnen würden!
Als Kat an der Reihe war, zog sie den Sack zu den Knien hoch. Dann hüpfte sie los. Es war aber schwierig, den Sack mit nur einer Hand festzuhalten, und sie stolperte über den schweren Stoff. Kat fiel zu Boden und rollte über den Rasen. Als sie wieder aufgestanden war, war die andere Gruppe schon im Ziel angekommen. Kats Mannschaft hatte verloren.
Beim Abendessen erzählte Kat ihren Eltern, was beim Sackhüpfen passiert war. „Ich will nicht zurück ins Lager“, sagte sie. „Wir haben nur meinetwegen verloren. Bestimmt wollen die anderen gar nicht, dass ich zurückkomme.“
„Ach, mein Schatz. Das tut mir leid.“ Mutti nahm Kat fest in den Arm. „Deine neuen Freunde haben dich ganz bestimmt gern. Und weißt du, wer dich sowieso immer liebhat?“
„Du und Vati?“ Kat lächelte schwach.
„Genau! Wir lieben dich. Und der Vater im Himmel hat dich auch lieb! Du bist schließlich auch sein Kind.“
„Vor dem Sackhüpfen hattest du doch auch Spaß“, meinte Vati. „Gib dem Ganzen doch noch eine Chance.“
Kat nickte. „Na gut.“
Vati lächelte. „Achte darauf, wenn dich jemand freundlich behandelt. Und überleg dir, wie auch du nett sein kannst! Das hilft mir immer, wenn mal etwas nicht so läuft.“
Am nächsten Tag klatschte Kats Gruppe sie zur Begrüßung ab und umarmte sie. Vom Sackhüpfen redete niemand, und Kat vergaß schnell, dass sie sich überhaupt Sorgen gemacht hatte. Vor der ersten Aktivität scherzte sie mit ihren neuen Freunden herum.
Schließlich kam Brian zur Gruppe. Neben ihm stand ein Junge in Kats Alter. „Achtung, lila Tiger!“, sagte Brian. „Wir haben heute einen neuen Freund! Das ist Rodrigo. Er spricht nur Spanisch und wir suchen gerade nach einem Betreuer, der auch Spanisch spricht und ihm helfen kann.“
Kat lernte in der Schule Spanisch, aber sie kannte nur ein paar Wörter. Sie hatte Angst, Rodrigo anzusprechen.
Aber dann fiel ihr Blick auf ihn. Er sah auch ängstlich aus! Es ist bestimmt schwer, nicht die gleiche Sprache wie alle anderen zu sprechen, dachte sie. Sie wusste ja, wie man sich fühlt, wenn man anders ist.
Kat musste daran denken, wie ihre neuen Freunde sie in der Gruppe willkommen geheißen hatten. Sie hatte sich gleich angenommen gefühlt. Jesus hätte sich auch so verhalten! Und sie wollte sich auch Rodrigo gegenüber so verhalten.
Kat wusste, wie man auf Spanisch „Hallo“ sagt. Also holte sie tief Luft und ging zu Rodrigo. „Hola!“, begrüßte sie ihn lächelnd.
Die Angst in Rodrigos Gesicht wich, und er lächelte zurück. Kat streckte ihm ihre Prothese entgegen.
„¿Amigos?“, fragte sie. Freunde?
Rodrigos Lächeln wurde breiter. Er schüttelte ihre Hand. „Amigos.“
Illustration von Flavia Drago