2000–2009
Die ewige Ehe
April 2003


Die ewige Ehe

Wenn man möchte, dass etwas ewig hält, behandelt man es anders. Es wird zu etwas Besonderem, weil man es zu etwas Besonderem gemacht hat.

Vor einigen Jahren war ich mit meiner Frau zu einem Hochzeitsempfang im Freien eingeladen. Vorher waren wir im Tempel gewesen, wo die beiden jungen Menschen, die wir kannten, für Zeit und alle Ewigkeit getraut worden waren. Sie waren sehr verliebt. Es war fast ein Wunder gewesen, dass sie sich überhaupt kennen gelernt hatten. Es flossen reichlich Freudentränen. Am Ende jenes vollkommenen Tages standen wir in der Schlange der Gratulanten. Vor uns stand ein guter Freund der Familie. Als er an der Reihe war, sang er dem jungen Paar mit seiner wunderschönen klaren Tenorstimme diese bewegenden Verse aus dem Buch Rut vor: „Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich.“ (Rut 1:16,17.)

Wir waren tief bewegt und waren ganz sicher, dass sie glücklich werden würden – zum Teil wohl auch deshalb, weil diese Worte seit vielen Jahren bei uns zu Hause an der Wand hängen.

Leider verlieren diese wunderbaren Worte für viele zunehmend an Bedeutung. Viel zu viele Ehen werden heute geschieden. Egoismus, Sünde und Bequemlichkeit gewinnen oft die Oberhand über Bündnisse und Verpflichtungen.

Die ewige Ehe ist ein Grundsatz, der vor der Grundlegung der Welt aufgestellt und auf der Erde eingeführt wurde, noch ehe der Tod auf die Erde kam. Noch vor dem Fall wurden Adam und Eva im Garten von Eden von Gott verheiratet. Es steht geschrieben: „Am Tag, da Gott den Menschen erschuf, machte er ihn Gott ähnlich. Als Mann und Frau erschuf er sie, er segnete sie.“ (Genesis 5:1,2; Hervorhebung hinzugefügt.)

Die Propheten lehren übereinstimmend, dass die ewige Ehe der vollkommenste, höchste Bestandteil des großen Planes ist, den Gott zum Segen seiner Kinder aufgestellt hat. Präsident Ezra Taft Benson hat erklärt: „Dem Ehebund treu zu sein verschafft uns hier im Erdenleben die größte Fülle der Freude und im Jenseits herrlichen Lohn.“ (The Teachings of Ezra Taft Benson, 1988, Seite 533f.) Präsident Howard W. Hunter beschrieb die celestiale Ehe als „die krönende heilige Handlung des Evangeliums“ und stellte klar, dass manche zwar etwas länger darauf warten müssen, „vielleicht sogar über dieses sterbliche Leben hinaus“, sie aber niemandem, der würdig ist, verwehrt bleibe. (The Teachings of Howard W. Hunter, Hg. Clyde J. Williams, 1997, Seite 132, 140.) Präsident Gordon B. Hinckley hat die ewige Ehe als etwas „Wunderbares“ bezeichnet (siehe „Was Gott verbunden hat“, Der Stern, Juli 1991, Seite 68ff.), als eine „Gabe, die kostbarer ist als alle anderen“ („The Marriage That Endures“, Ensign, Mai 1974, Seite 23).

Doch auch wenn es eine so großartige und herrliche Gabe ist, so bekommt man sie doch nicht umsonst. Sie hängt von bestimmten Bedingungen ab, und selbst wenn man sie erhalten hat, kann sie einem wieder genommen werden, wenn man sich nicht an die Bedingungen des dazugehörigen Bundes hält. In Abschnitt 131 in Lehre und Bündnisse erfahren wir: „In der celestialen Herrlichkeit gibt es drei Himmel oder Grade, und um den höchsten zu erlangen, muss man in diese Ordnung des Priestertums [nämlich den neuen und immerwährenden Bund der Ehe] eintreten.“ (LuB 131:1,2.)

Ein Bund ist ein heiliges Versprechen. Wir versprechen, etwas zu tun, und Gott verpflichtet sich, etwas zu tun. Denen, die den Bund der Ehe einhalten, verheißt Gott die Fülle seiner Herrlichkeit, ewiges Leben, ewige Vermehrung, Erhöhung im celestialen Reich und eine Fülle der Freude. Das wissen wir alle, aber manchmal machen wir uns nicht viele Gedanken darüber, was wir tun müssen, um diese Segnungen zu erlangen. In den heiligen Schriften wird klar zum Ausdruck gebracht, dass zu diesem Bund wenigstens drei Verpflichtungen gehören.

Erstens: Die ewige Ehe ist ewig. Das bedeutet, dass stetiges Wachstum und Verbesserung notwendig sind. Es bedeutet, dass Mann und Frau sich aufrichtig darum bemühen, sich zu vervollkommnen. Es bedeutet, dass man die Ehe nicht beim ersten Anzeichen einer Meinungsverschiedenheit oder wenn es schwierig wird leichtfertig aufgeben darf. Es deutet darauf hin, dass die Liebe mit der Zeit stärker wird und auch über das Grab hinausreicht. Es bedeutet, dass jeder Ehepartner den anderen für immer bei sich haben kann und dass es besser ist, Probleme und Meinungsverschiedenheiten zu lösen, weil sie nicht von allein verschwinden. Ewig, das bedeutet auch Umkehr, Vergebungsbereitschaft, Langmut, Geduld, Hoffnung, Nächstenliebe, Liebe und Demut. All das gehört zu allem, was ewig ist, und gewiss müssen wir dies alles lernen und praktizieren, wenn wir eine ewige Ehe erreichen wollen.

Zweitens: Die ewige Ehe ist von Gott verordnet. Das bedeutet, dass diejenigen, die den Bund der Ehe eingehen, zustimmen, Gott in ihre Ehe einzuladen, gemeinsam zu beten, die Gebote zu halten, Wünsche und Leidenschaften in bestimmten Grenzen zu halten, wie sie die Propheten gelehrt haben. Es bedeutet, dass beide gleichwertige Partner sind und sowohl außerhalb als auch in der Familie treu und rein sind. Das ist unter anderem mit von Gott verordnet gemeint.

Drittens: Die ewige Ehe ist eine Art Partnerschaft mit Gott. Er verheißt denen, die im Tempel aneinander gesiegelt sind, den Weiterbestand der Leben. Das Gebot, das Adam und Eva erhielten, nämlich sich zu mehren und die Erde zu füllen, schließt Einigkeit mit dem Schöpfer ein. Dazu gehört die Verpflichtung, die Kinder das Evangelium zu lehren, denn es sind auch seine Kinder. Deshalb halten wir den Familienabend, studieren die heiligen Schriften, sprechen über das Evangelium und dienen unserem Nächsten. Dazu gehört wohl auch die Verpflichtung, einander in den Berufungen und Aufgaben zu unterstützen, die jedem übertragen werden. Wie können wir behaupten, mit Gott eins zu sein, wenn wir einander nicht unterstützen, wenn die Frau in die PV oder der Mann in die Bischofschaft berufen wird?

Der Bund der Ehe schließt also zumindest dies alles und wahrscheinlich noch mehr ein. Ich liege wohl nicht falsch, wenn ich sage, dass diejenigen, die ihren Ehepartner verbal oder physisch misshandeln, herabwürdigen oder erniedrigen oder in der Ehe ungerechte Herrschaft ausüben, den Bund der Ehe nicht einhalten. Auch diejenigen nicht, die die Gebote vernachlässigen oder ihre Führer nicht unterstützen. Selbst diejenigen, die einfach eine Berufung ablehnen, sich nicht um ihren Nächsten kümmern oder hie und da einer weltlichen Lebensweise folgen, sind in Gefahr. Wenn wir unseren Teil des Bundes nicht einhalten, haben wir keine Verheißung.

Vor allem denke ich, dass eine ewige Ehe nur dann erreicht werden kann, wenn wir uns verpflichten, zu ihrem Gelingen beizutragen. Das meiste, was ich darüber weiß, habe ich von meiner Frau gelernt. Wir sind nun schon seit fast 47 Jahren verheiratet. Sie wusste von Anfang an, wie sie sich unsere Ehe vorstellte.

Wir begannen als arme College-Studenten, aber ihr Silberbesteck veranschaulicht am besten ihre Vorstellung von unserer Ehe. Als wir heirateten, stellte sie, wie es auch heute üblich ist, in einem Kaufhaus eine Wunschliste für die Hochzeitsgeschenke zusammen. Anstatt all die Töpfe und Pfannen und Haushaltsgeräte aufzulisten, die wir gebraucht hätten, entschied sie sich für einen anderen Weg. Sie wünschte sich Silberbesteck. Sie wählte das Muster und die Anzahl aus und listete Messer, Gabeln und Löffel auf der Wunschliste auf und sonst nichts. Keine Handtücher, keinen Toaster, keinen Fernseher, nur Messer, Gabeln und Löffel.

Die Hochzeit kam und ging vorüber. Unsere Freunde und die Freunde unserer Eltern gaben uns ihre Geschenke. Wir machten eine kurze Hochzeitsreise und wollten die Geschenke nach unserer Rückkehr öffnen. Als wir es taten, waren wir schockiert. Kein einziges Messer, keine einzige Gabel waren dabei. Wir lachten darüber und das Leben ging weiter.

Während unseres Jurastudiums kamen zwei Kinder zur Welt. Wir hatten kein Geld übrig. Aber wenn meine Frau als Wahlhelferin arbeitete oder zum Geburtstag ein paar Dollar bekam, legte sie das Geld still beiseite und kaufte sich, wenn sie genug gespart hatte, eine Gabel oder einen Löffel. Es dauerte einige Jahre, bis wir so viel Silberbesteck zusammen hatten, dass wir es auch benutzen konnten. Als wir schließlich Silberbesteck für vier Personen hatten, begannen wir, Freunde zum Essen einzuladen.

Bevor sie kamen, hatten wir in der Küche immer eine kleine Auseinandersetzung. Welches Besteck sollten wir verwenden, das zerkratzte Alltagsbesteck, das gar nicht zusammenpasste, oder das besondere Besteck? Ich war damals oft für das rostfreie Alltagsbesteck. Es war einfacher. Man konnte es einfach nach dem Essen in die Spülmaschine stecken. Doch das Silberbesteck machte viel Arbeit. Meine Frau hatte es unter dem Bett versteckt, wo es ein Einbrecher nicht leicht finden konnte. Sie hatte darauf bestanden, dass ich ein spezielles Tuch kaufte, das das Anlaufen verhinderte. Darin wurde jedes Stück einzeln eingewickelt, und es war nicht leicht, alle Teile zusammenzusuchen. Wenn man das Silber benutzt hatte, musste man es von Hand spülen und abtrocknen, damit es keine Flecken gab, dann wieder in das Tuch wickeln, damit es nicht stumpf wurde, und es sorgfältig verstecken, damit es nicht gestohlen wurde. Sobald ein Fleck entdeckt wurde, musste ich Silberpolitur kaufen, und gemeinsam polierten wir dann das Silber.

Mit den Jahren kam weiteres Besteck dazu und ich war immer wieder erstaunt, wie sie dieses Silber pflegte. Meine Frau wird nicht schnell wütend. Ich erinnere mich jedoch an den Tag, an dem eines unserer Kinder irgendwie an eine der Silbergabeln gelangt war und versuchte, damit den Garten umzugraben. Dieser Versuch wurde mit einem finsteren Blick und der Warnung bedacht, nicht im Traum daran zu denken. Niemals!

Ich bemerkte, dass das Silberbesteck nie dabei war, wenn sie für die Gemeinde etwas zu essen kochte, auch nicht, wenn sie jemand, der krank oder bedürftig war, etwas zu essen schickte, was sie so häufig tat. Auch bei Picknicks oder beim Camping war es nicht dabei. Es war nie irgendwo dabei, und mit der Zeit kam es nicht einmal mehr oft auf den Tisch. Manche unserer Freunde wurden gewogen und für zu leicht befunden und wussten es gar nicht. Sie bekamen nur das Alltagsbesteck, wenn sie zum Essen kamen.

Dann wurden wir auf Mission berufen. Als ich eines Tages nach Hause kam, erfuhr ich, dass ich ein Schließfach für das Silber mieten musste. Sie wollte es nicht mitnehmen. Sie wollte es auch nicht dalassen. Und sie wollte es nicht verlieren.

Jahrelang dachte ich, sie sei nur ein wenig exzentrisch, aber eines Tages erkannte ich, dass sie schon seit langem etwas wusste, was mir gerade erst klar wurde. Wenn man möchte, dass etwas ewig hält, behandelt man es anders. Man beschützt es und bewahrt es. Man missbraucht es niemals. Man setzt es nicht den Elementen aus. Man macht es nicht zu etwas Alltäglichem und Gewöhnlichem. Wenn es stumpf wird, poliert man es liebevoll, bis es wieder glänzt wie neu. Es wird zu etwas Besonderem, weil man es zu etwas Besonderem gemacht hat, und es wird mit der Zeit immer schöner und wertvoller.

Genauso ist es mit der ewigen Ehe. Genauso müssen wir mit ihr umgehen. Ich bete, dass wir sie als die kostbare Gabe betrachten, die sie ist. Im Namen Jesu Christi. Amen.