2000–2009
In unseren Bündnissen standhaft sein
April 2003


In unseren Bündnissen standhaft sein

Beständigkeit in Christus bedeutet, dass wir unsere Bündnisse einhalten. Wenn wir das tun, wird unser Geist erbaut und unser Herz mit Liebe erfüllt.

Seit ich vor sechs Monaten diese Berufung erhalten habe, empfinde ich eine tiefe, von Gott gegebene Liebe für euch, meine lieben Schwestern. Ich wünsche mir sehr, dass ihr Mädchen überall auf der Welt wisst, dass wir euch lieb haben – und damit meine ich nicht nur mich, sondern auch eure Eltern und Führerinnen und vor allem den Vater im Himmel.

Manchmal ist es schwer, diese Liebe zu spüren. Ich kenne ein Mädchen, in dessen Leben scheinbar alles perfekt war. Sie war gerade zur Schulsprecherin gewählt worden, hatte beim Madrigalchor vorgesungen und war angenommen und als Ballkönigin der Schule gekürt worden. Eines Tages kam sie von der Schule nach Hause und warf sich weinend aufs Bett. Ihre Mutter fragte, was los sei, und die Tochter platzte heraus: „Nichts gelingt mir, niemand mag mich, ich habe kein einziges Talent, ich komme in der Schule nicht mit; außerdem bin ich hässlich.“ Niemand hätte gedacht, dass sie sich unsicher, einsam und unzulänglich fühlte. Aber die meisten Teenager haben von Zeit zu Zeit solche Gefühle.

Und manche Jugendliche haben noch viel offenkundigere Schwierigkeiten. Ich kenne beispielsweise ein Mädchen, dessen Mutter Krebs im Endstadium hat. Die Eltern eines anderen Mädchens sind geschieden. Ein Mädchen bleibt am Wochenende allein zu Hause, wenn alle ihre Freunde ausgehen und Alkohol trinken. Ein Mädchen ist nach einem Unfall behindert. Der Vater eines Mädchens wurde zum Militär einberufen. Eine liebe Schwester macht sich Sorgen um ihren Bruder, der auf Abwege geraten ist.

Was kann den Jugendlichen in all diesen überwältigenden Schwierigkeiten helfen? Das diesjährige Motto für die gemeinsamen JD- und JM-Aktivitäten, das auch heute Abend im Mittelpunkt steht, gibt darauf eine Antwort. Es lautet: „Darum müsst ihr mit Beständigkeit in Christus vorwärts streben, erfüllt vom Glanz der Hoffnung und indem ihr Liebe habt zu Gott und zu allen Menschen.“ (2 Nephi 31:20.) Ich mag diese Schriftstelle sehr. Sie beschreibt, wie wir den Herausforderungen des Lebens begegnen sollen. Wenn ich mit Hoffnung und Liebe vorwärts strebe, empfinde ich auch Hoffnung und Liebe.

Beständigkeit in Christus bedeutet, dass wir unsere Bündnisse einhalten. Jede Woche erneuern wir unseren Taufbund; dabei haben wir ja gelobt, „[seinen] Namen auf [uns] zu nehmen“, „immer an ihn zu denken“ und „seine Gebote … zu halten“ (siehe LuB 20:77). Wenn wir das tun, sind wir in Christus beständig und unser Geist wird erbaut und unser Herz mit Liebe erfüllt. Einfach gesagt: Wenn ich meine Bündnisse halte, empfinde ich Hoffnung und Liebe.

Meine junge Freundin, ich nenne sie Lindsey, brauchte Hoffnung. In ihrer Familie war der Geist nicht zugegen und es herrschte keine Liebe. Ihre Freunde waren kaum zu zügeln, und sogar die meisten ihrer JD-Führerinnen betrachteten sie nur als „Projekt“. Aber tief im Herzen spürte sie, dass der Herr sie liebte – trotz ihrer misslichen Lage. Sie nahm sich vor, immer an den Herrn zu denken, und beschloss, nicht mitzumachen, wenn ihre Freunde etwas Schlechtes taten. Sie bemühte sich, in ihrem Zimmer zum Vater im Himmel zu beten, weil sie seinen Geist spüren wollte. Etwas in ihr wollte gut sein, wollte die Gebote Gottes halten. Selbst mit ihrer begrenzten Erkenntnis und ohne Hilfe von außen bemühte sie sich, ihren Taufbund zu halten. Sie hatte genug Hoffnung, um nicht aufzugeben, und spürte die Liebe des himmlischen Vaters.

Der Herr hat verheißen, dass er uns nicht vergisst, denn er hat uns „eingezeichnet in [seine] Hände“ (Jesaja 49:16). Und wir haben ihm versprochen, ihn nicht zu vergessen, denn wir haben ihn in unser Herz eingezeichnet.

Die Mitglieder der Anfangszeit lernten dies in ihrer Drangsal in Missouri. Der Herr sagte ihnen: „Harrt geduldig auf den Herrn, denn eure Gebete sind dem Herrn … in die Ohren gedrungen …

Darum gibt er euch diese Verheißung mit dem unabänderlichen Bündnis, dass sie sich erfüllen werden; und alles, womit ihr bedrängt seid, wird sich für euch zum Guten … auswirken.“ (LuB 98:2,3.) Diese Verheißung beseitigte die Bedrängnisse nicht, aber sie schenkte Trost und Hoffnung für die Zukunft.

Genauso strebte Abraham beständig vorwärts und hielt an den Verheißungen fest, die Gott ihm gemacht hatte. Immer, wenn ich lese, wie Abraham ins Land Morija ging, um dort seinen Sohn Isaak zu opfern, fühle ich mit ihm. Er wusste – im Gegensatz zu uns, die wir die ganze Geschichte kennen – nicht, wie diese Prüfung ausging. Er ging ins Ungewisse. Und doch war er beständig. Er verließ sich auf die Verheißung, dass der Herr ihn segnen werde. Wie unruhig er auch gewesen sein mag – es hielt ihn nicht davon ab, mit Beständigkeit in Christus vorwärts zu streben.

Wie die Mitglieder in Missouri wusste Lindsey, dass der Vater im Himmel sie trotz ihrer misslichen Lage nicht verlassen hatte. Seine Liebe war stark. Sie fand Trost in dem „unabänderlichen Bündnis“ seiner Liebe – dass „alles, womit ihr bedrängt seid, … sich für euch zum Guten … auswirken [wird]“. (LuB 98:3.) So wie Abraham hatte auch sie keinen leichten Weg zu gehen, aber sie strebte vorwärts. Dabei fand sie Hilfe. Eine besondere Führungskraft in der Kirche erwies ihr Liebe und leitete sie an. Sie kam dem Vater im Himmel näher und lernte schließlich einen jungen Mann kennen, der sie liebte, sie viel in Bezug auf das Evangelium lehrte und sie heiratete.

Endlich empfing sie viele der Segnungen, nach denen sie sich vorher immer gesehnt hatte. Sie stellte fest, dass sie den Geist in ihrer Familie haben und rechtschaffene Kinder erziehen konnte. Dort, wo sie einst isoliert und vernachlässigt gewesen war, fühlte sie sich jetzt von Liebe eingehüllt. Das geschah, weil sie vorwärts gestrebt war und dabei geduldig auf den Herrn geharrt hatte. Beständigkeit in Christus hat Lindsey Hoffnung geschenkt, und so geht es jedem von uns im Ringen mit den Herausforderungen des Lebens. Die Worte, die der Chor heute Abend singt, fordern uns auf, zum Herrn zu kommen:

Selbst in Gefahr, wenn Übel droht,

bei ihm find ich den sichern Schutz.

Er hilft mir treu aus aller Not

und bietet selbst dem Feinde Trutz.

O kommt zu ihm, die Last ihr tragt!

Des Menschen Herz findt Ruh bei ihm.

Ihr Müden, die ihr irrt, euch plagt:

O kommt zu ihm! O kommt zu ihm!

(„Come unto Him“, Hymns, Nr. 114.)

Das Halten der Bündnisse schenkt uns nicht nur Hoffnung, so dass wir nicht aufgeben, auch unser Herz wandelt sich dadurch. Der Herr sagt in Jeremia: „Das wird der Bund sein, den ich … schließe … Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz.“ (Jeremia 31:33.) Bündnisse machen das Herz weit und lassen uns Liebe zu Gott und zu allen Menschen empfinden. (2 Nephi 31:20.) Denkt daran: Wenn wir unsere Bündnisse halten, empfinden wir Hoffnung und Liebe.

In der Bergpredigt lehrte Jesus Herzenseigenschaften wie Liebe, Vergebungsbereitschaft und Mitgefühl. Er lehrte uns, seine Jünger, dass wir seinen Namen und seine Wesensart annehmen sollen. Das bewirkt eine Wandlung des Herzens und verbessert unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Elder Marvin J. Ashton hat einmal gesagt: „Wenn wir uns wahrhaftig zu Jesus Christus bekehren und uns ihm verpflichten, dann geschieht etwas Interessantes: Unsere Aufmerksamkeit wendet sich dem Wohlergehen unserer Mitmenschen zu, und unser Verhalten ihnen gegenüber ist zunehmend von Geduld und Güte erfüllt [und] wir akzeptieren sie behutsam.“ („Die Zunge kann ein scharfes Schwert sein“, Der Stern, Juli 1992, Seite 19.)

Könnt ihr zu Hause, im Umgang mit euren Angehörigen, in Christus noch beständiger sein? Wenn ihr versprecht, seinen Namen und sein Wesen anzunehmen, heißt das, dass ihr etwas leiser sprecht, etwas freundlicher seid, euren Geschwistern selbstloser dient und euren Eltern offener Anerkennung und Unterstützung zeigt.

Unser Sohn tat das vor langer Zeit bei einem Familienausflug. Wir waren lange unterwegs, um ein herrliches Schloss zu besichtigen. Als wir endlich ankamen, war eine unserer kleineren Töchter müde und überdreht. Sie wollte nicht aussteigen und den kurzen Weg zu dem Ort laufen, für den wir diese lange Fahrt unternommen hatten. Die meisten von uns hatten keine Geduld mit ihr. Aber unser vierzehnjähriger Sohn hob sie behutsam auf seine Schultern und trug sie zum Schloss. Die Anspannung löste sich durch seinen kleinen Liebesdienst. Wir alle können uns besser daran erinnern als an das Schloss.

Manchmal ist es gerade zu Hause am schwersten, unser Bestes zu geben. Es erfordert das eifrige Bemühen, vorwärts zu streben. Aber wenn ihr euren Bund haltet, lernt ihr immer besser, jene zu lieben, an die ihr für alle Ewigkeit gebunden seid. Dann könnt ihr auch anderen, die nicht zu diesem Personenkreis gehören, eure Liebe erweisen.

Vor ein paar Jahren wohnte unsere Familie für kurze Zeit in Brasilien. Zwei Wochen vor unserer geplanten Heimkehr waren wir in einen Autounfall verwickelt. Wir waren im strömenden Regen nach der Abendmahlsversammlung nach Hause unterwegs und kamen an eine Kreuzung. Hinter einem geparkten Fahrzeug fuhr ein Auto los und traf uns von der Seite. Glücklicherweise wurde niemand verletzt, aber die Autos waren beide stark verbeult. Mein Mann John stieg aus, um mit dem anderen Fahrer zu sprechen. Ich erinnerte ihn daran, dass wir den Unfall nicht verschuldet hatten. Schon bald kam er zurück und wir fuhren langsam zu dem kleinen Bauernhaus, in dem wir wohnten. Bei jeder Umdrehung schleiften die Räder am Metall. Das andere Auto folgte uns. John sagte nur: „Ich erkläre das später.“

Als wir nach Hause kamen, holte John den Umschlag mit unserem Geld für Notfälle und gab der Familie Geld, damit sie ihr Auto reparieren lassen konnten. Sie fuhren glücklich nach Hause. Ich war überrascht. Dann rief John unsere Familie zusammen. Er wirkte, als wolle er sich für sein Handeln entschuldigen. „Ich weiß, dass wir den Unfall nicht verschuldet haben, aber als ich mit dieser Familie verhandelte, hatte ich nur einen Gedanken: Vor etwas über einer Stunde habe ich dem Vater im Himmel versprochen, immer so zu handeln, wie er es tun würde. Ich wusste, dass er in meiner Situation mit dieser Familie Mitgefühl gehabt und alles getan hätte, was er konnte, um ihr zu helfen.“ Welch vorbildlicher Ehemann und Vater! Er hatte an seinen Bund gedacht. Er hatte mit christusgleicher Liebe gehandelt und Herzen berührt.

Ich bezeuge euch: Wenn ich jeden Tag an meine Bündnisse denke, empfinde ich wirklich Hoffnung und Liebe. Ich weiß, dass ich vom Glanz der Hoffnung erfüllt bin und Liebe zu Gott und zu allen Menschen empfinde, wenn ich in Christus beständig bin.

„Was will der Vater nun von uns? Die heilge Schrift uns sagt: Lebt gläubig, hofft, folgt Jesus nach; helft denen, die verzagt.“ („Er sandte seinen Sohn“, Liederbuch für Kinder, Seite 20.) Ich bete darum, dass wir uns alle an ihn wenden, um Hoffnung zu erlangen, und seinem Beispiel der Liebe folgen. Im Namen Jesu Christi. Amen.