Mut in der Erziehung
Was die Welt wirklich braucht, ist mutige Erziehung durch Mütter und Väter, die sich nicht fürchten, den Mund aufzutun und Stellung zu beziehen.
Ich möchte heute zu den Eltern von Jugendlichen sprechen. Ihre aufgeweckten, dynamischen Jugendlichen sind die Zukunft der Kirche, und deshalb sind sie ein bevorzugtes Angriffsziel des Widersachers. Viele gläubige Mütter und Väter hören heute die Konferenz und beten um Antworten, die ihnen helfen, ihre Kinder durch diese entscheidenden Jahre zu führen. Meine ältesten Enkel haben gerade das Teenageralter erreicht, daher liegt mir dieses Thema sehr am Herzen. Es gibt keine vollkommenen Eltern und keine einfachen Antworten, aber es gibt wahre Grundsätze, auf die wir uns verlassen können.
Der Leitgedanke für die Aktivitäten der Jungen Damen und der Jungen Männer im Jahr 2010 wurde dem Buch Josua entnommen. Er beginnt mit den Worten: „Sei mutig und stark[!] Fürchte dich also nicht.“ (Josua 1:9.) Diese Aussage aus den heiligen Schriften wäre auch ein guter Leitgedanke für Eltern. Was die Welt in diesen Letzten Tagen wirklich braucht, ist mutige Erziehung durch Mütter und Väter, die sich nicht fürchten, den Mund aufzutun und Stellung zu beziehen.
Stellen Sie sich einen Augenblick lang vor, dass Ihre Tochter auf den Eisenbahnschienen sitzt und Sie hören, wie der Zug pfeift. Würden Sie sie warnen, damit sie von den Gleisen verschwindet? Oder würden Sie zögern, damit sie nicht denkt, Sie seien überängstlich? Falls sie Ihre Warnung ignorierte, würden Sie sie schnellstens in Sicherheit bringen? Das ist doch gar keine Frage, oder? Ihre Liebe zu Ihrer Tochter hätte Vorrang vor allen anderen Überlegungen. Ihr Leben wäre Ihnen wichtiger, als dass sie Ihnen momentan wohlgesinnt ist.
Auf unsere Jugendlichen steuern Herausforderungen und Versuchungen mit der Geschwindigkeit und Wucht eines Güterzugs zu. Wir werden in der Proklamation zur Familie daran erinnert, dass Eltern für den Schutz ihrer Kinder verantwortlich sind1 – sowohl in geistiger als auch in körperlicher Hinsicht.
Im Buch Mormon lesen wir, wie Alma der Jüngere seinem Sohn, der auf Abwege geraten war, zuredet. Korianton hatte einige schwerwiegende Fehler begangen, als er unter den Zoramiten eine Mission erfüllte. Alma liebte ihn genug, um das Problem ganz direkt anzusprechen. Er verlieh seiner großen Enttäuschung über das unsittliche Verhalten seines Sohnes Ausdruck und erklärte ihm die ernsten Folgen der Sünde.
Jedes Mal, wenn ich diese mutigen Worte Almas lese, inspirieren sie mich: „Und nun spricht der Geist des Herrn zu mir: Gebiete deinen Kindern, Gutes zu tun …; darum, in der Furcht vor Gott, gebiete ich dir, mein Sohn, von deinen Übeltaten abzulassen.“ (Alma 39:12.) Dieses frühe Eingreifen seines Vaters wurde für Korianton zu einem Wendepunkt. Er kehrte um und diente danach treu (siehe Alma 42:31; 43:1,2).
Stellen wir Almas Beispiel dem eines anderen Vaters aus den heiligen Schriften gegenüber, nämlich Eli im Alten Testament. Eli war der Hohe Priester in Israel, als der Prophet Samuel noch ein Kind war. Aus den Schriften wissen wir, dass der Herr ihn schwer tadelte, „denn er wusste, wie seine Söhne Gott lästern, und gebot ihnen nicht Einhalt“ (1 Samuel 3:13). Elis Söhne kehrten niemals um, und ganz Israel litt unter ihrer Torheit. Die Geschichte von Eli zeigt, dass Eltern, die ihre Kinder lieben, es sich nicht erlauben können, sich von ihnen einschüchtern zu lassen.
Vor einigen Jahren hat uns Elder Joe J. Christensen bei der Generalkonferenz erinnert, dass „Kindererziehung … kein Beliebtheitswettbewerb“ ist.2 In diesem Sinne hat Elder Robert D. Hales angemerkt: „Manchmal fürchten wir uns vor unseren Kindern – wir haben Angst, ihnen Rat zu erteilen, weil wir ihnen nicht zu nahe treten wollen.“3
Vor Jahren wollte unser 17-jähriger Sohn mit seinen Freunden, die alle brave Jungen waren, übers Wochenende einen Ausflug machen. Er bat uns um Erlaubnis. Ich wollte sie ihm zwar geben, aber aus irgendeinem Grund war mir nicht wohl dabei. Ich sprach mit meiner Frau darüber. Sie schloss sich meiner Meinung an. „Wir müssen auf diese warnende Stimme hören“, sagte sie.
Natürlich war unser Sohn enttäuscht und fragte, warum wir ihn nicht auf den Ausflug lassen wollten. Ich antwortete ihm ehrlich, dass ich den Grund nicht kannte. „Mir ist einfach nicht wohl dabei“, erklärte ich, „und ich liebe dich zu sehr, als dass ich diese innere Stimme ignorieren könnte.“ Ich war ziemlich überrascht, als er sagte: „In Ordnung, Dad, das verstehe ich.“
Junge Leute begreifen mehr, als uns bewusst ist, weil auch sie die Gabe des Heiligen Geistes haben. Sie versuchen, den Geist zu erkennen, wenn er spricht, und sie beobachten uns. Von uns lernen sie, auf Eingebungen zu achten – dass es das Beste ist, von einer Sache abzulassen, wenn sie „kein gutes Gefühl dabei haben“.
Ehepartner müssen einig sein, wenn sie in der Erziehung Entscheidungen treffen. Wenn einer von beiden kein gutes Gefühl bei etwas hat, sollte keine Erlaubnis erteilt werden. Wenn Ihnen oder Ihrem Ehepartner wegen eines Films, einer Fernsehsendung, eines Computerspiels, einer Party, eines Kleids, eines Badeanzugs oder eines Internetangebots nicht wohl ist, dann bringen Sie bitte den Mut auf, einander zu unterstützen und Nein zu sagen.
Ich möchte Ihnen den Brief einer verzweifelten Mutter vorlesen. Ihr jugendlicher Sohn verlor allmählich sein Empfinden für den Geist und wurde in der Kirche immer weniger aktiv. Sie erklärt, wie das geschah: „Als mein Sohn Teenager war, machte ich mir all die Jahre Sorgen, weil er sich mit brutalen Computerspielen beschäftigte, und ich versuchte, ihn davon abzubringen. Ich sprach mit meinem Mann und zeigte ihm Artikel im Ensign und in der Zeitung, in denen vor diesen Spielen gewarnt wurde. Aber mein Mann hielt es nicht für problematisch. Er sagte, unser Sohn nehme ja keine Drogen und ich solle mir keine Sorgen mehr machen. Manchmal versteckte ich die Gamecontroller, aber mein Mann gab sie ihm wieder zurück. Irgendwann war es einfacher für mich, nachzugeben … als die Sache durchzuziehen. Meiner Meinung nach machen elektronische Spiele genauso süchtig wie Drogen. Ich würde alles tun, um andere Eltern davor zu bewahren, dieselbe Erfahrung machen zu müssen.“
Brüder und Schwestern, wenn Ihrem Ehepartner aus irgendeinem Grund nicht wohl bei etwas ist, dann achten Sie diese Gefühle. Wenn Sie den Weg des geringsten Widerstands wählen und nichts sagen und unternehmen, ebnen Sie unter Umständen zerstörerischem Verhalten die Bahn.
Eltern können eine Menge Kummer vermeiden, indem sie ihre Kinder dazu anhalten, mit romantischen Beziehungen zu warten, bis die Zeit reif ist für die Ehe. Sich zu früh einen festen Freund oder eine feste Freundin zu suchen ist gefährlich. „Miteinander zu gehen“ schafft eine gefühlsmäßige Intimität, die zu oft zu körperlicher Intimität führt. Der Satan kennt diese Abfolge und macht sie sich zunutze. Er tut alles, wozu er fähig ist, um junge Männer davon abzuhalten, auf Mission zu gehen, und um eine Tempelehe zu verhindern.
Es ist entscheidend, dass die Eltern mutig den Mund auftun, bevor der Satan triumphiert. Präsident Boyd K. Packer hat deutlich gemacht: „Wenn es um Moral geht, haben wir sowohl das Recht als auch die Pflicht, eine warnende Stimme zu erheben.“4
Ich war schon immer der Meinung, dass spätabends wirklich nichts Gutes geschieht und dass junge Leute wissen müssen, um welche Uhrzeit sie zu Hause zurückerwartet werden.
Es zeugt von großer Weisheit, wenn Eltern aufbleiben und auf ihre Kinder warten. Jungen und Mädchen treffen weitaus bessere Entscheidungen, wenn sie wissen, dass ihre Eltern auf sie warten, um zu hören, wie ihr Abend war, und ihnen einen Gutenachtkuss zu geben.
Ich möchte noch eine persönliche Warnung über einen Brauch aussprechen, der in vielen Kulturen gang und gäbe ist. Ich spreche von Übernachtungen bei Freunden. Als Bischof habe ich bemerkt, dass zu viele Jugendliche zum ersten Mal das Wort der Weisheit oder das Gesetz der Keuschheit brachen, als sie bei Freunden übernachteten. Zu oft kamen sie das erste Mal mit Pornografie in Berührung oder bekamen sogar Ärger mit der Polizei, als sie die Nacht außer Haus verbrachten.
Der Gruppenzwang wird stärker, wenn sich unsere Kinder außerhalb unseres Einflussbereichs befinden und wenn spät am Abend ihre Widerstandsfähigkeit geschwächt ist. Wenn Ihnen jemals wegen einer Übernachtung unwohl zumute ist, dann scheuen Sie sich nicht davor, auf diese warnende innere Stimme zu hören. Haben Sie immer ein Gebet im Herzen, wenn es darum geht, Ihre kostbaren Kinder zu beschützen.
Mutige Erziehung bedeutet nicht immer, Nein zu sagen. Eltern brauchen auch Mut, um Ja zu sagen, nämlich zum Rat der neuzeitlichen Propheten. Die Führer der Kirche haben uns geraten, bei uns zu Hause Gewohnheiten einzuführen, die der Rechtschaffenheit zuträglich sind. Halten Sie sich fünf grundlegende Gewohnheiten vor Augen, die sehr dazu beitragen, unsere Jugendlichen zu festigen: das Familiengebet, das Schriftstudium mit der Familie, den Familienabend, gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie und regelmäßige Gespräche mit jedem Kind unter vier Augen.
Es erfordert Mut, die Kinder bei dem, womit sie sich gerade beschäftigen, zu unterbrechen, damit die Familie gemeinsam niederkniet. Es erfordert Mut, den Fernseher und den Computer auszuschalten und Ihre Familie jeden Tag durch die Seiten der heiligen Schriften zu führen. Es erfordert Mut, andere Einladungen für den Montagabend auszuschlagen, damit Sie diesen Abend für Ihre Familie reservieren können. Es erfordert Mut und Willenskraft, dafür zu sorgen, dass es nicht zu viele Termine gibt und die Familie zum gemeinsamen Essen zu Hause sein kann.
Eine der wirksamsten Methoden, wie wir unsere Söhne und Töchter beeinflussen können, besteht darin, uns mit ihnen unter vier Augen zu beraten. Durch aufmerksames Zuhören kann man ihre Herzenswünsche entdecken, ihnen helfen, sich gute und richtige Ziele zu stecken, und ihnen auch geistige Eindrücke mitteilen, die man in Bezug auf sie erhalten hat. Sich zu beraten erfordert Mut.
Versuchen Sie, sich vorzustellen, was aus der heranwachsenden Generation werden könnte, wenn diese fünf guten Gewohnheiten in jeder Familie beständig gepflegt würden. Unsere jungen Leute wären wie das Heer Helamans: unbesiegbar (siehe Alma 57:25,26).
In den Letzten Tagen Jugendliche zu erziehen, ist eine Aufgabe, die einen sehr demütig stimmt. Der Satan und seine Anhänger trachten danach, diese Generation hinabzuzerren; der Herr zählt auf tapfere Eltern, die sie emporziehen. Eltern, seid mutig und stark und fürchtet euch nicht! (Vgl. Josua 1:9.) Ich weiß, dass Gott Ihre Gebete vernimmt und Ihnen Antwort geben wird. Ich bezeuge, dass der Herr mutige Eltern unterstützt und segnet. Im Namen Jesu Christi. Amen.